Teplitz aqua Anhang

                                               

[Dr. G.W. Groß]

Das Teplitzer Mineralwasser in seinen wahren Wirkungen auf den gesunden Menschen

Die Mineralquellen haben von jeher, wie die ärztlichen Schriften aller Völker und Zeiten bezeugen, in der Medizin eine große Rolle gespielt, und die reiche Natur läßt

dieselben auch auf der weiten Erde in solchem Ueberflusse hervorsprudeln und täglich neue von so verschiedenem Gehalte entdecken, daß wir nie einen Mangel daran befürchten dürfen. Wie aber die große Schöpferin nimmer zwecklos waltet, so läßt sich schon a priori die Epoche, welche die Mineralquellen stets im Gebiete der Heilkunde machten, begreiflich finden. Der Zufall, welcher überhaupt im Reiche der medizinischen Wissenschaften von Anbeginn, und fast zur Ungebühr, geschäftig war, half auch

hier zuerst den Zweck der Natur entdecken, und lehrte den Nutzen jener eigenthümlichen Quellen a posteriori kennen. Kranke, die von Ungefähr daraus tranken, oder ihre Glieder absichtslos darin badeten,  genasen, wie durch ein Wunder, und dies erst machte die Aerzte auf die besondern Kräfte dieser Wässer aufmerksam. Jetzt war es an ihnen, über das Wunder vernünftig nachzudenken, und das Wie und Warum gehörig zu ermitteln. Allein das unterblieb fürs Erste, und man begnügte sich damit, den Laien ferner nachzuahmen, und die Bäder für die Kranken zu gebrauchen, wenn ihnen sonst nichts helfen wollte. So entstand aus dem blinden Gebrauch, wie immer, der Mißbrauch, und vom Zufall hing es nach wie vor ab, ob die Badenden und Trinkenden genesen oder noch kränker werden sollten. Kranke von allen Gattungen strömten jetzt, aus eigenem Antriebe, oder von Aerzten überredet, herbei, um ihre Leiden von den heilbringenden Wellen, wie von der Lethe, hinwegspülen zu lassen, aber die wenigsten erreichten ihren

weck, während die meisten so krank weggehen mußten als sie gekommen waren, viele sogar noch leidender, als vorher. Daher kam es denn auch, daß die Bäder von manchen überschätzt, von vielen aber verachtet und herabgesetzt wurden.

Jetzt fingen die Aerzte an, mehr Nachdenken auf diesen Gegenstand zu verwenden, um die Ursachen des verschiedenen Erfolges der Badekuren zu ergründen, und ihre Vernunft sagte ihnen bald, daß die Heilquellen nur gewissen bestimmten Krankheitsgattungen, nicht aber allen menschlichen Gebrechen ohne Unterschied zum Heilmittel dienen könnten. Man richtete also nach ihren bisherigen Leistungen seine ferneren Ansprüche ein, und verordnete nur solchen Kranken den Gebrauch derselben, welche mit bereits durch das Baden Geheilten auf ähnliche Weise litten. Allein, was dem äußern und oberflächlichen Anscheine nach als sich gleichartig darstellt,  war dennoch wesentlich oft nur zu verschieden gestaltet, so daß auch jetzt so mancher Leidende sich in seinen Erwartungen sehr getäuscht fand, und überhaupt kehrten auch ähnliche Krankheitsfälle, als die bisher geheilten, nur selten wieder. Der wahrhaft heilsame Gebrauch der Bäder blieb demnach immer noch sehr eingeschränkt. Gleichwohl ließ sich aus dem bisher Geleisteten auf eine sehr vielseitige und umfassende Wirkung der Mineralquellen schließen; denn die geheilten Uebel waren meist so zusammengesetzte, verwickelte und hartnäckige Gebrechen, daß jeder Versuch, ihnen auf eine andere Weise heilkräftig zu begegnen, durchaus scheiterte. Darum fühlte man endlich das Bedürfniß, die wahren Kräfte der Bäder genauer kennen zu lernen, damit man die Fälle vorher zu bestimmen vermöchte, in welchen sie ihrer Natur nach die gewünschte Heilung gewähren müßten, und die Scheidekunst war es dann, von welcher man die verlangten Aufschlüsse erwartete. Die bekanntesten Quellen wurden jetzt chemisch untersucht und in ihre einfachen Bestandtheile zerlegt.

