Geheimnisvolle Welt der Pilze
[Mag. pharm. Barbara Tell, Remedia]
Bei Pilzen denken wir vielleicht zuerst an Schwämme
wie die Speisepilze Steinpilz oder Champignon oder an gefährliche Formen, die
unsere Nahrung oder sogar unsere Häuser zerstören können, nützliche, wie die
Hefen die uns zu Brot und Wein verhelfen aber es gibt auch solche, die unserem
Körper selbst oder durch ihre Toxine (Giftstoffe) Schaden zufügen können.
Auch in die Welt der Märchen und Geschichten sind die Pilze vorgedrungen. Sie sind Wohnstatt für allerlei Zwerge, Wichtel und natürlich auch für die Schlümpfe. Zwerge trinken das trinken das Wasser, das sich in den Hüten der Pilze sammelt, Hexen und Zauberer benötigen Pilze für ihre Tränke.
Es gibt wohl kein Reich der Natur in dem eine
vergleichbare Vielfalt und diese, noch dazu oft für das Auge verborgen ihr Werk
tut. Der überwiegende Teil des Pilzes besteht aus dem unterirdischen Flechtwerk
Myzel und nur die Fruchtkörper treten an die
Oberfläche.
Gerade im Herbst, wenn die Schwammerl nach der
Hitze des Sommers endlich genug Feuchtigkeit finden um ihre Fruchtkörper aus
dem Boden strecken und uns daran erinnern, dass sie im Geheimen weiter
gewachsen sind, ist ein guter Zeitpunkt sich einmal über dieses Reich der Natur
Gedanken zu machen.
Der enthusiastische Schwammerlsucher sollte aber
immer bedenken, dass nur ein eindeutig erkannter Pilz mit nach Hause genommen
werden soll. Beim geringsten Zweifel, bitte entweder einen Experten, z.B. am
Marktamt hinzuziehen oder noch besser stehen lassen. Entweder freut sich später
ein menschlicher Kenner, oder Tiere können sich einen Leckerbissen gönnen.
Champignons sind vor allem in
ihrer Kulturform nicht aus unseren Küchen wegzudenken. Sind sie doch als
schmackhaftes, kalorienarmes Essen das ganze Jahr über verfügbar. In einem
Risotto machen sie genauso wie der inzwischen weithin bekannte Austernseitling immer eine gute Figur.
Der wilde Wiesenchampignon hat im
Vergleich dazu ein kräftiges Aroma und kann auch in kleinen Mengen einem
Gericht eine besondere Note verleihen.
Überreife Exemplare finden besser in einer
Schwammerlsauce ihre kulinarische Bestimmung.
Wer die Pilze gern über die Saison hinaus am Speiseplan haben möchte, kann feste Exemplare auch einfrieren. Nach dem Auftauen sind Pilze aber meist etwas wässrig.
Bei den Parasolhüten oder auch wenn gebackene
Steinpilze gefragt sind, hat es sich bewährt, diese paniert einzufrieren.
Bei mir werden Sie oft als Schwammerlsauce
zubereitet. (Zwiebel rösten, Pilze kurz mitrösten, mit Mehl stauben und mit
wenig Suppe aufgießen. Am Schluss kommen noch Salz, Pfeffer, Petersilie und
Rahm dazu.) Die gibt es einerseits als Selbstzweck, mit Semmelknödeln (dann
kommt oft beim Rösten etwas Paprikapulver dazu, als sogenanntes
Schwammerlgulasch) oder als Beilagensauce zu feinem Kurzgebratenen wie z.B.
Schweins- oder Kalbsfilet. Bei Wildgerichten passen Pilze auch fast immer.
Wenn es schnell gehen soll werden die Schwammerl
nur mit Zwiebel geröstet und ein verquirltes Ei dazu. Das passt dann zu
Butterkartoffeln oder als Omelett auf ein Stück Schwarzbrot.
Eine weitere schnelle Variante ist Eierschwammerl
natur oder a la creme zu Pasta. (rösten und dann mit oder ohne etwas Creme
fraiche über die Nudeln) Da darf dann natürlich ein guter Blattsalat nicht
fehlen.
Beim Thema Pilze in der Küche ist natürlich auch Penicillium roquefortii, der Blauschimmel der für die beliebten Käse zuständig ist, nicht zu vergessen. Mir persönlich sind
da Rotschimmel oder der weiße Schimmel von Penicillium camembertii lieber…
Neben den bekanntesten Speisepilzen wie Steinpilz,
Parasol oder Eierschwammerl/Pfifferling lauern aber auch ungenießbare oder
sogar hochgiftige Exemplare auf sorglose Sammler.
