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Erkältung Das unterschätzte Schnupfen-Virus

Millionen Menschen erkranken jährlich an Rhinoviren. Gäbe es ein wirksames Mittel dagegen, wäre es berühmt, sagen Forscher. Warum hilft einfach nichts gegen Erkältung?

Der Mensch war auf dem Mond und entsendet Roboter auf den Mars. Gerade melden US-Forscher, sie hätten das Aidsvirus HIV in einem Baby zurückdrängen können. Manchmal scheint es schier unglaublich, was Forscher alles vollbringen. Aber sie schaffen es nicht, einen schnöden Schnupfen zu verhindern. Kann das wahr sein?

Gerade im Frühling stecken sich viele Menschen mit einem Schnupfen an. Wird das Virus von Forschern unterschätzt? Es hat einen weniger bekannten Namen als Ebola. Es erinnert nicht an ein Tier wie das Schweine- oder das Vogelgrippe-Virus. Die wenigsten wissen, wie es heißt, obwohl sie sich mehrmals im Jahr damit herumschlagen. Die Rede ist vom Rhinovirus. Sein Werk: Halskratzen, Husten, eine triefende zugeschwollene Nase – eine typische Erkältung also.

Eigentlich müssten sich Massen von Forschern um diesen fiesen Organismus kümmern. Schließlich ist er schuld, dass fast jeder Erwachsene zwei bis dreimal im Jahr krank wird. Allein in der Woche vom 18. bis 24. Februar haben 404 von 3.665 Teilnehmern des vom Robert-Koch-Institut initiierten GrippeWeb eine neue akute Atemwegserkrankung gemeldet. Einer vorsichtigen Hochrechnung zufolge wären das ganze 10,3 Prozent der Bevölkerung.

Warum konzentrieren sich Forscher auf andere Viren, während das Rhinovirus Millionen Menschen infiziertt? Ein Grund dafür ist, dass es so schwer zu fassen ist – sogar noch schwerer als die Grippe (Influenza). Um Letztere kümmern sich Mediziner nur deshalb verstärkt, weil sie für Geschwächte, Kinder und alte Menschen tödlich enden kann. Von Grippe-Viren geht eine echte Gefahr aus. Ein Schnupfen ist dagegen harmlos, wenn auch lästig.

Unangreifbar durch Harmlosigkeit

Rhinoviren lösen nur eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege aus. Ihre Harmlosigkeit ist sogar Teil ihrer Strategie: Anstatt den Kranken, ihren Wirt, auszulöschen, vermehren sie sich massenhaft in dessen Körper und bringen ihn dazu, immer neue Viren auszuscheiden. Und das schon bevor der Wirt merkt, dass er sich angesteckt hat. Bis wir uns endlich mit einen Schnupfen zu Hause ins Bett legen, haben wir längst so manchen angesteckt.

Das Rhinovirus sorgt für maximale Verbreitung durch Tröpfcheninfektion. Beim Sprechen, Husten und Niesen verlässt es den Körper und fliegt bis zu einem Meter durch die Luft zum nächsten, den es befallen will.

Außerdem tarnt es sich gut. Für wie viele Schnupfen-Infekte das Rhinovirus tatsächlich verantwortlich ist, kann niemand sagen. Ähnliche Symptome rufen nämlich auch das Adeno- und weitere Viren hervor. Manchmal mischen zudem Bakterien mit. "Um herauszufinden, welches Virus genau eine Erkältung ausgelöst hat, wären genetische Tests nötig", sagt der Epidemiologe Attila Altiner, der das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock leitet. "Das wäre aber erstens zu aufwändig und hätte zweitens gar keine Konsequenzen für die Therapie."

Ein weiterer Trick: Das Rhinovirus tritt auf, wenn es keiner vermutet. Seine Hochsaison ist nicht etwa im Winter – da häufen sich die Influenza-Fälle. Der gemeine Schnupfen ist dagegen im Herbst und im Frühling besonders stark. Dann fangen sich besonders viele Menschen eine Erkältung ein, wie die Erkrankung im Volksmund heißt. Dabei hat sie mit der Kälte eigentlich gar nichts zu tun. Auch bei schönsten Sommerwetter bekommen Menschen Schnupfen. Die Theorie, Frieren schwäche das Immunsystem, gilt heute als überholt. Entscheidend ist vielmehr, ob Menschen dicht gedrängt in Bussen und Bahnen sitzen, was die Infektionsgefahr erhöht, und ob gerade viele der Erreger im Umlauf sind.

Warum aber gibt es keine Impfung, eine Spritze gegen Schnupfen, die man sich einmal pro Jahr geben lassen kann? Im Kampf gegen Influenza-Virus klappt das doch auch. Gegen die Echte Grippe sei das "deswegen möglich, weil vom Influenza-Virus nur zwei bis drei neue dominante Typen pro Saison auftreten", sagt der Virologe Ortwin Adams von der Universität Düsseldorf. "Auf die konzentriert sich die Impfstoffentwicklung."

