Glücksgruppe Anhang

 

In der Biochemie des Gehirns lassen sich drei Arten von Glück unterscheiden, jede befördert von bestimmten Botenstoffen:

Das Glück des Wollens: Wenn wir nach etwas streben, stellt Dopamin die Belohnung in Aussicht, Endorphine lösen dabei Euphorie aus.

Das Glück des Vermeidens: Wenn wir Bedrohungen entgehen/überstehen, führt das Sinken der Kortisol- und Adrenalinspiegel zu Entspannung.

Das Glück des Seins: Wenn wir haben, was wir brauchen, sorgt körpereigenes Morphium für Zufriedenheit, Serotonin für Beruhigung und Oxytocin für ein Gefühl der Verbundenheit mit anderen.

Unser Gehirn verändert sich das ganze Leben lang, auch noch im Alter. Seine Fähigkeit zum ständigen Umbau nennen die Neurowissenschaftler Plastizität.

Wie alle anderen Erfahrungen hinterlassen auch Gefühle (Glück/Traurigkeit/Angst) Spuren im Gehirn: Kontaktstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen = Synapsen verstärken sich,

ganz neue Nervenbahnen werden gebildet und bereits bestehende stärker mit Myelin umhüllt, woraufhin sie Signale schneller weiterleiten können – das ist es, was wir als Lernen bezeichnen.

 

ZEIT ONLINE Gesundheit

Glückstipps Der Kick beim Hausputz

Im Selbstversuch hat Gretchen Rubin ein Jahr lang zahllose Glückstipps erprobt.

DIE ZEIT: Frau Rubin, Sie haben ein Jahr lang Glücksrezepte ausprobiert, von Forschern, Philosophen, Freunden. Was war alles dabei?

Gretchen Rubin: Sachen wegwerfen, Sport machen, Katastrophengeschichten lesen, aufhören zu nörgeln, kein Lob erwarten, ein bisschen Geld verprassen, eine Sammlung anfangen, albern sein, Harry Potter lesen, eine  

neue Technik lernen, morgens singen, ein Essenstagebuch führen, laut lachen, Dinge ungesagt lassen, Hypnose.

ZEIT: Und? Sind Sie jetzt glücklicher?

Rubin: Na ja, ich bin immer noch derselbe Mensch, aber ich nehme mein Leben glücklicher wahr.

ZEIT: Woran merken Sie das?

Rubin: Als ich mit meinem Projekt anfing, riet ein befreundeter Forscher, mein Mann solle mein Glücksempfinden dreimal am Tag auf einer Skala von eins bis fünf einstufen. Das hätte sicher niemanden glücklich

gemacht. Ich glaube: Wenn du denkst, du bist glücklicher, dann bist du glücklicher.

ZEIT: Welches Rezept hat am besten funktioniert?

Rubin: Ziemlich simpel: genug Schlaf. Und, das empfehlen alle Wissenschaftler und Philosophen: Beziehungen zu anderen Menschen. Deshalb habe ich zum Beispiel eine Lesegruppe für Kinderbücher. Und ein Blog.

Mein Lieblingsvorsatz: mehr umarmen und mehr küssen!

ZEIT: Woher haben Sie die Zeit für all diese Dinge genommen?

Rubin: Die meisten kosten keine zusätzliche Zeit, zum Beispiel morgens singen, das macht mich ruhiger, wenn es mit meinen beiden Kindern stressig ist. Oder den Kühlschrank putzen, das muss man sowieso machen.

Glück muss für mich sehr praktisch sein. Manche Leute haben radikale Glücksprojekte, aber ich brauche etwas für den Alltag.

ZEIT: Und Kühlschrankputzen macht glücklich?

Rubin: Tja, das klingt zwar ziemlich trivial, und in der akademischen Literatur steht natürlich nichts dazu, aber Aufräumen gibt vielen Menschen einen Glückskick. Weil man die Kontrolle über seinen Kram gewinnt.

Glück hat viel mit Kontrolle, mit Selbstbestimmung zu tun: dass man seine Arbeit auf seine Art machen und über seine Zeit verfügen kann.

