Exkarnieren Anhang 9 Sterbebegleitung (Jakob Simmank)

https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-03/tod-sterben-palliativmedizin-hospiz-nahtod-koerper-entladung-gehirn

https://www.walaarzneimittel.de/de/magazin/pflege-zuhause-palliativpflege.html?&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=november

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/sterbehilfe-selbstbestimmt-in-den-tod-dunja-hayali-trifft-hans-juergen-brennecke-100.html

https://www.zeit.de/zeit-magazin/2022/52/noah-berge-sterbehilfe-suizid

Nahtoderfahrungen Blick in eine andere Welt: Aktuelle Antworten der Wissenschaft Autor Wolfgang Knüll

 

Vergleich: Cad-met.  Siehe: Anhang 2 (Interview: Gian Domenico Borasio/Johannes W. Schneider) + Anhang 3 (Interview: Rosina Sonnenschmidt) + Anhang 4 (Paolo Bavastro/Aktive Sterbehilfe) + Tod Repertorium: (Mirilli) + Anhang 5 (Birgitt Bahlmann/Anna von Münchhausen) + Anhang 6 ( Floris Reitsma /Boudewijn/Chabo) + Anhang 7 (Christian Schüle - aus "Christ & Welt") + Anhang 8 (Elisabeth Kubler-Ross/Lia Bello/M.Girke) + Anhang 9 Sterbebegleitung (Jakob Simmank) + Organspende (Rosina Sonnenschmidt/ Hinrich Baumgart ) + Psychopomp + Anthroposofie (Rudolf Steiner) + Homeopathy and Palliativmedizin/https://hpathy.com/homeopathy-papers/death-final-frontier/

 

Suizidgedanken

Hilfe holen

Suizidgedanken ähneln einem Teufelskreis, der unausweichlich scheint, sich aber durchbrechen lässt. Häufig sind sie eine Folge psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, die mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden können.

Betroffene finden zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärztinnen sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Besorgniserregend seien nicht nur klare Suiziddrohungen und -ankündigungen, auch indirekte Äußerungen der Hoffnungslosigkeit wie "Es hat alles keinen Sinn mehr"

oder "Irgendwann muss auch mal Schluss sein". Zudem könnten bestimmte Verhaltensweisen auf Suizidgedanken hindeuten. So wollen suizidgefährdete Menschen häufig

ihre Angelegenheiten ordnen, also zum Beispiel Wertgegenstände verschenken oder ihr Testament aufsetzen. Auch stimmt der Entschluss zur Selbsttötung manche Menschen mit Depressionen ruhiger und weniger verzweifelt, was häufig als Besserung des psychischen Zustands miss interpretiert wird.

Hilfe für Angehörige bietet neben der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention auch der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker unter der Rufnummer

0180 – 59 50 951 und der Festnetznummer 0228 – 71 00 24 24 sowie der E-Mail-Adresse seelefon@psychiatrie.de.

 

 

Ulmus glabra = Wych Elm: Useful to protect the dead and dying/for those who cannot let go at the end of life. Helps remove fears over what and who are being left behind.

Rosales

 

[Dr. Alfred Pulford]

End of life: Ant-t. Ars. Carb-v. Lach. Tarant. Tarant-c

[Jakob Simmank]

Interview:  mit Gian-Domenico Borasio: "Durch Übertherapie sterben wir schlechter und früher"

Zu viel Behandlung mache den Tod qualvoller als nötig, sagt Europas wichtigster Palliativmediziner Gian-Domenico Borasio. Lebensqualität sei das Maß - gerade im Sterben.

2. April 2018, 17:04 Uhr 141 Kommentare

Gian-Domenico Borasio, Professor für Palliativmedizin an der Universität Lausanne und Autor der Bücher "Über das Sterben" und "Selbstbestimmt Sterben".

: Niemand will am Lebensende leiden. Dank der Palliativmedizin müssen das heute auch die wenigsten.

Wie gehen Menschen damit um, dass alle sterben müssen? Wir fragen in der Serie "Der Tod ist groß" nach der Rolle des Sterbens im Leben und in der Gesellschaft.

Hier haben wir mit dem Mediziner Gian-Domenico Borasio gesprochen, der Menschen im Sterben betreut.

