Anthroposofie Anhang 4

 

[Werner Schmötzer]

Anthroposophische Naturheilpraxis

 

Verständnis von Gesundheit und Krankheit

Bereits die Alten wussten: Leben ist auch Krankheit, Alter und Tod. Das Leben ist endlich, am Ende steht der Tod. Wenn man denkt in Polaritäten, so wird klar: ohne Tod kein Leben - ohne Krankheit

keine Gesundheit. Krankheit gehört mit zum Mensch-Sein. Natürlich sollte der Mensch pfleglich umgehen mit seiner Gesundheit, sollte diese nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Doch manchmal kommt es anders im Leben, als man denkt. Da kommt irgend ein Ereignis, ein Schicksalsschlag, eine „Wende", denen man „nicht gewachsen" ist. Das wirft einen nieder, oder gar um.

Man hat jahrelang daran zu beißen, zu kauen und zu verdauen. Vielleicht wird man krank, trotz einer bisher „gesunden" Lebensführung. Was steht möglicherweise dahinter?

Das Leben des Menschen, vor dem Gedanken der Reinkarnation, ist ein Entwicklungsweg, ein Weg des Lernens. Das, was bisher noch nicht gekonnt wird, was noch fehlt, das muss gelernt werden,

wenn nicht, so muss es nachgeholt werden.

Der Mensch wird vom Schicksal immer wieder konfrontiert mit solchen Prinzipien, die er noch nicht bearbeitet hat, die ihm noch fehlen.

Wenn ein Schüler in Mathematik so ungenügend ist, dass er nicht in die nächste Klasse aufsteigen kann, so muss er wiederholen. Der Satz des Pythagoras wird ihn immer wieder einholen, so lange,

bis er ihn beherrscht. Macht sich der Schüler nicht daran, so muss er immer wieder wiederholen. Auch das geht nicht unendlich lange.

Irgendwann, wenn die Möglichkeiten des Wiederholens erschöpft sind, dann muß er das Gymnasium verlassen, dann geht er zurück in die Hauptschule. Sein Lebensweg, seine Karriere ändert sich

dadurch.

Es stehen nicht mehr alle Berufsmöglichkeiten offen. Er kann nicht mehr auf der Karriere-Leiter steil nach oben zum Universitätsprofessor avancieren. Wenn er dieses Ziel dennoch anstrebt, so ist dies

in der Regel möglich, doch der Weg ist dann viel länger und wesentlich steiler (2. Bildungsweg).

Hier liegt der entscheidende Punkt. Hier scheitern sehr viele Menschen. Statt das Schicksal als Chance zu (er-) begreifen, es zu meistern, daran zu wachsen, wenden viele Menschen sich ab, verdrängen

es, oder negieren es. Sie klagen und jammern, wo sie auch sind, wie schlecht es ihnen geht. Was sie für ein Pech und was für ein schlechtes Schicksal sie haben. Sie setzen sich nicht mit der Aufgabe,

die möglicherweise gestellt ist, auseinander.

Doch das Schicksal hat einen langen Atem. Es wird immer wieder und immer stärker anklopfen. Bei einem Nichtannehmen, bei einem Nichtbewältigen kommt Schicksalsschlag um Schicksalsschlag,

Krankheit nach Krankheit. Der Lernende sollte fragen: Was kann/muß ich ändern? Wie habe ich das zu verstehen, was das Leben mir an Aufgaben stellt?

Da gibt es Menschen, die haben schwerste Schicksalsschläge hinnehmen müssen, man hat das Gefühl, die sind nicht gebrochen, die haben an Würde und an Reife gewonnen. Sie sind dennoch heiter

und zuversichtlich, meistern ihr Schicksal und klagen nicht. Andere hingegen, die jammern und klagen, sind gänzlich unglücklich wegen der nicht erreichten beruflichen Beförderung. Sie kommen nie

darüber hinweg und jammern bis an ihr Lebensende, sind verhärmt und krank. Es gibt zwei Möglichkeiten des Lernens.

Die erstere ist das freiwillige, bewusste Lernen. Der Mensch stellt sich seinem Schicksal, dem Problem, das sich ihm in den Weg stellt. Er versucht freiwillig und aktiv, das Problem zu erlösen.

