Edinburgh
Postnatale Depression Skala (EPDS)
http://www.zeit.de/2017/06/postpartale-depression-baby-geburt-psychologie-mutter-vater-zwangsstoerungen
Emotionale Krisen sind in der Schwangerschaft und nach der Geburt häufig, komplex und können verschiedene Erscheinungsformen haben. Postpartale Depression ist
Die häufigste psychische Erkrankung, die mit der Geburt einhergeht und 15% aller Mütter sind betroffen. Dies kann Langzeitfolgen für die Frauen, ihre Partner, die
Babies und andere Kinder haben. Da Gesundheitsberufe, die mit Müttern zu tun haben, auch mit depressiven Müttern als erstes in Kontakt kommen, ist es wichtig dass
sie einen Fragebogen zur Hand haben, der ihren klinischen Eindruck ergänzt und in der Entscheidung für weiteres Vorgehen hilfreich ist.
International ist die Edinburgh Postnatale Depression Skala (EPDS) in der Zeit nach der Geburt in breiter Verwendung. Dieser Fragebogen wurde von Cox, Holden
& Sargovsky (1987) eingeführt und wurde speziell entwickelt, um Depressionen bei Müttern in üblichen Betreuungssituationen nach der Geburt zu entdecken (von
Hebamme/Stillberaterin/Kinderarzt/praktische Arzt).
Dieser Fragebogen schließt körperliche Symptome aus, die nach der Geburt häufig vorkommen (Müdigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit) und in dieser Phase nicht
unbedingt als depressive Symptome zu bewerten sind.
Als ein Screening-Instrument soll die EPDS die Stimmungslage der letzten 7 Tage erheben.
Hohe Scores sind nicht von vornherein mit der Diagnose Depression gleichzusetzen, ebenso können Frauen niedrige Scores haben und unter einer Depression leiden.
Die EPDS stellt keine klinische Diagnose Depression und soll auch nicht als Ersatz für eine psychiatrische Evaluation dienen. Die EPDS kann auch nicht voraussagen,
ob jemand einmal in der Zukunft eine Depression haben wird, sie kann nur eine gegenwärtige Verstimmung erfassen.
Die EPDS ist ein 10 Fragen umfassender Selbstausfüllerfragebogen. Frauen werden gebeten, eine von vier Antwortmöglichkeiten zu wählen, die dem möglichst nahe
kommt, wie sie sich in den letzten 7 Tagen gefühlt haben.
Jede Frage hat einen Punktewert von 0 bis 3 und die Werte der 10 Fragen werden zusammengezählt. Die höchste Punktezahl ist somit 30 und würde eine sehr schwere
Depression bedeuten, das Minimum wäre 0 und würde völliges Fehlen jeglicher Symptome bedeuten.
Wichtig: bei manchen Fragen werden die Punkte in der anderen Reihenfolge vergeben.
Der Wert der EPDS liegt darin, dass sie einfach auszufüllen ist, dass sie in Bezug zu anderen standardisierten psychiatrischen Instrumenten validiert wurde und dass
sie von den Frauen gut akzeptiert wird. Die Verwendung erlaubt den Müttern über ihre Gefühle zu sprechen und den Professionellen auf einfühlsame Weise das Thema
postpartale Depression anzusprechen.
Die EPDS kann zu jedem Zeitpunkt nach der Geburt angewendet werden. Sehr hohe Scores in der ersten Woche nach der Geburt zeigen einen Baby-Blues an. Dieser
kann in eine Depression übergehen, wenn er sehr schwer ist.
Eine Anwendung 6–8 Wochen nach der Geburt ist sinnvoll, eine Wiederholung nach 3 und 6 Monaten wurde empfohlen, am besten ist es, die EPDS die ersten
12 Monate nach der Geburt wiederholt anzuwenden. Es sollen mindestens 2 Wochen vergehen, bevor man die EPDS wiederholt.
Wissenschaftliche Ergebnisse
Zahlreiche Studien haben verschiedene Werte evaluiert, ab denen eine Depression mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegt (so genannte Cut-off-Werte).
Es gibt jedoch die Übereinkunft, dass Frauen mit Werten >=13 eine 60–100%ige Wahrscheinlichkeit haben, unter einer Depression zu leiden. Sehr hohe Werte können bei
einer akuten Krise oder einer Frau mit Persönlichkeitsstörung vorliegen, bei denen eine Abklärung erfolgen soll.
Obwohl die EPDS für die Verwendung postpartal entwickelt wurde, wurde sie auch für die Zeit der Schwangerschaft validiert und wurde in zahlreiche Sprachen
übersetzt.
Studien, die die EPDS verwenden, haben diese in den unterschiedlichsten Settings angewandt, durch Hebammen, Kinderschwestern, Psychologen und Forscher.
Die EPDS korreliert gut mit anderen Depressionsinventaren wie der Beck Skala (BDI) und dem Gesundheitsfragebogen (GHQ).