 

ZEIT ONLINE: Palliativmedizinerinnen und -mediziner kümmern sich um Sterbende. Diesen Bereich betrachten viele Leute als menschlichere Medizin, da er sich stärker

um die Bedürfnisse und Symptome von Patienten kümmert, als um ihre Krankheiten. Herr Borasio, ist die Palliativmedizin die bessere Medizin?

Gian-Domenico Borasio: Sie ist weder besser noch schlechter als der Rest der Medizin, sie hat nur eine andere Zielsetzung: Es geht nicht darum, das Leben der Patienten

zu verlängern oder ihre Gesundheit wiederherzustellen, sondern die Lebensqualität in der letzten Lebensphase zu verbessern.

Das meint übrigens eher die letzten 24 Monate als die letzten 24 Stunden. Der Ansatz ist ganzheitlich und umfasst die physischen, psychosozialen und spirituellen Bedürfnisse der Patienten und ihrer Familien. Dafür brauchen wir mindesten fünf Berufsgruppen: Psychologen für Menschen mit Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Problemen, Seelsorgerinnen für existentielle und spirituelle Fragen, Sozialarbeiter, um das soziale Umfeld zu stützen, das oft noch stärker belastet ist als der Patient selbst.

Und natürlich Ärztinnen und Pflegende. Dabei basiert die Palliativmedizin auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sie setzt moderne Medikamente und technische Hilfsmittel wie eine nicht-invasive Heimbeatmung, schmerzlindernde Strahlentherapie oder computergesteuerte Medikamentenpumpen ein.

 

ZEIT ONLINE: Viele Patientinnen berichten, dass auf Palliativstationen eine ganz andere Atmosphäre herrscht. Es gibt Zeit, es gibt eine andere Personaldecke, es gibt eine Form von Zuwendung und Wärme, die Patienten in anderen Fächern gar nicht mehr gewöhnt sind.

Borasio: Die Basis der Palliativmedizin ist etwas, das eigentlich die Basis der gesamten Medizin sein sollte, nämlich das aktive Zuhören. Es ist meine tiefe Überzeugung:

Die Medizin der Zukunft wird eine hörende sein, oder sie wird nicht mehr sein.

 

ZEIT ONLINE: Sie haben mehr als 10.000 Menschen beim Sterben begleitet: Gibt es einen sanften Tod für die meisten Menschen?

Borasio: Der Begriff des sanften Todes ist für die Praxis wenig hilfreich. Ein Tod muss nicht sanft sein und kein Mensch muss beim Sterben loslassen, wenn er das nicht

will. Wir sollten aufpassen, dass wir unsere Patienten nicht in präformierte Vorstellungen darüber hineinpressen, wie ein guter Tod auszusehen hat. Das wäre palliativer Paternalismus. Wenn es etwas gibt, was ich in vielen Jahren Palliativmedizin gelernt habe, dann dies: mich zurückzuziehen mit meinen persönlichen Vorstellungen, was

für eine bestimmte Person ein guter Tod sein könnte. Der einzige, der das sagen kann, ist der Patient selbst.

 

ZEIT ONLINE: Aber was machen Sie dann?

Borasio: Der Dichter Rainer Maria Rilke hat das auf den Punkt gebracht: "Oh Herr, gib jedem seinen eigenen Tod", schrieb er einmal. Die Palliativmedizin will ermöglichen, dass jeder Mensch den ihm angemessenen Tod stirbt. Im Großen und Ganzen sterben die Menschen dabei so, wie sie gelebt haben. Und der eigene Tod kann sehr unterschiedlich aussehen. Ein Beispiel: Wir hatten einmal eine Patientin, die mit Krebs im Endstadium zu uns kam. Sie hatte Schmerzen, Atemnot und viele andere Symptome. Wir haben uns um alles gekümmert, aber trotzdem gab es während jeder Visite ein Riesentheater, nichts war ihr gut genug. Gleichzeitig hatten wir aber den Eindruck, dass unsere Therapie wirkt. Und dann erzählte uns der Seelsorger, dass die Dame in ihrer Jugend eine große Operndiva war. Da wurde uns klar, dass ihr ganzes Leben ein großes Theater gewesen war und dass die letzte Aufführung auch nicht anders werden würde. Das hat uns in der weiteren Begleitung sehr geholfen.