Die zweite Art des Lernens setzt automatisch ein, wenn der Mensch sich weigert das anstehende Problem zu lösen, wenn er versucht, dieses zu verdrängen und auszusitzen. Dann beginnt das Schicksal,

den Menschen in den nicht wahrgenommenen Lernprozess zu zwingen. Dann beginnt das Leiden. Der Betroffene wehrt und sträubt sich, wird die Schuld seiner schlechten Situation immer außerhalb

seiner selbst suchen. Andere haben Schuld. Solange der Betroffene in diesem Denken verharrt, ist keine Er-Lösung des anstehenden Problems in Sicht.

Aus diesem Grund können Krankheiten, Pechsträhnen, böse Schicksale sehr lange, vielleicht lebenslang, u.U. bis zur nächsten Inkarnation andauern. So lange eben, bis der Einzelne begriffen hat, es

hat primär mit ihm zu tun. Er muss etwas ändern; er muss das Problem erlösen, um weiter zu kommen. » Schicksalsschläge und Krankheit sind fast immer nur der passive Aspekt eines nicht freiwillig

wahrgenommenen Lern-Prozesses. Die Kurzformel heißt: Wer nicht lernt, der leidet. « Zitat Dethlefsen - Seite 123.

Dieser Aspekt wirft vielleicht auch ein Licht auf Lebensbiographien, die scheinen, als seien sie total ungerecht. Da kommt ein Mensch auf die Welt, von vornherein behindert, blind, mit fehlenden

Gliedmaßen.

Man fragt sich, wie kann Gott so etwas zulassen? Vor dem Hintergrund der Reinkarnation ist es jedoch denkbar, dass da irgendetwas, was in früheren Leben unerfüllt bzw. unerlöst blieb, dass das im

Jetzt erlöst werden muss. Für den Betroffenen mag ein solcher Aspekt auf den ersten Blick wenig tröstlich sein, doch kann er andererseits auch helfen, „unabwendbares Schicksal" besser annehmen

und ertragen zu können. Der Mensch kommt auf diese Welt nicht als ein „unbeschriebenes Blatt". Sein Persönlichkeitskern, sein Ich hat eine lange Kette von Erdenleben hinter sich. In jedem Leben

gab es bestimmte Problemstellungen - Aufgaben, die mehr oder weniger gut (er-) gelöst wurden.

Nur in den seltensten Fällen hat ein Mensch, am Ende eines irdischen Lebens, alle Anforderungen und Aufgaben des Schicksals ergriffen und eingelöst.

Der Verlauf der Biographie eines Menschen ist nicht etwa etwas Willkürliches. Es ist vor dem Hintergrund der Reinkarnation das, was sich jeder einzelne selbst erarbeitet hat. Unter diesem Aspekt

gibt es kein gutes und kein schlechtes Karma, zweifellos jedoch Aufgaben, die leichter oder schwerer zu bewältigen sind.

Der Lebensgang, die Biographie eines Menschen soll zur Vervollkommnung führen, jeder absolvierte Lernabschnitt bringt den Menschen diesem Ziel näher.

Aufgabe der Krankheit kann sein, den Menschen mit einem bestimmten Prinzip bekannt zu machen, das er offensichtlich nicht freiwillig einlöste.

Hier wurde einiges an Gedanken dem Buch: „Schicksal als Chance" von Thorwald Dethlefsen entnommen. Ein Buch, das sehr zu empfehlen ist. Dethlefsen ist kein Anthroposoph, führt jedoch in den

Gedanken des Karma sehr behutsam ein, wenn auch nicht deckungsgleich mit STEINER.

Dethlefsen zeigt da noch mögliche Beziehungen zwischen Karma und kosmischer Konstellation der Geburtsstunde, also dem Horoskop auf. Er geht so weit, dass der „Lehrplan" eines menschlichen

Lebens in dieser Geburtsstunde, in dem Horoskop, geschrieben wird. Dieser Gedanke muss hier nicht weiter vertieft werden. Doch kann man natürlich karmische Zusammenhänge darin sehen, dass

ein Mensch sich zu einer (vor)bestimmten Zeit, an einem (vor)bestimmten Ort inkarniert.