Da fanden sich dann Grundstoffe, die man bisher schon als arzneikräftig gekannt und benutzt hatte, oder deren Kräfte man nach den Grundsätzen der Chemie bestimmen zu können meinte, und es schien nun nichts natürlicher, als von den Eigenschaften der Theile, auf die Wirkung des Ganzen zu schließen, nichts leichter, als den Wirkungkreis der Quelle im Voraus zu bezeichnen. Und in der That hat man diesen Weg bis auf den heutigen Tag noch nicht verlassen, sondern verfolgt ihn beharrlich, als den sichersten zum Ziele. Alle Mineralbrunnen benennt man nach der chemischen Analyse, und selbst den neuentdeckten wird hiernach ihr Platz in der Reihe beachtenswerther Heilmittel zuversichtlich angewiesen. Ist nun aber das Resultat der Brunnenkuren günstiger ausgefallen? - Keinesweges; denn noch immer kehren eben so viele, wie ehedem, ungeheilt aus den Bädern zurück, und noch immer erscheint es dem unbefangenen Beobachter als ein reiner Zufall, wenn wirklich einmal ein Kranker vollkommen genesen abreist; ja, viele Genesungen darf man nicht einmal auf Rechnung des Bades setzen. Denn das Herausreißen aus einem drängenden Geschäftskreise und aus einer lästigen Gebundenheit, die tägliche Bewegung in freier, angenehmer Luft, der Genuß vielfacher Naturschönheiten, die Menge von angenehmen Eindrücken und Zerstreuungen überhaupt,

die nähere Berührung mit hochgebildeten Männern und Frauen - alles dieses trägt offenbar mehr, als der Gebrauch eines Bades, dazu bei, eine gewisse Art von Hypochondrie, die wir bei vielen Geschäftsleuten antreffen, eine Zeit lang gänzlich zu beschwichtigen; denn ohne zu baden, würden sie bei bloßem Reisen, dasselbe erreichen.

Man darf sich darüber auch gar nicht wundern, da die Mineralquellen ganz das Schicksal aller übrigen Arzneimittel theilen müssen. Man weiß von den eigenthümlichen Wirkungen jener eben so wenig Bestimmtes, als von den wahren Kräften dieser, und wenn dennoch die Bäder mit jedem Jahre häufiger besucht werden, so darf man daraus noch keinesweges auf eine genauere Bekanntschaft mit ihren medizinischen Eigenschaften und eine daraus entspringende glücklichere Anwendungsart derselben schließen, vielmehr muß man den Grund dieser Thatsache in der Mode suchen. Es gehört nämlich gegenwärtig wirklich mit zum guten Tone, alljährlich ein Bad oder auch zwei, drei –

je mehr, desto besser - zu besuchen, um sich angenehm zu zerstreuen und sein Geld  auf eine vornehme Weise zu verzehren. Krank braucht man dabei gar nicht zu sein, und

die Hälfte der Brunnengäste ist unstreitig gesund. Von der wirklich kranken andern Hälfte kann man auch zwei Drittheil abrechnen, die ohne allen Nutzen, oder gar zu ihrem Schaden die Reise gemacht haben. Denn viele gehen aufs Gerathewohl hin, und thun damit ebenso wohl, als die meisten andern, welche einen Arzt darum befragen.

Denn der Arzt schickt gerne die Kranken, deren Behandlung ihm nach gerade lästig wird, in die Bäder, und gewinnt dadurch den doppelten Vortheil, die gelungene Heilung seinem guten Rathe beimessen, die mißlungene aber einem Versehen des Brunnenarztes oder andern ungünstigen Verhältnissen zuschreiben zu können.

So wenig je die Scheidekunst zur Bereicherung der Arzneimittellehre wesentlich beigetragen hat, eben so wenig hat sie uns die wahren Wirkungen der Bäder kennen gelehrt. Denn was hilft es uns, wenn wir durch sie erfahren, welche Grundstoffe darin enthalten sind? Was hilft es uns, wenn wir wissen, daß Nat-c. oder Nat-s. darin vorkommen, sobald wir die Kräfte von diesen beiden Grundstoffen nicht kennen? Denn es ist fast lächerlich, die einzige Eigenschaft des Abführens z.B. für die ganze Wirkung des Glaubersalzes zu halten - eines Mittels, dessen Wirkungssphäre ganz ungemein umfassend sein muß, da es aus zwei Grundstoffen besteht, die selbst einen sehr reichen Wirkungskreis haben, nämlich dem mineralischen Laugensalze und der Schwefelsäure. Gesetzt aber auch, man wüßte bereits, was jeder einzelne Grundstoff zu wirken vermöchte, so würde man daraus immer keinen Schluß machen können auf die Wirkung aller Grundstoffe zusammen,  wie sie sich, gleichsam zu einem neuen Körper verschmolzen, im Bade wieder finden. Denn wir kennen, obgleich uns die Wirkungen des mineralischen Laugensalzes und der Schwefelsäure ziemlich bekannt sind,