 

ZEIT ONLINE: In der Medizin wird manchmal ein Schaden in Kauf genommen, um zu einer Heilung oder einer Verlängerung des Lebens zu kommen. Z.B. während einer Chemotherapie. Schließt die Palliativmedizin all das aus?

Borasio: In der Palliativmedizin können wir den Patienten keine Heilungschancen anbieten, wir setzen aber auch nichts ein, was der Lebensqualität des Patienten schaden kann. Auf einem anderen Blatt steht, dass gute Palliativmedizin erstaunlicherweise lebensverlängernd wirkt. Es gibt eine berühmte Studie aus den USA, die zwei Patientengruppen mit fortgeschrittenem metastasiertem Lungenkrebs miteinander verglichen hat, also einer sehr schweren Erkrankung mit kurzer Lebenserwartung

(New England Journal of Medicine: Temel et al., 2010). Die eine Gruppe erhielt frühzeitig eine palliative Versorgung, die andere nicht. In der Palliativgruppe hatten die Menschen eine bessere Lebensqualität, waren weniger depressiv und bekamen weniger Chemotherapien am Lebensende. Aber das erstaunlichste Ergebnis dieser Studie war: Diese Gruppe von Patienten lebte auch drei Monate länger. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4473359/)

 

ZEIT ONLINE: Wie erklärt man sich das?

Borasio: Es ist zum einen schon lange bekannt, dass das psychologische Wohlbefinden mit der Überlebenszeit zusammenhängt. Eine zweite Hypothese aber ist:

Viele Krebspatienten bekommen am Lebensende Therapien, Chemotherapien oder Bestrahlungen zum Beispiel, die sie eigentlich nicht mehr vertragen können.

Durch Übertherapie am Lebensende sterben wir nicht nur schlechter, sondern auch früher. Überspitzt formuliert, könnte man die Übertherapie am Lebensende als die

häufigste Form der aktiven Lebensverkürzung in Deutschland bezeichnen.

 

ZEIT ONLINE: Das ist eine starke These. Gibt es ähnliche Erkenntnisse auch von anderen Erkrankungen?

Borasio: Studien, die nach einem ähnlichen Effekt suchen, laufen gerade. Aber die US-amerikanische Studie deckt sich mit unseren klinischen Erfahrungen.

Wir bekommen täglich Patienten mit stärksten Beschwerden auf die Palliativstation verlegt, die vermeintlich im Sterben liegen. Wir streichen dann alle unnötigen

Medikamente und konzentrieren uns auf die Behandlung der belastenden Symptome. Und zwei Wochen später können die Patienten nach Hause zurückkehren.

Die Übertherapie ist in den industrialisierten Ländern leider flächendeckend verbreitet. Als Palliativmediziner haben wir die Möglichkeit, das Gesundheitssystem vom

Ende her zu überblicken, denn die Leute kommen mit sehr langen Krankengeschichten und vielen, nicht immer guten Erfahrungen zu uns.

 

ZEIT ONLINE: In der letzten Lebensphase, den letzten zwei oder drei Jahren wird mindestens ein Drittel der gesamten Ausgaben für die Gesundheit eines Menschen verbraucht.

Borasio: Ja, wir sprechen hier für Deutschland jährlich von dreistelligen Milliardenbeträgen. Wenn man die lebensverlängernde Wirkung vieler Krebsmedikamente mit der Wirkung der Palliativmedizin vergleicht, gibt es keinen Unterschied. Aber einige dieser Medikamente kosten 100.000 Euro und mehr und haben starke Nebenwirkungen.

Die US-Daten zeigen hingegen, dass die Palliativmedizin dem Gesundheitssystem –u.a. durch die Vermeidung von unnötigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen- im Schnitt jeden Tag 117 US-Dollar pro Patient spart.

 

ZEIT ONLINE: Bei solchen Fragen wird es schnell politisch.

Borasio: Die Palliativmedizin ist ein sehr politisches Fach, denn sie legt den Finger in die Wunden der modernen Medizin. Wir sind die Umsatzkiller schlechthin, weil wir

am Lebensende, also dort, wo die Gesundheitsindustrie am meisten verdient, die unbequeme Frage stellen, ob immer alles sinnvoll ist, nur weil es machbar ist.

