Pflanzen Anhang Gentechnik 6
ZEIT ONLINE
Umwelt
Angeklagt: Die Grüne Gentechnik. Im Streit um genveränderte Pflanzen geht es oft sehr emotional zu. Zeit für den Austausch von Argumenten – in einer fiktiven Verhandlung.
Kaum eine Technologie polarisiert so stark wie die Grüne Gentechnik. Für ihre Anhänger sieht es nicht gut aus: Im November 2010 schränkte das Bundesverfassungsgericht die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen ein, im September 2011 verfügte der Europäische Gerichtshof, dass Honig mit Pollen aus Genmais nicht verkauft werden darf, und im Februar befand das Leipziger Verwaltungsgericht, dass eine Ernte zu vernichten ist, die unabsichtlich genverändertes Saatgut enthält. Was aber ist wirklich dran an den Vorwürfen?
ZEIT Wissen zeigt in einer fiktiven Gerichtsverhandlung, welche Argumente Gegner und Befürworter vorbringen – und welches Urteil eine Richterin fällen könnte.
Seit den Morgenstunden belagert eine Menschenmenge das Gerichtsgebäude. Die Stimmung ist aufgeheizt, »Gen-Dreck weg« fordern Gegner auf Transparenten. Auch Unterstützer der Grünen Gentechnik machen auf sich aufmerksam, »Pflanzenbiotechnologie rettet Menschenleben«, mahnen sie. Im Gebäude herrscht angespannte Ruhe. Dort soll entschieden werden, ob Deutschland zur gentechnikfreien Zone wird, ohne Anbau oder Einfuhr von transgenen Pflanzen. Für den letzten Verhandlungstag hat die Vorsitzende Richterin noch einmal die sieben beteiligten Parteien vorgeladen, deren Vertreter ihre Plädoyers halten.
Der Industrievertreter: Frau Vorsitzende, Grüne Gentechnik ist in den vergangenen Jahren Zielscheibe heftiger Kampagnen geworden. Zu Unrecht. Das Einfügen artfremder Gene in Nutzpflanzen ist kein Bruch mit der Pflanzenzüchtung, die Menschen seit Jahrtausenden betreiben, nein, es ist ihre konsequente Weiterentwicklung. Der Unterschied besteht nur darin, dass wir jetzt präziser als je zuvor neue Eigenschaften heranzüchten können.
20 Jahre biologische Sicherheitsforschung haben keine Hinweise dafür erbracht, dass transgene Pflanzen ihre Umwelt schädigen oder, zu Lebens- und Futtermitteln verarbeitet, eine Gefahr für Menschen und Nutztiere darstellen. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat zahlreiche Studien in Auftrag gegeben, die zu denselben Ergebnissen kommen.
Die vorsitzende Richterin: Also ist die Grüne Gentechnik nur eine Option unter vielen?
Der Industrievertreter: Nein. Ohne sie werden wir eine wachsende Weltbevölkerung nicht nachhaltig ernähren können. Der Goldene Reis etwa kann Betacarotin produzieren, eine Vorstufe von Vitamin A, dessen Mangel jährlich Millionen Menschen erblinden lässt. Möglich sind auch Reispflanzen, die Dürren oder Überschwemmungen überstehen. Außerdem haben die heute schon existierenden gentechnisch veränderten Pflanzen – Mais, Soja, Raps, Baumwolle – enorme Ertragssteigerungen ermöglicht. Grüne Gentechnik ist die Art von Pflanzenzucht, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird.
Debatte
Der Vertreter einer Umweltorganisation: Bislang gibt es kaum Langzeitstudien über die Risiken transgener Pflanzen. Wenn etwa in Versuchen Ratten 90 Tage mit Goldenem Reis gefüttert werden und dabei keine
Schädigungen auftreten, ist das nicht aussagekräftig. Hingegen zeigen Studien, dass Gensoja, das gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat resistent ist, den Stoff anreichern kann. Glyphosat ist jedoch toxischer als ursprünglich angenommen, es schädigt Ökosysteme und verringert die Artenvielfalt. Ungeklärt ist, ob die artfremden Gene über einen horizontalen Gentransfer auf andere Organismen überspringen. Wir wissen auch nicht,
wie die übertragenen Gene das Genom der Pflanze durcheinanderbringen. Außerdem beunruhigt mich, dass Insekten, gegen die transgene Pflanzen »fit« gemacht werden, Resistenzen ausbilden können. Dann müssten neue
Pestizide her. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die agrochemische Industrie seit Langem keine guten neuen Wirkstoffe gefunden hat.
Die vorsitzende Richterin: Was folgt für Sie daraus?
Der Vertreter einer Umweltorganisation: Im Sinne des Vorsorgeprinzips können wir uns auf dieses Risiko nicht einlassen. Auch nach 25 Jahren wirft die Grüne Gentechnik beunruhigende Fragen auf, auf die es keine
verlässlichen Antworten gibt.
Der Biologe: Frau Vorsitzende, in der Diskussion über transgene Pflanzen wird manches behauptet, was wissenschaftlich nicht haltbar ist. So wird immer wieder vor den Gefahren eines horizontalen Gentransfers gewarnt. Tatsächlich nimmt der Mensch täglich mit dem Essen bis zu ein Gramm DNA – das molekulare Material, aus dem die Gene bestehen – zu sich. Und das seit Jahrtausenden. Geschadet hat es ihm bis heute nicht. Im Übrigen
sind auch viele natürliche Maisgene für den Menschen »artfremde« Gene, nicht nur die gentechnisch zum Mais hinzugefügten, die das Bt-Toxin produzieren, also Proteine, die auch vom Bakterium B. thuringiensis (Bt)
produziert werden. Sie sind giftig für Schädlinge.
Die vorsitzende Richterin: Kommt ein horizontaler Gentransfer in der Natur nicht vor?
Der Biologe: Doch. Bei Einzellern wie Bakterien tritt er immer wieder mal auf. Wir sollten aber mit dem Begriff des »artfremden« Gens vorsichtig sein. Alle Gene sind Kombinationen der vier Basenpaare der DNA, und
die sind in allen irdischen Organismen gleich.
Die vorsitzende Richterin: Aber das Einfügen eines fremden Gens in eine Pflanze ist schon ein schwerwiegender Eingriff.
Der Biologe: Nicht schwerwiegender als in der Mutationszüchtung, die etwa mittels Bestrahlung seit vielen Jahrzehnten praktiziert wird: Sie verändert das Pflanzengenom oft massiver als die Methoden der Grünen
Gentechnik. Interessanterweise unterliegen in Europa aber Pflanzen, die durch Mutationszüchtung entstehen, nicht denselben Anforderungen für Sicherheitsstudien wie gentechnisch veränderte Pflanzen. Auch dem liegt ein unwissenschaftliches Verständnis von »Natürlichkeit« zugrunde. Daran krankt die verbreitete Ablehnung der Grünen Gentechnik.
