Mercurius solubilis Anhang

 

[Reinhard Flick]

Die Ebene der Träume

In den letzten drei Jahren hatte ich die Gelegenheit, bei drei Patienten, die mit völlig unterschiedlichen Beschwerden zu mir kamen und im Charakterbild und Auftreten kaum Ähnlichkeiten erkennen ließen, die Ebene der Träume als die entscheidende Gemeinsamkeit zu erkennen. Bei allen dreien dachte ich vorerst ganz stark an eine jeweils andere Arznei, die ich auch mit fehlendem oder sehr geringen Erfolg verordnete.

Bei zweien führten mich dann die markanten Träume zu Merkur, auch bei der dritten Patientin waren die gleichen Traumthemen vorhanden. Ich möchte vorerst die Patienten einzeln vorstellen, mit ihren unterschiedlichen Beschwerden und wie ich sie erlebte.

 

Patient 1, männlich, 29 Jahre alt, kam im Dezember 1990 erstmals in meine Praxis. Er litt unter Schlafstörungen und nächtlichen Angstzuständen. Er hatte Einschlafschwierigkeiten, erwachte auch ständig wieder. Unter diesen Ängsten litt er vor allem allein im Dunkeln. Er hatte dann das Gefühl „irgend etwas Böses ist da".

Auch seine Träume waren angsterfüllt. Oft erwachte er voller Angst, wie aufgeschreckt, zitternd, mußte Licht aufdrehen und hatte das Gefühl „das Böse sucht ihn heim". Erstmals traten die Schlafbeschwerden auf, als er Anfang der Achtziger Jahre von der panischen Angst erfaßt wurde, an Aids erkrankt zu sein.

Außerdem massives Nägelbeißen. Bis zur Pubertät litt er an Enuresis. Er ist gerne in Gesellschaft, fröhlich, macht jeden Spaß mit, kann andere unterhalten. Er wirkt freundlich, offen und sympathisch. Er beginnt viele Dinge, führt aber wenig erfolgreich zu Ende (etwa sein Studium). Er ist homosexuell, hat starkes sexuelles Verlangen.

Aggressionen kann er schwer äußern, Konflikten weicht er lieber aus.

Verlangt: Gemüse/Milch/Salz/Fisch;

Abgeneigt: Fett/Butter;

Sowohl sein Auftreten -diese angenehme offene Art- als auch einige seiner Symptome lassen mich ganz stark an Phosphor denken. Ich verordne Phosphor im LM 18, LM 24, LM 30, C 1000 und C 10.000 über einen Zeitraum von einen halben Jahr. Er fühlt sich ganz wohl damit, doch die Ängste und Schlafstörungen bleiben. Mancinella D200

und Stramonium D200 bringen keinerlei Ergebnis.

Unter den Phosphorgaben werden seine Träume noch klarer und markanter.

 

Bei ihm tauchen immer wieder drei große Themenbereiche in den Träumen auf:

- Aggression und Kriminalität: mehrmals ist er Mitglied von Banden, die kriminelle Handlungen ausführen. So nimmt er etwa an einer schwarzen Messe teil, muß dabei ein Ritual mitmachen und ist dabei von Angst erfüllt. Oder er ist Mitglied einer Mafiabande - es wird dabei viel gemordet, gibt Kämpfe und Auseinandersetzungen.

Wiederholt träumt er, sich im Haus seiner Eltern aufzuhalten. Dabei hat er Angst, das schwarze Panther oder „unangenehme Typen" bei der Tür hereinkommen. Er fühlt sich bedroht, hält die Türe zu, draußen knurrt es.

Am deutlichsten kommt dieses Thema von Aggression und Bedrohung in folgenden Traum zum Ausdruck, der mich schließlich zu Merkur führte:

Traum: Er sieht eine Jugendbande - sie sind gewalttätig und gehen brutal gegeneinander und gegen andere vor. Er hat Angst davor, hält etwas Abstand und beobachtet

das Ganze. Dabei muß er miterleben, wie alle Mitglieder dieser Bande nun einen kollektiven Selbstmord begehen, indem sie auf Bäume klettern und von diesen in die Tiefe springen. Er erwacht entsetzt. - - - -

- Verlassenwerden:

Traum: Immer wieder der genau gleiche Ablauf: Er wird verlassen, von seiner Mutter, von seinem Zwillingsbruder, von Freunden und er erwacht weinend. Auch träumt er vom Tod seiner Mutter, von anderen Trennungen.

- Unfälle: Traum: So stürzt etwa neben ihm ein Lastwagen ab und explodiert. Ein Mann ist darin eingeklemmt, er holt ihn heraus. Der Mann ist schwer verletzt, teilweise verkohlt. Ein andermal sitzt er in einem Auto, das von einem Behinderten gelenkt wird. Es kommt zum Unfall, wobei er als einziger stirbt. Er trauert und weint über sich,

fühlt sich wie ein herrenloser Hund, dessen Herr gestorben ist. - - - -

 

Da er während dieser Zeit, in der diese Träume auftraten, auch ein Jahr lang eine von mir geleitete Selbsterfahrungsgruppe besuchte, konnte ich im Rahmen dieser Gruppe

seine Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt mitverfolgen. So stehen etwa im zentralen Traum in der Aufbereitung nach den Prinzipien der Gestalttherapie die Mitglieder der Jugendbande nicht für einen aggressiven Anteil, sondern für eine entschlossenen, konsequenten und einsatzfreudigen Persönlichkeitsanteil. Diese konfrontative, konfliktfreudige Seite fehlte ihm im täglichen Leben. Er konnte sie nur in der Traumebene leben. Daraus erklärte sich die gewisse Faszination, die er neben der Angst beim Beobachten der Bande verspürte.