Doch nicht nur der Mensch als Individuum hat zu lernen, sich zu entwickeln, einzelne Volksgruppen, ganze Völker, ja die ganze Menschheit tut dies auch. Wenn man sich vor Augen hält das archaische Rechtsbewusstsein früherer Zeiten: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dem Dieb wurde die Hand abgehackt, Ehebrecher wurden gesteinigt. Blutrache - wenn einer Sippe Unrecht geschah, so musste dies

über mehrere Generationen hinweg gerächt werden, ob die die Rache vollziehenden Menschen nun etwas dafür konnten oder nicht.

Wenn man da heute einen weitaus humanisierten Strafvollzug daneben stellt, so kann man zu dem Ergebnis kommen, dass die Menschheit in weiten Teilen der Welt eine Entwicklung genommen hat,

einen Bewusstseinsprozess durchlebt hat und weiter durchlebt.

Betrachtet man die Kriegsführung früherer Zeiten, da waren blutige Schlachten und Gemetzel, Eroberungskriege an der Tagesordnung. Heute gibt es große Allianzen, die für ganze Erdteile den Frieden

sichern sollen (NATO), oder gar weltweit (UN).

Trotz all dieser Anstrengungen und Fortschritte sieht man, dass dieser Zustand bei weitem nicht stabil und friedenssicher ist, dass zwar ein Anfang gemacht ist, dass jedoch immer wieder Konflikte

aufflackern. Da beanspruchen Weltmächte, den UN - Resolutionen entgegen, das Recht, andere souveräne Staaten anzugreifen und zu okkupieren - nicht zuletzt sind da auch Interessen mit im Spiel,

sich den Zugang zu Ölressourcen zu sichern. Trotzdem arbeitet die Welt weiterhin an friedenssichernden Maßnahmen.

Die Weltreligionen, die Kirchen, haben zu früheren Zeiten große Religionskriege geführt, unter dem Banner des Kreuzes wie des Halbmondes. Da wurde viel, viel Blut vergossen, des Glaubens an Gott

wegen. Hexen wurden verbrannt im Namen der Kirche. Das geozentrische Weltbild wurde von der Kirche verteidigt wider besseres Wissen, einfach, um die Macht zu halten. Heute hat auch in dem sehr

konservativen Vatikan zumindest teilweise ein Umdenken stattgefunden. Papst Johannes Paul II hat sich entschuldigt für Irrtümer, Unrecht und Greueltaten der Kirche in früheren Zeiten. Heute, auch

das ist ein Fortschritt, treffen sich die Religionsoberhäupter, reden miteinander, möchten ihren Beitrag leisten für eine bessere Welt. Doch man sieht, es ist alles noch ein Üben. Da treffen Islam und

Christentum so schroff aufeinander, Altertum und Neuzeit. Die einen sind in puncto Liberalität über die guten Sitten hinausgeschossen. Da werden auf der westlichen Theaterbühne Jesus, Mohamed

und andere enthauptet. Das beleidigt diejenigen, die noch nicht einmal die Menschenrechte für die Frau kennen, die Anhänger des Islam.

Es droht Aufstand, Religionskrieg. So wird deutlich, auch auf der Weltbühne ist es ein Üben. Zwei Schritte vor und einen zurück, oder wieder ganz neu von vorn.

Ganze Völker können, aus Gründen des Karma, in Feindschaft leben, sich über Jahrhunderte bekriegen, Erzfeinde sein, um dann doch irgendwann, aus neuem Bewusstsein Freundschaft zu schließen

(Deutschland - Frankreich - Polen). So ist auch in Umweltdingen ein großer Bewusstseinsprozess in Gang gekommen.

Obwohl sich, regional betrachtet, eine zumindest, was das Grobstoffliche anbelangt, deutlich sichtbare Verbesserung der Umwelt und ihrer Verschmutzung vollzogen hat, ist die Welt im feinstofflichen

Bereich mehr denn je dem Kollaps, der Katastrophe nahegekommen. Im Ruhrgebiet, Deutschlands früherer Standort der Schwerindustrie, da sind die Zechen und Hochöfen zum größten Teil stillgelegt.