ZEIT: Was hat überhaupt nicht geholfen?

Rubin: Das Dankbarkeitstagebuch. Das ist einer der wichtigsten Ratschläge der Positiven Psychologie. Aber ich fand es ziemlich nervig, viel zu künstlich.

ZEIT: Hatten Sie vor einem Glückstipp richtig Angst?

Rubin: Das ist ein interessanter Punkt. Neue Dinge und Herausforderungen machen Menschen glücklich, aber gleichzeitig auch Angst. Eine Freundin riet mir: Geh Salsa tanzen! Mir war ziemlich mulmig, und ich habe

es nicht gemacht. Ich habe aber auch Angst vor dem Autofahren, und da hatte ich das Gefühl: Das will ich angehen! Also habe ich noch einmal Fahrstunden genommen.

ZEIT: Und macht Sie das Fahren jetzt glücklich?

Rubin: Nein, ich hasse es noch immer. Aber es macht mich glücklich, dass ich es anpacke. Glück bedeutet nicht immer, dass man sich glücklich fühlt. Man muss aber schauen, ob eine Herausforderung zu einem passt:

Will ich das wirklich, oder denke ich nur, ich sollte es wollen, oder wollen es eigentlich bloß andere Leute?

ZEIT: Wie findet man das raus?

Rubin: Indem man sich selbst besser kennenlernt. Zum Beispiel kann man sich fragen: Was hat mir Spaß gemacht, als ich zehn Jahre alt war? Ich habe Zitate aus Büchern abgeschrieben oder coole Sachen aus Magazinen ausgeschnitten und in Hefte geklebt. Genau das mache ich jetzt in meinem Blog, das ist die Erwachsenenversion. Gute Fragen sind auch: Wo sage ich nicht die Wahrheit? Wen beneide ich?

ZEIT: Für Ihr Glücksprojekt haben Sie jeden Monat mehr gute Vorsätze in Ihre Liste aufgenommen und jeden Abend abgehakt, ob Sie sie eingehalten haben. Im Dezember waren es dann viele Dutzend. War das nicht unglaublich anstrengend?

Rubin: Tatsächlich hat es mich glücklicher gemacht, mich daran zu halten. Aber man sollte vielleicht besser mit drei oder vier anfangen.

 

ZEIT Wissen 5/2011

Psychologie "Kämpfen wir fürs Glück!"

Diskussion mit dem britische Ökonomieprofessor Richard Layard. Im Internet möchte er eine Massenbewegung auslösen, mit Erkenntnissen aus der Glücksforschung. Sein Feindbild: Manager, die nur an Profit denken.

ZEIT Wissen: Herr Professor Layard, mit einem Internetprojekt wollen Sie die Briten und dann die ganze Welt glücklicher machen. Was soll das?

Richard Layard: Die »Action for Happiness«-Bewegung basiert auf einem Ideal aus der Zeit der Aufklärung: Die beste Gesellschaft ist diejenige, in der es am meisten Glück und am wenigsten Elend gibt. Dank der Glücksforschung wissen wir heute, was für die Menschen wirklich zählt. Wie viel Geld jemand verdient, trägt zum Beispiel weniger zum persönlichen Glück bei, als viele glauben. In den USA gibt es seit 60 und in

Deutschland seit 40 Jahren trotz enormer Einkommenssteigerung keine nennenswerte Zunahme von Glück und Zufriedenheit. Mit unserem Projekt wollen wir glücksorientiertes Denken fördern.

Richard Layard

Er beriet die Labour Party und die SPD bei ihren Arbeitsmarktreformen. Seine Idee von "Fordern und Fördern" beeinflusste die Hartz-IV-Reform in Deutschland. Seit dem Jahr 2000 ist der Ökonomieprofessor der London School of Economics auch Mitglied des britischen Oberhauses.

ZEIT Wissen: Was heißt das konkret?