1. Ich konnte lachen und das Leben von der heiteren Seite sehen: Genauso oft wie früher 0
Nicht ganz so oft wie früher 1
Eher weniger als früher 2
Überhaupt nie 3
2. Es gab vieles, auf das ich mich freute:
So oft wie früher 0
Eher weniger als früher 1
Viel seltener als früher 2
Fast gar nicht 3
3. Ich habe mich unberechtigterweise Weise schuldig gefühlt, wenn etwas danebenging:
Ja, sehr oft 3
Ja, manchmal 2
Nicht sehr oft 1
Nein, nie 0
4. Ich war ängstlich und machte mir unnötige Sorgen:
Nein, nie 0
Ganz selten 1
Ja, manchmal 2
Ja, sehr oft 3
5. Ich fühlte mich verängstigt und wurde panisch ohne wirklichen Grund:
Ja, ziemlich oft 3
Ja, manchmal 2
Nein, fast nie 1
Nein, überhaupt nie 0
6. Mir ist alles zuviel geworden:
Ja, ich wusste mir überhaupt nicht mehr zu helfen 3
Ja, ich wusste mir manchmal überhaupt nicht mehr zu helfen 2
Nein, ich wusste mir meistens zu helfen 1
Nein, ich konnte alles so gut wie immer bewältigen 0
7. Ich war so unglücklich, dass ich kaum schlafen konnte:
Ja, fast immer 3
Ja, manchmal 2
Nein, nicht sehr oft 1
Nein, nie 0
8. Ich war traurig und fühlte mich elend:
Ja, sehr oft 3
Ja, ziemlich oft 2
Nein, nicht sehr oft 1
Nein, nie 0
9. Ich war so unglücklich, dass ich weinen musste:
Ja, sehr oft 3
Ja, ziemlich oft 2
Nur manchmal 1
Nein, nie 0
10. Gelegentlich kam mir der Gedanke, mir etwas anzutun:
Ja, oft 3
Manchmal 2
Selten 1
Nein, nie 0
Gesamtscore
Jede Frage bekommt 0–3 Punkte, was zu einem Wert zwischen 0–30 führt.
Wichtig:
Bei manchen Fragen werden die Punkte in der anderen Reihenfolge vergeben. Der gesamte Wert ergibt sich durch Addition der Einzelwerte.
Wenn die Frau folgenden Score hat:
0–9 dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Depression gering
10–12 dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Depression mäßig vorhanden
>=13 dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Depression hoch
Der Vorteil der EPDS ist auch, dass man sehr schnell Frauen identifiziert, die Selbstmordgedanken haben. Wenn die Frau bei Frage 10 Punkte aufweist,
muss man in jedem Fall genau nachfragen, ob es sich um Selbstverletzung, Lebensüberdruss oder richtige Selbstmordgedanken handelt.
Wenn die Symptome weniger schwer sind, oder während einer Zeitdauer kürzer als 2 Wochen vorhanden sind, kann es sich um andere Diagnosen handeln,
wie zum Beispiel Anpassungsstörungen, Minor Depression +/o. eine gleichzeitig auftretende Angststörung.
Andere Ursachen für Symptome wie Anämie, Schlafentzug, Schilddrüsenfunktionsstörung oder Trauerreaktion sollten bedacht werden, bevor eine
Depression diagnostiziert wird. Diese Zustände können aber auch zusammen mit einer Depression vorliegen.
Eine Gesamtwert von „0“ sollte noch genauer abgeklärt werden, denn dies kann auf eine „sozial erwünschte“ Beantwortung der Fragen hinweisen.
ZEIT ONLINE
Familie
Eine junge Mutter, die eine
postnatale Depression fast in den Selbstmord treibt. Im Interview erzählt sie,
wie es ihr selbst erging.
Helen Walsh hat in Großbritannien
eine Lawine losgetreten. Nach der Veröffentlichung ihres autobiografischen
Romans "Ich will schlafen!" bekam sie Tausende E-Mails von Müttern
aus der ganzen Welt, die sich bisher nicht getraut hatten, über ihre negativen
Erfahrungen zu sprechen. Walshs Romanheldin Rachel ist eine alleinerziehende
Mutter, die an einer postnatalen Depression und an Schlafmangel leidet. Der
Sohn der Autorin litt an der sogenannten Refluxkrankheit,
was jedoch erst nach Monaten diagnostiziert wurde. Bis dahin spuckte er die
Milch immer wieder aus, wurde nicht richtig satt und schlief deswegen kaum.
Inzwischen ist er vier Jahre alt und geheilt.
ZEIT: Frau Walsh, Ihre Schilderungen von Rachels Leben nach der Geburt Ihres Sohnes gleichen einem Alptraum und widersprechen unsere Wunschvorstellungen vom Mutterglück. War das Ihre Absicht?
Helen Walsh: Ich wusste, dass das
Muttersein anstrengend wird. Ich war zu dem Zeitpunkt auch ganz und gar dazu
bereit. Aber ich hatte nicht erwartet, dass der Schlafentzug und die Depression
mich so hart treffen würden. Daher war der Roman für mich kathartisch. Ich
schrieb ihn, weil dachte, dass ich das tun muss, um all den Frauen, die
Ähnliches durchgemacht haben, eine Stimme zu geben.