 

ZEIT ONLINE: Gleichzeitig gibt es in bestimmten Bereichen der Medizin eine Unterversorgung, also zu wenig Ärztinnen und Ärzte und keinen Zugang zu bestimmten Therapien. Ist das für Sterbende nicht genauso schlimm?

Borasio: Die Kehrseite der Übertherapie ist die Unterversorgung, auch durch mangelnde Pflege. Besonders gefährdet sind hier Hochbetagte und unterprivilegierte Menschen. Wenn wir so weitermachen, besteht die Gefahr, dass wir bald nur noch überversorgte oder unterversorgte Patienten im System haben. In der Schweiz bekommen Privatpatienten doppelt so oft eine Chemotherapie in den letzten 30 Lebenstagen wie gesetzlich Versicherte, was meist keine gute Idee ist. Auch wenn es paradox klingt: Wenn sie nur die Wahl zwischen den zwei Extremen haben, ist es am Lebensende eindeutig besser, unterversorgt als überversorgt zu sein.

 

ZEIT ONLINE: Es sind ja nicht allein die Versicherungen und die Gesundheitsindustrie, die das Sagen haben. Wie wir das Gesundheitssystem strukturieren, ist doch

vor allem eine politische Frage.

Borasio: Das ist richtig. Aber die Lobbyisten sind sehr mächtig. Das System versucht die Palliativmedizin zu domestizieren, ihre verändernde Kraft abzuschwächen und

sie letztlich zu einem weiteren pharmafreundlichen, schmerzmittelverschreibenden Fach zu machen. In Deutschland ist die Palliativmedizin zu weiten Teilen faktisch anästhesiert, also gewissermaßen betäubt. Eine weitere, sehr schlaue Strategie des Systems besteht darin, die Palliativmedizin als eine ethisch besonders hochstehende

Disziplin darzustellen, sozusagen als die Gutmenschen-Medizin. Das führt zum einen zu einer schleichenden Marginalisierung und zum anderen unweigerlich zur bitteren Enttäuschung: Palliativmediziner sind nämlich nicht ethischer als alle anderen Ärzte.

 

ZEIT ONLINE: Wie sähe für Sie denn eine gute Fortentwicklung des Fachs aus?

Borasio: Was wir dringend brauchen, ist eine bessere Finanzierung von palliativmedizinischen Konsiliardiensten in Krankenhäusern. Das sind Ärzte, die auf verschiedenen Stationen Patienten palliativmedizinisch mitbetreuen und die behandelnden Ärzte beraten. Und die Palliativmedizin muss in die Köpfe aller Ärzte. Inzwischen ist sie zum Glück Pflichtfach im Medizinstudium in Deutschland und der Schweiz. Im ambulanten Bereich wurde in Deutschland durch die Einführung der spezialisierten ambulanten Palliativteams schon viel erreicht. Menschen sollten im Allgemeinen und auch am Lebensende möglichst wenig in Krankenhäusern sein. Wir müssen aber aufpassen, dass wir diese Palliativteams nicht den Gesetzen des Marktes unterwerfen, denn das birgt das Risiko von Dumpingpreisen und schlechter Versorgung. Palliativbetreuung ist, wie die Gesundheit schlechthin, ein Menschenrecht und keine Ware.

 

ZEIT ONLINE: Ist die Diskussion nicht komplexer? Die Umstrukturierung des Gesundheitssystems ist ja in einigen Bereichen sinnvoll. So hat man vor 15 Jahren Tagespauschalen durch Fallpauschalen ersetzt, nach denen Krankenhäuser für bestimmte Krankheitsbilder eine pauschale Entlohnung von den Krankenkassen bekommen.

Die Liegedauer von Patienten konnte dadurch verringert werden. Und das ist oft gut, denn je länger ein Patient zum Beispiel auf Station liegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich einen multiresistenten Keim einfängt. Letztlich ging es also auch um Effizienz, die gesundheitsfördernd ist. Braucht es also wirklich eine Änderung des ganzen Systems oder brauchen wir Änderungen spezifisch für die Palliativmedizin?