 

Nach der Gabe von Merc. C 1000 im August 1992 begann sich sein Umgang mit dem Thema Angst in den Träumen drastisch zu ändern. Anfangs hatte er weiterhin Träume mit massiver Bedrohung, wurde aber nicht mehr von blinder Angst erfaßt, sonder begann sich in den Träumen der Herausforderung zu stellen. Indem er dies tat, begann die Angst allmählich zu verschwinden. Daraufhin verschwanden auch die Angstträume. Auch wenn er jetzt allein im Dunkeln ist, verspürt er keine Angst mehr. Eine Zeitlang experimentierte er auch mit diesem Thema, in dem er z. B. nachts, wenn er auf dem Heimweg war, allein durch den Park ging, um herauszubekommen, ob er dabei wieder Angst verspürte. Dabei stellte er immer wieder fest, daß ihm diese Situation nun nichts mehr ausmachte.

Eine Gabe Merc. M reichte aus, daß diese Traumebene von Angst, Aggression und Kriminalität sich völlig auflöste. Diese Art Träume sind bis heute verschwunden.

Das Nägelbeißen besteht weiter. Der Schlaf ist noch immer etwas gestört; das beeinträchtigt ihn aber wesentlich weniger als früher (das mag auch durch die ständigen Nachtdienste - er ist Betreuer von Behinderten - bedingt sein).

 

Patient 2, weiblich, 26 Jahre alt, kommt im November 92 zu mir. Grund für ihren Besuch sind hauptsächlich psychische Probleme, bei denen sie sich durch die homöopathische Behandlung Erleichterung erhofft. Sie möchte egoistischer werden, nicht soviel Mitleid mit armen Menschen haben. So geht ihr etwa ihr derzeitiger Freund total auf die Nerven. Sie schafft es aber nicht, ihm den Laufpaß zu geben, da er ihr dann so leid täte, und sie sicher Schuldgefühle bekäme. Auch für ihre Brüder, die das weidlich ausnützen, macht sie immer mehr, als sie eigentlich möchte. So wäre es für sie eine ganz schlimme Vorstellung, ihre Mutter könnte sterben, denn dann müßte sie ja ihre Brüder versorgen.

Sie ist sehr perfektionistisch. So will sie sich etwa alles merken, z.B. was jemand anhatte oder was jemand sagte, damit man sie nie mehr anlügen kann (mißtrauisch!).

Das gibt ihr einen gewissen Überblick, und man kann sie dann nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen. Sie ist sehr gewissenhaft in Kleinigkeiten. Wenn sie etwas putzt,

 muß das ganz genau sein. Auch die Sachen müssen alle gerade liegen.

Ist das nicht der Fall, hält sie es nicht aus (Geraderichtzwang). Bei Zimmerpflanzen ist es ihr unerträglich, welk werdende Blätter abtrocknen zu sehen. Sie muß sie sofort wegschneiden.

In ihrer Art zu kommunizieren hat sie zwei sehr gegensätzliche Seiten. Einerseits ist sie sehr gerade und direkt, beobachtet andere kritisch und kann mit ihren Bemerkungen öfters verletzend sein.

Sie bemerkt das aber meist selbst nicht und meint es auch gar nicht so, wie es bei den Mitmenschen oft ankommt. Bei Dingen, die sie bei anderen stören, fällt es ihr im Gegensatz äußerst schwer, dies demjenigen mitzuteilen. Sie beschwert sich bei dritten Personen darüber, ist aber nicht in der Lage ihren Unmut direkt zu äußern.

Sie hat da Angst, dies könne Folgen haben, die man nicht mehr rückgängig machen könne.

Sie bezeichnet sich als Eigenbrötler, unfähig für eine Beziehung, weil sie keine Rücksichten mehr nehmen und keine Fragen beantworten will. Lügen hält sie für viel zu anstrengend, weil man dann dauernd aufpassen muß, was man früher gesagt hat. Deswegen bleibt sie lieber bei der Wahrheit und bemüht sich ehrlich zu sein. Sehr auffällig

ist ihre Tendenz, sich vor anderen zu ekeln. Wenn sie vom Glas eines anderen trinkt, achtet sie ganz genau darauf, die unbenutzte Seite zu verwenden. Mit dem Besteck eines anderen etwas zu kosten, würde sie vor Ekel nie aushalten. Auch Küsse findet sie ganz gräßlich! Über Ungerechtigkeiten kann sie sich sehr aufregen. Sie stellt sich gern auf die Seite des Schwächeren und verteidigt andere. Ihren Ärger zeigt sie relativ wenig. Direkten Konfrontationen weicht sie aus. Wenn sie jemand sehr gekränkt hat, bricht sie ohne Streit oder Aussprache den Kontakt ab. An Ängsten fällt vor allem eine nächtliche Furcht vor Einbrechern auf.

Bei Männern ist sie äußerst anspruchsvoll. Jeder hat irgend etwas, was ihr nicht gefällt. Daher klappt es auch in ihren Beziehungen meist nicht. Es kommt immer wieder zu schnellen Trennungen. Sie reist sehr gerne. Das gibt ihr ein Gefühl von Unendlichkeit, sie könnte ewig fahren. Sie hat ein spezielles Hobby, dem sie sehr viel Zeit widmet:

das Klettern. Dabei gefällt ihr der Reiz des Gefährlichen, das immer auf sich selbst Angewiesen Sein. Wenn sie mal versagt, dann sei sie eben selber schuld.

