Ketamin

https://www.vox.com/first-person/2018/7/24/17603616/depression-treatment-severe-ketamine-special-k

 

Vergleich: Siehe: Narkosemittel + Drogen

 

Zeit-Online

[Sven Stockrahm]

Die Narkose-Droge, um dem Alltag zu entfiehen

Ketamin

    illegal/aufputschend/beruhigend/synthetisch/

    Konsum: Meist wird der in der Medizin für kurze Narkosen verwendete Stoff geschnupft oder über eine Spritze in den Muskel injiziert.

    Wirkung: Wenig Ketamin kann stimulieren, höhere Dosen betäuben eher. Stundenlange Halluzinationen sind möglich, die Körperwahrnehmung verändert sich teils derart,

            dass Grenzen zwischen

    Umwelt und Ich verschwinden. Man fühlt sich vom Körper losgelöst.

    Gefahren: Verwirrtheit, Angst, Übelkeit, Koordinationsproblemen – das sind typische Nebenwirkungen. Das Schmerzempfinden lässt nach, ebenso das Reaktionsvermögen.

            Langfristig können

    Gedächtnislücken und Schlafprobleme auftauchen.

    Verbreitung: In Deutschland nutzen wohl nur sehr wenige Ketamin als Droge, genaue Zahlen fehlen. Von Ärzten wird es als Arzneimittel in der Schmerztherapie und Notfallmedizin verwendet.

Hinweise: Gefährlich wird Ketamin, wenn zusätzlich andere Beruhigungsmittel genommen werden. Das kann die Wirkung verstärken und tödlich enden. Als Pulver wird es häufig von Drogenherstellern gestreckt und ist damit unberechenbar. Wer sich Ketamin spritzt, kann sich Infektionen wie HIV, Hepatitis und anderes einfangen, wenn er Nadeln teilt oder diese schmutzig sind.

 

[Luisa Jacobs/Saskia Gerhard]

Hintergrund: Ketamin

Ketaminhydrochlorid, kurz Ketamin ist ein schmerzstillendes Narkosemittel. Es wird vor allem in der Notfall- und Tiermedizin eingesetzt. Andere Namen: K, Ket, Keta, Special K oder Vitamin K.

Für die medizinische Nutzung wird Ketamin als Flüssigkeit injiziert. In der Partyszene wird es häufig als weißes oder rosa eingefärbtes Pulver geschnupft oder geschluckt. Auch Pillen sind im Umlauf, die jedoch oft mit anderen Substanzen wie MDMA gestreckt sind.

Es gibt zwei Formen von Ketamin: Ketamin und S-Ketamin. Letzteres ist chemisch aufbereitetes Ketamin, bei dem die beruhigende und schmerzstillende Komponente verstärkt wurde. Es wirkt doppelt so stark wie Ketamin und wird in der Notfallmedizin häufiger verwendet. (Quelle: Drugscouts/Mindzone)

Effekte

Als Arznei wird Ketamin in der Regel mit Valium oder anderen dämpfenden Mitteln kombiniert, um Nebenwirkungen zu unterbinden. Gerade diese aus medizinischer Sicht unerwünschten Effekte haben die Droge jedoch zur Partydroge gemacht.

Im Ketaminrausch sind Halluzinationen möglich, Geruchs- und Geschmackssinn können komplett ausgeschaltet sein. Musik und Stimmen klingen verzerrt, Emotionen werden dumpf, Schmerzen werden kaum oder gar nicht empfunden, die Gesprächslust und die Handlungsfähigkeit sinken. Einige Konsumenten haben das Gefühl, den eigenen Körper zu verlassen. Das kann so weit gehen, dass sie nicht mehr wissen, wer und wo sie sind.

Blutdruck und Puls steigen. Vielen Konsumenten wird übel (wenn sie sich bewegen). Einige verlieren die Kontrolle über ihren Körper. Der Hirndruck kann steigen. Auch Sehstörungen, Schwindel, erhöhter Speichelfluss und Unruhe sind möglich.

Lässt der Rausch nach, fühlen sich viele schwach und schwindelig. Diese Symptome können lange anhalten.

Wer nur knapp zu hoch dosiert, kann körperliche Nebenwirkungen bereits spüren, aber keine Rauscherfahrung haben. Das kann beängstigend sein.

Risiken

Weil das Schmerzempfinden stark reduziert ist im Rausch, besteht die Gefahr, sich unbemerkt zu verletzen. Heiße Getränke können etwa als lauwarm empfunden werden. So kann es zu Verbrennungen kommen. Ebenso steigt die Verletzungsgefahr, weil Konsumenten im tranceartigen Zustand plötzlich zusammensacken können.

Wird die Droge überdosiert, droht Bewusstlosigkeit. Meist bleiben die Augen dabei offen und können austrocknen. Auch Lähmungen, Krampfanfälle und Koma sind möglich.

Wer schnell oder viel nimmt, verlangsamt seine Atmung mitunter lebensgefährlich. Vor allem in Kombination mit anderen Drogen tritt dieser Effekt ein. Manche reagieren allergisch auf Ketamin.

Folgeschäden

Langzeitfolgen sind kaum erforscht. Experten gehen bei häufigem Gebrauch von Organ-, Gehirn- und Nervenschäden aus. Erinnerungslücken und Psychosen sind möglich. Konsumenten können psychisch abhängig werden und sich an die Wirkung gewöhnen, sodass sie später höher dosieren müssen.