Der grüne Knollenblätterpilz Amanita phalloides ist hier
wohl das Paradebeispiel eine Giftpilzes durch dessen Gift nicht nur in der
Geschichte Unglücksfälle oder sogar Morde passiert sind.
Viele andere Pilze führen vielleicht zu
Kopfschmerzen oder Bauchweh, beim Knollenblätterpilz kommt meist jede Hilfe zu
spät, wenn die Vergiftung erst eingetreten ist.
Indigene Völker in Südamerika haben eine derartige
Kultur bis in unsere Zeit bewahrt und durch die Berichte von R. Gordon Wasson über seine Begegnung mit der mazatekischen
Schamanin Maria Sabina und den Pilzen der Gattung Psilocybe, wurde auch uns westlichen Neuzeitmenschen ein kleiner
Einblick in diese Welt gestattet.
Einen großen Beitrag zum Verständnis des Umgangs
anderer Kulturen mit psychoaktiven Pilzen und vielen weiteren Naturstoffen hat
der Ethnopharmakologe und Altamerikanist Christian
Rätsch mit seiner unermüdlichen, begeisterten Forschungsarbeit und seinen
Büchern geleistet. Leider ist er im September 2022 viel zu früh in das Reich
der Ahnen hinübergegangen. Mit seinen Werken hat er uns einen großen Schatz
hinterlassen.
Ganz andere Pilze stellen und stellten für
Menschen eine echte Bedrohung dar. So ist z.B. Aspergillus niger ein
Schimmelpilz, der unbemerkt auf Nüssen wachsen kann, im Körper aber durch seine
Gifte Krebs erzeugen kann. Viele andere Schimmelpilze verderben unsere
Nahrungsmittel oder nisten sich in schlecht geheizten und belüfteten Wohnungen
ein und führen zu Atmungsbeschwerden bei ihren Bewohnern.
Secale
cornutum
Gleichzeitig wurde aber Mutterkorn
schon im Mittelalter zur Blutstillung eingesetzt und auch heute gibt es einige
Medikamente aus den, in diesem Pilz enthaltenen Alkaloiden und deren
Abkömmlingen. In der Geburtshilfe und in der Migränebehandlung ist Secale cornutum ein wichtiger
Rohstoff zur Arzneiherstellung. Selbst das von Albert Hoffmann 1938 im
Mutterkornpilz entdeckte LSD gewinnt nach Jahrzehnten des Schattendaseins im
Drogenmissbrauch wieder an Bedeutung als Therapieansatz in der Psychotherapie.
Es
scheint, dass kein Pilz nur ein Gesicht hat.
Sogar unter den Hefen, die aus der
Nahrungsmittelherstellung nicht wegzudenken sind – kein Bier ohne Saccharomyces carlsbergensis –
kein Semmerl ohne Saccharomyces
cerevisiae - finden sich Arten, die beim Menschen zu
Krankheiten oder zumindest Störungen führen können. Schon Babies
können unter Candida albicans, dem Soorpilz
leiden.
Haut- und Nagelpilzerkrankungen werden oft durch
Fadenpilze wie Trichophytonarten hervorgerufen.
Pilze befallen als Rostpilz unsere Rosen im Garten
oder sorgen als Monilia oder Ringfäule für kaputte
Äpfel.
Schließlich sind es auch Pilze, die im Wald für
Ordnung sorgen indem sie den Abbau von totem Holz und abgefallenem Laub zu
frischem Humus vorantreiben.
Aber auch die wunderbare Welt der Orchideen könnte
ohne Pilze nicht bestehen. Die meisten dieser Schönheiten brauchen Pilze um mit
ihrem einfachen Wurzelwerk an oft kargen Stellen auf Baumrinde oder sogar auf
Steinen die nötigen Nährstoffe aufzunehmen. Selbst bei der Keimung der winzigen
Samen ist der Mycorrhizapilz nötig, damit eine neue
Pflanze entstehen kann. Diese Pilze leben in Symbiose mit den Wurzeln ihrer
Pflanze.
Neben den oben erwähnten Arzneien aus den Inhaltsstoffen von Secale cornutum, dem Mutterkornpilz gibt es auch eine Reihe an Pilzen, die vorwiegend aus dem Bereich
der TCM (Traditionellen chinesischen Medizin)
ihren Weg in unseren Heilmittelschatz gefunden haben.
Hier sind vor allem der bekannte Shiitake Pilz oder der Reishi Pilz besonders verbreitet.