An körperlichen Symptomen fällt eine langsame Wundheilung auf, sowie eine Tendenz zu Eiterungen, wie etwa eine Reihe wurzelbehandelter Zähne. Sie ist frostig, liebt

die Hitze und die Sonne, mag kaltes und vor allem feuchtkaltes Wetter nicht. Bei den Nahrungsmittelverlangen ist ein starkes Verlangen nach Butter sowie Salz auffällig, weiters eine Abneigung gegen Fett und Milch. Es besteht die Neigung zu Obstipation und harten Stühlen.

Sie schläft auf der linken Seite. Menses relativ unauffällig, jedoch gibt es einen ständigen Fluor, der sein Aussehen und seine Konsistenz dauernd ändert.

Das zwanghafte Verhalten, die anspruchsvolle Art gegenüber sich und anderen, die Furcht im Dunkeln und vor Einbrechern, die überkritische Art, der Ekel, führen mich zu Arsen. Ich verordne Arsen M, obwohl die Angst allein und die Unruhe fehlen. Auf Arsen ändert sich recht wenig. Die Zwanghaftigkeit wird etwas besser.

 

Auch bei dieser Patientin weisen die Träume den Weg zur Arznei.

Ihre Träume sind sehr lebhaft, oft schwer von der Realität zu unterscheiden. Immer wieder kommt sie in Gefahr ermordet zu werden. Sie flieht, kommt aber gerade noch davon. Öfters wird sie von Farben aufgefressen. Vor allem die Farbe Weiß bringt sie um. Leichen und Leichenteile, teilweise abgeschnitten oder verstümmelt kommen

immer wieder vor. Auch Kämpfe unter Wasser finden statt. Immer wieder Träume von Mord und Folter.

Traum: Ein Japaner verfolgt einen Chinesen in eine Tiefgarage. Oben sitzt ein kleiner Bub, der sagt: „Jetzt wirst du sterben!" Eine Frau kommt mit einer Torte, auf der der Kopf des Chinesen aus Marzipan geformt liegt. Sie schneidet den Kopf mit einem Messer durch, worauf der Chinese in der Tiefgarage tot umfällt. Die Patientin beobachtet dieses Geschehen angstvoll. - - -

Traum: Ein kleines Kind krabbelt am Rand eines Schwimmbeckens und fällt hinein. die Patientin springt nach, kann es aber nicht finden. Sie geht heim und erzählt ihren Bruder von dem Vorfall. Darauf bringt er ihr das Kind: es ist halb gefroren, da es am Balkon im Schnee lag. - - -

 

Die vorherrschenden Gefühle in den Träumen sind entweder Angst oder eine gewisse Gleichgültigkeit.

Ein Motiv, das in ihren Träumen immer wieder auftaucht, ist das Verlassenwerden. Meistens läßt ein Freund oder Geliebter sie im Stich und geht mit einer anderen Frau weg. Diese Träume bestehen auch nach der Merc. weiter.

 

Im Dezember 93 verordne ich Merc. M. Daraufhin kommt es zu vielfältigen Veränderungen in ihrer Psyche. Der Ekel hört auf: es macht ihr nichts mehr aus, von fremden Tellern zu essen oder von fremden Gläsern zu trinken. Es macht sogar Spaß das immer wieder auszuprobieren. Auch der Putz- und Geraderichtzwang vergehen größtenteils. Sie wird viel schlampiger und genießt das auch. Die welken Blätter dürfen jetzt auf der Pflanze drauf bleiben, bis sie ganz abgetrocknet sind.

Auch die Träume verändern ihren Charakter. Das Thema Mord und Bedrohung verschwindet. Das Leichenthema taucht nach der Gabe von Merc. in einer entspannten

Version nochmals in einem Traum auf:

Traum: Sie sieht drei Leichen von sich selbst in verschiedenen Verwesungszuständen. Es ist lustig für sie, wie wenn sie diese 3 Leichname hegen und pflegen würde. Ihre einzige Angst dabei: daß die Leichen ihr den Boden antropfen könnten. - - -

Die besagten Veränderungen halten an (bis zum Herbst 1994), ohne daß eine Wiederholung der Gabe notwendig gewesen wäre. Etwa 3 Monate nach der Gabe folgt eine Phase mit Hitzegefühlen, heißen Handflächen, viel geruchlosen Schweiß, sogar auf der Oberlippe. Gelegentlich hat sie auch eiskalte Hände bzw. einen kalten Po im Bett. Sie fühlt sich auch unruhiger und angespannt vor bevorstehenden Ereignissen. Arg-n. D 200 ändert nichts daran, stört aber auch die Merc.-Wirkung nicht. Die Zeiten mit starkem Schweiß und Hitzegefühl hatte sie auch früher schon. Sie normalisieren sich von selbst nach einer gewissen Zeit wieder, der Wechsel von heißen und kalten Händen bleibt weiterhin.

Im September 1994 wird Merkur wegen des Auftretens einer polymorphen Lichtdermatose wiederholt. Die psychischen Wirkungen der Arznei haben eine dauerhafte Veränderung hervorgebracht, die auch zu einer festen Beziehung seit Herbst letzten Jahres führten, die bis heute anhält. Sie ist jetzt auch in der Lage, Schattenseiten eines Partners zu ertragen, ohne die Beziehung bei den ersten auftretenden Unannehmlichkeiten abzubrechen.

 

Patient 3, weiblich, 30 Jahre alt, sucht mich im November 1993 erstmals auf. Sie leidet seit 1,5 Jahren unter Hautproblemen. Vor allem auf der rechten Hand ist die Haut sehr trocken, schuppt und brennt. Die Fingerspitzen springen immer wieder auf und bleiben länger offen. Hauptlokalisationen sind Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger, sowie der Daumenballen. Da sie in einem Bioladen arbeitet, liegt die Vermutung nach einem Kontaktekzem nahe. Ein weiteres Hautproblem ist die seit Jahren bestehende Psoriasis, die sie zu diesem Zeitpunkt nur mehr auf der Kopfhaut hat. Die ursprünglich stärkere Ausbreitung wurde durch eine UV-Bestrahlungstherapie auskuriert.