Der Vertreter einer Nichtregierungsorganisation: Frau Vorsitzende, um die Konsequenzen der Grünen Gentechnik zu verstehen, genügt es nicht, sie auf einer ausschließlich wissenschaftlich-technischen Ebene zu betrachten.
Wir müssen auch genau hinschauen, wie die Grüne Gentechnik in der Praxis eingesetzt wird. Fakt ist, dass sämtliche transgenen Pflanzen durch Patente geschützt sind. Diese Patente halten die großen Agrarchemiekonzerne,
deren Anteil am Saatgut-Weltmarkt zusammen 44% beträgt. Allein der Marktführer Monsanto hält 18%.
Die vorsitzende Richterin: Warum halten Sie das für problematisch?
Der Vertreter einer Nichtregierungsorganisation: Aufgrund des Patentschutzes dürfen Landwirte transgene Pflanzen nicht einfach in der Folgesaison aus den Samen der Ernte aussäen. Tun sie es, verletzen sie den Patentschutz
und müssen mit empfindlichen Strafen rechnen. Sie müssen also Jahr für Jahr neues Saatgut kaufen. Damit mag zwar ihr Ertrag steigen, aber die Preise für das Saatgut sind in den letzten Jahren stark gestiegen – mitunter auf
das Fünffache. Nicht wenige geraten deshalb in eine Schuldenfalle. Das ist Neokolonialismus.
Die vorsitzende Richterin: Was schlagen Sie vor?
Der Vertreter einer Nichtregierungsorganisation: Wenn überhaupt, müssten transgene Pflanzen frei verfügbar sein, so wie die Reissorten, die am Internationalen Reisforschungsinstitut auf den Philippinen gezüchtet werden.
Das ist aber nicht einmal beim Goldenen Reis der Fall, der gerne als mustergültiges Entwicklungsprojekt dargestellt wird: Rund 70 Patente bestehen an dem Genreis, und nur Bauern, die weniger als 10.000 Dollar pro Jahr verdienen, sind von den Lizenzgebühren befreit. Eine nachhaltige Agrarentwicklungspolitik sieht anders aus.
Der Agrarökonom: Die hier verbreitete Ablehnung der Grünen Gentechnik offenbart einen Eurozentrismus, der äußerst fragwürdig ist. Denn gerade Entwicklungs- und Schwellenländer können bereits heute nachweislich von transgenen Pflanzen profitieren, wie der Anbau von gentechnisch veränderter (gv-)Baumwolle in Indien zeigt. Sie macht dort inzwischen etwa 90% des gesamten Baumwollanbaus aus. Das hat ganz erstaunliche Konsequenzen.
So ist der durchschnittliche Ertrag pro Hektar seit 1999 – vor der Einführung der gv-Baumwolle – von rund 0,7 Tonnen auf etwa 1,3 Tonnen gestiegen. Das ist fast eine Verdoppelung! Musste Indien noch Ende der neunziger
Jahre Baumwolle importieren, hat es sich zum Netto-Exporteur gewandelt. Wenn das keine positive Entwicklung ist!
Die vorsitzende Richterin: Woher stammen diese Zahlen?
Der Agrarökonom: Von der Welternährungsorganisation FAO. Es geht aber noch weiter: Dort, wo gv-Baumwolle angebaut wird, hat sich der Einsatz von Insektiziden in wenigen Jahren halbiert. Man muss sicher aufpassen und
darf solche Zahlen nicht verallgemeinern. In manchen Anbaugebieten von transgenen Pflanzen steigt der Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln nach einem anfänglichen Rückgang inzwischen wieder an. Die wesentliche Erkenntnis ist für mich aber, dass eine pauschale Ablehnung der Grünen Gentechnik im Namen der Bauern in Schwellen- und Entwicklungsländern der Realität nicht standhält.
Die vorsitzende Richterin: Was halten Sie als Landwirt von der Grünen Gentechnik? Höhere Erträge und weniger Pestizideinsatz müssten ja eigentlich im Interesse der Landwirtschaft sein.
Der Landwirt: In der Praxis helfen uns diese Vorteile wenig. Das Gentechnik-Gesetz wirft für uns nämlich ein Haftungsproblem auf. Wenn ich auf meinem Feld zum Beispiel Genmais anbaue, mein Nachbar aber konventionellen Mais, bin ich dran, wenn in seinem Feld plötzlich doch Genmais gefunden wird und er deshalb seinen Mais nicht mehr als gentechnikfrei verkaufen kann. So ist die Rechtslage. Dieses Risiko ist mir den Anbau von gentechnisch verändertem Mais nicht wert. Viele Landwirte fragen sich aber auch, ob Genpflanzen wirklich sicher sind. Die vorliegenden Untersuchungen haben unsere Zweifel nicht ausgeräumt. Und es gibt noch ein zweites Problem, das hier bislang noch überhaupt nicht angesprochen worden ist: Ich könnte hierzulande überhaupt keine Gentechnikprodukte verkaufen. Die Verbraucher wollen sie nicht. Es gibt keine Nachfrage.
Der Pflanzenzüchter: Grüne Gentechnik ist nicht per se anderen Zuchtverfahren überlegen. Man kann neue Pflanzeneigenschaften nach wie vor sehr gut mit konventionellen Methoden heranzüchten. Nehmen Sie Stärkekartoffeln. In derselben Zeit, in der BASF mithilfe der Gentechnik die Sorte Amflora entwickelt hat, haben Züchter Kartoffeln mit einem höheren Stärkegehalt mittels der – nicht gentechnischen – Mutationszüchtung erzeugt. Eine wichtige Frage ist auch: Wie beeinflussen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen den Landbau? Hier muss man feststellen: Sie fördern Monokulturen. Das ist für kleinbäuerlich geprägte oder kleinräumigere Landwirtschaften keine gute Lösung.
Die vorsitzende Richterin: Aber auch dort möchte man die Erträge steigern. Geht das ohne Grüne Gentechnik?
Der Pflanzenzüchter: Ja. Mit Verfahren, wie sie in Europa entwickelt wurden, können Sie auch mit konventionellen Pflanzen Ihre Erträge steigern. Leider mangelt es in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern am entsprechenden Wissen und an der technischen Ausstattung. Anstatt dort gleich den Anbau von Hightech-Pflanzen zu propagieren, sollten wir vor allem landwirtschaftliches Know-how exportieren. Es ist zum Beispiel wichtig,
zu wissen, wie sich eine neue Züchtung mit einem vorhandenen agrarischen Ökosystem verträgt. Wenn Sie beispielsweise eine Glyphosat-resistente Pflanze auf einem Boden anbauen, der einen geringen pH-Wert hat, kann das gespritzte Glyphosat nicht vollständig abgebaut werden. Das führt dann zu problematischen Rückständen im Boden.
Die vorsitzende Richterin: Wenn ich Sie richtig verstehe, sprechen Sie sich gegen die Grüne Gentechnik aus.
Der Pflanzenzüchter: Nicht prinzipiell. Wir sollten den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen fallweise prüfen. Dabei kann auch herauskommen, dass transgene Pflanzen im Einzelfall die beste Lösung sind. Das Allheilmittel für die Landwirtschaft der Zukunft ist die Grüne Gentechnik jedoch nicht.