Borasio: Das stimmt, in manchen Bereichen funktionieren die Fallpauschalen prächtig, in der Orthopädie bei Knieprothesen beispielsweise. Aber auf Palliativstationen ergeben sie einfach keinen Sinn. Das Ziel der Verkürzung der Liegedauer führt hier, wo mindestens die Hälfte der Patienten stirbt, zu einem fürchterlichen Fehlanreiz hin zum fallpauschalenverträglichen Frühableben. Die Australier, von denen die Deutschen das Fallpauschalensystem übernommen haben, haben die Palliativmedizin von Anbeginn

an aus dem System genommen. Das sollte uns zu denken geben.

 

ZEIT ONLINE: In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Palliativmedizin immer populärer geworden. Hat das mit unserer Angst vor dem Tod und Sterben zu tun?

Borasio: Auf der einen Seite steht die Angst vor dem Tod, die untrennbar mit bestimmten Fragen verbunden ist: Was kommt nach dem Leben? Wird mein eigenes Ich ausgelöscht oder existiert es in irgendeiner Form weiter? Diese Angst können wir leider nicht verringern, denn wir wissen genauso wenig wie unsere Patienten, was danach kommt.

Auf der anderen Seite steht die Angst vor dem Sterben, also davor, dass die letzte Lebensphase qualvoll verläuft. Diese Angst können wir den Menschen dank der Fortschritte in der Palliativmedizin tatsächlich weitgehend nehmen. Und es ist wichtig, diese Information weiterzugeben. Denn indem wir diese Angst vermindern, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit eines guten Verlaufs der letzten Lebensphase.

 

[Jakob Simmank]

Wenn wir sterben, zündet ein Feuerwerk

Beim Sterben verändert sich unser Körper, die Atmung, der Blutkreislauf, das Bewusstsein. Wir erklären, wie genau. Denn den Tod zu kennen, kann Ängste nehmen.

30. März 2018, 14:32 Uhr 388 Kommentare

Tod: Was geschieht mit uns in den letzten Monaten, Tagen und Stunden des Lebens?

Wie gehen Menschen damit um, dass alle sterben müssen? Wir fragen in der Serie "Der Tod ist groß"  nach der Rolle des Sterbens im Leben und in der Gesellschaft.

Wann fängt es an? Wann macht ein Mensch sich auf den Weg in Richtung Tod?

Unser Sterben beginnt, lange bevor wir geboren werden. Noch im Mutterleib, in dem durchsichtigen Zellhaufen, aus dem jede und jeder von uns entsteht. Hier müssen überflüssige Körperzellen Platz machen. Nur so können sich die Organe des wachsenden Häufchens Mensch entwickeln. Nur so kommt es mit nur zwei Nieren und nur

zehn Fingern zur Welt. Ins Erbgut jeder Körperzelle sind Programme eingeschrieben, die wie ein Schleudersitz wirken. Der löst aus, sobald eine Zelle nicht mehr gebraucht wird oder sie dem Körper gefährlich werden könnte. Die Zelle fliegt in den freiwilligen Tod.

Menschwerdung ist ein zerbrechliches Spiel von Sterben und Leben lassen. Sterben, schreibt der Palliativmediziner Gian-Domenico Borasio in seinem Buch Über das Sterben, "ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt als lebensfähige Organismen auf die Welt kommen."

 

    Was wir sicher wissen, ist dass der Mensch nicht auf einmal stirbt

Gian-Domenico Borasio, Palliativmediziner

Der Tod ist allgegenwärtig - und doch vergessen wir ihn von Geburt an. Wenn alles gut geht, taucht er erst Jahrzehnte später wieder in unserem Leben auf. Oft in Form einer Krankheit, die die Ärzte nicht mehr heilen können: Krebs, ein Herzleiden oder Nieren, die das Blut nicht mehr filtern wollen. Der Prozess des Sterbens, der dann einsetzt,

geht stufenweise. "Was wir sicher wissen, ist dass der Mensch nicht auf einmal stirbt, sondern dass die einzelnen Organe mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Funktion einschränken und später einstellen", formuliert es Borasio. Einer Kettenreaktion folgend geben Leber, Niere, Lunge und Herz

auf. Trotz der Verschiedenheit der Krankheiten steht am Ende eines: Das Herz hört auf zu schlagen, der Atem erlischt und das Bewusstsein schwindet.