In ihrem Auftreten ist sie direkt, gerade und ehrlich. Sie wirkt lebhaft und spontan. Sie wird leicht zornig, drückt diesen Zorn auch aus. Auf Kritik ist sie sehr empfindlich, sie reagiert „sauer" darauf. Sehr auffällig ist ihre übergroße Tierliebe. Sie hat nicht nur einige Katzen zu Hause, denen alles erlaubt ist, sondern ist auch seit Jahren aus ethischen Gründen Vegetarierin. Sie hat sich aktiv in einem Verein für Tierschutz engagiert. Dabei kam auch ihre militante, fanatische Seite zum Vorschein. Als die Kampagne gegen das Tragen von Pelzen lief, war sie aktiv mit von der Partie. Sie hat zwar niemanden angesprüht, aber ordentlich die Meinung gesagt hat sie den Leuten schon. Auf Unrecht reagiert sie wütend. Frauen gegenüber wird sie in solchen Situationen aufmüpfig, bei Männern läßt sie es sich gefallen. Vor ihrem Vater hatte sie Angst. Sie bekam oft Ohrfeigen von ihm, mußte still sein. Daher fällt es ihr heute schwerer sich gegen Männer durchzusetzen.

Ihr traumatischstes Erlebnis war eine Vergewaltigung durch ihren damaligen Freund. Als sie Schluß machen wollte, kam es dazu. Seither hat sie Angst vor Männern. Auch heute noch reagiert sie aufgebracht und aggressiv, wenn sie daran denkt oder darüber spricht.

Sie ist sehr kälteempfindlich, Hitze und Sonnenbestrahlung mag sie sehr gern. Der Schweiß ist unauffällig, kein Speichelfluß nachts. Verlangen nach Mehlspeisen, Käse und viel Kaffee, wenig Durst. Eine Woche vor der Menses ist sie ziemlich reizbar. Die Zähne sind schlecht, einige Wurzelbehandlungen.

 

Auch in ihren Träumen taucht das Thema Mord und Leichen auf. Öfters schaut sie bei einem Mord zu (sie sieht gerne Krimis!) oder sie hilft beim Wegschaffen von Leichen. Ein Beispiel: Ihr Vater hat zuhause einen Nachbarn umgebracht. In einem Suppentopf schwimmen blutige Hände.

 

Aufgrund der fanatischen Ader, des militanten Eintretens für die Tiere, der Direktheit, der Empfindlichkeit gegenüber Ungerechtigkeiten, der Vergewaltigungssituation und des trockenen Ekzems dachte ich an Causticum. Causticum D6 und in der Folge D 12 brachten zwar eine wesentliche Verbesserung des Ekzems, doch keinen durchschlagenden Erfolg. Nach Merc. M im Jänner 94 kam es fast 4 Wochen lang zu einer massiven Verschlimmerung.

Die Finger platzten wieder auf. Nach etwa einem Monat begann das Ekzem abzuheilen. Anfangs war die Haut weiterhin trocken und schuppte etwas. Dann fast vollständige Abheilung. Die Psoriasis der Kopfhaut verging gänzlich.

Die Träume veränderten sich: die Mordgelüste verschwanden, auch die Angst wurde weniger. Sie träumt jetzt mehr von ihren Eltern. Auch allgemein fühlte sie sich ruhiger und ausgeglichener, es ist ihr mehr egal, sie regt sich weniger auf. Merc M wurde nach 3 Monaten wiederholt, nach insgesamt 5 Monaten kam es zu einem Rückfall: auf Merkur XM heilte die Haut innerhalb einer Woche erneut ab. Bis Sommer 1995 sind 2 bis 3 Gaben Merkur XM pro Jahr nötig, um die Haut stabil zu halten.

 

Faßt man die Träume aller drei Patienten zusammen, so kommt man zu folgenden Bereichen:

- Mord und Kriminalität: Aggression, Kämpfe, Gewalt gegen andere, Verfolgung und Angst ermordet zu werden

- Leichen: in den verschiedensten Zusammenhängen, teilweise auch verstümmelt

- Unfälle: Autounfälle, Abstürze, Stürze ins Wasser, Tod durch Unfall

- Verlassenwerden: dabei intensive Trauer und Verzweiflung

Verwendete Rubriken:

Bei 3 Patienten: Dreams of murder, dead bodies

Bei 2 Patienten: Dreams of quarrels, fights, mutilation, forsaken feeling

Bei je 1 Patienten: Dreams of being murderd, crime, criminals, being pursued, accidents, falling into water

 

In folgenden Rubriken fehlt Merc.: Dreams of crime, accidents, fights, being pursued, fleeing

Im Verhalten wiesen die beiden Frauen gewisse Ähnlichkeiten auf: sie sind auf der einen Seite direkt, offen und undiplomatisch. Sie haben anderen gegenüber eine sehr kritische Art, können aber bestimmte persönliche Dinge, die sie an anderen stören, schwer äußern. Über Unrecht können sie sich sehr aufregen, die bekannte Reiselust ist nur bei einer Patientin vorhanden. Auf der Ebene der Allgemeinsymptome fällt auf, daß die beschriebene Überempfindlichkeit sowohl gegen Hitze als auch gegen Kälte bei allen dreien fehlt. Alle drei lieben Hitze und direkte Sonnenbestrahlung, sie sind aber auf Kälte mehr oder weniger empfindlich. Schweißprobleme hatte nur eine der Patientinnen, dabei den Wechsel zwischen heiß und kalt. Die anderen beiden schwitzen eher wenig. Nächtlicher Speichelfluß tritt auch nur bei der 2. Patientin gelegentlich auf. Der männliche Patient hatte außer auf der Traumebene kaum Gemeinsamkeiten mit den beiden Patientinnen.