[Ernst-Ludwig Winnacker]
Verwirrspiel auf dem Acker
Monokulturen, gefährdete Vielfalt: An allem soll die Grüne
Gentechnik schuld sein. Warum die Landwirtschaft sie dringend braucht
Auch in diesem Jahr wurden wieder Versuchsfelder mit
gentechnisch veränderten Pflanzen zerstört. Obwohl die Täter erstmals Menschen
mit Gewalt bedrohten, ist nach allen Erfahrungen höchstens mit Bagatellstrafen
zu rechnen. Das Klima in der Gentechnikdebatte ist aggressiver geworden, die
Vorurteile der Technik gegenüber gefestigter. Bei den beteiligten Forschern und
Unternehmen macht sich Resignation breit. Dabei spielt ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts eine gewichtige Rolle: Es hat vor einem Jahr, am 24.
November 2010, in einer rechtlichen Prüfung des Gentechnikgesetzes dessen
Vorschriften für materiell verfassungsgemäß erklärt.
Damit bleiben Regelungen in Kraft, die es in Deutschland de
facto unmöglich machen, mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen im Freiland
zu arbeiten. Im Ergebnis überrascht das Urteil nicht, spiegelt es doch die
gängige Einstellung der Bevölkerung wider. Mich als Wissenschaftler überrascht
jedoch, dass nach der Bevölkerung und der Politik nun auch das
Verfassungsgericht den Sirenentönen der Ideologen erlegen zu sein scheint.
Der Biochemiker ist einer der einflussreichsten
Wissenschaftsmanager und Politikberater Europas. Er gehörte der
Enquete-Kommission Chancen und Risiken der Gentechnologie an, war Präsident der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und Generalsekretär des Europäischen
Forschungsrates. Seit 2009 steht er an der Spitze der International Human
Frontier Science Program Organization,
die Forschung in den Lebenswissenschaften fördert.
Sprache und Gedankenführung der Urteilsbegründung richten
sich nämlich allein an der Ausdrucksweise der Gentechnikgegner aus. Die Richter
sprechen von »Eingriffen in die elementaren Strukturen des Lebens, deren Folgen
sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen ließen«. Die
Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten
Materials sei nur schwer oder gar nicht begrenzbar. Das Gericht scheint der
Ansicht zu sein, dass die gentechnische Veränderung an sich ein Risiko
darstellt, vor dem sich die Gesellschaft schützen muss.
Der Gesetzgeber treibt die Forscher und ihr Wissen aus dem
Land
Welches Risiko könnte das sein? Was wäre der GAU der Grünen Gentechnik? Eine Art Superunkraut, das die Welt überwuchert? Eine Störung des natürlichen Gleichgewichts? Die Verbreitung von Genen zwischen Nutzpflanzen und anderen Pflanzen? Das Auftreten unbekannter Allergien? All das und vieles mehr ist in Hunderten von Umweltverträglichkeitsprüfungen intensiv untersucht worden, ohne dass es bisher einen einzigen ernst zu nehmenden Hinweis darauf gibt, von gentechnisch veränderten Pflanzen gingen besondere Risiken für Mensch und Umwelt aus.
Vor wenigen Wochen hat Ernst-Ludwig Winnacker, langjähriger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und führender Wissenschaftsberater in Europa, in der ZEIT für einen ideologiefreien Umgang mit der Grünen Gentechnik geworben und dafür plädiert, die Technik vorbehaltlos zu fördern.
Mit seinem Beitrag hat Winnacker auch unter Fachleuten eine heftige Debatte ausgelöst.
Eine gesetzgeberische Strategie, die den Streit befrieden
und den widersprüchlichen Forderungen und Ängsten begegnen sollte, wird nun zum
Problem im Umgang mit der Grünen Gentechnik: der Gedanke der Koexistenz von
gentechnisch veränderten und konventionellen Züchtungen, den das
Gentechnikgesetz zu formulieren versucht. Dieser auf den ersten Blick löbliche
Versuch eines Interessenausgleichs erweist sich bei genauerem Hinsehen
allerdings als politisches Konstrukt fern der Realität. Aus Sicht der
Wissenschaft jedenfalls kann es Koexistenz ohne eine Vermischung der Sorten
nicht geben.
Von der Kartoffel abgesehen, sind die wichtigsten
Nutzpflanzen sogenannte Fremdbestäuber, für ihre
Fortpflanzung also auf Pollen anderer Pflanzen derselben Art angewiesen. In der
Blütezeit setzen sie daher Unmengen Pollen frei, den der Wind beliebig weit über
die Felder trägt. In der klassischen Landwirtschaft stört diese Vermischung
niemanden. Die Bauern säen ohnehin jedes Jahr neues Saatgut aus, die
Pflanzenzüchter stellen die Sortenreinheit sicher. Im ökologischen Anbau sind
Einträge von konventionell bestellten Nachbarfeldern bis zu einem Schwellenwert
von 5% erlaubt und nicht kennzeichnungspflichtig.
Kartoffel
"Fortuna"
Ob diese Kartoffel BASF Glück bringen wird? Der Chemiekonzern hat bei der Europäischen Union die Zulassung von Fortuna beantragt, einer gentechnisch veränderten Kartoffel, die anders als ihre Vorgängerin Amflora
explizit zum
menschlichen Verzehr bestimmt ist.
Jetzt hagelt es Kritik: Das Unternehmen solle »die Finger davon lassen, Grundnahrungsmittel gentechnisch verändert herzustellen«, schimpft Greenpeace. Weder die Bauern noch die Verbraucher warteten auf die neue
Sorte, schreibt die Financial Times Deutschland. »BASF sollte auch im Sinne seiner Aktionäre nicht länger versuchen, dem Markt Produkte aufzuzwingen, für die es keine Nachfrage gibt«, warnt der grüne
Bundestagsabgeordnete
Harald Ebner.
Im Glauben, beim Einsatz der Grünen Gentechnik jede
Vermischung vermeiden zu müssen, hat der Gesetzgeber Regeln für den Anbau
eingeführt. Sie schreiben definierte Mindestabstände zwischen Feldern mit
gentechnisch veränderten Pflanzen und solchen mit konventionellen Pflanzen vor.
Je nach Feldfrucht sind es zwischen 150 und 300 Meter. Einen zuverlässigen
Schutz kann jedoch auch das nicht gewährleisten. Selbst wenn etwa die relativ
schweren Maispollen vom Wind in der Regel nicht allzu weit getragen werden,
können Bienen mit ihrer Pollenfracht solche Distanzen mit Leichtigkeit
überwinden.
Kommt es zu einer Vermischung, haftet jeder Landwirt in der Umgebung, der die gentechnisch veränderte Sorte angebaut hat, und zwar verschuldensunabhängig. Versichern kann er sich gegen einen solchen Fall nicht. Es
fehlen Regelungen für einen Schwellenwert, bis zu dem
unbeabsichtigte Einstäubungen erlaubt sind. Bei nicht zugelassenen Sorten gilt
in Deutschland Nulltoleranz.