Da sind die Häuserfassaden nicht mehr schwarz, der Himmel ist nicht mehr mit Rußwolken verhangen, das Tal der Ruhr ist heute Naherholungsgebiet. Das Wasser des Rheins hat nach der Katastrophe

von Sandoz wieder „Badequalität" – Fische schwimmen wieder darin. Nach der Senkung der Obergrenze für Emissionen, der Einführung von Katalysator und Rußpartikelfilter ist die Luft, grob gesehen,

sauberer geworden. Doch weltweit, nicht zuletzt auch bedingt durch die Globalisierung, wurden Flug- und Warenverkehr um ein mehrfaches gesteigert. Fossile Energieträger werden verbrannt und in

die Atmosphäre geblasen, in einem noch nie da gewesenen Ausmaß. Müll wird neuerdings nicht mehr deponiert, er wird in arme Länder gekarrt oder verbrannt und somit in die Atmosphäre, unsere

Atemluft überführt. Atemwegserkrankungen, hauptsächlich bei Kindern, nehmen zu. Fossile Energie-Ressourcen wie Erdöl, Erdgas, die in Jahrtausenden, gar Jahrmillionen, entstanden, werden binnen

200 Jahren verbrannt, das CO2 freigesetzt, und aufgebraucht, für ein angeblich notwendiges Wirtschaftswachstum der westlichen Nationen. Forscher sprechen von der drohenden Klimakatastrophe,

errechnen uns fiktiv, wann das Finale droht. Die Menschheit, global gesehen, droht zu ersticken.

Die stark anwachsende Weltbevölkerung tendiert immer mehr dahin, sich in Großstädten zu organisieren. Riesenstädte mit 20 - 25 Millionen Einwohnern sind keine Seltenheit mehr. Sie sind im Kommen.

Trinkbares Wasser wird immer knapper.

Der Energiehunger aufstrebender, sehr bevölkerungsreicher Staaten wie Indien und China wächst und wächst. Sie wollen unseren Standard.

In dieser Not werden Weltwirtschaftgipfel, globale Klimagipfel einberufen - das gab es noch nie. Die Verantwortlichen der Industrienationen sehen, dass etwas geschehen müsste, fassen Beschlüsse,

doch diese gehen über die „Köpfe" der Armen, der Dritten Welt hinweg. Dies zeigt, dass auch auf diesem Gebiet ein Bewusstsein der Menschheit allmählich aufkommt, sich entwickelt. Doch auch da:

zwei Schritte vor und einen zurück. Man übt. AI Gore hat dieser Tage ein weltweites Konzert „Live Earth" organisiert zu Gunsten eines neuen Umweltbewusstseins. Alles musiziert und rockt um den

Globus, der Umwelt zuliebe. Man könnte meinen, es sei ein Tanz um das Totem früherer Zeiten. Auch da haben die Menschen gesungen, gebetet um Regen, haben die Gottheiten angerufen, Gefahren

abzuwenden. Heute hat der Mensch die Verantwortung.

Da muss man klar erkennen, auch die Menschheit hat eine große Entwicklung genommen. Sie ist noch weit weg vom Ziel der besseren Welt; doch wir waren auch noch nie so nahe dran. So nahe dran

an der besseren Welt - auch noch nie so nahe am Abgrund. Nicht nur für das Individuum gilt: Wer nicht lernt, der leidet!

So gilt das auch für ganze Völker, für das Kollektiv der Menschheit. Entweder, die Menschheit erkennt als Ganzes, dass die Schöpfung in höchstem Maße bedroht ist, und steuert radikal um.

Dies wird kaum der Fall sein können - die Menschen in den verschiedenen Teilen der Erde haben einen unterschiedlichen Bewusstseinsstand. Oder, wenn nicht radikal umgesteuert wird, so wird das

Leiden drastisch zunehmen, und der Untergang ist gewissermaßen programmiert. Doch untergehen wird nicht alles. Dies wird deutlich unter dem Aspekt der Reinkarnation und dem Auftrag der

Weiterentwicklung.

Guenther Wachsmuth beschreibt dies sehr anschaulich in seinen Werken (87; 88; 89).

Es gab schon seit jeher Menschheitsgruppen, deren Bewusstsein fortschrittlicher war als das der Massen. Immer wenn frühere Kulturen an Dekadenz untergingen, da machten sich weiter fortgeschrittene

Gruppen, praktisch die geistigen Eliten auf den Weg, verließen den Ort des Niedergangs. So konnten andernorts neue Kulturen erblühen und sich weiterentwickeln. Atlantis, nachatlantische Epochen

wie die Urindische, Urpersische, Ägyptische, Griechisch-Römische, beweisen dies anschaulich. So wird auch unsere rein materialistisch und Konsum-orientierte Kultur einer neuen Platz machen müssen.