Unser Autor hat selbst einmal in einem Palliativdienst hospitiert, der Menschen zu Hause beim Sterben begleitet. Er war erstaunt, wie gelassen viele Menschen ihrem Tod entgegenblicken.

Herz und Gehirn sind währenddessen kaum voneinander zu trennen. Denn hört das Herz auf, sauerstoffreiches Blut durch den Körper zu pumpen, fangen die Gehirnzellen schon nach Sekunden an zu sterben. Nach Minuten tritt der Hirntod ein: Wer jetzt versuchen würde, die Hirnströme abzuleiten, sähe statt Wellen und Zacken eine gerade Linie im EEG. Auch die Reflexe tiefer liegender Hirnareale, die für das Atmen, Schlucken und die Wachheit wichtig sind, erlöschen. Beendet das Herz seine Arbeit, folgt also kurz danach das Gehirn. Manchmal aber ist es auch anders herum: Im Gehirn sitzen Zentren, die alle lebenswichtigen Funktionen steuern: Blutdruck, Herzschlag, Atmung. Nehmen sie Schaden, stoppt die Atmung oder das Herz gerät aus dem Takt. Oft werden die Zentren geschädigt, wenn durch einen Unfall oder Schlaganfall der Druck im Gehirn rasant steigt. Weil der knochenharte Schädel dem Hirngewebe keine Möglichkeit gibt, auszuweichen, wird es mitunter in die einzige Öffnung gedrückt, die der Schädel hat:

Das Foramen magnum, durch den das Rückenmark in den Schädel eintritt und zum Hirnstamm wird. Der Hirnstamm klemmt ein, der Mensch stirbt.

Keine eindeutigen Anzeichen, aber Gemeinsamkeiten

Wie ein Sterbender allerdings seine letzten Jahre, Monate und Tage erlebt, ist alles andere als einheitlich. Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft, Palliativmedizin und Professor an der Uniklinik Bonn: "Der Prozess des Sterbens ist sehr individuell". Oft dauert er über Monate, gar Jahre an. Ärztinnen und Mediziner teilen ihn in drei Phasen ein: Zu Beginn steht die terminale Phase, die ein bis zwei Jahre dauert und in der sich langsam die Funktion der einzelnen Organe verschlechtert und der Sterbende immer müder wird. Es folgt die präfinale Phase von Wochen oder Monaten, in der Symptome wie Luftnot und Schmerz hinzukommen. Und schließlich die finale Phase, die letzten Tage des Sterbenden, in der sie oder er nicht mehr essen und trinken mag und langsam wegdämmert. "Diese Einteilung ist aber nicht mehr als eine Krücke", sagt Radbruch. Sie helfe in der Pflege und Behandlung, sei aber alles andere als präzise. "Sie hilft nicht dabei, um einzuschätzen, wann ein Mensch stirbt."

"Früher hielt man es für ein Zeichen des nahenden Todes, wenn sich auf der Haut der Patienten, rund um den Mund, ein weißes Dreieck abzeichnete", sagt Radbruch.

Aber das sei kein verlässliches Indiz. Die Forschung, die Parameter dafür finden will, wie viel Zeit einem Menschen noch bleibt, steht noch ganz am Anfang. Auch wenn es bereits Forscher gibt, die im Blut nach Markern suchen, die die restliche Lebenserwartung vorhersagen könnten (PLoS One: Fischer et al., 2014; PLoS One: Reid et al, 2017). Radbruch sagt, am besten funktioniere es, die behandelnde Ärztin zu fragen,

ob es sie verwundere, wenn ein Mensch heute Nacht oder am kommenden Wochenende sterbe. Wenn sie darauf mit Nein antwortete, solle man alles für den Tod vorbereiten.

Wenn der Atem rasselt

Und doch gibt es im Sterbeprozess auch Gemeinsamkeiten: Gewisse körperliche Veränderungen erleben die meisten Sterbenden (Palliative Care Review: Plonk & Arnold, 2005). Je näher der Mensch den letzten Tagen seines Lebens kommt, desto stärker ähneln sie sich, auch wenn die Gründe für den nahenden Tod sich unterscheiden können. Sterbende sind erschöpft, haben Schmerzen und bekommen schlechter Luft. Die Atmung verändert sich: Erst wird sie flacher, dann setzt sie immer wieder aus. Nur um nach kurzer Zeit mit einem Seufzer wiederzukommen und tiefer zu werden.