Meine bisherigen Erfahrungen mit dem Thema Merc., bringen mich zu dem Schluß, daß dieses Mittel einerseits nach außen hin ein sehr wechselhaftes Gesicht hat, darunter aber, in der Tiefe sehr klare und deutliche Strukturen aufzeigt. Diese manifestieren sich auf der Ebene der Träume am deutlichsten. Diese Ebene kann daher als sehr verläßliche Hilfe zur Verschreibung von Merkur angesehen werden.

 

[Angelika Szymczak]

Quecksilber (Mercurius) ist ein silberweiss glänzendes, bei Zimmertemperatur flüssiges Schwermetall. Es dehnt sich bei Erwärmung aus und besitzt eine grosse Oberflächenspannung. Es bildet schnell Tröpfchen und benetzt Oberflächen und andere Substanzen nicht. Schon bei Zimmertemperatur verdampft es. Es hat einen niedrigen Schmelzpunkt und eignet sich aus diesem Grund

hervorragend für Temperaturmessgeräte.

Erst unterhalb von minus 39° C erstarrt es zu einem festen Metall. Flüssiges Quecksilber wirkt toxisch bei der Einatmung der Dämpfe. Es wird nach dem Verschlucken im Körper teilweise zu löslichen

Salzen umgebaut, die dann die Nieren schädigen.

Gasförmiges Quecksilber wird von der Lunge aufgenommen und gelangt von dort ins Blut. Im Weiteren passiert es die Blut-Hirn-Schranke und lagert sich im Gehirn ab. Bei einer akuten

Vergiftung kann eine schwere Lungenentzündung entstehen. Bei regelmäßiger Aufnahme von Dämpfen in kleineren Mengen kommt es zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Entzündungen der Mundschleimhaut mit Veränderungen am Zahnfleisch (dunkler Saum am Zahnfleischrand), Zittern, Gedächtnisschwäche und Störungen im zentralen Nervensystem.

Im 16. Jahrhundert setzte Paracelsus Salben mit fein verteiltem Quecksilber oder

 

Heute findet Mercurius solubilis Hahnemanni seine Anwendung in der Homöopathie bei folgenden Erkrankungen (die Nummer der zugeordneten Prüfungssymptome aus H. „Reiner Arzneimittellehre“ stehen in Klammern dahinter):

ADHS:

Hastigkeit und Geschwindigkeit im Reden (1255).

Reizbar, zornig, unternehmend (1250).

Er ist albern, macht Faxen und dummes, widersinniges Zeug; er machte sich abends (im heißen Sommer) Feuer in den Ofen, legte Degen kreuzweise zusammen und stellte in den Winkel der Stube Lichter, in den andern Stiefel, und das alles aus vollem Ernst, wobei er völlig gleichgültig gegen Wärme und Kälte war, im Kopf aber war er düster und schwer (1260).

Autismus:

Sprach- und des Bewusstseinverlust, zwölf Stunden lang. Verlust der Sprache und der Stimme; sie hört alles gut, kann aber bloß mit Zeichen und Gebärden antworten, und ob sie sich gleich bemüht,

die Sprachwerkzeuge in Tätigkeit zu setzen, so vermag sie doch keinen Buchstaben auch nur leise zu sprechen und eben so wenig einen Laut von sich zu geben, bei verfallenem Gesicht und weinend über ihren Zustand; sie kann nicht schlafen und fühlt sich sehr matt; doch hat sie Appetit auf alle Speisen und Durst auf Bier; Stuhl und Harn gehen gut ab.

Zwangsverhalten:

Beim Spazierengehen hatte er große Neigung, die ihm begegnenden fremden Leute, mit zwei Fingern bei der Nase zu fassen.

Beneblung - Dumm und dämisch im Kopf; am Tag duttend und schläfrig; Schwäche im Kopf wie Duttenheit und als wenn es in der Stirn herum fisperte und um den Ring herum ging.

Es benimmt ihm die Schärfe des Geistes, macht ihn duselig; er hört nicht, was gefragt wird, kann das Gelesene nicht gut behalten und verspricht sich leicht. Das Sprechen wird ihm sauer, er kann nicht lesen, der Kopf ist ihm wüst, er kann nichts arbeiten und schläft ein, wenn er sitzt.

Gedanken sehr schwach; er kann sich äusserst schwer besinnen, und antwortet auf die Fragen verkehrt (was er selbst auch merkt).

Die Gedanken vergehen ihm ganz. Die Gedanken verschwinden zuweilen, etliche Minuten lang. Er weiss nicht, wo er ist. Er konnte nichts berechnen, nichts überlegen (30).

Sozialer Rückzug:

Unaussprechliches Gefühl eines inneren, unerträglichen Übels, wobei er Stillschweigen beobachtet und das Bett nicht verlassen will (1220).

Er hat keinen Mut zu leben (1235).

Angst: Viel Ängstlichkeit und Wallung im Blut die Nacht und Stechen in den Adern. Er hat keine Ruhe und muss bald dahin, bald dorthin gehen und nirgends lange bleiben (1225).

Anfallsweise Zittern. Herzklopfen (1220).

Puls - schnelles, heftiges Schlagen/Doppelt geschwinder (1180).

Starker Schweiß im Gehen.

Schweiß bei jeder Bewegung (1025).

Allgemeines: abends eine immerwährende Unruhe in allen Gliedern, als wenn’s darin zuckte, wie nach allzu großer Strapaze; er kann die Glieder nicht still liegen lassen (1030).

