Natrium muriaticum Anhang 2 (Nat-m)

 

[Rajan Sankaran]

Nat-m. profoundly affects the nutrition. MIND, heart, liver and spleen come under its influence. Thin, thirsty and poorly nourished.

Emaciation: descending, of neck or abdomen. Mucous menbranes and skin may be DRY or may produce thick, white or clear, watery, acrid discharges. Dry mouth,

throat, rectum, vagina etc. Numbness, parts seem too short. Easy exhaustion.

Contraction of muscles, tendons. Trembling. Prostration. Emaciation even while living well. Tendency to take cold. Ill effects of disappointment, fright, grief, fit of passion; loss of fluids, masturbation; injury to head; silver salts, salt.

<: Exact periodicity 9 - 11 h.; with the sun,

Alternate days. heat, of sun summer; dampness. Exertion - of eyes, mental, talking, reading, writing. Violent emotions. Sympathy. Puberty.

Quinine. Bread, fat, acid food. Coition. Sea shore. Chronic sprains. Noise; music. Touch. Pressure. Full moon.

>: Open air. Cool bathing. Sweating. Rest. Going without regular meals. Tight clothing. Deep breathing. Before breakfast. Rubbing. Lying on right side.

Mind: Hateful; towards person who had offended him. Averse to consolation or fuss. Sad; during menses; without cause. Reserved. Hypochondriac.

Weeps bitterly; or wants to be alone to cry. Weeps involuntarily.

Cheerfulness # sadness. Dwells on past unpleasant memories. Anxiety. Apprehension. Fear or dreams of robbers. Awkward. Absent minded. Revengeful.

Immoderate laughter with, tears. An idea clings, preventing sleep, inspires revenge. Alternating mental conditions.

Aversion to men (females).

Head: HEADACHES, hammering over eyes < on waking/from sunrise to sunset during, before or after menses; motion reading;

> sleep, pressure. Headache, anaemic, of school girls left skied clavus; as if bursting, as though a thousand little hammers were knocking in the brain.

Headache, beginning with blindness, with zig-zag dazzling, like lightning in eyes, ushering in a throbbing headache; from eye strain.

Eyes: Lachrymation. Eyes give out when reading and writing.

Nose: Violent fluent coryza lasts one to three days, then stoppage of nose high up, making breathing difficult. Hay fever.

Face: Shiny as if greased. Herpes; about the lips or at the edge of hair, pearly.

Crack in the middle of the lower lip.

Mouth: Tongue; mapped, beaded or striped along edges. “As of a hair on the tongue”.

Throat: Hawks much mucus, bitter, salty. A dry, sore spot in the throat, tickles and causes cough. Sore throat; with sensation “As if has to swallow a lump”.

Stomach: Desires: SALT, bitter things; for sour things, farinaceous food, oysters, fish, milk. Thirsty, drinks large quantity of water.

Great hunger yet emaciates. Averse to bread, meat, coffee, tobacco. Feels better on an empty stomach.

Rectum: Stools; dry, hard, crumbling, tears the anus or causes burning. Constipation on alternate days.

Urinary organs: Has to wait long for urine to pass (presence of others).

Urine involuntary when walking, coughing, laughing.

Male organs: Depression after coition. Suppressed gonorrhoea.

Female organs: Aversion to coition; which is painful from dryness of vagina. Debilitating leucorrhoea, white, thick, instead of menses. Prolapse of uterus.

Pressing, pushing towards genitals every morning, must sit down to prevent prolapsus.

Chest: Palpitation, shaking body or alternating with beating in head.. Fluttering of the heart; with a weak faint feeling < lying down.

Limbs Trembling of the hands when writing. Cracked finger tips. Palms hot and sweaty. Painful contractions of the hamstrings.

Skin: Oily, dry, harsh, unhealthy or yellow. Chaps or herpetic eruptions < in flexures. Dry eruptions on margins of hair. Warts on palms and hands. Corns. Eczema;

raw, red, inflamed (on edges) of hair, < eating too much salt, at sea shore, or from ocean voyage. Urticaria, acute or chronic; over whole body (after violent exercise).

Sleep: Sobs during sleep. Awakes feeling weak.

Dreams of robbers. Somnabulism; rises and walks about room. Starts and talks in sleep.

Fever: Intermittent; paroxysm at 10 or 11 h.,

old, chronic, badly treated cases (suppression by quinine). Headache, with unconsciousness during chill and heat; sweat > pain

 

Die überragende Bedeutung von Nat-m.

[Dr. med. Ralf Werner]

Stichwortartig die Charakterisierung einiger weniger Konstitutionsmittel, wie sie in der homöopathischen Literatur beschrieben werden:

Nit-ac.: Angstneurotiker, Nihilisten, Typen, die zu Prostituierten gehen.

Ars.: Menschen voller innerer Unsicherheit, mit zwanghaftem Ordnungssinn, ruhelos und geizig.

Dulc.: dominierend und Besitz ergreifend.

Kali-bi.: verschlossen, zurückhaltend und überaus korrekt,

Kali-c.: dogmatisch, unbeugsam und starr,

Med.: im Extremzustand als aggressiv, gewalttätig.

 

Wieso fanden sich keine Patienten mit derartigen Konstitutionsmitteln in meiner Praxis? - Möglicherweise hat meine Art des Patientenumgangs ein Bestimmtes Klientel angesprochen, so dass eine Selektion stattgefunden hat. Aber auch auf Puls., Sil., Sulph. und Phosphor hatte ich geradezu sehnsüchtig gewartet.