dennoch die Kräfte des Glaubersalzes nicht, welches aus der chemischen Verbindung beider entsteht; um so weniger werden wir die medizinischen Eigenschaften einer Mineralquelle zu beurtheilen vermögen, welche aus mehreren Grundstoffen zusammengesetzt ist, von denen wir die wenigsten nach ihren wahren Wirkungen kennen.

Demnach wissen wir von den eigentlichen Kräften der Bäder vor der Hand noch gar nichts Bestimmtes, und es würde völlig unbegreiflich bleiben, wie die Aerzte von

den Heilwirkungen derselben so viel Rühmens machen könnten, wenn sie nicht bei der Mangelhaftigkeit ihrer, auf gewöhnlichem Wege gewonnenen Kenntnisse über Arzneiwirkungen überhaupt, gewohnt wären, mit unvollkommenen Resultaten ihrer ärztlichen Praxis für lieb zu nehmen.

In den Mineralquellen liegen große, mächtige Heilkräfte verborgen, und es gibt nur Einen Weg, diese zu Tage zu fördern. Hahnemann ist uns auf demselben beharrlich vorangeschritten, und hat in kurzer Zeit Außerordentliches geleistet. Ihm nicht nachfolgen zu wollen, wäre mehr als Thorheit, wäre Versündigung an dem ganzen

menschlichen Geschlechte, dem doch jeder Arzt, als solcher, seine Kräfte zu weihen verbunden ist.

Wie die Hahnemannische Arzneimittellehre, gewonnen durch Prüfung arzneilicher Stoffe an gesunden Menschen, als ein herrlicher Schatz von reinen Beobachtungen,

alles weit übertrifft, was in drittehalb tausend Jahren die ganze ärztliche Zunft in diesem Fache  geleistet hat, so dürfen wir auch von einer gewissenhaften Prüfung der Mineralquellen an gesunden Menschen mit Zuversicht Aufschlüsse über deren Wirkungen erwarten, die allein hinreichen werden, einen wahrhaft segensreichen Gebrauch

von den Bädern zu machen. Denn nur dann erst, wenn wir ihre Kräfte nach solcher Prüfung genau kennen, wird es erklärlich werden, warum ein Bad in diesem Falle half,

in jenem aber schadete, und man wird stets im Voraus bestimmen können, welcher Kranke davon Heilung und welcher Nachtheil zu erwarten habe.

Was ich hier nur theoretisch ausgesprochen, hat die Erfahrung bereits herrlich bestätigt. Einer meiner Korrespondenten, ein vielfachgebildeter und routinirter Arzt, früher

viele Jahre lang Allöopath, seit 5 Jahren aus Ueberzeugung Homöopath, hat die Teplitzer Mineralquellen fleißig und gewissenhaft an gesunden Individuen geprüft, und seine Beobachtungen mir zu beliebigem Gebrauche mitgetheilt. Ich kann aber diesen kostbaren Schatz von Erfahrungen nicht besser benutzen, als indem ich ihn der ärztlichen und nichtärztlichen Welt mittheile und zur Förderung wahrer Heilwissenschaft zum Gemeingute erhebe. Tausende -ich bin es fest überzeugt- werden den edlen Menschenfreund künftig segnen, der mit vielfacher Aufopferung Jahre lang den Wirkungen der Teplitzer Quellen nachforschte, und durch seine Bemühungen so viel dazu beitrug, die Leiden seiner Mitbrüder zu mildern und manches bis dahin unheilbare Gebrechen zu vertilgen.

Die Diät, welche er die vollkommen gesunden Individuen, die versuchsweise badeten oder tranken, führen ließ, war streng nach der Vorschrift geregelt, welche Hahnemann  (im §. 118. des Organon der Heilk. 4. Aufl.) den Arzneiprüfern überhaupt giebt, d.h.  ganz einfach, bloß rein nährend, auf keine Weise reizend oder arzneilich störend.