Einesteils, um die Schöpfung zu erhalten, andererseits, um einer Weiter- und Höherentwicklung der Menschheit nicht im Wege zu stehen, sondern dieser zu dienen.

Die in diesem Jahrzehnt begonnene Globalisierung, ein an und für sich positiver Aspekt, hat den Charakter einer Krankheit, wenn sie sich einseitig nur auf Geld- und Warenströme beschränkt, an den

Armen der Welt vorbei. Wir als Menschheit müssen das Materielle überwinden, wieder in den Vordergrund stellen, was dahinter steht, nämlich geistige Prinzipien.

Da gab es in frühen Zeiten der griechisch-römischen Kulturepoche bereits Impulse, die zumindest geistig orientiert waren - ideell veranlagt waren. Genannt sei in diesem Zusammenhang beispielsweise

auf dem Gebiet des Sports die olympische Idee. Die Olympiade fand zunächst regional begrenzt in Griechenland statt, wurde dann zur weltweiten Bühne friedfertigen Kräftemessens.

Später der christliche Impuls, ausgelöst durch Christi Geburt. Zuerst regional unterdrückt und verfolgt, wurde der christliche Impuls später zu einem weltumfassenden Kulturimpuls des Glaubens, des

Humanismus und der Gottverehrung. Sakralbauten und Kathedralen von unglaublicher Schönheit. Heute steht in Deutschland in jeder urbanen Ansiedlung eine Kirche. Ganze Hymnen und Musikwerke

wurden geschrieben zur Gottverehrung (Bach-Passionen; Mozart-Messen, etc.). Natürlich wurde auch Machtmissbrauch und Schindluder getrieben.

Die Menschheit, Völker, Volksstämme gehen den Weg der Entwicklung in Bewusstsein und Kultur - langsam, über sehr lange Zeiträume. Da gibt es Fortschritte wie Rückschläge. Ebenso verhält es sich

auch beim einzelnen Menschen. Auch er hat die Aufgabe der Entwicklung.

Wird der Entwicklungsauftrag nicht in der richtigen Weise ergriffen, so droht Krankheit als Form des „unbewussten Lernens", wie bereits oben ausgeführt wurde.

Der Leser wird sich fragen, was solch langatmige Darstellungen in einem „Lehrbuch" für Heilkunde zu suchen haben. Da erwartet man in erster Linie medizinische Fakten und Parameter. Da möchte

man in Indikationsverzeichnissen nachschlagen, was bei dieser und jener Krankheit an bewährten Therapiekonzepten vorliegt. Diese Therapiekonzepte folgen in den entsprechenden Kapiteln. Hier geht

es primär darumzu erkennen, dass Krankheit nicht ausschließlich ein medizinisches Problem darstellt, sondern dass viel mehr dahinter steht. Wenn wir nicht nur reine Symptomenverdrängung betreiben

wollen, so müssen wir unseren Blick weiten und mehr, viel mehr in unser therapeutisches Kalkül mit einbeziehen.

Krankheitssymptome sind nicht die Krankheit. Symptome zeigen Störungen an wie Warnleuchten im Auto. Hypertonie, Schmerz, Depression, Trauer etc. sind keine Krankheit. Keine Autowerkstätte

würde auf die Idee kommen, die rote Öllampe zu eliminieren, wenn sie aufleuchtet.

Kein verantwortungsvoller Therapeut würde auf den Gedanken kommen, einen Trauernden erheitern zu wollen, indem er ihm einen Witz erzählt. Auch würde er dem Schmerzpatienten nicht einfach den

Nerv, auf dem sich der Schmerz auslebt, durchtrennen. Ein verantwortungsvoller Therapeut würde auch nicht auf den Gedanken kommen, einem Hochdruck-Patienten den Blutdruck drastisch abzusenken!

- oder etwa doch?