Immer wieder dominierten die Arzneimittel Staph., Ign. und Nat-m. Natürlich wurden auch eine Vielzahl anderer Mittel eingesetzt, bei Patienten mit Ängsten - Phos., Ars. u. a., bei Trägheit des Organismus Carb-v., bei ehrgeizigen, arbeitswütigen Manager-Typen - Nux-v., um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Keiner der Patienten konnte jedoch auf ein derartiges Arzneimittel als sein Konstitutionsmittel für immer unverrückbar festgelegt werden. Diese Arzneien waren stets nur für eine gewisse Zeit nötig und wirksam, so dass wir andernorts geäußerte Meinungen, dass es viele konstitutionelle Grundtypen gebe, nicht bestätigen können.

Über viele Jahre beschäftigte mich eine Ahnung, die sich mir durch meine tägliche Arbeit aufgedrängt hatte, die mich andererseits irritierte.

Ich schreckte vor einer heranreifenden Erkenntnis zurück, zweifelte an meiner Wahrnehmung. Das ist doch unglaublich! Das kann doch nicht wahr sein! Viele Jahre brütete ich darüber nach, wie meine Erfahrungen zu interpretieren seien.

Eines Tages gab es für mich keinen Zweifel mehr. In einem Gespräch mit einem Verleger homöopathischer Bücher wagte ich es erstmalig auszusprechen: Nat-m. ist die zentrale Grundarznei eines jeden Menschen. Nat-m. ist das eigentliche Konstitutionsmittel eines jeden Menschen. Ich hatte eine ablehnende Reaktion des Verlegers erwartet. Es kam anders. „Endlich!", sagte der Verleger. „Endlich wagt es jemand auszusprechen. Meine Frau hat einen homöopathischen Arbeitskreis und die behandelnden Homöopathen berichten immer wieder irritiert, wie oft Nat-m. gegeben werden müsse." Ich wiederholte „Nat-m. ist nicht nur ein häufiges Mittel. Nat-m. ist das zentrale Grundmittel eines jeden Menschen!"

Über viele Jahre hatte ich mit dem Begriff des Konstitutionsmittels gerungen. Einmal hatte es umfassend bei nahezu allen Beschwerden gewirkt, ein anderes Mal nur partiell. Einmal hatte es bei akuten Krankheiten gewirkt, ein anderes Mal nicht (3. Kap.) Und dann versagte das Konstitutionsmittel, welches zuvor überzeugend bei konstitutionellen Beschwerden geholfen hatte, um nach Einsatz eines anderen Mittels dann doch wieder zu wirken.

Zwischendurch hatte mich immer wieder die Frage beschäftigt, welches das eigentliche Konstitutionsmittel eines jeden Patienten sei. Das Problem war nunmehr gelöst. Die Entdeckung der

zentralen Bedeutung von Nat-m. erhöht die therapeutischen Erfolge signifikant. Bei vielen Therapien hilft nach Einsatz anderer Mittel dann doch immer wieder Nat-m.

Ich habe keine Einwände, wenn ein für lange Zeit umfassend wirkendes Mittel als zeitweiliges Konstitutionsmittel bezeichnet wird. Es ist jedoch falsch, einem Patienten zu sagen: Du bist und

bleibst Phos., du bist und bleibst Caus. usw. Die regelmäßige Erfahrung, dass sich früher oder später bei nahezu allen homöopathischen Behandlungen die Nat-m.-Resonanz einstellt, spricht gegen

die Annahme verschiedener, gleichwertiger archetypischer Grundkonstitutionen.

"tränende Augen im Wind"

Hören sie sich einmal in ihrem Bekanntenkreis um und fragen sie: Haben sie bei sich selbst schon einmal „tränende Augen im Wind" beobachtet? - Kennen sie das Symptom „Schlaflosigkeit durch Kummer" - das Symptom „Reizbarkeit vor der Menses" - verzögerter Stuhlgang in den ersten Tagen bei einer Reise (eigene Beobachtung) - Sind sie ein mitfühlender Mensch, den das Leid anderer Menschen berührt? - Die Mehrzahl ihrer Bekannten wird viele dieser Fragen bejahen und damit Nat-m.-Symptome bestätigen. Wenn „anfallsweise Niesen morgens", „Heuschnupfen", eine „Landkartenzunge", „Stuhl krümelig wie Schafskot", „Verlangen nach Salz", „wiederkehrender Herpes", „Risse in den Lippen" hinzukommen, wären das weitere Hinweise für Nat-m. Dies ist hier nur eine kleine Auswahl aus vielen möglichen

Nat-m.-Symptomen. Das Fehlen des einen oder anderen Symptoms schließt diese Arznei nicht aus. Drei bis vier der angegebenen Kennzeichen wären schon sehr deutliche Hinweise für die Nat-m.-Resonanz. Nat-m. überragt andere Arzneien, die sich ebenfalls in den angegebenen Rubriken finden, deutlich.

Wie ist es möglich, dass jedem Menschen im Kern dasselbe Grundmuster zu Grunde liegt, wo die Menschen doch offensichtlich so unterschiedlich sind? Wo bleibt dabei das Individuelle?

Wenn man verschiedene Therapeuten befragt, welche Mittel sie hauptsächlich bei ihren Patienten einsetzen, so ist es erstaunlich, mit wie wenigen Mitteln die meisten Therapeuten arbeiten. Meist sind es Nux-v., Calc., Sulph., Phos., Sep., Puls., Sil., Kali-c. und einige wenige andere. Auch hier könnte man schon erstaunt sein, dass sich die Behandlung vieler Individuen auf relativ wenige Mittel reduziert. Man könnte stutzig werden und nach dem für die Homöopathie typischen Ansatz der individuellen Arznei fragen.

Alle mir bekannten Therapeuten sprechen allerdings bei ihren Behandlungen Nat-m. eine führende Rolle zu. So weit liegen wir also gar nicht auseinander. Wenn man Patienten betrachtet, denen

Nat-m. geholfen hat, findet man auch hier große individuelle Unterschiede bei psychischen und körperlichen Symptomen. Der eine ist mitfühlender als der andere. Der eine ist mehr, der andere weniger introvertiert. Einer kann Trost nicht vertragen, ein anderer hat kein Problem, wenn er getröstet wird.