Diese Auflagen machen die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen praktisch unmöglich. Die wenigen Freilandversuche konnten nur stattfinden, weil hinter ihnen überzeugte Förderer aus der Saatgutbranche stehen. Universitäten und Forschungseinrichtungen können sich den mit den Versuchen verbundenen Aufwand – zum Beispiel aufwändige Umzäunungen und die Bewachung der Felder rund um die Uhr – nicht leisten. Sie weichen
daher nach Kanada oder in die USA aus. Von Koexistenz oder
einem »verträglichen Miteinander«, wie es im Urteil des
Bundesverfassungsgerichts heißt, gibt es keine Spur.
Wie können wir in dieser verfahrenen Situation zu einer
Einigung kommen? Aus meiner Sicht nur dadurch, dass wir die wahren Probleme
ansprechen, die hinter der langjährigen Debatte stehen.
Eines der heißesten Eisen, an dem sich der Streit immer wieder entzündet, sind die Biopatente, »Patente auf Leben«, wie sie oft genannt werden. Für Pflanzen, die über herkömmliche Zuchtverfahren entstehen, gibt es
grundsätzlich keinen Patentschutz. Nur wenn
biotechnologische Verfahren mit einer entsprechenden Erfindungshöhe im Spiel
sind, kann es zu einer Patenterteilung kommen. Ich persönlich stehe solchen
Patenten kritisch gegenüber. Warum? Weil ihre gelegentlich kompromisslose
Durchsetzung nicht in die Kultur der Landwirtschaft passt.
Die Patentstrategien einiger Unternehmen haben zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden geführt. Grüne Gentechnik wird fälschlicherweise mit industrialisierter Landwirtschaft gleichgesetzt und als Gegensatz zu nachhaltigen Formen der Landwirtschaft gesehen. Das hätte nicht passieren dürfen.
Gentechnik als Sündenbock
Es stimmt: Die Kosten der Entwicklung von Pflanzen mit neuartigen Eigenschaften können so hoch sein, dass ein Patentschutz manchmal durchaus vertretbar erscheint. Zudem ist der in Europa seit Langem bewährte
Sortenschutz nicht überall auf der Welt gängige und gesetzgeberisch abgesicherte Praxis. Wer aus diesen Gründen eine Patentierung anstrebt, sollte jedoch versuchen, den Bedürfnissen einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft
in den Entwicklungsländern entgegenzukommen – etwa durch die
Erteilung von Freilizenzen.
Ähnlich sind Pharmafirmen bei der Produktion von Anti-Aids-Medikamenten verfahren. Hätten auch die Agrarunternehmen von Anfang an diese Praxis gelebt, wäre dem Argument, die Gentechnik nutze nur den Unternehmen
und Großbauern in den reichen Ländern und schädige die
Kleinbauern in den armen Weltregionen, von Anfang an die Basis entzogen.
Doch auch die Landwirtschaft selbst, das ist der zweite zentrale Aspekt zum Verständnis der Debatte, hat ein Imageproblem. In der Vergangenheit arbeitete sie hoch subventioniert und längst nicht immer nachhaltig. Bodenverdichtung, Ressourcenverschwendung, Umweltbelastung, Überproduktion, die Stichworte aus der Agrardebatte der vergangenen Jahrzehnte sind noch in vielen Köpfen. Wer heute an Feldern vorbeifährt, ahnt meistens nicht, wie professionell inzwischen in der Landwirtschaft gearbeitet wird. Satellitensteuerung, Direktsaat (Verzicht auf das Pflügen des Bodens) oder flächenspezifische Düngung tragen zur Ressourcenschonung bei, sodass
nicht selten der doppelte Ertrag pro Hektar wie vor 20
Jahren mit der gleichen Menge an Mineraldünger erzeugt werden kann.
Die ökologische Herausforderung bleibt dennoch bestehen:
Trotz aller Bemühungen produziert die Landwirtschaft immer noch mehr
Treibhausgase als der gesamte Verkehrssektor inklusive der Luftfahrt.
Die Gentechnik ist der Sündenbock für fehlende und falsche
Agrarentwicklung
Viele Aspekte der grundsätzlichen Kritik an der Weiterentwicklung der Landwirtschaft werden fälschlicherweise mit der Gentechnik verknüpft. Die Gefährdung der Biodiversität, die Förderung großagrarischer Strukturen
auf Kosten kleinräumiger Landwirtschaft, die fehlende Weiterentwicklung ökologischer Anbaumethoden – all das wird der Gentechnik zur Last gelegt, obwohl hier ursächlich keine Zusammenhänge bestehen.
Es bedarf ganz offenbar eines Sündenbockes. Und nichts
bietet sich dafür besser an als die Grüne Gentechnik.
Ein typisches Beispiel für die rasche und falsche Schuldzuweisung ist die Diskussion über das Bienensterben. Bienen sind unverzichtbar für die Befruchtung von Pflanzen aller Art, also ein gewichtiger Faktor beim Anbau
von Nutzpflanzen. Dass in Europa seit nunmehr zehn Jahren
ein immer weiter ausgreifendes Bienensterben beobachtet wird, ist daher ein
großes Problem.
Obwohl es gerade in Europa praktisch keine Gentechnik auf den Feldern gibt, machen ihre Kritiker sie für das Bienensterben verantwortlich. Seriöse Experten vermuten dagegen, dass das Sterben vieler Bienenvölker möglicherweise auf die Kombination zweier belastender Faktoren zurückzuführen ist: die Ausbreitung der Varroa-Milbe, eines Bienenparasiten, und dem Einsatz bestimmter Insektizide. Sollte diese Vermutung zutreffen, dann wäre die Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen von großem Nutzen für den Schutz der Bienenvölker, da sie sehr viel weniger Insektizide benötigen.
Die eigentlichen Probleme der Landwirtschaft
Ein weiteres Beispiel für falsche Schuldzuweisungen ist das Argument, die Grüne Gentechnik gefährde die Biodiversität und sorge für die Ausbreitung gewaltiger Monokulturen. Diese Monokulturen wachsen bereits, nicht
nur in Nordamerika, sondern auch hier in Deutschland – beispielsweise beim Anbau von Raps und Mais für die Produktion von Biokraftstoffen. Im Jahr 2000 wurden zwei Prozent der Maisernte in den USA für die Produktion
von Bioethanol verwendet, heute sind es 40 Prozent. Auch Deutschland setzt auf die Bioenergie vom Acker. Wer im Frühherbst durch die bayerische Provinz fährt oder durch das Oberrheintal, sieht nichts als Mais, Mais
bis zum Horizont. Von vielseitigen Fruchtfolgen keine Spur.
Monokulturen sind schädlich, sowohl für die Böden als auch für die biologische Vielfalt. Aber obwohl die Gentechnik an der geschilderten Entwicklung nicht ursächlich beteiligt ist, ist sie als Schuldiger ausgemacht – auch
und besonders in der Politik. So soll gemäß dem Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD Baden-Württemberg in Zukunft gentechnikfrei bleiben. Auch in Oberbayern werben große Plakate für die Gentechnikfreiheit,
mit Unterstützung der Landesregierung.