Das Baden ließ er zuerst zu 5-10 Minuten und damit täglich länger, bis zu 1 Stunde, fortsetzen, aber dann sogleich aufhören, wenn sich bedeutende Symptome einfanden, und nun so lange pausiren, bis das normale Befinden wieder völlig hergestellt war. Die Pausen mußten der lange anhaltenden Wirkung wegen oft sehr weit ausgedehnt werden. Unserem Beobachter selbst begegnete es einmal, daß er von vierwöchentlichem Baden gar keine Wirkung verspürte, so lange er täglich badete, aber sobald er nun ganz aussetzte, 3 Wochen lang die bedeutendsten Symptome bekam.

Bei Aufzeichnung der Symptome hatte er die größte Genauigkeit angewendet. Er ließ nämlich jeden Badenden oder Trinkenden seine krankhaften Gefühle und Wahrnehmungen selbst aufzeichnen, und ging dann mit ihm die einzelnen Symptome durch, um hier und da ihn zu einer bestimmteren Erklärung zu veranlassen.

Er selbst notirte dann, was er an demselben für Veränderungen bemerkte. Wenn auf solche Weise manches Symptom bei zwei und mehreren Versuchspersonen vorkam,

so konnte es nur dazu dienen, die Reinheit der Beobachtungen noch mehr zu beweisen.

Manche gesunde Individuen bemerkten von längerem Baden sehr wenig oder fast keine Befindensveränderungen. Doch dürfen wir uns darüber um so weniger wundern,

da wir die ähnliche Erfahrung bereits bei den gewöhnlichen Arzneiprüfungen mehrfach gemacht haben. Nicht jeder Organismus ist für jede arzneiliche Einwirkung gleich empfänglich, mindestens nicht zu jeder Zeit, während mancher im Uebrigen höchst robuste Körper von sehr schwachwirkenden Potenzen, vermöge einer Art von Idiosynkrasie, auf das heftigste affizirt werden kann, z.B. von dem Geruche der Viola odorata. (Vergl. Archiv für die hom. Heilkunst. 1r Bd. 2s Hft. S. 13.)

Schweiß, der beim Baden in bis zu etlichen und 30ø R. erhitztem Wasser ganz natürlich erscheinen muß, wenn auch dieses Wasser sonst gar nichts Arzneiliches enthielte,

ist darum nie als Symptom mit aufgeführt worden.Heiß angewendet, zeigten sich die sämmtlichen Quellen von Teplitz im Allgemeinen gleich in ihrer Wirkung auf den menschlichen Körper; nur scheint das Steinbad von den übrigen in etwas abzuweichen, erzeugt vorzugsweise große Blattern oder Pusteln und meist nur auf der Brust, die heftig jücken und darnach brennen, doch nie in den ersten Tagen, sondern gewöhnlich zwischen dem 15ten und 30sten Tage, wirkt vorzüglich erregend auf die Menstrualblutgefäße ein u.s. w. und beschwichtigt sehr häufig dringende Zufälle, die der Gebrauch anderer Quellen eben erst veranlaßt hat. So z.B.  beobachtete unser Verfasser 1826 selbst folgenden Fall:

Eine Frau, die von ihrem Hausarzt angewiesen war, das Steinbad zu gebrauchen, kam nach Teplitz und wollte, bevor sie badete, doch erst noch den Rath eines Brunnenarztes einholen. Da wurde ihr denn das Steinbad widerrathen und das Stadtbad verordnet. Sie brauchte also das letztere bis zu 28ø R. abgekühlt, und da sie in 8 Tagen gar keine Wirkung verspürte, so mußte sie wärmer baden, merkte aber auch davon keinen Erfolg, und ward nun angewiesen, die Quelle ganz heiß zu gebrauchen. Jetzt bekam sie die  furchtbarsten Kopfschmerzen bis zum Wahnsinn. Das Aussetzen des Bades, der Gebrauch von vielen Blutigeln, die Verordnung reichlicher Aderlässe - alles blieb ohne Erfolg und die Beklagenswerthe ward von den Aerzten als eine rettungslos Verlorne im Stiche gelassen, als sich ihre Schwester noch entschloß, sie ins Steinbad tragen zu lassen.