ZEIT: Haben Sie solche Frauen kennengelernt?
Walsh: Als ich damals in Geburtsnachbereitungskurse ging, fand ich es sehr eigenartig, dass keine der anderen Frauen diese Kämpfe durchmachte, Schwierigkeiten mit ihrem Baby hatte oder depressiv war. Heute weiß ich, dass Frauen diese Gefühle einfach verstecken und nicht darüber reden wollen, weil sie Angst haben, verurteilt zu werden. Doch ich hoffe sehr, dass Ich will schlafen für Frauen Schleusen öffnet, um zugeben zu können:
Ja, das ist meine Geschichte, mein
Erlebnis des Mutterdaseins. Es ist nicht immer kuschelig, leicht und schön.
Viele von uns verlieben sich auch nicht Hals über Kopf in ihr Baby, sondern
brauchen Zeit dafür. Oder die Liebe ist zwar schon da, sie wird aber
überschattet vom Schlafentzug, von der Hormonumstellung, einer Depression oder anderen
Faktoren.
ZEIT: Haben die Frauen vielleicht auch Versagensängste, weil unser Mutterideal so überzogen ist?
Walsh: Ja, es ist ein komplett unrealistisches Ideal, nach dem wir streben. Von (jungen) Müttern und auch von Vätern wird erwartet, dass sie grundsätzlich glücklich und zufrieden sind. Wenn du sagst: Ich bin aber nicht glücklich, wirst du sofort stigmatisiert. Welches Recht hast du denn, nicht glücklich zu sein, wenn du ein gesundes Kind zur Welt gebracht hast? Meine Mutter, die aus Malaysia stammt, glaubt, dass ich dort nicht depressiv geworden wäre. Es gebe dort nämlich nicht diesen Druck auf Mütter, permanent Glück vorzutäuschen.
Ich denke auch, dass die Errungenschaften des Feminismus für uns ein zweischneidiges Schwert sind. Einerseits sind wir unendlich froh darüber, was unsere Mütter und Großmütter für uns durchgefochten haben.
Wir sind finanziell und emotional
unabhängig. Andererseits empfinden wir es als Schwäche oder gar als Niederlage,
wenn wir mit der Mutterschaft nicht klar kommen. Denn wir haben ja ein so viel
besseres Leben als unsere Mütter und Großmütter.
ZEIT: Konnten Sie denn mit niemandem über Ihre Situation sprechen?
Walsh: Nein, obwohl mein Partner mich sehr unterstützt hat und ich eine wunderbare Mutter habe, die mir sehr nahe steht. Aber ich konnte in der Tat mit niemandem sprechen. Ich schämte mich und fühlte mich schuldig.
Ich hatte diesen hübschen Sohn und
empfand in den ersten sechs oder sieben Wochen überhaupt nichts für ihn. Ich
wurde depressiv und dachte schließlich auch an Selbstmord. Heute weiß ich, dass
das in erster Linie am Schlafmangel, aber auch an der Hormonumstellung lag. In
Großbritannien nehmen wir das allerdings nicht so ernst. Dabei wird
Schlafentzug immer noch als Foltermethode bei Kriegsgefangenen eingesetzt. Die
werden damit fertig gemacht. Die Weltgesundheitsorganisation bestätigt, dass es
einen erwiesenen Zusammenhang zwischen Schlafentzug und Selbstmord-Impulsen
gibt. Als die Selbstmordgedanken bei mir auftraten, wusste ich, dass ich mit
jemandem sprechen musste, da ich auch Angst um meinen Sohn bekam. Angst, auch
ihm etwas anzutun.
ZEIT: Wie fanden Sie da schließlich heraus?
Walsh: Ich ging zu einem Arzt und
sprach über meine Ängste. Es ist erwiesen, dass sich die Gewaltfantasien von
Frauen ihren Kindern gegenüber verschlimmern, wenn sie diese zu unterdrücken
versuchen. In dem Moment, in dem man diese Gefühle jedoch ausspricht, beginnen
sie zu verschwinden. Als mein Sohn dann nach rund 20 Monaten und der richtigen
Diagnose endlich schlief, und daraufhin auch ich Schlaf fand, lichtete sich die
Depression nach und nach. Aber selbst in meiner dunkelsten Phase gab es immer
wieder auch wunderbare und magische Momente mit meinem Sohn und ich ahnte, wie
es laufen könnte, wenn ich es nur irgendwie schaffen würde. Wenn ich endlich
die Mutter sein könnte, die ich sein wollte.
ZEIT: Welches Verhältnis haben Sie heute zu Ihrem Sohn?
Walsh: Ich denke, dass Mütter, die nicht sofort eine natürliche Bindung zu ihrem Baby entwickeln, daran härter arbeiten. Mir hat das geholfen, eine dynamischere und intensivere Beziehung zu meinem Kind zu finden als andere. Ich habe eine sehr besondere Verbindung mit meinem kleinen Sohn. Wir sind unzertrennlich. Er ist die Liebe meines Lebens.
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