Dabei müsste die politische Bewegung jetzt in eine ganz
andere Richtung führen. Machen wir doch einmal folgendes Gedankenexperiment:
Was würde passieren, wenn der Deutsche Bundestag nach nunmehr einem
Vierteljahrhundert weltweiter Erfahrung in der Risikoforschung zur Grünen
Gentechnik die diesbezüglichen Passagen des Gentechnikgesetzes für überflüssig erklärte
und einfach abschaffte?
Die notwendigen Sorten- und Sicherheitsprüfungen blieben erhalten. Sie sind zum großen Teil ohnehin nicht durch das Gentechnikgesetz geregelt. Über mangelnde Sicherheit müsste sich der Konsument also auch in Zukunft
keine Sorgen machen.
Es ginge allein der Sündenbock Grüne Gentechnik verloren. Für all diejenigen, die heute von der so künstlichen Existenz zweier Märkte, also mit oder ohne gentechnisch veränderte Pflanzen, leben, bliebe es bei den durchaus sinnvollen Alternativen eines biologischen oder konventionellen Landbaus, aber eben unabhängig vom Einsatz der Gentechnik, der hier wie da sinnvoll sein kann. Die Bauern müssen in beiden Bereichen deutlich nachhaltiger
als bisher wirtschaften, die begrenzten Ressourcen schonen
und dabei gleichzeitig die Erträge steigern. Der WWF hat kürzlich einige
Vorschläge gemacht, die zeigen, dass Nachhaltigkeit einerseits und eine
Steigerung der Nahrungsmittelproduktion andererseits sich gegenseitig nicht
ausschließen.
Um dieses Wachstum kommen wir nicht herum. Wer den
Welthunger nur für ein Verteilungsproblem hält, argumentiert zynisch. Natürlich
gibt es Verteilungs- und Zugangsprobleme, aber es gibt auch einen echten Mangel
an Lebensmitteln, verursacht durch Klimawandel, die wachsende Weltbevölkerung
und den zunehmenden Wohlstand in den Schwellenländern.
Der Streit um die Grüne Gentechnik lenkt von den eigentlichen Problemen der Landwirtschaft ab. Viel zu lange sind wir der Landwirtschaftslobby, der Agrarpolitik oder einigen NGOs auf den Leim gegangen. Wir
verschwenden unsere Ressourcen auf Nebenkriegsschauplätzen. Wir müssen viel vehementer streiten: für eine Agrar- und Landwirtschaft, die – ob biologisch oder konventionell – mit den Erkenntnissen der modernen
Biologie arbeitet und nur so die Menschheit nachhaltig
ernähren kann.
[Alois Heißenhuber, TU München/Friedhelm Taube, Universität Kiel]
Die ZEIT – online (6. März, 2012)
Originalversion der Stellungnahme:
„Verwirrspiel auf dem Acker“ – eine Erwiderung
1. Vorbemerkungen
Unter dem Titel „Verwirrspiel auf dem Acker“ in der ZEIT, Nr. 46 beklagt Prof. Winnacker die Ablehnung der Grünen Gentechnik (GGT) in Deutschland durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2010,
indem er feststellt, dass nun auch das Bundesverfassungsgericht
den „Sirenentönen der Ideologen erlegen zu sein scheint“. Er beklagt, dass die
derzeitige Gesetzgebung Freilandversuche in Deutschland „praktisch
unmöglich mache“ und Forschungseinrichtungen wie private Pflanzenzüchter daher ihre entsprechenden Aktivitäten in die USA oder nach Kanada verlegen. Als Lösungsansatz aus diesem Dilemma schlägt er vor,
die „wahren Probleme anzusprechen, die hinter dieser langjährigen
Debatte stehen“, wobei er zunächst die aus seiner Sicht erkennbaren Fehlentwicklungen
bezüglich des Patentschutzes bzw. die Patentstrategien einiger
Unternehmen nennt, die zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden der GGT geführt hätten, was dem Vorwurf Vorschub leiste, dass Kleinbauern in armen Ländern nicht von dieser Technologie profitierten.
In den industrialisierten Ländern beklagt er den Umstand,
dass die „Gentechnik als Sündenbock für eine fehlende und falsche Agrarentwicklung“
herhalten müsse, was er unter anderem an dem Beispiel zunehmender
Monokulturen deutlich macht, die nichts mit Gentechnik zu tun hätten. Während die Landwirtschaft „in der Vergangenheit hoch subventioniert und nicht immer nachhaltig“ arbeitete, sei heute Ressourcenschonung mittels
neuester Technologien Standard, so dass „nicht selten der
doppelte Ertrag pro Hektar wie vor 20 Jahren mit der gleichen Menge an Mineraldünger
erzeugt werden kann“. Allerdings blieben die ökologischen
Herausforderungen nach wie vor bestehen, was an der Entwicklung zum zunehmenden Anbau bestimmter Kulturen bis hin zu Monokulturen unter anderem aufgrund der Bioenergieerzeugung fest gemacht wird. Seinen
politischen Lösungsansatz formuliert er als Gedankenexperiment
dahingehend, dass der Deutsche Bundestag aufgrund der gesicherten Ergebnisse
der Risikoforschung das Gentechnikgesetz für überflüssig erklärt und abschafft.
Biologischer und konventioneller Landbau könnten so unabhängig vom Gentechnikeinsatz ko-existieren, „die Bauern müssten in beiden Bereichen deutlich nachhaltiger wirtschaften als bisher, die begrenzten Ressourcen
schonen und Erträge steigern“. Um dieses Wachstum kämen wir nicht herum, denn wer den Welthunger für ein Verteilungsproblem halte, argumentiere „zynisch“, da es auch einen echten Mangel an Lebensmitteln gäbe,
verursacht durch Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung und zunehmenden Wohlstand in den Schwellenländern. Und schließlich: „Der Streit um die GGT lenkt von den eigentlichen Problemen der Landwirtschaft ab.“
Viel zu lange sei man der Landwirtschaftslobby, der Agrarpolitik
oder einigen NGOs auf den Leim gegangen, statt dessen
müsse man viel vehementer streiten für eine Landwirtschaft, die mit den
Erkenntnissen der modernen
Biologie arbeite und nur so die Menschheit nachhaltig
ernähren könne“.
Diesem Aufruf zu einem sachlich konstruktiven Diskurs soll mit diesem Beitrag Folge geleistet werden. Es ist vorauszuschicken, dass Herrn Winnacker in einigen wesentlichen Punkten zuzustimmen ist. So ist es sicher
richtig, dass viele Umweltprobleme in der Landwirtschaft
tatsächlich unberechtigterweise mit der Gentechnik in Verbindung gebracht werden
(z.B. Bienensterben in Deutschland) und es ist auch richtig, dass es in einem
demokratischen Rechtsstaat völlig inakzeptabel ist, dass
genehmigte Feldversuche vorsätzlich zerstört o. die verantwortlichen
Wissenschaftler gar bedroht werden.