Dies machte sogleich einen wohlthätigen Eindruck auf ihren Kopf, und nachdem sie 3 Wochen lang täglich einmal gebadet hatte, bekam sie das blühendste Ansehen und verließ Teplitz vollkommen genesen. Aehnliche Beobachtungen sind in Menge vorhanden, woraus sich eine geringe Verschiedenheit des Steinbades von den übrigen

Teplitzer Quellen wohl abnehmen läßt; doch fehlt es auch nicht an Beispielen, daß Symptome, von irgend einem Bade erzeugt, und besonders nach dem Aussetzen

desselben höchst lästig geworden, und von keinem Mittel beschwichtiget, endlich durch den täglichen Gebrauch desselben Bades schnell und vollkommen beseitiget

wurden.

Wenn solche Beschwichtigung im ersteren Falle als eine homöopathische gelten muß, so scheint sie mir im letzteren auf folgende Weise erklärlich zu werden.

Das nach einigem Baden entstandene und nach dem Aussetzen des Bades lästig fortbestehende Symptom gemahnt mich wie eine begonnene, noch nicht zur Reife

gediehene, durch den plötzlichen Mangel der äußeren Anregung (Aussetzen des Bades) unvollendet gebliebene Erstwirkung, die nun hartnäckig keinem Mittel weicht,

sondern durch ferneres Baden erst ihre rechte Höhe (Akme) erreichen will, um dann in die Nach- und Heilwirkung übergehen zu können. Denn das Bad wirkt nicht wie

ein inneres Medikament, sondern nur indem es längere Zeit hindurch fortgebracht wird,  langsam und allmählig auf

den ganzen Organismus ein. Wer bloß ein paar Tage baden wollte, würde von ordentlichen Wirkungen nichts verspüren.

Doch würde auf der andern Seite der, welcher immer noch fort baden wollte, wenn er schon sehr bedeutende Zufälle an sich wahrnähme, die Erstwirkung stören und das organische Reaktionsvermögen mit Gewalt zu einer Zeit, wo es als Heil-Nachwirkung thätig werden sollte, unterdrückt erhalten, somit aber sich leicht selbst in einen

chronisch leidenden Zustand versetzen.

Von inneren Arzneistoffen war es hauptsächlich Stramonium (Stechapfel), welches in kleinster Gabe (III) zu starke Wirkungen des Teplitzer Bades leicht und schnell beseitigte.

Es könnte vielleicht manchem homöopathischen Arzte scheinen, als wäre, wie jedes andere Mineralbad, so Teplitz, durch die neuesten Entdeckungen im Gebiete der homöopathischen Heilkunst nicht nur völlig entbehrlich gemacht, sondern würde auch noch rücksichtlich der geeigneten Anwendungsart von den antipsorischen Heilmitteln bei weitem übertroffen, und in Betracht der statt finden den Potenzirung der letzteren ganz in den Hintergrund gedrängt: allein dem ist in der That nicht also. Besitzen

wir gleich alle die Stoffe, welche in den Bädern enthalten sind, ächt und rein, und leisten sie auch nach gehöriger Potenzirung unendlich mehr, als sie je im rohen Zustande vermochten, so wirken sie doch hier schon als Bad, indem sie die ganze Körperoberfläche und durch diese den ganzen Organismus gleichsam mit Einem Male in Anspruch nehmen, auf eine ganz andere, eigenthümliche Weise; sie wirken aber auch nicht mehr, wie die einzelnen antipsorischen Stoffe, welche wir als solche  kennen, sondern, zu einem einzigen Körper verschmolzen, als ein ganz neues, bisher noch nicht eigentlich gekanntes, wichtiges Heilmittel. Potenzirt sind sie freilich nicht 1461  auf dieselbe

Weise, wie unsere homöopathischen Medikamente, aber dessen ungeachtet potenzirt auf eine andere Weise, die sich von Menschenhänden nicht nachmachen läßt,

ich meine, durch den der Quelle inwohnenden Brunnengeist, den Niemand sieht, noch fühlt, sondern nur an seinen wunderbaren Wirkungen im gesunden (und kranken) menschlichen Körper erkennt, und den die Natur selbst in ihrer geheimnißvollen Werkstätte erfindet und schafft. Nur heiß, wie sie aus der Erde sprudelt, besitzt die Quelle diesen Brunnengeist, diese wunderbare Potenzirung; sobald sie verkühlt, oder auch nur mit kaltem Mineralwasser abgekühlt wird, mit einem Worte, in einem niedrigeren Wärmegrade, als ihn die Natur selbst hervorbringt, wirkt sie weder innerlich noch äußerlich etwas Besonderes; die Gesunden erkranken, die Kranken genesen nicht davon,

und verlieren höchstens ganz unbedeutende Rheumatismen, die wohl auch ein simples Wasserbad gehoben hätte. Gleichwohl sind in dem erkalteten Mineralwasser noch

alle die Stoffe enthalten, welche die Chemie überhaupt darin findet - ein Beweis, daß dieselbe uns nie einen Aufschluß über die wahren Kräfte eines Bades geben kann. 