Anfallsweise Zittern. Herzklopfen (1220).

Reizbarkeit und Aggression:

Sehr ärgerlich und unverträglich, leicht reizbar, sehr argwöhnisch. Mit jedermann zänkisch, wollte überall recht haben, zanksüchtig. Den ganzen Tag über mürrisch und misstrauisch; er behandelt die Menschen, mit denen er um ging, fast beleidigend und sah sie alle als seine ärgsten Feinde an (1250).

Schlaflos:

Schlaf – Erst Schläfrigkeit, dann Schlaflosigkeit. Immer Schlummer, aber kein fester Schlaf (1060):

Viel Schlaf am Tag und in die Nacht

 Sprach- und Begriffsschwierigkeiten:

Beneblung: benimmt ihm die Schärfe des Geistes, macht ihn duselig; er hört nicht, was gefragt wird, kann das Gelesene nicht gut behalten und verspricht sich leicht (25).

Tics:

Augen: Beständiges Fippern im unteren Augenlid (135).

Fippern und Zucken in den Augenlidern. (140)

Lippen - Die Muskeln zwischen Unterlippe und Kinn wurden sichtbar krampfhaft hin und hergezogen (225).

Sinusitis:

Nase: Auftreibung der Nasenwurzel. Krabbelnde und nagende Empfindungen in der Haut der Nasenwurzel. Das Nasenbein ist beim Anfassen schmerzhaft. Entzündungsgeschwulst in der Nase (200).

Kopfschmerz, Herausdrücken in die Stirn und Knochenschmerz unter den Augenbrauen, selbst bei Berührung. Heftiges Kopfweh, als wenn der Kopf oben auseinanderfallen sollte und drückte,

„Als wenn alles zur Nase herunter wollte. Drückender Kopfschmerz zur Stirn heraus“, am meisten im Liegen; beim Daraufdrücken mit der flachen Hand fühlte er Linderung (50).

Wallen und Pochen im ganzen Vorderkopf.

Stechen in der Stirn während dem Gehen in freier Luft (55).

Angina:

Innerer Hals: Halsweh; Empfindung, „Als ob etwas im Hals stecke“. „Als hätte er etwas im Halse, was er herabschlucken müsste“. Schmerz im Hals beim Schlingen und Heiserkeit (315).

Es kommt ihr heiß zum Halse heraus.

Schmerz im Hals, wie Drücken (320).

So trocken in der Kehle, dass er immer schlucken muss. Fein stechendes Halsweh, als wenn eine Nadel im Schlunde hinge. Beim

Schlingen, hinten im Hals Stiche, die selbst in die Ohren dringen (330).

Beim Schlingen stechender Schmerz in den Mandeln des Halses (335).

Schwindel: zum Niederlegen (10).

Art Schwindel; beim Liegen ist es ihm, als wenn er der Länge nach geschaukelt würde (15).

Ohren: Brausen vor den Ohren, pulsweise.

Schwerhörigkeit auf beiden Ohren (165).

Das Ohr ist wie äußerlich und inwendig entzündet, mit teils klammartigen, teils stechenden Schmerzen und wie von Geschwulst verstopft (180).

Täglich mehrmals im inneren rechten und linken Ohre ein Gefühl, als wenn kaltes Wasser herausliefe, welches plötzlich kommt und nach etlichen Minuten vergeht; dazwischen juckt es in den Ohren (185).

Gelblicher Eiter kommt aus dem linken Ohr (190).

Macht’s nach, aber macht’s genau nach. Bei jeder homöopathischen Behandlung gilt es das Ähnlichkeitsgesetz zu beachten.

Otitis

 

Hahnemann sagte: „Dasjenige Mittel sei bei einem Kranken anzuwenden, das beim Gesunden ähnliche Symptome zu erzeugen vermag.“

Das Ähnlichkeitsgesetz bedeutet also, dass die vom Körper her vorgebrachten Krankheitssymptome möglichst ähnlich den homöopathischen Symptomen in der Arzneiprüfung sein sollen.

Wird dies nicht beachtet, kann es z.B. bei der Behandlung einer Absonderung zu einer Unterdrückung kommen.

 

[Gerhardus Lang]

Quecksilber gehört zu den sieben schon im Altertum bekannten Metallen. Es wurde dem Gott Merkur zugeordnet, von dem es seinen Namen hat und der in Griechenland Hermes hieß. Er war einer der olympischen Götter:

Seine Mutter war die Göttin oder Nymphe Maja und der Vater Zeus selber, der ihn mit ihr in einer finsteren Höhle eines Berges in Arkadien bei Nacht und Nebel unter strengster Geheimhaltung zeugte, wo er auch geboren wurde. Maja selbst stammte von Atlas ab und war eine der Pleiaden. Ihre Mutter war Aithra genannt, die „Helle”. Dem Merkur ist also die Nacht und die Höhle, aber auch die Helle oder auch „Hölle” von der Abstammung her zugeordnet. Niemand wusste von der ganzen Affäre, sie war ein „hermetisches” Geheimnis, bis die Geburt und die anschließenden Ereignisse es schneller an den Tag brachten, als ein Mensch denken kann:

Frühmorgens geboren erhob der Knabe sich sofort und machte sich unverzüglich auf den Weg

(Hahnemann, RAL 1, S. 421, Symptom 1257: „Ein fast unwiderstehlicher Trieb, in die Entfernung zu reisen”).

Vor der Grotte fand er eine Schildkröte, aus der er mit geschickten Händen eine Leier mit sieben Saiten baute, die er sofort spielte, wozu er ein frühreifes Lied über das Liebesspiel des Zeus mit seiner Mutter aus dem Stegreif sang. Damit war auch schon seine Fleischeslust geweckt, die er durch einen listigen nächtlichen Raub der heiligen Rinder seines Bruders Apollon alsbald stillte, von denen er zwei trotz seines zarten Alters von erst einem Tag, fachmännisch schlachtete und ausweidete.

