Coffeinum Anhang

 

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Koffein (Trimethylxanthin)

Wirkstoff in vielen Pflanzen, z.B. Kaffee, Tee, Guarana. Anwendung: wird als Kaffee, Tee, Cola, Energy-Drink getrunken oder als Tabletten geschluckt.

Wirkung: anregend, Blutdruck steigernd.

Bei Dauerhaftem Konsum kann sich Abhängigkeit herausbilden. So sagen knapp 30% der Kaffeetrinker, sie könnten darauf nicht verzichten. Bei dauerhaft starkem Konsum können Entzugsbeschwerden wie Kopfschmerz, allgemeine Mattigkeit, Gereiztheit auftreten.

Nach einer Studie an 200 Studenten von Simon Jones (Universität Durham) leiden starke Kaffeetrinker häufiger an Halluzinationen, denn wer mehr als 7 Tassen täglich konsumiert, hat ein 3x höheres Risiko, Stimmen

imaginärer Personen zu hören, als Menschen, die weniger als eine Tasse täglich trinken. Ob allerdings der Kaffeekonsum tatsächlich die Halluzinationen auslöst, ist noch unklar, denn es könnten auch Menschen mit Wahnvorstellungen öfter zum Kaffee greifen, um mit ihren speziellen Erfahrungen zurecht zu kommen. Als mögliche Ursache für dieses Phänomen vermutet man, dass Koffein die physiologische Auswirkung von Stress

verstärkt, denn dabei schüttet der Körper mehr Cortisol ins Gehirn aus, was mit den Wahnvorstellungen zu tun haben könnte.

Übrigens: Halluzinationen sind nicht unbedingt Anzeichen einer Geisteskrankheit sind, denn die meisten Menschen hätten Erfahrung damit, Stimmen zu hören, obwohl niemand da ist.

Etwa 3% der Bevölkerung vernimmt sogar regelmäßig diese Stimmen, bewältigen das jedoch gut und führen ein ganz normales Leben.

Wer regelmäßig Kaffee oder Tee zu sich nimmt, dessen Körper gewöhnt sich an das darin enthaltene Koffein, sodass es bei einem Ausbleiben der Koffeinzufuhr zu Entzugserscheinungen kommt. Betroffene klagen über pochende Kopfschmerzen, die ihren Ursprung meist hinter den Augen zu haben scheinen, und fühlen sich abgeschlagen und müde, haben Konzentrationsschwächen und

verstärkt reizbar. Forschungen am College of Medicine der University of Vermont und der Johns Hopkins School of Medicine zeigten, dass sich die Gehirnaktivitäten während eines

Koffeinmangels verändern und sich der Blutfluss im Gehirn erhöht, was das Auftreten der Kopfschmerzen erklären kann.

Nach einer Untersuchung von Peter Rogers (Universität Bristol) mit Koffeintabletten und Placebos zeigten sich bei 379 Teilnehmern deutliche Unterschiede zwischen gefühlten

Wachheitszuständen und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit. In Gedächtnis- und Aufmerksamkeitstests leisteten nach dem Verzehr einer koffeinhaltigen Tablette die starken Kaffeetrinker nicht

mehr als Koffeinverweigerer oder Gelegenheitskonsumenten aus der Placebo-Gruppe. Für Probanden, die ohnehin nie oder nur selten Kaffee oder Tee tranken, war es kein Problem, wenn sie

nur ein Placebo bekamen, nur für die Dauerkonsumenten wirkte sich die unterbrochene Koffeinzufuhr spürbar aus, denn sie gaben häufiger an, dass sie sich müde fühlten, wobei einige sogar

unter Kopfschmerzen litten. Wer von den starken Kaffeetrinkern hingegen mit der Tablette seine Dosis Koffein erhalten hatte, blieb bei den Tests eher unauffällig. Man schließt daraus, dass

das Koffein bei regelmäßigen Kaffeekonsumenten lediglich dafür sorgt, dass die Körper normal funktionierten aber keine Leistungssteigerung bewirken.

