Mittelfindung nach Dorcsi

 

Nach Mathias Dorcsi gibt es. entsprechend den Miasmen Hahnemanns. drei große Diathesen: Die lymphatische. lithämische und destruktive Diathese.

Konstitution und Diathese verhalten sich zueinander wie zwei Seiten einer Münze.

Hahnemann: Psora ist immer angeboren.

Dorcsis: jedes Kind mit einer Mischung dieser drei Diathesen geboren. von denen jedoch meist eine überwiegt und gut zu erkennen ist.

Mit der Entwicklung eines Kindes ist dann oft ein Wandel von Konstitution und Diathese zu beobachten.

Unsere kinderärztliche Aufgabe ist es. die im Moment überwiegende Diathese zu erkennen. um ein entsprechendes Arzneimittel für das kranke Kind zu finden und

eine Krankheitsprognose zu erstellen.

Die lymphatische Diathese = Hahnemanns Psora und zeichnet sich aus durch eine Krankheitsbereitschaft vorwiegend im Haut- und Schleimhautbereich. Dazu gehören

unter anderem eine Infektneigung mit Anfälligkeit gegen Wetterwechsel. Erkrankungen im HNO-Bereich und in den Bronchien sowie die Neigung zu Lymphdrüsenschwellungen und (gut behandelbaren) Ekzemen. Bei der Mehrzahl der Neugeborenen überwiegt die lymphatische Diathese. Das Arzneimittelbild von Calc.

zeigt die lymphatische Konstitution und Diathese. wie sie uns vorwiegend im Kindesalter begegnet.

Wichtige lymphatische Mittel sind:

absin. acon. agn. ambr. aral. arg-n. arist-cl. cact. calad. calc. camph. caps. card-m. castm. cham. chin. cina. coff. cocc. cupr-met. cycl. dros. ferr-p. form-ac. euphr. gels. gins. grind. hyper. iber. ign. ip. jab. jug-r. kali-c. lycps-v. mag-c. mag-p. mand. mang. meli. mill. morb. mosch. nux-m. ph-ac. pic-ac. psor. sabal. sabad. sabin. sal-ac. sal-n. samb. sang. sel. solid. spig. spong. sulph. tub. urt-u. viol-t. visc.

Die lithämische Diathese weist. entsprechend Hahnemanns Sykose. eine Krankheitsbereitschaft im Haut- und Schleimhautbereich und im Bereich des Bindegewebes auf.

Dies kann in gichtische. rheumatische und andere Stoffwechselentgleisungen münden. Schon der lithämische Säugling fällt auf durch eine Gedeihstörung. eine Verengung

des Tränenkanals. durch obstruktive Bronchitiden. ein schwer beeinflussbares atopisches Ekzem oder Schlafstörungen.

Die lithämische Diathese ist bei Kindern zunehmend häufiger zu finden. Sie zeigt sich unter anderem im Arzneimittelbild von Calc-p.

Wichtige lithämische Mittel sind:

acon. all-c. apis. arn. bell. benz-ac. berb. bry. calc-p. caul. caust. cimic. clem. colch. coloc. crot-h. dios. dros. dulc. equis-a. eup-per. gnaph. hed. hep. hir. hydrc. kalm. kali-s. lac-c. lach. lachn. led. lem-m. lob. mag-s. med. meph. naja. nat-s. nux-v. ox-ac. pert. phyt. podo. puls. rhod. rhus-t. rumx. sarcol-ac. sars. scarl. sil. stann. stict. succ-ac. tab. teucr. thea. ther. verat. vinc.

            Die destruktive Diathese

Entspricht Hahnemanns Syphilis. zu hypo- und hypertrophischen Störungen im Bereich der Organe. des ZNS und des Bewegungsapparates. zu Störungen im Stoffwechsel und im chromosomalen Gefüge sowie zu progressiven und destruktiven Erkrankungen. Eines der häufigsten destruktiven Mittel im Kindesalter ist Calc-f.