Während der Shiitake Pilz auch in der asiatischen Küche nicht wegzudenken ist und so als immunstärkendes Mittel vor allem bei Erkältungskrankheiten helfen kann, ist
der Reishi-Pilz als
Vitalpilz zur Leistungssteigerung und zur besseren Toleranz bei
Sauerstoffmangel auch bei Sportlern gern gesehen.
Beide Pilze zeigen zusätzlich eine entgiftende
Wirkung auf die Leber.
Bei den Hoffnungen in der Behandlung von
Krebserkrankungen ist in letzter Zeit der sibirische Chaga
Pilz ins Gespräch gekommen. Ob in dieser Indikation oder bei
Infektionskrankheiten, eine Selbstbehandlung ist hier sicher nicht sinnvoll.
Einer der ältesten arzneilich
verwendeten Pilze ist der Lärchenschwamm
oder Purgierschwamm (man erkennt schon seine abführende Wirkung…)
Boletus laricis: Heute ist er
nur mehr in raren, verschreibungspflichtigen Schwedenbitterrezepten zu finden.
Früher wurde der sogenannte Apothekenschwamm auch zur Blutstillung, bei Rheuma
und Gicht, Muskel- und Gelenksbeschwerden oder schlecht heilenden Wunden eingesetzt.
Agaricus muscarius / Amanita muscaria
/ Fliegenpilz
Boletus laricis
/ Agaricus albus / Lärchenschwamm
Der Lärchenschwamm
ist in der Homöopathie oft bei fieberhaften Erkrankungen mit nächtlichem
Schwitzen und Hitzewallungen bei gleichzeitig frostigem Gefühl angezeigt.
Ängste, besonders bei Bewegung nach unten sind ein weiteres Merkmal.
Bovista / Lycoperdon bovista / Calvatia gigantea / Riesenbovist
Secale cornutum
/ Der
Mutterkornpilz
Wegen seiner kontrahierenden (zusammenziehenden) Wirkung auf die glatte
Muskulatur wirkt Secale bei Beschwerden wie Kälte,
Taubheit, anämischen Zuständen oder Gangrän. Besonders ältere Menschen mit
Schwäche, Angstgefühl und Abmagerung können von dieser Arznei profitieren.
Schlechte Durchblutung der Hände und Durchfälle mit großer Erschöpfung,
Kältegefühl und Krämpfen sind typische Symptome, die an Secale
denken lassen.
Allergene
Cladiosporium, Schimmelpilze
Für Schimmelallergiker stellen potenzierte Schimmelpilze
oder auch deren Allergene manchmal eine Hilfe dar. Solche Arzneien können vor
allem bei leichteren Fällen Linderung bringen. Bei schweren und chronischen
Allergien ist aber einer umfassenden konstitutionellen Behandlung durch einen
erfahrenen Homöopathen sicher der Vorzug zu geben.
Amanita phalloides
/ Knollenblätterpilz
Der Einsatz standardisierter homöopathischer
Zubereitungen von Amanita phalloides, dem
grünen Knollenblätterpilz in der Behandlung von Krebserkrankungen sollte in
jedem Fall nur durch einen in dieser Art der Therapie erfahrenen Arzt erfolgen.
Normale homöopathische Zubereitungen von Amanita phalloides sind dazu nicht geeignet.
Der niederländische Arzt und Homöopath Jan Scholten hat sich nach den Elementen und Pflanzen nun
auch den Pilzen zugewandt. Er sieht die Pilze, als Lebewesen, die für den Abbau
abgestorbener Pflanzen unabdingbar sind, als Arzneien für Situationen zwischen
Leben und Tod, ähnlich der Uranserie bei den Elementen. Themen können hier
Krieg, Gewalt, tragische Ereignisse, Tod, Rückzug aus dem Leben sein, aber auch
spirituelle Themen, Intuition oder unsichtbare/übermenschliche Kräfte zählt er
zu den möglichen Anwendungsgebieten. Körperlich können sie bei Strahlenfolgen,
Nekrosen oder Gangrän angezeigt sein.
Im Zuge der Zusammenarbeit mit Ihm haben wir 71
Pilz-Arzneien potenziert und in einem Pilz-Set
zusammengestellt. Dieses Set soll Therapeuten, die nach der Systematik von Jan Scholten arbeiten das Reich der Pilze zugänglich machen.
Wenn Sie sich in einem der kurz beschriebenen
Mittel wiederfinden, konsultieren Sie bitte Ihren Homöopathen. Gerade bei den
Pilzmitteln mit ihren tiefgreifenden körperlichen aber auch seelisch-geistigen
Wirkungen ist eine exakte Wahl von Arznei und Potenz besonders wichtig.
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