 

Paul J. Kenny und Paul M. Johnson berichten 2010 in „Nature Neuroscience“ von Tierversuchen, nach denen fettreiches Essen wie Junk Food ebenso süchtig macht wie Drogen, d.h., im Experiment mit kalorienreicher Nahrung gefütterte Ratten verloren zunehmend die Kontrolle über ihr Essverhalten. Offensichtlich reagiert das Belohnungssystem des Gehirns auf extrem kalorienreiches Essen auf die gleiche Weise wie auf Drogenkonsum. Dopamin

wird vom Gehirn bekanntlich als Reaktion auf Reize wie Sex, Schlemmen und Drogengenuss ausgeschüttet. Der Dopamin-Rezeptor sprach in den Tierversuchen auch auf den Genuss von übermäßigem Junk Food an, indem er,

um die Flut von Dopamin besser verarbeiten zu können, einen Gang nach dem anderen zurückschaltete. Der Rezeptor benötigte bei den Ratten also immer mehr vom Junk Food-Essen ausgelöstes Dopamin, um noch ein

Wohlgefühl auszulösen.

Wenn ein Tier die Gehirnzentren für das Wohlbefinden mit dem schmackhaften Essen überreizt, passt sich das System also offensichtlich an und schraubt seine Aktivität zurück. Wie bei der "normalen" Drogensucht giert das Gehirn daher beständig nach weiterer Zufuhr von Junk Food, um nicht in einen Zustand negativen Befindens zu verfallen.

Der Mechanismus in den Rattengehirnen ist vermutlich vergleichbar mit dem, der bei der menschlichen Sucht nach Rauschmitteln auftritt: Der Konsum aktiviert das Belohnungssystem des

Gehirns und sorgt für Wohlgefühl. Doch je mehr man konsumiert, desto mehr Nachschub verlangt das Gehirn, um das gleiche Glücksgefühl wie beim letzten Mal zu erzeugen.

Die Entwicklung von Fettleibigkeit geht also mit einem immer größer werdenden Defizit in der neuronalen Belohnung einher.

Übergreifende Prinzipien

Gebrauch wird von sozialen Erfahrungen beeinflusst, Missbrauch wird auf interne psychische Faktoren, einschließlich psychopathologische Prozesse, deren Wurzeln in der Kindheit liegen zurückgeführt. Verketten sich aber frühere Risikofaktoren genetischer, personaler und sozialökologischer Art und verstärken so ihre Wirkung, und können Protektionsfaktoren dieser Risikokumulation nicht die Waage halten, droht anhaltende Belastung durch Alkohol und Drogengebrauch.

Dem Missbrauch harter Drogen geht regelmäßig der Gebrauch weniger problematischer Substanzen ("gateway drugs") voraus. Vor deren Konsum steht wiederum der Gebrauch von Alkohol.

Dabei spielen auch der Abbau von Hemmungen durch abträgliche soziale Kontakte und auch physiologische Prozesse eine Rolle. Die Minderheit der Konsumenten harter Drogen bleibt häufig

nicht bei einer bestimmten Substanz, sondern sie kombinieren z.B. Opiate, Barbiturate und Alkohol.

Diese Verhaltensweisen treten häufig gemeinsam als Problemverhaltenssyndrom auf, ohne dass man sinnvoll sagen könnte, was Anlass und was Folge war.

Genetische Disposition

Die Frage muss bei psychoaktiven Drogen derzeit unbeantwortet bleiben, es scheint aber hinsichtlich des Alkoholgebrauchs eine genetisch begründete Vulnerabilität gesichert zu sein, die sich vor allem beim Vorliegen

ungünstiger Umweltbedingungen äußert. Der vermittelnde Mechanismus könnte eine genetische Disposition zu hohem Stimulationsbedürfnis und niedriger Angstvermeidung sein. Wer sich leicht durch Unbekanntes mitreißen

lässt und dabei Furcht nicht kennt, dessen Risiko zu künftigem Alkohol und Drogenmißbrauch ist unvergleichlich höher als bei durchschnittlicher Ausprägung dieser Dimensionen.

Attribute der Person

Probleme mit der Selbststeuerung während der Kindheit spielen eine wichtige Rolle. Zum einen steht das wechselseitige Aufschaukeln von kindlichen Entwicklungsproblemen und inadäquatem Elternverhalten hinter dem Zusammenhang zwischen Kindheit und Jugendverhalten und zum anderen werden Kinder mit Verhaltensproblemen als Jugendliche eher an Gruppen gleichaltriger ähnlichen Hintergrunds geraten, in deren Kontext sie dann

die ersten Erfahrungen mit Alkohol und Drogen machen.