Nur ein paar Beispiele unter vielen andern mögen die obige Thatsache noch anschaulicher machen.

 

Daß das Teplitzer Wasser ein großes antipsorisches Heilmittel sei, deuten schon die in ihm enthaltenen Grundstoffe entfernt an; deutlicher offenbaren uns dieß seine eigenthümlichen Wirkungen an gesunden Menschen, und am beßten ersehen wir es aus seiner Heilkraft in psorischen Uebeln. Die bisher eingeschalteten Heilungsgeschichten sprechen für diese Heilkraft schon zur Genüge, doch hat unser Beobachter deren noch eine Menge mit der größten Genauigkeit aufgezeichnet, welche ich in Kurzem durch

den Druck bekannt zu machen gedenke, und die dem Wahrheitsfreunde um so interessanter sein werden, da dergleichen bisher eigentlich gar nicht existiren, indem gelungene Heilungen nur den Einwohnern von Teplitz, unter deren Augen sie geschehen und dem Genesenen selbst recht eigentlich in ihrem wahren Vorgange bekannt zu werden pflegen, die Aerzte aber in der Regel sich nicht die Mühe nehmen, eine werdende Heilung genau zu beobachten, geschweige aufzuzeichnen.

 

Daß unser Verfasser weit mehr Kranke, als sonst gewöhnlich der Fall ist, in Teplitz genesen sah, ist darum sehr  natürlich, weil er die Wirkungen des Bades Jahre lang sorgfältig prüfte, und dadurch so genau kennen lernte, daß er schon im Voraus mit Gewißheit bestimmen konnte, ob das Bad helfen würde oder nicht. Auch lehrte ihn seine Erfahrung, einen zweckmäßigeren Gebrauch von der Heilquelle zu machen, als man bisher gewohnt war; denn wie den Gesunden, so ließ er auch den Kranken, nachdem

sich bedeutende Einwirkungen des Bades bemerkbar machten, so lange dasselbe aussetzen, als diese Einwirkungen dauerten, um den Organismus Zeit zu der nöthigen

und heilsamen Reaktion zu lassen, ohne welche keine wahre Genesung erfolgen kann. Auf diese Weise gelang

es ihm, die schwierigsten Gebrechen - wenn auch bisweilen erst in 8 bis 10 Wochen, doch - in einem Sommer vollkommen und dauerhaft zu heilen, während andere Aerzte

ihre Kranken meist mehrere Jahre nach einander in die Bäder schicken müssen, um die immer noch wankende Gesundheit nur einigermaßen zu befestigen.

Das ist aber das ganz natürliche Resultat einer verkehrten Anwendung des Bades. Denn wenn man den Leidenden, sobald sich die Wirkung des Bades in heftigen Primärsymptomen zu erkennen giebt, immer fortzubaden zwingt, so wird der Organismus verhindert, sich zu einer heilsamen Reaktion zu erheben, und nimmt am Ende den gewaltsamen Eindruck fast leidend auf. Die Symptome werden nun schwächer, und der Kranke verläßt den Badeort mit der ärztlichen Vertröstung, daß die Heilwirkung in etlichen Wochen schon nachkommen werde. Allein sehr oft wird nun der Organismus, wenn er nicht noch recht kräftig ist, sich zu keiner vollkommenen Reaktion erheben

und er behält am Ende gar einen Theil der künstlichen Krankheit  (vom Bade) als chronisches Siechthum, mit dem ursprünglichen zu einem neuen Ganzen verschmolzen, in sich, und ist nun um nichts besser daran, als vor dem Baden, wird auch dann wohl schwerlich von einem nochmaligen Gebrauche des Bades, wenn nicht ganz anders dabei

zu Werke gegangen wird, mehr Nutzen zu erwarten haben.

Die Teplitzer Quellen wirken kräftiger als äußeres Heilmittel auf den Organismus ein, als innerlich gebraucht, und schon daraus ersieht man, daß sie recht eigentlich zum Baden von der Natur geschaffen sind. Doch bringt auch das Trinken des heißen (nicht abgekühlten) Wassers nicht unwichtige Symptome im gesunden Organismus hervor, wie die nachstehenden Beobachtungen beweisen mögen:

 

 

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