Die körperlichen Nat-m.-Symptome können fehlen oder sind unterschiedlich ausgeprägt. Allein darin zeigt sich eine große Individualität. Zudem ist die Nat-m.-Resonanz meist von Staph., Ign. und anderen Schichten wie von Zwiebelschalen überlagert, so dass auch hier eine große Vielfalt von unterschiedlichen Symptomen in Erscheinung tritt. Die Nat-m.-Resonanz kommt erst nach Abtragung dieser Schichten durch Hochpotenzen zum Vorschein. Es gibt kaum einen Menschen, der sich permanent während seines ganzen Lebens, unveränderlich in der Nat-m.-Resonanz befindet. Das wäre eine seltene Rarität.

Je mehr ein Mensch in seinem Leben unterdrückt worden ist, desto „dicker" ist die Zwiebelschale von Staph., je mehr Ausweglosigkeiten er hat mitmachen müssen, desto „dicker" die „Ign.-Zwiebelschale". Die Schwere einer durchgemachten Staph.- und Ign.-Schädigung bestimmt die Wahrscheinlichkeit, Anspannungen und Ausweglosigkeiten zu wiederholen. Die individuelle Disposition insbesondere Staph.- und Ign.-Zustände zu entwickeln, könnte man als die wesentlichen Miasmen bezeichnen. Hierin und in der Überlagerung durch weitere Resonanzen (z.B. Caus.,

Aur-met., Nux-v., Coloc., Anac. u.a.) präsentiert sich eine schier unerschöpfliche Individualität. Der einzelne Mensch manifestiert demnach im Kern eine Nat-m.-Resonanz plus einer meist mehr oder weniger großen Anzahl, individuell unterschiedlichen anderer Resonanzebenen. Ein Therapeut, der sich nicht dazu entschließen kann, aktuelle Resonanzen immer und immer wieder durch Hochpotenzen abzutragen, hat wenig Chancen, zu dieser Erkenntnis vorzudringen.

Wie bereits ausgeführt, sind es vornehmlich Unterdrückungen, das Nicht-Selbst-Sein-Dürfen, welches den ersten Schritt aus der ursprünglichen Nat-m.-Resonanz auslöst - hin zu Staph. und Ign.

Je mehr Zwiebelschalen ein Mensch aufweist und je schneller er die Resonanzebenen wechselt, desto schlechter ist seine Konstitution und desto schwieriger verläuft eine Therapie, desto schlechter die Heilungsprognose. Wenn das Leben von anhaltenden Unterdrückungen geprägt bleibt, hilft einem Patienten immer wieder ausschließlich Staph. Die Nat-m.-Resonanz bleibt dann verborgen.

So kann es zu der fälschlichen Annahme kommen, dass Staph. ein primäres Konstitutionsmittel sei - es wirkt ja immer.

Ist sich ein Therapeut, der einem Patienten sagt „Du warst Staph., du bist Staph., du bleibst Staph." im Klaren darüber, was für eine schwerwiegende Aussage er damit macht? Schauen wir uns dazu die Rubrik „Verlangen zu Töten" im synthetischen Repertorium (Karl F. Haug Verlag) an. Hier findet sich unter vielen anderen Arzneien auch Staph. Wenn man einen Menschen auf ein Mittel dieser Rubrik festlegt - so sagt man damit aus, dass bei diesem Menschen das archetypische Muster des „Verlangens zu Töten" unveränderlich angelegt ist.

- Man redet damit einer „angeborenen" Destruktivität das Wort und erklärt - so ganz im Vorübergehen - menschliche Destruktivität und Aggressivität zu einem Grundmuster.

Nat-m. findet sich in der Rubrik „Verlangen zu töten" nicht. Der Nat-m.-Mensch ist ausgesprochen friedlich. Die Erkenntnis, dass Nat-m. die Grundresonanz eines jeden Menschen ist, bedeutet,

dass es eine ursprüngliche Destruktivität nicht gibt. Diese entsteht erst durch den Sprung in die Staph.-Resonanz. Wenn in einigen Repertorien Nat-m. in den Rubriken „Hass", „Rache und Hass", „Zorn", „Jähzorn", „boshaft" und „hinterlistig" mit zum Teil höchsten Wertigkeiten angegeben wird, so liegt die Vermutung nahe, dass die beschriebenen Eigenschaften falsch zugeordnet worden sind. Der Patient muss sich beim in Erscheinung Treten dieser Eigenschaften in einer anderen Resonanz befunden haben. In der Nat-m.-Resonanz gibt es nämlich keinen Zorn, keine Boshaftigkeit, kein Hass und keine Hinterlist. - Wie kann man das nachweisen? Wenn einem Patienten zunächst Nat-m. eindeutig geholfen hat, z.B. beim Heuschnupfen oder anderen konstitutionellen Symptomen, würde diesem Patienten in einer Hass- oder Zornesphase Nat-m. bei seinem Heuschnupfen nicht mehr helfen, sondern meist eine der Arzneien, die oben als häufige Zwiebelschalen angegeben sind.

Wenn die unterschiedlichen Konstitutionsmittel fixiert wären, würde das beinhalten: Aus der angespannten Gespaltenheit des Staph.- oder Anac.-Zustandes gäbe es kein Entrinnen, ebenso wenig aus der „Verzweiflung" von Ign. Demnach wäre ein Phos.-Typ für immer auf Ängste, ein Aur-met.-Typ für immer auf eine Neigung zum Selbstmord festgelegt.