Familiäre Risiken

Die Kombination von geringer Konventionalität, wenig Aufsicht und Herausforderung, geringer Einflußnahme und wenig Unterstützung und die Kennzeichnung des häuslichen Milieus durch Desinteresse und Instabilität

können Anzeichen für späteren Drogen und Alkoholmißbrauchs darstellen. Inkonsistenz in normativen Anforderungen und Nachlässigkeiten in der Aufsicht sind weitere Besonderheiten einer sich eventuell später negativ auswirkenden Drogen und Alkoholgebrauchs. Unter solchen Umständen werden frühe Vorboten des Umgangs mit problematischen Peergruppen übersehen.

Problematische Peerkontexte

Von Gleichaltrigen ausgehende Einflüsse für kulturell nicht tradierte Substanzen sind stärker als familiäre Risikofaktoren. Die Bildung eines eigenen Verhaltenkodex, der im Sinne eines wechselseitigen Unterstützungssystems emotionale Sicherheit in der Gruppe verleiht und erste Identitätsentwürfe ermöglicht, geschieht dann auf der Basis von Werten, die im Gegensatz zu positiven Entwicklungszielen stehen. Jugendliche suchen Möglichkeiten,

ihre beeinträchtigte Selbstachtung zu stabilisieren und gewinnen dadurch Kontakt zu Umfeldern, die Alkohol und Drogengebrauch fördern, wie z.B. Diskotheken und ander jugendtypische Treffpunkte.

Konsequenzen für die psychosoziale Entwicklung

Man muss bei Jugendlichen, deren Konsum von Alkohol und Drogen weiter fortgeschritten ist, über die kurzfristigen Effekte hinaus, mit einer Beschleunigung psychosozialer Übergänge zu Erwachsenenrollen rechnen.

Wer in diesem Sinne schneller Verantwortung als Erwachsener übernimmt, kann die Optionen des jugendtypischen Moratoriums für die Ausbildung einer eigenen Identität nicht ausschöpfen und verliert, wenn nicht ein funktionierendes soziales Netzwerk die Belastungen auffängt, an Qualität und Flexibilität der weiteren Entwicklung. Langfristig droht bei Missbrauch das gänzliche Scheitern in der Bewältigung jugendtypischer Entwicklungsaufgaben. Befördert durch die Schwäche des sozialen Umfeldes können diese Jugendlichen soziale Fertigkeiten, Bewältigungsmechanismen und Entscheidungsstrategien nicht erwerben, die Voraussetzungen für

eine positive Entwicklung sind.

Prävention

Erfolgskriterien für vorbeugende Maßnahmen sind das Hinausschieben, Reduzieren oder Einstellen des Konsums. Versuche den Drogengebrauch junger Leute durch gesetzliche Vorschriften oder soziale Kontrolle zu verhüten waren wenig erfolgreich.

Als Primärprävention wirksam in der Verhütung von Alkohol und Drogengebrauch sind Maßnahmen, welche die Jugendlichen befähigen, den insbesondere von Gleichaltrigen ausgehenden Verlockungen zum Mitmachen zu begegenen. Vermittlung von "life skills", welche das Treffen überlegter Entscheidungen erleichtern, oder das Einfühlungsvermögen in die Lage anderer steigern. Die rechte Zeit für solche Maßnahmen liegt noch vor der Adoleszenz, und muss sich im Prinzip an alle Jugendlichen wenden.

Säkundärpräventiv sind "funktionelle Alternativen", die mit einer geringeren Gefährdung aber vergleichbaren psychosozialen Anregungsgehalts zu beeinträchtigenden Aktivitäten anbieten, um so das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wieder zu gewinnen. Hinzukommen müssen der Aufbau sozialer Kompetenzen sowie Angebote, um die über die Jahre des Mißbrauchs aufgelaufene Defizite in Ausbildung und Beruf zu kompensieren. Die vermeintliche Großzügigkeit solcher Programme ist in der Öffentlichkeit häufig umstritten.

Beim Hineinwachsen in die Erwachsenenrolle unserer Kultur und Gesellschaft muss der verantwortliche Gebrauch und Vermeidung von Mißbrauch die Devise sein. Vor diesem Hintergrund kann die Legalisierung des

Gebrauchs bestimmter Drogen in kleinen Mengen gesehen werden, wie sie gegenwärtig diskutiert wird.

            Risikofaktoren und Entwicklungsmechanismen

 

 

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