Die zentrale Frage, die mit diesem Beitrag adressiert werden
soll, ist jedoch die, ob nur mit den (bisher nicht nutzbaren) Erkenntnissen der
modernen Biologie, d.h. durch den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen,
die Menschheit nachhaltig ernährt werden kann?
2. Nachhaltige Landnutzung unter Einbeziehung der
Konsumenten definieren
Wenn die Frage nach einer zukünftigen nachhaltigen Landwirtschaft beantwortet werden soll, so ist nach unserer Überzeugung die sektorale Betrachtung des Komplexes „Landwirtschaft“ unzureichend. Vielmehr ist es
notwendig, Landwirtschaft als Teil unserer Lebensumwelt in den Industrienationen zu begreifen. Es ist vor allem notwendig, gegenüber einer breiten Öffentlichkeit heraus zu stellen, dass auf unseren Äckern in letzter
Konsequenz das umgesetzt wird, was die Majorität der
Bevölkerung, der „mainstream“ will, nämlich billige Nahrungsmittel
insbesondere mit einem hohen Anteil von Lebensmitteln tierischer Herkunft
und neuerdings auch noch „Bioenergie“ auf den Äckern zu
erzeugen, da der „mainstream“ die Kernenergie nicht
mehr als Energiequelle akzeptiert, aber Energie sparen ebenfalls nicht primär
auf der Agenda steht. Beides zusammen bedeutet in der Konsequenz eine hoch intensive
Landwirtschaft insbesondere in den Gunstlagen Deutschlands, häufig bis hin zu monotonen
Anbaustrukturen insbesondere mit Mais, Raps und Weizen.
Wenn eine Akzeptanz für neue Technologien zur Sicherung der Welternährung erreicht werden soll, dann ist zunächst in den reichen Ländern der Welt der Diskurs über Lebensstile und Konsummuster zu führen, um dem „mainstream“ deutlich zu machen, dass sein Lebensstil diese Landnutzung und resultierende Flächenknappheiten maßgeblich verursacht bzw. dass die gleichzeitige Erreichung der genannten Ziele nicht machbar ist, ohne
Andere Ziele, wie Biodiversität
und attraktives Landschaftsbild zu verfehlen. Die Ursache für den enormen
Flächenbedarf liegt vornehmlich im Lebensstil begründet. Wie Berechnungen von
v.
Witzke (2010) gezeigt haben, beträgt der Nettoimportsaldo der EU rund 36 Mio. ha, das entspricht der dreifachen Ackerfläche Deutschlands. Mit anderen Worten, werden alle importierten und exportierten Lebens- und
Futtermittel und agrarischen Rohstoffe auf die zur Erzeugung notwendigen Flächen umgerechnet, dann beanspruchen die EU-Länder wesentlich mehr Fläche als im Inland zur Verfügung steht. Die Ursachen hierfür reichen
vom Import von Obst über die umfangreichen Futtermittelimporte zur Fleischproduktion bis hin zur Einfuhr von biogenen Treibstoffen. Deutschland importiert allein Sojaprodukte aus Südamerika, zu deren Erzeugung
etwa 3 Mio. Hektar notwendig sind. Die damit verbundene Nährstoffakkumulation führt hier wiederum zu negativen Konsequenzen für die natürlichen Ressourcen. In Südamerika ergeben sich ebenfalls negative ökologische Konsequenzen durch die Rodung des Regenwaldes bzw. den Umbruch von Grasland. Es lässt sich einfach nicht wegdiskutieren, dass der mit dem europäischen Lebensstil verbundene Fleischkonsum mit knapp 60 kg je Person
und Jahr einen „Flächenrucksack“ von über 2000 m² landwirtschaftlicher
Nutzfläche für jeden Einwohner bedingt, wovon ca. 400 m² in Südamerika zu Buche
schlagen. Es ist unstrittig, dass dieser Lebensstil zu den hinlänglich
bekannten negativen Auswirkungen von Überernährung führt. In
einigen Ländern reagiert man bereits politisch auf diese Problematik. So hat
Dänemark zum Beginn dieses Jahres eine „Fettsteuer“ auf Fette in Lebensmitteln
tierischer Herkunft eingeführt. Ob dies der richtige Weg ist, darüber mag man
unterschiedlicher Auffassung sein, aber in der Konsequenz bedeutet dies:
a. Die Aussage, dass Hunger heute primär ein Verteilungsproblem darstellt, ist nicht „zynisch“, sondern eine Tatsache, denn weltweit gibt es laut FAO mehr Menschen, die übergewichtig und fettleibig sind, als solche,
die hungern. Wer in Deutschland das „land grabbing“ der Chinesen in Afrika und Südamerika geißelt,
sollte zunächst zur Kenntnis nehmen, dass die EU sich an diesem virtuellen
Landimport wie oben
geschildert maßgeblich beteiligt, um unsere Ernährungsstile
aufrecht zu erhalten.
Gerade vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung
und steigender Nahrungsmittelbedarfe in der Zukunft ist der Ansatz einer
bewusster Ernährung unseres Erachtens das erste Gebot, denn nur so können wir
den Schwellenländern nachhaltige Lebensstile „vorleben“.
b. Es ist somit zunächst notwendig, einen neuen gesellschaftlichen
Konsens in den reichen Ländern zu erzeugen, der insbesondere seitens der
Agrarwissenschaftler gemeinsam mit den Ernährungswissenschaftlern bewusste und
verantwortungsvolle Lebensstile mit nachhaltigen Konsummustern adressiert.
c. Dies wiederum bedeutet für die universitäre Ausbildung, dass nicht nur neue Technologien in den Ingenieurswissenschaften zu lehren sind, sondern auch die angeführten gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge sowie
deren soziologische und ethische Bewertung zu vermitteln
sind.
3. Wird es in Zukunft nur mit „Grüner Gentechnik“ möglich
sein, die Welt nachhaltig zu ernähren?
In den kommenden 40 Jahren bis zum Jahr 2050, dem erwarteten Maximum der Weltbevölkerung, ist laut FAO eine Steigerung der weltweiten Nahrungskalorien um etwa 70% notwendig, um die Nahrungsmittelbedürfnisse
der Welt zu befriedigen – wohlgemerkt, die Nahrungsmittel-BEDÜRFNISSE, nicht die Konsummuster der
Industrienationen. In den zurückliegenden 40 Jahren wurde laut FAO eine
Steigerung der weltweiten
Nahrungsmittelproduktion um ca. 150 % realisiert; dies waren vor allem die Ergebnisse der „grünen Revolution“. Das Interessante daran ist, dass die Produktionssteigerungen in den vergangenen 40 Jahren ohne wesentliche Ausdehnung der weltweiten Agrarflächen erreicht wurden, insbesondere war es vor allem das Ergebnis der systematischen Intensivierung auf bestehenden Flächen. In den hoch entwickelten Ländern waren diese Steigerungen
sogar mit einer deutlichen Reduktion der Agrarflächen
assoziiert, zum Beispiel für Siedlungs- bzw. Ausgleichsflächen für
Infrastrukturmaßnahmen (in Deutschland ca. 100 ha pro Tag) oder auch für
Aufforstungsmaßnahmen. Ebenfalls auf Basis der Daten der FAO ergibt sich, dass weltweit
noch ein erheblicher Puffer an potentiellen Agrarflächen besteht, ohne dass mit
der Nutzung dieser Flächen wesentliche negative ökologische Effekte verbunden
sein müssen. Selbst in EU-Staaten Osteuropas liegen Flächen brach. Allein in
Rumänien sind es immerhin eine Million Hektar. Nun ist dort sogar ein Gesetz
geplant, das eine progressiv steigende Abgabe vorsieht, sofern die Fläche nicht
genutzt wird.