Wichtige destruktive Mittel sind:

abrot. acet-ac. agar. alum. am-c. anac. anhal. ant-c. anthraci. aran. ars. asaf. aur-met. bad. bapt. bar-c. bufo. cadm-s. calc-f. canth. carb-an. carb-v. carc. cean. chim. cinnb.

cob-met. coc-c. con. croc. diph. fl-ac. glon. graph. guaj. hell. hydr. hydr-ac. hyos. iod. kali-chl. kreos. lyc. merc. mur-ac. nat-m. nit-ac. op. petr. phos. plat-met. plb-met. sec.

sep. staph. stram. stront-c. sul-ac. syph. tarent. tell. thal. Zinc-met.

Die vier Säulen der konstitutionellen Arzneimittelfindung

1e Säule der homöopathischen Therapie ist die ausführliche homöopathische Anamnese zur Sammlung von Symptomen. die die Gesamtheit aller sichtbaren und begreifbaren Erscheinungen des Menschen darstellen. Sie sind teilweise Ausdruck der Konstitution; die Symptome der aktuellen oder chronischen Krankheit weisen auf die Diathese des Patienten hin.

2e Säule ist der konstitutionelle Zugang zum Patienten mit Erfassung aller Phänomene und Symptome. die für uns mit unseren fünf Sinnen zugänglich sind. Das ist der synthetische Zugang zum Patienten. Mit Hilfe der Gegensatzpaare wie rot - blass. warm - kalt. kräftig - schwach u. a. können wir konstitutionelle Phänomene leichter. schneller und besser erfassen. Bei den Diathesen sind rote und blasse Arzneien aus ihrem Vermögen zur Regulation bei Krankheit zu verstehen.

3e Säule ist die Zusammenfassung und Hierarchisierung der Symptome des kranken Menschen nach ihrer Wichtigkeit im körperlichen und vor allem im Geist- und Gemütsbereich. Das ist der analytische Zugang zum Patienten. der sich in der Repertorisation spiegelt.

4e Säule ist das Arzneimittelbild . das eine Konkordanz oder Similebeziehung zur Person des kranken Menschen hat. Eine gute Arzneimittelkenntnis und ihre ständige Vertiefung durch klinische Erfahrung sind Voraussetzung für eine erfolgreiche homöopathische Behandlung.

Die ärztliche Wahrnehmung des Kranken

Die wichtigste Frage in unserer Begegnung zwischen Arzt und Patient lautet: „Was ist das für ein Mensch?“ (Dorcsi).

Dieser Leit- und Kernsatz des Konstitutions- und Diathesegedankens bringt eine humane. dem Menschen zugewandte homöopathische Medizin zum Ausdruck.

Um den Menschen. seine Konstitution und seine Krankheit zu verstehen und zu definieren. suchen wir Phänomene. die uns als Orientierung dienen. Phänomene sind das

Sich-Zeigende. Sich-Offenbarende. Ans-Licht-Gebrachte am Menschen (griech. ϕαινóμενον = Erscheinung). Man kann sie wahrnehmen. unvoreingenommen beobachten

und bei späteren Begegnungen mit dem Patienten überprüfen. Aus den Phänomenen kann der erfahrene homöopathische Arzt bei jedem Menschen eine individuelle Gesetzmäßigkeit ableiten. die so lange Gültigkeit hat. als sie nicht durch das entwicklungsbedingte Auftreten neuer Symptome modifiziert wird.

Kinderärzte untersuchen Säuglinge oder Kleinkinder. die uns ihre Beschwerden nicht durch Sprache vermitteln können. Wir fragen uns: Was ist hier zu behandeln?

Gibt es einen phänomenologischen Zugang zur Krankheit dieses Kindes über sein Aussehen. sein Verhalten oder seine seelische Verfassung? Wir beobachten das Kind. untersuchen es. tasten es ab. nehmen seinen Geruch wahr - wir untersuchen es mit allen unseren Sinnen und versuchen. seine Phänomene zu erfassen. Vor allem in den Geist- und Gemütssymptomen drückt sich die Synthese zwischen Körper und Seele aus.