Um das Fleisch zu braten, entzündete er alsbald als erster auf Erden ein Feuer mit einem geschickt von ihm erfundenen Feuerzeug.

Als er von Apollon trotz seiner listenreichen Täuschungsmanöver entdeckt wurde, spielte er die Unschuld selbst und log das Blaue vom Himmel herunter, selbst gegenüber seinem allwissenden Vater, als der um Hilfe angegangen wurde. Der brach über die Unverschämtheiten seines Sohnes in schallendes Gelächter aus und ermahnte die Brüder zur Eintracht, die dann durch das Geschenk der Leier an

Apollon besiegelt wurde, wobei er dem Apollon schwören musste, dass er sie ihm nicht wieder wegstehlen würde.

So ist Hermes der Gott der Diebe, Lügner und Zauberer geworden. Aber durch seine geschickten Kungeleien auch der Gott der Kaufleute. Weil Apollon ihm zum Dank den goldenen Hermesstab, der Reichtum spendet und an dem sich die berühmten beiden Schlangen empor winden, schenkte, wurde er vom Gott der Heilkunde Apollon auch noch mit diesem Amt belehnt, nämlich der Gott der Ärzte zu

sein. Was nun die Verwandtschaft dieses so menschenfreundlichen und uneigennützigen Berufes mit den Dieben, Zauberern und Kaufleuten angeht, so weise ich auf eine weitere (ungeliebte!) Verwandtschaft der Ärzte hin, nämlich die zu den Quacksalbern, die wiederum ihren Namen nämlich direkt vom Quecksilber ableiten können. Auch sonst konnte der Verdacht der Möglichkeit des Übergangs dieser Berufe von einem zum anderen oder der Gleichzeitigkeit in der gleichen Person nie ganz widerlegt werden. Denn eigentümlicherweise nennen sich in Deutschland die allermeisten Ärzte „Kassen-Ärzte”, wobei also die Kasse vor dem Arzt steht, also der Kaufmann in ihm Vorrang genießt, was sie natürlich weit von sich weisen. Aber es heißt doch: „Nomen est omen” übersetzt:

„Der Name bezeichnet das Wesen.” Auch liest man immer wieder von nicht ganz geringen Betrügereien bei der Kassenabrechnung, wo die Ärzte der Versuchung nicht widerstehen konnten, im Trüben reichlich zu fischen. Sie tun auch nichts, um der Trübung der Fischgründe in der (a)sozialen Krankenversicherung Einhalt zu gebieten. Im Gegenteil: Sie rühren den Schlamm immer wieder kräftig auf.

Damit kommen wir zur therapeutischen Verwendung des Merkurs in der älteren Medizin: Mit der Entdeckung der „Neuen Welt” durch den weltreisenden Genuesen Columbus wurde von dort ausgerechnet die Syphilis nach Europa importiert, wo sie sich von Spanien über Italien und Frankreich ausgehend als französische, welsche oder spanische Krankheit durch die Soldaten rasch ausbreitete, auch unter dem Namen Lustseuche bekannt, weil sie sich nämlich durch die „Fleischeslust” getrieben nächtlich und heimlich in jedes christliche Schlafzimmer hinein stahl und auch die Verwalter des Himmels auf Erden trotz ihres Keuschheitsgelübdes nicht ausließ.

Gegen diese Krankheit war nun das in Spanien seit dem Altertum gewonnene Quecksilber das Heilmittel, das als „graue Salbe” bis in die Neuzeit verwendet wurde und erst durch das erste Antibiotikum Salvarsan (eine Quecksilberverbindung) abgelöst wurde.

Gewöhnlich kennen wir das Metall vom Thermometer her, wo es wegen seiner raschen Ausdehnung durch Wärme zum Messen derselben verwendet wird. Ferner verwenden es die Zahnärzte in großen Mengen zur Herstellung von Amalgam, da das Quecksilber die Eigenschaft hat, andere Metalle – wie Gold – aufzulösen, ohne sich mit ihnen chemisch zu verbinden, und zwar unter der Bildung von geschmeidigen Amalgamen, die man dann für Füllungen der maroden Zähne benutzen kann. Umgekehrt zerstört es auch die Zähne, jedenfalls das Zahnfleisch. Junge Arbeiter der Quecksilberbergwerke in Spanien verloren ihre Zähne schon früh und sahen mit 30 Jahren wie Greise aus. Heute wie im Altertum wird Quecksilber in großem Stil zur Gewinnung von Gold verwendet, wenn man gering goldhaltige Gesteine ausbeuten will. Das Gold wird heraus gelaugt, womit die Römer begannen, die Spanier es fortsetzten und es bis in die Neuzeit dazu benutzt wurde und wird.

Im ausgehenden Mittelalter wurde das Quecksilber von den Frühkapitalisten, den Fuggern, monopolisiert. Es diente der Goldgewinnung und gleichzeitig der Anhäufung von Reichtum in den Händen weniger. Später wurde das Quecksilber-Monopol von der Familie Rothschild ausgebaut. Man sieht also, dass der Merkurstab nicht nur bei den Ärzten wirklich zu Reichtum führt. Das in Mittelamerika von den Indianern angehäufte Gold, das diese zu kultischen Zwecken gebrauchten, wurde unter Ausübung der größten Grausamkeiten mit Mord und Totschlag von den Conquistadores aus Spanien nach Europa gebracht, wo es zur Finanzierung der Kriege diente.