Der bekannte Homöopath Alfons Geukens schreibt in „Homöopathie aktuell" (Ausgabe Nr. 1/ 2010), „dass es in einer chronischen Krankheit nur ein Mittel gibt.....das heilt". An anderer Stelle:

„Wir können es auch das ‚genetische' Mittel nennen." Dies entspricht nicht meinen Erfahrungen. Wie dargelegt, kommt es bei chronischen Krankheiten sehr oft zu Resonanzänderungen, die verschiedene, homöopathische Heilungsmittel erforderlich machen. Das quasi ein „genetisches" Mittel fixiert sei, wird auch von anderer Seite inzwischen deutlich widersprochen. Der Biologe und Biochemiker Jörg Blech weist im Spiegel (Nr. 32/09.08.10) nach, dass Umwelteinflüsse Erbanlagen verändern. Zitat: „Die Gene steuern uns - aber auch wir steuern die Gene durch unseren Lebensstil..... Äußere Einflüsse können Gene chemisch verändern und sie auf diese Weise an- und ausschalten. Körperliche Aktivität, aber auch zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Faktoren prägen das Erbgut..... Die Gene sind kein Schicksal, sondern wunderbar wandelbar. Ständiger Stress, aber auch Drogen und Umweltgifte hinterlassen Spuren im Erbgut... Menschen, die besonders viele Schicksalsschläge einstecken müssen, haben ein erhöhtes Risiko an Depressionen zu erkranken - eine angeborene Verwundbarkeit dafür gibt es nicht. Traumatische Erlebnisse können das Erbgut chemisch verändern."

Sind Blechs Erkenntnisse nicht vollständig übertragbar auf die homöopathischen Erkenntnisse, die bei der Veränderung der Resonanzlagen beschrieben worden sind?

Kann es z.B. sein, dass durch ständige emotionale Unterdrückungen eine genetische Veränderung in Richtung auf Staph. stattfindet?

Man hat dann tatsächlich den Eindruck, dass ein Staph.-Mensch „genetisch" einer anderen Steuerung unterliegt. Die Ansicht, dass Gene starre Gebilde seien, die auf soziale Reize nicht reagieren können, muss demnach genauso als überholt angesehen werden, wie die Ansicht von einer Unveränderbarkeit eines Konstitutionsmittels eines Menschen.

Wenn man pathologischen Resonanzen mit Hochpotenzen abträgt, wird man sehen, dass sich diese Resonanzen auflösen lassen. Ungünstige äußere Bedingungen führen allerdings zum Wiederauftreten dieser Resonanzen. Es ist das therapeutische Ziel, den Patienten möglichst von den Nat-m.-fremden Resonanzen zu befreien, denn im Hintergrund herrscht - wie schon mehrfach beschrieben - immer Nat-m. Hier hat der Mensch sein bestes Gesundheitsniveau, was nicht bedeutet, dass man innerhalb dieser Resonanz nicht erkranken kann. Leider gibt es - wie gesagt - nur wenige Menschen, die sich ständig in der Nat-m. Resonanz befinden. Offensichtlich finden genetische Veränderungen stets bei einem Wechsel der Resonanzlagen statt egal, ob sie von Nat-m. weg oder zu Nat-m. hin führen.

Die beschriebenen biochemischen Erkenntnisse unterstützen überdeutlich die Erfahrung der Homöopathie, dass negative Einflüsse wie z.B. Stress die Konstitution eines Menschen hin zu Staph., Ignatia und gegebenenfalls weiteren pathologischeren Resonanzebenen verschiebt.

Im folgenden Beispiel werden die einzelnen Repertorisationsschritte nicht detailliert beschrieben. Es kommt lediglich darauf an, einen typischen Wechsel von Resonanzen darzulegen und dabei die zentrale Bedeutung von Nat-m. exemplarisch darzulegen.

Ein Patient klagt über seit langem bestehende Hautausschläge um den Anus.

Repertorium:

Hautausschläge um den Anus: Agar. Am-c. Am-m. Ant-c. Ars. Berb. Calc. Carb-an, Carb-v. Carb-s. Caust. Graph. Heg. Ign. Kali-c. Lyc. Med. Merc. Nat-m. Nat-c. Nit-ac. Petr. Sep. Staph. Sulf. Thuj. - juckend: Ars. Cinnb. Lyc. Petr. Staph. Sulf., - Ignatia muss aus meiner Sicht hochwertig nachgetragen werden.

Beispielhafter Therapieverlauf:

1. Patient ist genervt - Staph. bessert den Juckreiz und die Hautausschläge - dann keine weitere Besserung - Erhöhung der Potenz - keine Besserung.

2. Der Juckreiz macht den Patienten „wahnsinnig" - Ign. hilft - dann keine weitere Besserung - erhöhte Potenz hilft - dann keine weitere Besserung.

3. Patient ist wieder genervt - Staph. hilft - dann keine weitere Besserung - erhöhte Potenz hilft nicht.

4. Patient weiß nicht, ob er die Therapie fortsetzen soll (Ausweglosigkeit) - Ign. hilft.

5. Patient steht kurz davor, die Therapie abzubrechen - Caus. hilft eine gewisse Zeit - dann hilft Caus. nicht mehr.

6. Patient ist relativ gleichmütig - Nat-m. hilft nur kurz.

7. Patient ist wieder genervt - Staph. hilft - nach einiger Zeit dann nicht mehr.

8. Verschlechterung des Hautausschlages mit Zunahme des Juckreizes. - Sulph. hilft für kurze Zeit hinsichtlich des Juckreizes. Es ist aber die falsche Arznei gewesen und muss schnell wieder verlassen werden, da sich unter Sulph. der Schlaf eindeutig verschlechtert hat.

9. Ein neu auftretendes körperliches Symptom, ein Herpes labialis, weist auf Nat-m. hin - Nat-m. hilft beim Herpes und beim Analekzem deutlich und überzeugend.

Bei dem beschriebenen Therapieverlauf wird deutlich, mit welcher Konsequenz die Psyche des Patienten im Sinne der Organon Paragraphen 211 und 213 bei der Arzneimittelwahl berücksichtigt werden muss.