Für die Wahrnehmung dieser Symptome bedarf es viel Einfühlungsvermögen.

Die ärztliche Intuition ist der höchste Erfahrungsschatz in der Medizin. die Summe all unserer bewussten und unbewussten Erfahrungen.

Weiter suchen wir nach einer auslösenden Ursache für die Krankheitsbereitschaft oder Krankheit. sei es im seelischen oder im organischen Bereich. Auf der seelischen Ebene kann das die Uneinigkeit des Kindes mit sich und seiner Umwelt sein. etwa in Familie. Kindergarten oder Schule. Auf der organotropen Ebene zeigt sich das Kind in Gesundheit und Krankheit mit seiner Beziehung zu Zeit. Temperatur. Klima. Ruhe. Bewegung. Lage. Haltung. Sehen. Fühlen. Licht. Lärm. Geruch und Tastsinn.

Nach der ausführlichen homöopathischen Anamnese und der phänomenologischen Erfassung eines Patienten muss die Frage nach seiner „Person“ gestellt werden. Wir müssen versuchen. die wahrgenommenen Phänomene zu ordnen. die einzigartige und einmalige Person. die hinter diesen Phänomenen steht. zu begreifen und ihre Konstitution und Diathese zu entschlüsseln. Dieser „synthetische“ Weg führt uns zur Therapie mit einer konstitutionell wirkenden homöopathischen Arznei. die den Weg zu Regulation und Heilung öffnen kann. Zur Veranschaulichung der Persönlichkeit und Konstitution der jungen Patienten.

Die Kalziumsalze als Vertreter der drei Diathesen

Die homöopathischen Arzneien stammen vorwiegend aus dem Pflanzen-. Mineral- und Tierreich sowie aus Krankheitsprodukten und sind ein Spiegelbild unserer menschlichen Evolution. Sie stellen ein dynamisches Therapiekonzept aus der Natur dar. das wir Menschen entdeckt und weiterentwickelt haben.

Gute Arzneimittelkenntnis ist für eine fundierte homöopathische Arbeit unerlässlich. Sie umfasst den Ursprung der Arznei. ihre Geschichte und Toxikologie und ihren klinischen Anwendungsbereich. Im Zentrum steht das „Arzneimittelbild“. das sich aus der Arzneimittelprüfung am Gesunden ergibt und als Basis für unsere personotrope Arzneimittelverordnung anzusehen ist.

Zur Darstellung der drei großen Diathesen bzw. Miasmen im Kindesalter eignet sich vornehmlich die Gruppe der Kalziumsalze.

Sie haben eine besondere Beziehung zum „Urtopf“ der Schöpfung. aus dem einmal alles. auch der Mensch. entstanden ist. In den homöopathischen Konstitutionsarzneien Calc. Calc-p. und Calc-f. erleben wir einen plastischen Einblick in die Bandbreite der Kinderkonstitutionstherapie. die letztlich in die Tiefe der Person mit ihren besonderen Eigenschaften führt.

Dabei entspricht

Calcium carbonicum der lymphatischen Diathese

Calcium phosphoricum der lithämischen Diathese

Calcium fluoricum der destruktiven Diathese

Bei der Erstvorstellung eines Neugeborenen oder Säuglings sind diese drei „Archetypen“ oft schon deutlich zu erkennen. Ihre Beschreibung soll ein tieferes Verständnis und auch eine Neugierde für Konstitution und Diathese im Kindesalter wecken. Selbstverständlich gibt es im Säuglings- und Kindesalter viele andere Konstitutionstypen. doch diese drei sind am schnellsten zu erlernen und zu begreifen und sollen daher beispielhaft ausführlicher dargestellt werden.

 

 

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