Layard: Die Teilnehmer geloben zunächst, dass sie das Glück in der Welt mehren wollen. Wir machen ihnen auf der Website dann 50 Vorschläge, wie sie zum Beispiel die Atmosphäre am Arbeitsplatz verbessern oder auch ihr eigenes Glücksgefühl steigern können, etwa durch Meditation. Es geht darum, mehr für andere zu tun, aber auch sich selbst zu achten.

ZEIT Wissen: Ist das nicht etwas banal?

Layard: Dahinter steckt das weite Feld der Positiven Psychologie, die lehrt, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, statt dauernd über Schwächen zu grübeln. In der Berufswelt brauchen wir zudem weniger Konkurrenzdenken und mehr Kooperation. Im Familienleben sollten sich Paare verpflichten, ihre Kinder gemeinsam großzuziehen. Wir plädieren nicht für mehr »emotionale Intelligenz« und gute Beziehungen, um aus anderen mehr rauszuholen. Wir plädieren für eine Ethik, die das Geben vor das Nehmen setzt.

Tun Sie etwas für andere: Wählen Sie einen Tag in der Woche aus, an dem Sie fünf Menschen einen Gefallen tun. Warum? Neue Erkenntnisse der Hirnforschung bestätigen, dass wir auf Liebe und Zuwendung regelrecht gepolt sind. Es geht nicht immer nur um darum, dem persönlichen Erfolg nachzujagen.

Die Glücksformeln sind gekürzte Auszüge von Lanyards Webseite "Action for Happines"

ZEIT Wissen: Ist die Glücksbewegung ein Religionsersatz?

Layard: Sie ist eine säkulare Ethik.

ZEIT Wissen: Oder eine Diktatur des positiven Denkens.

Layard: Eine Idee diktiert nicht. Wir werden keine glücklichen Bürger haben, wenn sie ihre Ziele nicht in einer freien Gesellschaft selbst bestimmen können.

ZEIT Wissen: Warum interessieren Sie sich als Ökonom überhaupt für Glück?

Layard: Ich bin Ökonom geworden, weil die Volkswirtschaftslehre das menschliche Wohlbefinden zu maximieren versprach. Aber ich stellte schnell fest, dass Ökonomen eine viel zu beschränkte Sicht auf die Ursachen des Wohlbefindens haben.

ZEIT Wissen: Kann eine Website eine Massenbewegung auslösen?

Layard: Das hängt davon ab, ob sich Gruppen bilden, die diese Werte teilen. Wir sehen erste Erfolge. Seit April sind wir online, inzwischen haben wir 14500 Mitglieder aus 115 Ländern. An Studenten verteilen wir Arbeitsmaterialien, anhand derer sie über den Sinn des Lebens diskutieren können. Außerdem vermitteln wir Redner, die sich mit Zufriedenheit im Berufsleben auskennen. Mit ihrer Hilfe können Arbeitnehmer Diskussionen mit dem Management anregen.

ZEIT Wissen: Eine sanfte Form des Sozialismus?

Layard: Da gibt es durchaus Überschneidungen. Der Sozialismus hat auch an den Altruismus appelliert.

ZEIT Wissen: Der Glücksindex sozialistischer Länder ist aber nicht besonders hoch.

Layard: Ich rede nicht vom dogmatischen Sozialismus, sondern von einer westeuropäischen Variante mit einer starken idealistischen Komponente. Zugegeben, der Kommunismus hatte auch eine idealistische Komponente, er hatte aber auch die Geheimpolizei.

Psychologie "Kämpfen wir fürs Glück!"

 

"Unsere Gesellschaften werden immer egoistischer und ungleicher"

ZEIT Wissen: Angenommen, Ihr Projekt hat Erfolg und der britische Glücksindex steigt an. Ist Großbritannien dann etwa gegen Wirtschaftskrisen immun?

Layard: Glück und Zufriedenheit sind das Ziel, nicht der Zweck. Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass zum Beispiel die Banken reguliert werden. Wir müssen die Arbeitslosigkeit niedrig halten, statt auf Teufel komm raus Wachstum zu generieren.

ZEIT Wissen: Was haben Sie gegen Wachstum? Sie sind doch Wirtschaftsprofessor.