Während einer Therapie muss es insgesamt zu einer progredienten Besserung kommen. Je häufiger die Resonanz von Nat-m. in Erscheinung tritt, desto besser ist der Heilungsverlauf. Der beschriebene Wechsel der Resonanzen am Beispiel des Analekzems ist exemplarisch und muss bei der Behandlung vieler chronischer Krankheiten berücksichtigt werden, so z.B. bei einer Neurodermitis, einer Allergie, einer Psoriasis, eines Tinnitus, einer Migräne.

Wer die zentrale Bedeutung von Nat-m. nicht kennt, läuft Gefahr, auf eine spätere Wiederholung der Arznei zu verzichten, wenn sie nach anfänglichem Erfolg nicht mehr wirkt.

Warum finden sich Staph.- und Ign.-Resonanzen so häufig?

Dafür gibt es drei Gründe:

1. Diese Resonanzen drücken die Stress-Atmosphäre des Zeitgeistes aus, sowie die psychische Befindlichkeit, in der insbesondere bei chronischen Krankheiten meist gelitten wird.

2. Staph.- und Ign.-Resonanzen werden quasi „infektiös" von Mensch zu Mensch übertragen. Diese nahezu gesetzmäßig erfolgende Resonanzübertragung findet man in dieser spezifischen Ausprägung nur bei Staph. und Ign. und nicht bei anderen Polychresten wie z.B. Calc., Lyc., Sep., Sil., Phos., Nux-v. usw.

3. Man kann sicher sein, dass eine Patientin, die während ihrer Schwangerschaft Staph. und Ign. benötigt, diese Resonanzen auf ihr Kind überträgt, so dass oft schon der Säugling diese Arzneien benötigt. Das bedeutet: Staph.- und Ignatia-Resonanzen werden auf die nächste Generation übertragen.

Diese Resonanzen stellen jedoch bei einer homöopathischen Therapie lediglich temporäre Zwischenstationen auf dem Weg zur Nat-m.-Resonanz dar.

Einige Homöopathen reagierten auf die Veröffentlichung der beschriebenen Erkenntnisse mit unverhohlener Empörung, zum Teil mit Wut.

„Zuerst wollen sie uns glauben machen, dass die meisten chronischen Krankheiten mit Phasen von unterdrückter Wut - Staph. und Verzweiflung - Ign. einhergehen.

Und jetzt sagen sie, dass die Grundarznei eines jeden Menschen Nat-m. sei. Kann es sein, dass sie nur diese 3 Mittel kennen?"

„Ich kann ihre polemische Frage verstehen. Meine Thesen erscheinen auf den ersten Blick revolutionär. Ich weise hier lediglich auf die Dominanz von Staph., Ign. und

Nat-m. bei den Heilungsprozessen chronischer Krankheiten hin. Ich frage sie: Was geben sie einem Patienten, der massiv am Kopf schwitzt, auch während des Schlafes, geschwollene Halslymphknoten hat und massives Verlangen nach Eiern?"

„Dies sind Calc.-Symptome. Ich gebe Calc."

„Ich auch.

Welche Arznei bekommt von ihnen ein Kind, welches Zahnungsbeschwerden hat, die Finger in den Mund steckt, schlecht gelaunt ist und dem es beim Getragen werden besser geht?"

„Dies sind Cham.-Symptome. Das Kind bekommt Cham."

„Von mir auch.

Welche Arznei geben sie, wenn sich Krusten in der Nase befinden, die beim ablösen schmerzhafte, rohe Stellen hinterlassen und die sich schnell wieder bilden?"

„Kali-bi."

„Sehen sie, ich auch.

Was geben sie einer Patientin, die sich so charakterisiert: Ich weine schnell, habe Abneigung gegen Sex, habe eine Putzwut vor der Periode, bin oft hart und sarkastisch, alle meine Ausscheidungen sind übelriechend, friere ständig und habe das Gefühl eines Fremdkörpers im Rektum."

„Sie beschreiben Sepia-Symptome."

„Richtig, die Patientin bekommt von mir Sepia. Was unterscheidet „ihre" Homöopathie von „meiner"? Im Grunde nichts. Ich verordne die Arzneien, genau wie sie nach den Kriterien der Causalität.  und der Gesamtheit der vorliegenden Symptome. Ich verordne also nicht unentwegt kritiklos Staph., Ignatia oder Nat-m., sondern selbstverständlich nur dann, wenn entsprechende Symptome vorliegen. Sie müssen nichts glauben, sondern können sich durch eigene Erfahrung davon überzeugen, dass meist „genervt" - Staph. - und „verzweifelt" - Ignatia- gelitten wird und dass nach Abtragen dieser Resonanzen zunehmend Nat-m. Symptome in Erscheinung treten. Was ich allerdings nicht tue: Ich sage der Patientin nicht, dass ihr unveränderliches Konstitutionsmittel Sepia ist."

„Wenn sie recht haben, würde das bedeuten, dass Homöopathen, die mit anderen Mitteln arbeiten, durchweg keine Erfolge haben."

„So einfach ist das nicht. Wie sie wissen, decken insbesondere Polychreste eine Fülle von Symptomen ab. Sie können mit diesen Arzneien, und auch mit kleinen Arzneien durchaus Erfolge haben - aus meiner Sicht allerdings nur Teilerfolge."

„Was sie sagen ist mir zu simpel, das kann nicht wahr sein."

„Es kann offensichtlich nicht wahr sein, weil es nicht wahr sein darf."

„Und warum darf es nicht wahr sein?"