In einer rein materialistisch orientierten Reparatur-Medizin ist es heute gang und gäbe, dass man, ohne die Ursachen zu erforschen, dem Hypertoniker die „rote Lampe" herausnimmt und den Blutdruck

absenkt. Heute ist es gang und gäbe, dass man dem Depressiven Tranquillizer/Antidepressiva gibt. Geheilt ist und wird der Patient bei einer solchen Vorgehensweise nicht. Doch zunächst ist er zufrieden,

das Symptom ist weg. Bewältigt, falls da möglicherweise eine Aufgabe (Problem-Lösung) dahinter stünde, ist gar nichts. Sehr verhängnisvoll wird die Angelegenheit auch durch die Struktur unseres Gesundheitswesens.

Der Patient mit dem verdrängten Symptom, geht mit dem nächsten (anderen) Symptom, mit der nächsten Krankheit zum nächsten Facharzt. Den klassischen Hausarzt, der den Patienten, seine Familie,

sein Umfeld kannte, den gibt es nicht mehr. Der Patient rennt von einem Facharzt zum anderen. Dieser kennt die Vorgeschichte nicht, behandelt das erneut aufgetretene Symptom und verdrängt dieses

wiederum als neue Krankheit. Kein Vorteil für die Gesundheitssituation des Patienten, auch nicht für seine Entwicklung. Er wird im Glauben gelassen, die Ursachen seien „medizinisch" - es gäbe keine

Aufgabe, keine Notwendigkeit, irgendetwas zu hinterfragen. Das heißt auch, ein solches Gesundheitswesen steht der (Weiter-)Entwicklung des Patienten entgegen.

Eine anthroposophisch orientierte Heilkunde, die Geistiges, Seelisches, Ätherisches mit einbeziehen will, die wird da anders vorgehen. Um auf dieses andere Vorgehen vorbereitet zu werden, dazu war

dieser lange Exkurs notwendig.

Wir als Therapeuten müssen uns darin üben zu erkennen, was hat bei einer Erkrankung möglicherweise mit dem Karma des Patienten zu tun. Wann ist es nötig, dass dieser in seinem Leben etwas ändert,

seinen Lebensstil ändert. Heute sagt man Lifestyle-Änderung.

Nicht, dass hier der Eindruck erweckt werden sollte, da Krankheit ja ohnehin mit dem Karma des Patienten zu tun hätte, das Ganze sei „lediglich" ein Lernprozess, man könne so den Leidenden auf seine

Aufgaben hinweisen, und eine Therapie mit Arzneisubstanzen würde sich erübrigen. Dies wäre ein falscher Ansatz.

Das Elementare, was ein anthroposophisch ausgerichteter Therapeut sich erarbeiten muss, ist, erkennen zu können: welche Art von Erkrankungen haben mehr mit dem Schicksal des Patienten zu tun und

welche weniger. Danach wird man sein therapeutisches Tun ausrichten müssen.

Erkrankungen, die beispielsweise etwas mit dem kindlichen Entwicklungsgang zu tun haben, wie die Kinderkrankheiten, die gehen häufig, zumindest in den ersten zwei Lebensjahrsiebenten, mit Fieber

und Entzündung (allerlei Hauteffloreszenzen) einher. Fieber, haben wir in den vorangegangenen Kapiteln erkannt, geht mit einem vermehrten Eingreifen des Ich, des geistigen Wesensgliedes einher, dient

in diesem Falle der Entwicklung. Da wird man natürlich sehr zurückhaltend umgehen mit Antipyretika, Antiphlogistika und Antibiotika - mit all den möglichen Fiebersenkenden Maßnahmen im Gegensatz

zur Schulmedizin.

Oben angesprochen waren Erkrankungen des kindlichen und des Jugendalters, die möglicherweise der Entwicklung des jungen Menschen dienen. Unter solchen Aspekten gesehen, ist auch der physiologische

Prozess des Alterns keine Krankheit, sondern ein Entwicklungsprozess, ein Prozess des Reifens. Dieser bedarf in der Regel nicht der Behandlung, sondern häufig der therapeutischen Begleitung. Natürlich

würde man, wenn bleibende Schäden an betroffenen Organen zu befürchten sind oder gar das Leben bedroht ist, solche Errungenschaften der modernen Medizin nicht grundsätzlich ablehnen.