Die in der jüngsten Zeit zu beobachtenden Preissteigerungen
bei wichtigen Agrarprodukten stellen einen wichtigen Anreiz dar, bisher
ungenutzte Potentiale auszuschöpfen. In vielen Ländern existieren aber noch
viele andere Gründe (z.B. unzureichender Zugang zu notwendigen
Produktionsmitteln, fehlende Finanzmittel, unklare Eigentumsverhältnisse), die einer
Ausweitung der Produktion entgegenstehen. Auf der anderen Seite werden weltweit
aber gerade auch in Deutschland in großem Umfang Flächen für
die Energieproduktion verwendet, die damit der Nahrungsproduktion fehlen.
Somit ist zu konstatieren, dass es weltweit durchaus erhebliche Flächenreserven gibt, die mit nachhaltigen Bewirtschaftungsmethoden, unabhängig vom Einsatz der GGT, und unter der Vorraussetzung stabiler politischer Verhältnisse einen wichtigen Beitrag für die Nahrungsmittelproduktion leisten können.
4. Was ist neben der Fokussierung auf Grüne Gentechnik in
der Agrarforschung notwendig?
Implizit argumentiert Winnacker,
dass der technische Fortschritt ohne GGT nicht ausreiche, die
Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten. Ebenfalls auf Datenbasis der FAO
zeigt sich jedoch am Beispiel Weizen, dass heute weltweit nur ganz wenige
Länder in der Lage sind, das standortangepasste genetische Leistungspotential
der konventionell erzeugten Sorten auf ihren Äckern umzusetzen, in Europa
gehört laut FAO nur England dazu. In vielen Ländern selbst Europas fehlen das
Know-how und in Entwicklungsländern vor allem Produktionsmittel wie Dünger,
Pflanzenschutzmittel und Bewässerungstechnologien. In diesen Ländern ist eine
verminderte Nahrungsmittelproduktion gleichermaßen einem begrenzten Zugang zu
Know-how und Kapital und damit primär einem Armutsproblem geschuldet. An diesen
Rahmenbedingungen werden gentechnisch veränderte Sorten nur
bedingt etwas ändern können.
Zurück zu Europa und Deutschland: Winnacker
führt aus, dass in Deutschland mit der Ressourcen schonenden Landwirtschaft der
letzten 20 Jahre (Satellitensteuerung, Direktsaat, flächenspezifische Düngung)
„nicht selten der doppelte Ertrag pro Hektar mit der gleichen Menge an
Mineraldünger erzeugt werden kann“. Dies entspricht nicht den Tatsachen und wirft
tatsächlich die Frage auf, ob wir uns in der Agrarforschung nicht zu stark auf
den
Bereich der biotechnologischen bzw. molekularbiologischen
Möglichkeiten fokussieren, während andere systemorientierte klassische Ansätze
kaum mehr gewürdigt werden, wenn es um die Bereitstellung von Forschungsgeldern
geht. De facto sind nämlich die Getreideerträge in Deutschland trotz intensiver
Züchtungsforschung in den letzten 20 Jahren mit Ausnahme des Maises kaum noch
gestiegen, in Süddeutschland stagnieren sie sogar seit über 20 Jahren.
Die Ursachenforschung verweist teilweise auf klimatische
Effekte; aber auch die Anbausysteme in der landwirtschaftlichen Praxis mit
immer engeren Fruchtfolgen, reduzierter Bodenbearbeitung und dem daraus
resultierenden vermehrten Druck von Krankheitserregern dürften zum
Ursachenkomplex beitragen. Die Leistungen der Kulturartendiversität
auf dem Acker und die daraus resultierenden Ökosystemleistungen sind kaum noch
Gegenstand der
Agrarforschungsförderung. Dies geht einher mit dem Abbau der Kapazitäten in den klassischen agrarischen Disziplinen an den Universitäten, weil vor allem in molekularen Forschungsansätzen Innovationen gesehen werden.
Und dieser Trend setzt sich in den Ressortforschungseinrichtungen
bis hin zu den Beratungsinstitutionen auf dem flachen Land fort. Mit anderen
Worten, die ‚basics’ werden zugunsten der „sexy
Forschung“ zunehmend
vernachlässigt. Und dies betrifft nicht nur die
Agrarwissenschaften, sondern auch benachbarte Fachgebiete wie die Biologie.
Und damit wären wir bei den Lobbyisten. Winnacker
beklagt, dass man „zu lange der Landwirtschaftslobby, der Agrarpolitik und
einigen NGOs auf den Leim gegangen“ sei. Dazu ist
festzustellen, dass Lobbyismus per se ein legitimes Mittel von
Interessenverbänden in einer Demokratie ist. Und natürlich gibt es auch eine
Lobby der „modernen Biologie“ bzw. der Genforschung in der Forschungslandschaft
Deutschlands, die durchaus ein erhebliches
Gewicht hat.
5. Was bedeutet es, dass „Grüne Gentechnik“ bisher auf den Äckern Deutschlands nicht eingesetzt wird und wie sind die zukünftigen Perspektiven zu beurteilen?
Bei der Beurteilung gentechnischer Konstrukte in der Landwirtschaft muss man zwischen Vergangenheit und status quo einerseits und den zukünftigen Perspektiven andererseits unterscheiden. Bis heute sind weltweit zwei Konstrukte im Anbau, die die grüne Gentechnik weltweit beherrschen. Das ist zum einen die Herbizidresistenz von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, bekannt unter dem „roundup ready (RR) Synonym, wobei Pflanzen gegen
das Totalherbizidwirkstoff Glyphosat resistent gemacht wurden. Dies hat vor allem in den USA und Südamerika geradezu zu einem Boom der Kulturen Soja und Mais geführt: Einerseits mit positiven Effekten für die Bodenstruktur, da die minimale Bodenbearbeitung ohne Pflug in diesen Regionen der Welt mit durchaus positiven Effekten auf die Erosionsvermeidung geradezu einen Siegeszug antrat. Andererseits ist dies aber ein typisches Beispiel für das „Jevon’s Paradoxon“, welches besagt, dass derartige Effizienzsteigerungen durch technischen Fortschritt den Ressourcenverbrauch eher steigern als mindern. Im konkreten Fall hat RR den Landnutzungswandel
von natürlichem Grasland zu Soja und Maisanbau in Südamerika
erst möglich gemacht mit erheblichen Konsequenzen für die Abnahme der Biodiversität und die Freisetzung von Klimagasen. Zudem
gelangt Glyphosat in beträchtlichem Ausmaße in aquatische Ökosysteme (Grundwasser und Flüsse) und steht
nicht erst seit jüngster Zeit hinsichtlich der Ökotoxizität weltweit in der
Diskussion und schließlich hat der übermäßige
Einsatz dieses Mittels weltweit zu erheblichen
Resistenzbildungen beigetragen, was wiederum den zusätzlichen Einsatz
klassischer Unkraubekämpfungsmittel notwendig macht.