„Weil einige Homöopathen die beschriebenen Erkenntnisse als persönliche Kränkung erleben und diese - auch wenn es die Wahrheit kostet - mit Händen und Füssen abwehren. Ein Eingeständnis

der Richtigkeit der beschriebenen Aussagen würde gleichzeitig das Eingeständnis bedeuten, dass man möglicherweise jahrzehntelang nicht die optimalen Mittel verordnet hat. Es ist auch keine Kleinigkeit, seine eigene, jahrelange, liebevolle und mühsame Arbeit in Frage zu stellen. Da führt man stundenlange Gespräche mit den Patienten, um die richtige Arznei zu finden, repertorisiert sorgsam, besucht Fortbildungskurse, kauft sich möglicherweise ein Arzneifindungscomputerprogramm und nun kommt einer und sagt: Die meisten Therapien werden von drei oder vier Mitteln beherrscht.

Wie viel Mut gehört dazu, gegebenenfalls einem Patienten, der einem vertraut hat zu sagen: Die Arznei, die ich ihnen als ihr Konstitutionsmittel vorgestellt habe, ist nicht ihr Konstitutionsmittel.

Ich muss mich hier korrigieren.

Wie weh das tut, wenn man seine eigene redliche Arbeit in Frage stellen muss, habe ich am eigenen Leib erfahren müssen. Ich sehe die Asthma-Patientin, die ich zu meiner Zeit als „reiner" Schulmediziner behandelt habe, noch vor mir. Eingerissene, trockene Lippen, Risse in den Fingerkuppen, Hautausschläge am Haaransatz, ständig tränende Augen, rezidivierender Herpes labialis. Wegen ihres schweren Asthmas habe ich die Patientin seinerzeit häufig in Spezialkliniken einweisen müssen. Dort ist sie gestorben und mir tut heute noch das Herz weh, wenn ich daran denke, dass ihr bei den oben beschriebenen Nat-m.-Symptomen wahrscheinlich Nat-m. geholfen hätte.

Ich denke an ein pubertierendes Mädchen, mit einer schweren Akne, die das Kind in Depressionen trieb. Auch hier hätte die Homöopathie sicher helfen können.

Ich könnte diese Beispiele fortsetzen.

Auch meine Anfängerzeit in der Homöopathie ist voller schmerzlicher Erinnerungen. Was sollte ich denn tun, wenn einer Migränepatientin Nat-m. über lange Zeit überzeugend geholfen hat, die Migräne wieder auftrat und mir ein möglicher Wechsel der Resonanzebenen von keinem homöopathischen Lehrer vermittelt worden war?

Aber was nutzt es sich zu grämen, man kann immer nur versuchen, sein Bestes zu tun. Mehr ist nicht möglich.

Es gibt noch einen anderen Grund für die ungeprüfte Ablehnung meiner Thesen durch einige Therapeuten: Die Dominanz weniger Mittel, macht den Patient autonom. Er kann früher oder später die Therapie nahezu selbst in die Hand nehmen. Ich begrüße das. Ich weiß aber, dass es Homöopathen gibt, die das überhaupt nicht mögen, vor allem Homöopathen, die dem Patienten ihr Konstitutionsmittel verschweigen. Es findet eine Entmystifizierung der Homöopathie statt. Der homöopathische Guru, der aus hunderten von Mitteln, das richtige Mittel herausfindet, hat seine geheimnisvolle Aura verloren.

Es gibt aber immer noch genug für den Homöopathen zu tun: Zum einen ist es zum Teil schwer, die Mittel voneinander zu differenzieren, weil die psychischen und körperlichen Symptome nicht so deutlich ausgeprägt sein müssen. Und zweitens werden auch andere Mittel, z.B. Komplementärmittel und Akutmittel, benötigt. Hier braucht der Patient einen qualifizierten Homöopathen.

Ich wünschte mir, dass zumindest die Patienten, deren Therapien nicht gut verlaufen und die die beschriebenen Resonanzen bei sich wiedererkennen, ihre Therapeuten zu einem Therapieversuch veranlassen, wobei diese sich gegebenenfalls von der Vorstellung eines fixierten Konstitutionsmittels für jeden Patienten lösen müssen.

So wie die Freud'sche Psychoanalyse Patienten Unrecht getan hat, indem sie deren vermeintliche sexuelle Wünsche als Ursache für neurotisches Geschehen interpretiert hat, da wo spätere Analytiker-Generationen stattgefundenen sexuellen Missbrauch als Krankheits-Ursachen nachgewiesen hatten, so tut die Homöopathie dem Patienten ebenfalls großes Unrecht, wenn sie ihn auf ein bestimmte Konstitutionstypen festlegt. Es ist nicht zulässig, einem Menschen, einen unverrückbaren Selbstmord-, Verzweiflungs-, Aggressions-, Angst-, usw.-Stempel aufzudrücken. Niemand ist darauf genetisch festgelegt.

 

[Dr. Ernst Weber]

Brauchen alle Menschen Natrium muriaticum?

Die Homöopathie fußt auf einer Handvoll unverrückbarer Grundlagen: das ist das Simile-Prinzip; das sind die Arzneimittelbilder, die aus der Prüfung am Gesunden, aus der bekannten Toxizität einer Substanz und aus den klinischen Erfahrungen entstanden sind; und das sind die Vorgänge des Dynamisierens oder Potenzierens. In ihrer Ausübung aber erlebt sie unterschiedlichste Strömungen und Schulen, und das seit Anbeginn. Zwar kann es nur einen Maßstab für die richtige Anwendung der Methode geben, nämlich den Erfolg am Patienten, aber dieser ist schwer messbar und unterliegt verschiedensten Einflüssen. Bei akuten Erkrankungen können die Ergebnisse eindeutig und unzweifelhaft sein, aber auch hier müssen wir Spontanheilungen einkalkulieren, die uns den Erfolg vortäuschen. Schwieriger wird es aber bei chronischen Erkrankungen, da deren Heilung ein prozesshaftes Geschehen ist, das viele Schritte erforderlich macht, deren Wert im Einzelnen oft nicht

zu beurteilen ist. Nicht selten hat man ein passendes Mittel gefunden und freut sich über den Erfolg, um später feststellen zu müssen, dass die gegebene Arznei nur annäherungsweise richtig war

und auf Dauer nicht weiterführte.