Ärzte mutmaßen, dass die Atemzentren des Gehirns zu diesem Zeitpunkt bereits mitgenommen sind. Diese erkennen erst verspätet, wann sich so viel Kohlendioxid im Blut angesammelt hat, dass es abgeatmet werden muss. Manchmal mischen sich auch Geräusche in den Atem. Eines davon nannten Medizinerinnen früher das Todesrasseln.

Weil der Würgereflex und das Abhusten nicht mehr funktionieren, sammelt sich Sekret im Rachen und in den Bronchien an, das der Luftzug der Atmung bewegt.

Auch wenn das Geräusch furchtbar klingt, zu quälen scheint es die Sterbenden nicht. Genauso wenig der Anstieg von Kohlendioxid im Blut, der eher eine beruhigende, einschläfernde Wirkung zu haben scheint. Unter Patientinnen und Patienten, deren Atem zu rasseln beginnt, ist der Tod meist nah. (American Journal of Hospice and Palliative Medicine: Morita et al, 1998). Ganz am Ende schließlich, wenn die Stunde des Todes nicht mehr weit ist, geht diese Atmung manchmal in unkontrolliertes Schnappen über.

In den Stunden und Tagen vor dem Tod verändert sich auch der Kreislauf des Sterbenden: Er versucht den wenigen Sauerstoff, den das Herz noch pumpen kann, an die wichtigsten Organe weiterzugeben. "Der Puls wird schwächer und ist oft kaum noch zu spüren, die Hände werden kalt, die Lippen können blau werden", erklärt Lukas Radbruch. "Das ist eine Stressreaktion."

Oft wird der Herzschlag schneller und der Blutdruck sinkt, leichtes Fieber kann sich einstellen.

Auch das Bewusstsein verändert sich. Radbruch sagt: "Manche Patientin bleibt bis zum Ende genauso wie vorher. Ein anderer kann unruhig werden oder halluzinieren.

Wieder andere dämmern einfach weg."

Gründe für diese Veränderungen gibt es genügend. Einerseits ist durch den unsteten Fluss von Blut und Sauerstoff auch der Stoffwechsel des Gehirns heruntergefahren. Andererseits sammeln sich Giftstoffe im Blut an, da einzelne Organe schon aufgehört haben, sie auszuscheiden. Besonders Harnstoff kann in zu hoher Konzentration Nervenzellen schädigen, eigentlich wird er über die Nieren ausgeschieden. Auch das ist für den Sterbenden meist nicht unangenehm. Eine Harnstoffnarkose gilt als schmerzlos und sanft, gar als angenehm (Journal of Palliative Medicine: Neely & Rose, 2000).

Neben Harnstoff zirkulieren im Blut Sterbender auch besonders viele Ketonkörper, die das Bewusstsein ebenso dämpfen. Der Körper stellt sie als Zuckerersatz für die Muskeln und das Gehirn aus Fetten her. Und zwar immer dann, wenn Menschen aufhören zu essen. Und das tun Sterbende – ohne dabei Hunger zu empfinden (JAMA: McCann et al., 1994).

 

    Wir wissen nicht, wie viel Sterbende noch wahrnehmen.

 

[Lukas Radbruch]

Palliativmediziner

Viele Menschen auf ihrem letzten Weg dämmern entweder dahin oder murmeln auch mal aufgeregt vor sich hin. Obwohl sie dieser Welt schon halb enteilt zu sein scheinen, "müssen wir sie so behandeln, als würden sie noch alles mitbekommen", sagt Lukas Radbruch. "Denn wir wissen  nicht, wie viel sie noch wahrnehmen."

Dass manche selbst dann noch etwas bemerken, wenn ihr Herz schon stehengeblieben ist, legt eine große Studie nahe. Forscherinnen und Forscher befragten dafür 140 Menschen aus Großbritannien, Österreich und den USA, die einen Herzstillstand überlebt hatten (Resuscitation: Parnia et al., 2014). 9% von ihnen berichteten von einer Nahtoderfahrung: Sie hatten Angst empfunden, Lichter oder Familienangehörige gesehen.