 

Paul*, 31, beschreibt seinen Rausch auf Ketamin. Seine erste harte Droge waren Aphetamine, seitdem hat er eigentlich alles schon ausprobiert.

Ich hatte vorher schon mehrmals Ketamin genommen, in unregelmäßigen Abständen von einem halben Jahr, weil es schwer ist, welches zu bekommen. Ich hatte jedes Mal nur positive Erfahrungen gemacht: Mal kurz abtauchen, gelöster feiern. Gleichzeitig war die Wirkung nie überwältigend. Bis zu dieser Silvesternacht 2015.

Wir feierten in kleiner Runde bei einem Freund, wir waren schätzungsweise 15 Leute. Im Laufe des Abends hatte ich schon ein wenig Ketamin genommen. Daher wusste ich, dass wir sehr reines, aber auch starkes Pulver da hatten. Irgendwann nach dem Feuerwerk reichte mir jemand eine große Portion. Ich wusste, dass das ungefähr das Doppelte von dem war, was ich normalerweise nehme. Aber ich hatte Lust, meine Grenzen zu testen. Ich bat eine gute Bekannte, auf mich aufzupassen und zog die Line.

Ketamin wirkt schnell. Nach ein paar Minuten fühlte ich mich, als wäre mein Körper in einen Stand-by-Modus. Ich konnte nicht mehr gerade sitzen und musste mich hinlegen. Mein Kopf wurde dumpf, als hätte jemand eine Käseglocke über mich gestülpt.

Ich habe mir über nichts mehr Gedanken gemacht, schlummerte in mir selbst. Das war sogar angenehm. Gespräche mit anderen waren unmöglich: Ich war unfähig, klar zu denken, geschweige denn etwas Sinnvolles zu sagen. Es hat sich angefühlt, als wäre ich verblödet. Ich kannte das von früheren Ketamin-Trips, aber diesmal hatte ich zusätzlich den Eindruck, in einem Loch gefangen zu sein, aus dem ich nicht rauskomme. Die Welt um mich herum schien sehr weit weg. Man spricht ja vom sogenannten K-Hole (siehe Infokasten), danach war mir klar, was das ist.

Polak: "Ketamin ist eigentlich ein Narkosemittel, wird aber in klinischen Studien auch in der Depressionstherapie eingesetzt. In Frage kommen solche Heilversuche, wenn Patienten gar nichts anderes mehr hilft – wenn keine Psychotherapie und keine Medikamente mehr anschlagen oder wenn aus bestimmten Gründen die Elektrokonvulsionstherapie nicht durchführbar ist. Die Wirkung der Ketamininfusion ist nicht schlecht, leider jedoch bislang nicht anhaltend. Ganz genau verstehen wir nicht, woher das kommt. Während der Infusion fühlen sich die Patienten dagegen gar nicht gut. Viele haben Angst, dissoziieren, verlieren den Sinn für ihren Körper und ihre Umgebung. Was Paul als K-Hole beschreibt, entspricht ungefähr diesem Zustand. Für viele Patienten ist das sehr anstrengend."

Mein Verstand war wie abgeschnitten von meinem Körper. Ich konnte mich nicht bewegen. Zwischendurch wollte ich mich vom Bett aufrichten. Aber mein Körper führte den Befehl aus meinem Kopf nicht aus. Der Trip hat sich angefühlt wie eine Ewigkeit. Ich dachte, das hört gar nicht mehr auf. Die anderen haben mir gesagt, dass die Wirkung eine halbe bis Dreiviertelstunde angehalten hat. Ich selbst kann das nicht beurteilen.

Allein zu Hause wäre ich wahrscheinlich durchgedreht"

Ich glaube, es kann verstörend sein, wenn jemand so viel Ketamin in einer ungünstigen Umgebung konsumiert. Meine Bekannte hat sich aber sehr liebevoll gekümmert, meine Hand gehalten, sich immer wieder erkundigt, ob es mir gut geht. Dadurch hat sich der Rausch sogar ein bisschen gut angefühlt.

Polak: "Besonders gefährlich ist es, wenn jemand alleine Drogen nimmt, da in einem solchen Fall niemand aufpasst und beruhigen oder Hilfe rufen kann, wenn der Konsument Angst bekommt oder wenn er kollabiert."

Allein zu Hause wäre ich wahrscheinlich durchgedreht – zumindest hätte ich große Angst bekommen, für eine Panik war ich aber zu betäubt. Auch im Club wäre so ein Trip fatal gewesen. Ich habe mal eine Frau gesehen, die an der Bar in einem Club einfach umgefallen ist. Sie hatte Ketamin gezogen, dachte aber, es wäre etwas anderes gewesen. Als die Lähmung kam, war sie nicht vorbereitet. Und wer es überdosiert, kann einen Herzstillstand erleiden.

Ich nehme heute immer noch Ketamin, aber nicht mehr so viel auf einmal. Für Außenstehende mögen meine Erfahrungen gruselig klingen. Da ich aber weder beunruhigende Dinge gesehen habe, noch schlechte Gefühle hatte, würde ich nicht von einem Horrortrip sprechen. Trotzdem: In einem anderen Umfeld wäre das übel verlaufen, da bin ich mir sicher.

 

 

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