Wer hat also Recht? Derjenige, der auf die bekannten Polychreste setzt? Derjenige, der seine Entscheidung aus subtilsten Persönlichkeits- und Charaktermerkmalen sucht? Derjenige, der das Heil in den moderneren Strömungen sucht wie Schlangen-, Spinnen- oder Vogelfederarzneien oder den Lanthaniden, die uns Jan Scholten aus den Niederlanden schmackhaft macht? Erst die mehrjährige Beobachtung nachhaltiger Besserungen tieferer Pathologien wird diese Frage beantworten lassen. Vorläufig sind die verschiedenen Denkrichtungen aber erst einmal verwirrend für den, der die Homöopathie erlernt, ebenso wie etwa für den Leser dieser Zeitschrift.

In Heft 3/2012 der Homöopathie aktuell hat Dr. Ralf Werner die Auffassung vertreten, dass das grundlegende Konstitutionsmittel aller Menschen letztlich Nat-m. sei. Das klingt zwar pauschal und scheint in Widerspruch zu stehen zum Postulat einer grundlegend individuellen Behandlung eines jeden Patienten. Dennoch sehe ich ein großes Stück Berechtigung dieser Ansicht von der Warte meines eigenen Arbeitsstils aus.

Ich treffe meine Entscheidung für ein Arzneimittel gerne nicht nur aufgrund der vorliegenden Symptomendetails, sondern auch unter Berücksichtigung der miasmatischen Belastung. Hierbei fließen in die Entscheidung sowohl Art und Ort der Erkrankung ein als auch die erbgenetische Belastung des Patienten. Ich konnte im Verlauf langjähriger Beschäftigung mit der Homöopathie beobachten, dass das Miasma der Sykose einen hohen Verbreitungsgrad hat. Die Sykose basiert nach unseren Vorstellungen auf Urogenitalinfekten des Patienten selbst oder seiner Vorfahren. Konkret sind dies vor allem die Gonorrhoe, aber auch Clamydieninfekte, Trichomonadenbefall oder wiederkehrende Pilzinfektionen. Nach Auffassung von J.H. Allen (ein namhafter amerikanischer Homöopath, 1854-1925) seien zu seiner Zeit 80% aller jungen männlichen Amerikaner mit Gonorrhoe infiziert gewesen. Auch wenn wir in einem anderen Erdteil leben und das Miasma der Sykose bei uns überwiegend ererbt wurde, so schätze ich dessen Ausbreitungsgrad bei uns im gleichen prozentualen Verhältnis.

Nun ist für mich die Hauptarznei zur Behandlung sykotischer Folgeerkrankungen nicht nur die Nosode Medorrhinum und der Extrakt des Lebensbaumes Thuja, sondern vor allem Nat-m. (spezifischer noch Nat-c.) mit seinen Salzen. In der Einschätzung des Vorkommens von Natrium-Charakteren stehe ich also durchaus in großer Nähe zu Dr. Werner. Allerdings ist meine Spezifität, dass ich die Polychreste wie eben Natrium muriaticum, aber auch Phosphor, Arsen, Sulfur, Silicea etc., seit vielen Jahren nicht mehr in reiner Form einsetze, sondern, mit Ausnahme von Akuterkrankungen, nur mehr in salzartiger Kombination - auch dies eine besondere Linie in der Homöopathie, die nicht nur in der Gegenwart von Ärzten wie Jan Scholten, Rajan Sankaran oder Wolfgang Springer propagiert wird, sondern vor allem zur Zeit von James Tyler Kent (1849-1916) als eine Weiterentwicklung der klassischen Homöopathie eine große Rolle gespielt hat. Nat-m.

selbst habe ich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr verordnet, wohl aber dessen Verbindungen wie Nat-p., Nat-sil., Nat-ars. oder auch Aur-m.n. Wenn ich meine bisherigen Beiträge überblicke,

die ich in der Homöopathie aktuell veröffentlichen durfte, so waren dies in der Mehrzahl Fälle von Natrium-Salzen.

Für mich liegt die Begründung der kombinierten Arzneien in der Vermutung, dass unser Kranksein nicht nur von einem einzigen Miasma bestimmt ist, sondern vom Zusammenwirken mehrerer Miasmen. So scheint mir Natrium phosphoricum eine Verknüpfung von Sykose und Tuberkulinie zu erfassen und Aur-m.n., über das ich zuletzt in der Homöopathie aktuell 3/12 berichten konnte, einer Verknüpfung von Sykose und Syphilinie. Im letzten Beitrag deutete ich bereits an, dass auch Mercurius chloratus natronatus (gleichfalls eine Verknüpfung von Syphilinie und Sykose) sich als hervorragende (wenngleich nahezu völlig unbekannte) Arzneikombination erwiesen hat. Darüber möchte ich heute eine Fallschilderung beitragen.

Daniela G., jetzt 48 Jahre alt, hat viel Geduld aufgebracht und selten darüber geklagt, dass meine Arbeit nur Geld kostet, aber kaum Erfolg bringt. Seit 1999 steht sie in meiner Behandlung.