Layard: Viel wichtiger als Wachstum ist ökonomische Stabilität. Die Neoliberalen wollen uns weismachen, etwas Auf und Ab sei gut fürs Wachstum. Tatsächlich sind solche Fluktuationen aber eine Katastrophe für viele Familien.

Finden Sie jeden Tag drei gute Dinge: Lassen Sie abends den Tag Revue passieren, und erinnern Sie sich an drei angenehme Situationen. Warum? Positive Erlebnisse betrachten wir oft als selbstverständlich. Wir müssen bewusst lernen, dafür dankbar zu sein. Dankbarkeit steigert nicht nur unsere Zufriedenheit mit dem Leben, sondern wirkt auch positiv auf die Gesundheit.

ZEIT Wissen: Und wie wollen Sie Schwankungen verhindern?

Layard: Erst mal geht es um eine andere Lebensphilosophie, die besagt, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Wenn sich diese Einstellung verbreitet, sind die Leute eher bereit, die Schwachen der Gesellschaft zu unterstützen. Sehen Sie sich die skandinavischen Länder an. Die haben keineswegs ein geringeres Einkommensgefälle als wir, aber sie haben eine Weltanschauung, die auf Respekt gründet.

ZEIT Wissen: Das ist eine andere Kultur.

Layard: Die Kultur kann man ändern. Unsere Gesellschaften werden immer egoistischer und ungleicher, weil es ein moralisches Vakuum gibt. Wir müssen bewusst und aktiv für eine solidarische Gesellschaft kämpfen. Sowohl die Regierung als auch jeder Einzelne – das unterstützen wir mit unserem Projekt.

ZEIT Wissen: Wie würde eine glücksorientierte Politik aussehen?

Layard: In Großbritannien bewegen wir uns schon in diese Richtung: Wir messen Glück als Teil der offiziellen Bevölkerungsstatistik. Weil diese Umfragen sehr groß sind – sie umfassen 200000 Menschen –, können wir für jede Kommune einen Glücksindex ausweisen. Allein diese Daten können für einen Paradigmenwechsel in der Politik sorgen. So weit sind wir aber noch nicht. Wir brauchen noch eine Menge Forschung, um zu verstehen, welche Interventionen wirklich helfen. Es geht ja nicht darum, Menschen zu ihrem Glück zu zwingen, sondern nur die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass jeder auf seine Art glücklich werden kann.

ZEIT Wissen: Fragt man Menschen auf der Straße, was sie glücklich macht, nennen viele ihre Familie und ihre Freunde. Die Ökonomen dagegen scheinen erst jetzt zu begreifen, was Glück bedeutet.

Layard: Da ist etwas Wahres dran. Aber auch Politiker und Manager müssen umdenken. Die reden uns ständig ein, dass wir unseren gewohnten Lebensstil nicht beibehalten können. Ich frage mich: Wie kann es sein, dass wir immer reicher werden, dafür aber unsere Lebensqualität sinken soll? Die Antwort lautet: Man hat uns die Anhäufung von Reichtum als Götzen verkauft, für den wir Opfer bringen müssen. Junge Angestellte in den meisten europäischen Staaten arbeiten heute mehr als früher.

ZEIT Wissen: Viele Unternehmen kümmern sich heute immerhin wesentlich stärker um die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter als früher. Das sollte Ihnen doch Hoffnung machen.

Layard: Ich bin nicht sicher, ob das wirklich auf die Glücksbewegung zurückzuführen ist. Aber es stimmt, ich sehe Verbesserungen. Der Kundenservice zum Beispiel ist heute unendlich viel besser. Es ist Routine, dass man die Kunden nach ihrer Zufriedenheit befragt. Oder dass man Studenten fragt, wie zufrieden sie mit ihren Professoren sind.

ZEIT Wissen: Ist eine Zeit der finanziellen Staatskrisen nicht ungünstig, um eine Glücksoffensive zu starten?

Layard: Im Gegenteil. Seit der Finanzkrise haben viele Menschen eine Abneigung gegen eine Gesellschaft entwickelt, die nur auf Wohlstandsmaximierung ausgerichtet ist.

 

 

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