Vom Rhinovirus gibt es hingegen etwa 150 Typen, die sich auch noch ständig verändern. "Pro Saison zirkulieren etwa 15 bis 20 verschiedener Typen", sagt der Virologe Adams. Weder sei es möglich, derart viele verschiedene Impfstoffe zu entwickeln, noch könne man jeden potenziellen Patienten gegen alle Typen impfen.

unterschätzte Schnupfen-Virus

                           Was Vitamine bringen

Deshalb suchen Menschen nach anderen Mittelchen, die das Immunsystem stärken sollen und das Rhinovirus abwehren. Der Hamburger Phytopharmakaforscher Volker Fintelmann hat gerade eine Studie im Journal Current Medical Research and Opinion veröffentlicht, derzufolge Senföl bei Schnupfen helfen soll.

Das pflanzliche Antibiotikum steckt unter anderem in den Blättern der Kapuzinerkresse. Nur 13 Prozent der 113 Versuchsteilnehmer, die dreimal täglich zwei Tabletten mit diesem Wirkstoff einnahmen, wurden in den zwölf Studienwochen krank. Bei der Kontrollgruppe mit 117 Teilnehmern waren es knapp doppelt so viele. Der Virologe Ortwin Adams steht Stoffen, die vermeintlich das Immunsystem stärken, trotzdem skeptisch gegenüber: "Manche Untersuchungen sagen, sie wirken, andere sagen das Gegenteil. Wenn es wirklich einen Effekt gäbe, wäre er bereits erkannt worden."

So verhält es sich auch mit Vitaminen. An Vitamin C etwa hat sich die Cochrane Collaboration abgearbeitet, ein internationales Netzwerk aus Wissenschaftlern und Ärzten. 30 Studien mit insgesamt 11.350 Probanden wurden untersucht. Das Ergebnis: Insgesamt betrachtet zeigte Vitamin C keine nennenswerte Wirkung zur Vorbeugung von Erkältungen.

Auch eine aktuelle Studie zu Vitamin D konnte keine Wirkung nachweisen. Ein Team um den Mediziner David Murdoch von der Universität in Christchurch, Neuseeland, testete den Wirkstoff 18 Monate lang an 322 Probanden. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Vitamin D-Präparat, die andere Hälfte ein Scheinpräparat. In der ersten Gruppe kam es zu 593 Erkältungen, in der zweiten zu 611. Der Unterschied ist statistisch unwesentlich. "Die monatliche Gabe von 100.000 Einheiten Vitamin D hat weder das Auftreten, noch die Schwere von Erkältungskrankheiten verhindert", schreiben die Forscher im Journal of the American Medical Association.

Nutzloser Antibiotika-Aktionismus

Ist die Krankheit erst ausgebrochen, verfallen einige Niesende in einen wilden Aktionismus. "Viele halten es nicht aus, einfach zu sagen: Ich habe einen Atemwegsinfekt, also muss ich mich ein paar Tage schonen", sagt der Allgemeinarzt Attila Altiner. "Stattdessen greifen sie zu Medikamenten, nicht selten zu Antibiotika, die nur gegen Bakterien helfen, gegen Viren aber wirkungslos sind. Das schadet sogar, denn so entstehen Resistenzen."

Zusammen mit Winfried Kern vom Universitätsklinikum Freiburg hat er daher ein großes Forschungsprojekt ins Leben gerufen: Von rund 30.000 Patienten an Allgemein- und Kinderarztpraxen sollen im Zeitraum der kommenden drei Jahre Daten ausgewertet werden. Da die Viren so schwer dingfest gemacht werden können, wollen die Wissenschaftler Symptome vergleichen. "Was und wie viel wird verschrieben und welchen Einfluss hat das?", lautet ihre Fragestellung. Aufgrund der Daten wollen sie typische Krankheitsverläufe erkennen und dafür Behandlungsmethoden ausmachen.

Der beste Schutz vor dem Rhinovirus, meint Adams, wären: "Möglichst wenige Kontakte." Menschen, deren Immunsystem bereits durch eine andere Krankheit geschwächt ist, rät er daher dazu, Menschenansammlungen zu meiden. Für Gesunde allerdings ist das nicht wirklich eine Lösung. "Man kann sich ja nicht völlig aus dem Alltag ausklinken."

Ähnliches gilt Adams Meinung nach für einen Mundschutz, den man theoretisch in der U-Bahn tragen könnte. "Dafür, dass man damit komisch angesehen wird, bringt er zu wenig." Außerdem drängen durch normale OP-Masken winzige Tröpfchen trotzdem hindurch. Tatsächlich wirksame Masken seien hingegen für den Normalverbraucher im Handel gar nicht erhältlich. "Außerdem behindern sie beim Atmen." Wenn überhaupt bringen diese Masken am meisten, wenn sie von demjenigen getragen werden, der schon krank ist – sie können das Versprühen von Tröpfchen beim Niesen und Husten etwas eindämmen.

Wie man es auch dreht und wendet: Dem Rhinovirus ist nicht beizukommen. Es ist für die Forschung so wenig wichtig, dass es durchs Raster fällt, und der Einzelne kann sich nicht so richtig davor schützen. Das Einzige, was sicher nicht schade, sagt der Virologe Ortwin, sei, sich immer wieder die Hände zu waschen und sich gesund zu ernähren. Das klingt dann doch ziemlich banal. Aber so schlimm ist ein Schnupfen ja auch nicht.

 

 

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