Sie kam zunächst wegen einem Exanthem der Hände, trocken, brennend und hellrot. Sie klagte ferner über eine starke psychische und geistige Erschöpfung, fühlte sich elend und müde und konnte kaum mehr irgendetwas lernen, ihre Gedächtnisleistung war so schwach. Einige Jahre lang stand sie in großen Sorgen wegen ihrer Tochter, die an einer chronischen Nierenerkrankung litt. Ängste, Depressionen und Niedergeschlagenheit hatten sie im Griff. Ferner beklagte sie einen Heuschnupfen und Verdauungsprobleme mit kräftigen Blähungen und einem ausgeprägten Völlegefühl. Jahrelang waren ihr übermäßig viele Haare ausgefallen, und was nach wuchs, ist grau. Nicht nur wegen ihres Kindes war sie in Sorge, sondern auch wegen ihrer Eltern: Die Mutter litt an chronischem Rheuma mit Gelenksdestruktion, ferner an einem Hirntumor, einem Meningeom. Der Vater hatte ein Karzinom mit Befall mehrerer Organe, hatte zwei Herzinfarkte hinter sich, daneben bestand bei ihm ein Aneurysma der Bauchaorta. Sie selbst sei als Kind häufig krank gewesen, hätte unter zahlreichen Tonsillitiden gelitten, eitrig und antibiotisch therapiert. Auch ihr Kehlkopf sei öfter entzündet, mit extremem Brennen und Luftnot, und sie bezeichnete sich als eher verfroren, trüge gern einen Schal.

Ein weiteres großes Thema war ihre Neigung zu entzündetem Zahnfleisch, mit Bluten und Eiterungen und rasch fortschreitendem Zahnfleischschwund. Weitere Angaben aus ihrer Anamnese:

Als Kind wäre sie ungern alleine gewesen, Prüfungen, aber auch Auftritte in der Öffentlichkeit, waren immer ein großes Problem für sie. Herpes labialis trete oft auf, gerne ausgelöst durch Erkältungen. Am Nabel trug sie eine große braune Warze. Ihre Erscheinung ist sehr liebenswürdig, zuvorkommend und offenherzig, der Umgang mit ihr immer freundlich und herzlich.

Diese ihre Wesensart, die Neigung zu Blutungen des Zahnfleisches sowie zu unangenehmen Kehlkopfentzündungen veranlassten mich, zunächst mit Phosphor bzw. Calc-p. die Behandlung zu beginnen, obwohl bei der Auswertung ihrer Symptome auch Nat-m. eine große Rolle spielte. Erstaunlicherweise ging das Ekzem rasch weg, besserte sich auch ihre Konzentrationsfähigkeit, aber an den anderen Erscheinungen änderte sich nicht viel. Zur damaligen Zeit entdeckte ich schon die Natriumkombinationen und setzte die Arbeit fort mit Nat-p., ergänzt durch Thuja und Medorrhinum.

Fortlaufend schlimmer wurde aber die Situation der Zähne. Zahnfleischbluten mit Eiterung, massiver Zahnfleischschwund und schließlich das Lockerwerden eigentlich gesunder Zähne verschlimmerten sich und veranlassten mich, nun Mercurius solubilis zu geben.

Bald darauf fand ich aber wieder Gründe, zu Nat-c. zurückzukehren. So ging das eine Weile hin und her, auch Aur-m-n. wurde zeitweise erfolgreich eingesetzt im Wechsel mit Syphilinum.

Später kamen wieder andere Quecksilbersalze wie Mercurius sulfuricus und Mercurius phosphoricus zum Einsatz - aber es blieb ein Elend. Als Harnwegsínfekte auftauchten und schließlich noch

eine sexuelle Lustlosigkeit, zeigte sich wieder die Notwendigkeit eines Natriumsalzes.

So ging das bis zum Sommer 2011, bis mir endlich Merc-m-n. in die Hände fiel, das sich fand im Angebot von Apotheker Robert Müntz aus Eisenstadt/Kärnten (www.remedia.at). Meine Patientin hatte fast schon resigniert, ich jedoch hatte ihren Leidenszustand nicht vergessen und schickte ihr meine Neuentdeckung sofort zu, da ich darin nun endlich die Lösung sah, auf die ich in ihrem Fall zwölf Jahre gewartet hatte. Daniela G. erhält diese Arznei nun seit über 11/4 Jahren in Abständen von mindestens 5 Wochen. Seither hat sich die Blase gebessert, die bereits Inkontinenzerscheinungen aufwies, haben sich die Eiterungen und Zahnfleischentzündungen zwar langsam, aber schließlich vollständig beruhigen lassen, sitzen auch die Zähne wieder fester. Insgesamt hat sie über die Jahre ihrer schlimmen Zahnfleischerkrankung zwei oder drei Zähne verloren, ließ sich aber gottlob nicht vom Zahnarzt überreden, die übrigen Wackelzähne zu entfernen. Das Zahnfleisch weist wieder eine schöne rosa Farbe auf, ist jedoch noch ein gutes Stück zurückgezogen, aber ich mag hoffen, dass sich auch hier eine gewisse Regeneration einstellt. Es bedarf sicher noch einiger Jahre kontinuierlicher Anwendung dieses Medikaments, wenngleich vielleicht zunehmend größere Abstände der Mittelgaben möglich werden.

Daniela G. ist sicherlich massiv hereditär syphilitisch belastet, worauf der Hirntumor und das schwere gelenksdestruktive Rheuma ihrer Mutter hinweisen, aber auch die Krebserkrankung und das Aneurysma beim Vater. Die schwere Zahnfleischerkrankung ist am ehesten Mercurius zuzuschreiben. Die Harnwegsproblematik verweist auf ein sykotisches Miasma, wobei der Lippenherpes und

der vorübergehende Libidoverlust wiederum für Natrium muriaticum oder eines seiner Salze sprechen. Konsequenterweise ergibt sich aus der Kombination aller ihrer Charakteristika eine Rechtfertigung für die Arznei Mercurius chloratus natronatus - eine Arznei, für deren Entdeckung ich sehr dankbar bin, über deren Ursprung mir aber keine Information vorliegt.

Es gäbe noch viel zu berichten über andere Fälle, wo ich ebenfalls lange Zeit vergeblich die Kunst der Homöopathie bemühte, um schließlich mit dieser Arznei noch manchem Patienten mit Migräne und anderen schweren Leidenszuständen eine wirksame Hilfe geben zu können.

 

 

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