Wir finden also eine unheilige Allianz von Gewalt, schlimmer Krankheit, Raub, Mord, Ausbeutung und Zerstörung in einer Zeit, die auf das hohe Mittelalter folgte und unter dem Namen der Renaissance bekannt ist. Es fallen uns Namen wie die Borgia ein, aber auch Leonardo da Vinci und die ganze Kunst dieser Zeit. Die Erfindungen der Technik, sowohl in der Herstellung von Waffen als auch zivile

Erfindungen der Ingenieurkunst, beginnen mit ungeheurer Macht, die Welt zu erobern. Die Neuzeit bricht an, der Siegeszug der Technik schreitet Dank der Kräfte des analytischen Verstandes unaufhaltsam fort und bringt eine Zerstörung der natürlichen Welt mit sich, die apokalyptische Ausmaße annimmt.

In diesem allem lebt der Geist des Merkur, der in seiner das Gewordene zerstörenden Kraft schon immer in der Weltgeschichte wirksam war.

Bekannt ist uns die Ilias und die Odyssee mit der Zerstörung Trojas und dem entsetzlichen Freiermord endend, ferner die Zerstörung der Festung Konstantinopel durch die Venezianer [mit als Schutzheiligen den Markus (Merkus)] verehren) im Jahre 1203, die großen Kriege der letzten Jahrhunderte usw. Immer muss das Festgefügte zerstört werden, damit neues Leben entstehen kann.

Insofern ist Merkur auch das Symbol des ewigen Lebens, des „sich immer Bewegenden”, der ALLES IN FLUSS BRINGT, WAS SICH GERADE SO SCHÖN EINGERICHTET HAT.

So versteht man auch die Notwendigkeit der Diebe, die es mit den Kaufleuten und Rosstäuschern zusammen fertig bringen, dass immer dort, wo zuviel auf einem Haufen ist, dieses auch wieder verschwindet. Wie freuen wir uns doch alle, wenn eine Rififi-Bande so einen gut geplanten Einbruch erfolgreich zu Ende bringt. Das finden wir gar nicht als richtiges Unrecht, sondern uns erfreut die Pfiffigkeit der Spitzbuben.

In der gleichen Weise wirkt nun das syphilitische Miasma im Menschen: es wirkt destruktiv und bringt Krankheiten hervor, die alle Gewebe angreifen und zerstören: Aphthen, Geschwüre, Knochenauflösung (Osteomyelitis), metastasierende Krebserkrankungen, die alles zerstören und die den Menschen als elendes Wrack enden lassen. < nachts, das Wetter ist in jeder Änderung spürbar und <, einzig eine mäßige Temperatur bessert. Merkur macht alle Krankheiten nach, es macht Angina, Drüsenschwellungen, befällt jedes Organ und jedes Gewebe. Man kann damit Syphilis und Tripper heilen, Colitis und Gelbsucht, Parkinson und Alzheimer. Auch bei AIDS hat es geholfen.

Die merkurkranken Menschen sind von rascher Reaktion. Sie haben einen zusammengeschlagen, ehe man merkt, wer es war. Sie neigen zu brutaler Gewalt, totaler Unmoral, sind gewalttätige Revolutionäre, befinden sich oft lange im Gefängnis wegen ihrer Untaten und sind nicht zu bessern.

Bei Boxkämpfen um die großen Meisterschaften sind sie massenhaft beisammen, und sie machen in der Leidenschaft harmlose Dinge zu Mordwaffen. Mit ihnen ist nicht gut Kirschen essen. Das große Interesse an Kriminalfilmen offenbart die Faszination, die dieses Milieu auf sehr viele Menschen ausübt, und dessen nicht so deutlich bekannte Wurzeln in fast jedem von uns bis zu einem gewissen

Grad schlummern. Wie sehr hat doch schon immer die Menschen die Hinrichtung eines Übeltäters fasziniert, und die Befürworter der Todesstrafe sind in der Mehrzahl. Auch Folterkammern haben regen Zulauf, und Bücher über Hexenprozesse mit detaillierter Schilderung der Folterungen haben guten Absatz. Über solche Neigungen spricht niemand freiwillig, da sie natürlich verpönt sind.

Jeder hütet sie als sein Geheimnis, und der Homöopath bekommt nur Unschuldslämmer zu Gesicht. Aber wenn er davon weiß, und die körperlichen Symptome gut kennt (die Stigmata), erkennt er,

was hinter der Maja, der Scheinwelt, verborgen ist.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas vom Planeten Merkur darstellen.

Dieser Planet ist der Sonne am nächsten, weshalb man ihn nur selten zu Gesicht bekommt, da er immer nur – wenn überhaupt – kurz vor Sonnenaufgang im Osten oder kurz vor Sonnenuntergang im

Westen und nur bei guter Sicht zu sehen ist. Im Laufe des Jahres führt er nun einen eigentümlichen Bewegungsablauf gegenüber der Sonne durch: Die Sonne steigt im Laufe des Jahres bis zur Sommersonnenwende immer höher, um dann im Dezember ihren niedrigsten Stand zu erreichen. Sie vollzieht dabei eine projizierte Gesamtbewegung gegen den Himmel in Form einer schlanken 8

(= Lemniskate). Merkur begleitet sie dabei notgedrungen, aber er macht aus der Lemniskate einen Witz, eine Karikatur, indem er immer völlig übertrieben seitlich sprunghaft ausweicht. Dabei entsteht „zufällig” die Figur des Merkurstabes mit der Doppelschlange als Idee an den Himmel projiziert: Der Stab wird durch die Sonne gebildet als Symbol des aufrechten Ichs und die Doppelschlange durch Merkur als Symbol des sich ewig Wandelnden. So eigentümlich sind die Verhältnisse.

 

 

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