»Es war wirklich ein Fest« Sie begleiten Menschen in ihren letzten Momenten – und erleben neben Krankheit und Trauer fröhliche Abschiedsfeste.

Fünf ehrenamtliche Sterbebegleiter erzählen.

Zwei Menschen konnten sich gar an die Szenen ihrer Wiederbelebung erinnern. Einer von ihnen erzählte, er habe in einer Ecke des Raums geschwebt und die Ärzte dabei beobachtet. Das, was er erzählte, zum Beispiel dass die Ärzte einen Defibrillator benutzt hatten, um das Herz wieder in den richtigen Rhythmus zu bringen, deckte sich mit dem, was wirklich passiert war. Interessanterweise setzte seine Wahrnehmung dabei erst Minuten nach seinem Herzstillstand wieder ein. Aber auch dafür könnte es eine Erklärung geben.

Ein letztes Aufbäumen

 

Wenn das Herz stoppt und keinen Sauerstoff mehr in das Gehirn pumpt, sterben die Nervenzellen nicht sofort. Stattdessen werden sie noch einmal richtig aktiv.

Das verraten die Hirnströme von Ratten, die Forscherinnen und Forscher dazu untersucht haben. Sie ähneln in mancher Hinsicht denen von Menschen. Setzte der Herzschlag der Nagetiere aus, waren noch Minuten später in ihren Hirnströmen Muster zu erkennen. Sie berichten von enormer Wachheit. "Das könnte erklären, warum viele Nathtodpatienten ihre Erfahrungen als extrem real beschreiben", schreibt es einer der Studienautoren, der Anästhesist George Mashour von der Medical School der Uni Michigan (PNAS: Borjigin et al., 2013).

Man könne die Aktivität als letztes Aufbäumen des sterbenden Gehirns verstehen. Ein Feuerwerk durchfährt das Gehirn des Herztoten (PNAS: Li et al., 2015).

Die Nervenzellen schütten enorme Mengen Noradrenalin aus, das im Stirnlappen die Aufmerksamkeit hochreguliert. Auch Serotonin entfährt den Zellen; es könnte hinter Trugbildern und dem Gefühl mystischer Wahrnehmung stecken. Und letztlich wird das Gehirn vom Dopamin des Mittelhirns geflutet. Das ist der Belohnungsbotenstoff,

der die Stimmung hebt und ein Gefühl der Wärme auslöst. Und vielleicht einen letzten Moment des Glücks.

 

[Resie Moonen]

Healing in dying - Homeopathic remedies can lead to a peaceful death:

Cactus soothes the anxiety and fear of suffocation in pericarditis carcinomatosa,

Cadmium sulfuricum cures a particular type of vomiting that occurs after any movement,

Symphytum relieves the agonizing pain of multiple myeloma.

[Gisela Holle]

Ars.: need for security

Tarant-h.: need for movement

With the help of the signature, the use of Opium, Carb-v., and Phosphorus (pneumonia) at the end of life is elucidated.

[Sabine Stelter]:

Acceptance of mortality

Based on the typical complaints experienced by the dying, the author reports on the use of a homeopathic remedy kit for hospices with about thirty remedies.

The symptoms and characteristics of remedies commonly found in hospices are described and demonstrated with cases.

Antimonium tartaricum,

Arsenicum album, breathlessness,

Carbo vegetabilis,

Causticum, confusion, coughing, hospice,

Hyoscyamus,

Hypericum,

Kent: Lachesis, Latrodectus mactans, Lycopodium, nausea, palliative medicine, Phosphorus, restlessness, Secale, Tarantula cubensis, terminal care

[Joachim Stürmer]

Restless fear of death: Many people enter an Arsenicum state before dying = the most important homeopathic remedy in palliative medicine.

Arsenicum iodatum is differentiated as a warm Arsenicum, Phosphorus = an important complementar. Tarantula cubensis, Latrodectus mactans and Aconite with

a similarly fearful restlessness before death.

[Deborah Collins]
One of our most frequently required remedies in palliative care is Arsenicum, covering the pains of cancer but also the stage of life that requires a letting go of material possessions, of relationships, of control, and finally of life itself.

 

 

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