Bei „normalem" klassischen Verlauf von Kinderkrankheiten würde man diese nicht medikamentös bekämpfen, sondern lediglich therapeutisch in ihrem Verlauf begleiten.

Wenn sich einer in den Finger geschnitten, ein Bein gebrochen, sich ein Hämatom zugezogen hat, da geht es primär nicht darum, karmische Hintergründe zu eruieren, da geht es tatsächlich um die Erstversorgung chirurgischer Verletzungen. Wenn jedoch die Fraktur schlecht heilt oder Knochenbrüche und andere Verletzungen in einer Zeitphase gehäuft auftreten, dann gilt es natürlich zu fragen, was steht da möglicherweise dahinter.

Da gilt es dann zu fragen: Was will die Krankheit dem Patienten beibringen? Was will der Betroffene nicht lernen? Eine Therapie muss den von der Krankheit beabsichtigten Lernprozess ersetzen, sonst kann sie niemals heilen, heilen im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn wir antreten, mit solch hohen Ansprüchen heilen zu wollen, so setzt dies drei Faktoren voraus:

a) gute medizinische Kenntnisse (nicht nur den physischen Leib betreffend, sondern auch Ätherleib, Astralleib und Geistiges Wesensglied gleichermaßen)

b) gute Kenntnisse um Zusammenhänge von Karma und Kosmos

c) gute Kenntnisse um Substanzen (deren kosmische Beziehungen, wie die zu den Wesensgliedern hin)

Daraus geht hervor, der anthroposophische Therapeut muss sein ein exzellenter Kenner der im Nachfolgenden aufgeführten Zusammenhänge: der Naturreiche Mineral, Pflanze, Tier, Mensch (als Lieferanten der Arzneisubstanzen), deren Beziehung zum Kosmos (planetare, wie stellare Beziehungen), wie auch zu den Wesensgliedern des Menschen. Er muss kennen die Polaritäten der Physiologie und der Pathologie, deren Entsprechungen zu Einseitigkeiten im Sinne der „Dreigliederung". Ebenso sollte jede Therapie vor dem Hintergrund des Aspekts der Reinkarnation und des damit verbundenen Begriffs des Karma, des Auftrages zur persönlichen (Höher-) Entwicklung stehen.

Es wurden bereits in den vorangegangenen Kapiteln erörtert:

Die Naturreiche, deren Beziehung zum Kosmos, die Polaritäten der Physiologie und der Pathologie, deren Entsprechungen zu Einseitigkeiten im Sinne der „Dreigliederung", sowie die Aspekte der Reinkarnation, des Karma, und der Auftrag eines jeden Einzelnen zur individuellen Entwicklung.

Da bleibt noch die für die anthroposophische Therapierichtung so typische Wesensglieder-Diagnostik und die damit korrelierende Wesensglieder-Therapie zu besprechen.

Auftriebskräfte unterstützende Maßnahmen (Trockenbürsten in Richtung Herz), Auftriebskräfte unterstützende Heilpflanzen (Hamamelis, Rosskastanie etc.) und natürlich durch Wasser und Kräutertees als Getränk (sind kalorienfrei) und durch aktive Bewegung.

Ausscheidungsfördernd sind über die Nieren: Solidago; Equisetum cum Sulfure tostum; über die Galle: Choleodoron von w oder Chelidonium; Kapseln - wa] über den Darm diverse Leber- und darmwirksame Tees; Milchzucker etc.

Über Arzneitees wird viel geschrieben auch in Laienjournalen. Man hält sich, so man gut beraten sein möchte, an Spezialisten, an Meister ihres Fachs. Ein ganzes Arsenal an bestbewährten arzneilich zubereiteten Kräutertee-Rezepturen ist zu entnehmen dem Tee-Buch von Peter A. Zizmann - „Gesund durch Kräutertee".

Ebenso hat der hochgeschätzte Kollege Josef Karl in seinem Buch „Neue Therapie-Konzepte für die Praxis der Naturheilkunde" viele bewährte Tee-Rezepturen aufgeführt.

Tees können immer individuell zusammengestellt und variiert werden. Sie lassen sich vom Apotheker nach Bedarf mischen und bedürfen keiner speziellen Galenik, keiner pharmazeutischen Industrie.

Die pharmazeutische Zubereitung übernimmt die Pflanze.

 

 

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