Für Deutschland und die meisten EU-Länder hat der Verzicht
auf RR gerade vor dem Hintergrund der umstrittenen Effekte bezüglich der
Ökotoxizität keine besonders negative wirtschaftliche Bedeutung für die
Landwirte.
Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten gentechnischen Konstrukt, der Insektenresistenz auf der Basis des Bacillus thuringensis (Bt) – Toxins, welches ebenfalls vor allem in den USA, aber auch in Südamerika und Asien
z.B. in Baumwolle und Mais eingesetzt wird. Tatsächlich führte dort der Einsatz dieses Konstruktes in erheblichem Maße zu besonders engen Fruchtfolgen bis hin zu Monokulturen z.B. im Maisanbau. Dieser einseitige Anbau
hat die Entwicklung wirtschaftlich relevanter Schadenssymptome aufgrund der Massenvermehrung spezieller Schädlinge überhaupt erst möglich gemacht. Gerade beim Maisanbau in Deutschland hat sich jedoch in den Freisetzungsversuchen mit bt-Mais, die vor wenigen Jahren abgeschlossen wurden, gezeigt, dass in der Regel keine deutlichen positiven Effekte auftraten, da aufgrund der in weiten Teilen noch vorherrschenden Einhaltung der guten fachlichen Praxis hinsichtlich der Fruchtfolgegestaltung diese relevanten Schädlinge kaum auftreten. Nur dort, wo diese gute fachliche Praxis in einer Region mit hohen Maisanteilen nicht eingehalten wird, sind dann allerdings tatsächlich Ertragsausfälle zu beobachten. Das heißt zusammenfassend: Bisher haben die Landwirte in Deutschland keinen ausgeprägten wirtschaftlichen Schaden daran genommen, dass das Gentechnikgesetz den
Anbau nahezu ausschließt. Und deshalb sollten wir auch zu
allererst die Regeln der guten fachlichen Praxis stets anpassen und dem
Erkenntnisfortschritt entsprechend optimieren sowie deren Nichteinhaltung
sanktionieren, um diesen Status so weit wie möglich zu erhalten. Daraus folgt,
wenn aktuell aufgrund des Auftretens des Maiswurzelbohrers in einigen Regionen Deutschlands
der Ruf nach gentechnisch veränderten Maissorten laut wird, so sollte man zuerst
die Ursache, nämlich die zu einseitigen nicht nachhaltigen maisbetonten Fruchtfolgen
in Frage stellen, bevor man deren Symptome mit gentechnologischen Mitteln
bekämpft. Dies umso mehr, als im Herbst letzten Jahres erste Befunde über bt-resistente Maiswurzelbohrerpopulationen in den USA
dokumentiert sind.
Wenn man die Vorbehalte gegen die Grüne Gentechnik in weiten Teilen der Gesellschaft in Deutschland verstehen will, dann ist dieses ein Mosaikstein: Trotz intensiver Kampagnen über den Nutzen der Grünen Gentechnik,
wäre dieser Nutzen für die Landwirtschaft in den vergangenen
Jahrzehnten in Deutschland auf Basis der auf dem Markt befindlichen Herbizid- und
Insektizidresistenzen marginal gewesen. Ist es vor diesem Hintergrund
verwunderlich, dass die überwiegende Mehrheit der Verbraucher in Deutschland
dieser Technologie bisher eher skeptisch gegenüber steht?
Anders sieht es tatsächlich in der Zukunft aus. Inzwischen
ist die Forschung so weit voran geschritten, dass weitere tatsächlich
vielversprechende Ansätze ante portas stehen, dies betrifft beispielsweise die
gentechnisch induzierte Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule bei der
Kartoffel. Dies wäre in der Tat ein Ansatz, der auch in Deutschland eine berechtigterweise
vollkommen neue Debatte über die Grüne Gentechnik entzünden könnte, da
die derzeitigen Bekämpfungsmethoden der Kraut- und
Knollenfäule sowohl im konventionellen als auch im ökologischen Anbau als
äußerst problematisch einzustufen sind.
Diese Debatte wäre jedoch im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Befürworter leichter zu führen, wenn es die Historie der letzten 20 Jahre mit vielen unerfüllten Versprechungen nicht in der Weise gegeben hätte wie oben aufgeführt. Gerade das Beispiel bt-Mais zeigt, dass bisherige Gentechnikansätze eben nicht per se zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft geführt haben, sondern dass umgekehrt die Nichteinhaltung einer guten fachlichen Praxis (keine abgestimmten Fruchtfolgen und Bodenbearbeitungsmaßnahmen) die Probleme erst geschaffen hat, die man dann mit Gentechnik bekämpfen „muss“. In der öffentlichen Wahrnehmung werden dann solche
Fehlentwicklungen tatsächlich primär mit der Technologie
Grüne Gentechnik assoziiert.
6. Werden die Potentiale der „modernen Biologie“ in der
deutschen Agrarforschung nicht genutzt?
Herr Winnacker vermittelt den
Eindruck, dass Methoden der modernen Biologie derzeit nicht angemessen in
Deutschland genutzt werden könnten. Dies trifft sicherlich für die Problematik der
Freisetzungsversuche bzw. der Nichtzulassung von gentechnisch veränderten
Pflanzen zu.
Das heißt aber nicht, dass die Methoden der modernen
Biologie nicht auch insbesondere in die öffentlich finanzierte wie die private
Züchtungsforschung Einzug gehalten hätten. Die Aufklärung der molekularen
Grundlagen wichtiger physiologischer Prozesse wie Krankheitsresistenz, Salz-
und Trockentoleranz sowie Nährstoffeffizienz sind seit langem Gegenstand der
modernen Agrarforschung auf Basis der modernen Biologie. Obwohl diese
Forschung, bedingt durch die politischen Rahmenbedingungen,
primär nicht die Entwicklung transgener Nutzpflanzen
zum Ziel hat, bilden die dabei gewonnenen Erkenntnisse einen großen Forschritt
für die Entwicklung konventionell erzeugter Sorten, der auch intensiv genutzt
wird.
7. Was ist zu tun?
a. Die Welternährungsproblematik ist in erster Näherung eine Armutsproblematik und in der zweiten Näherung eine Ausbildungsproblematik im Bereich der Landwirtschaft. Letztere ist weltweit ein extremes Problem.
Anders als in Deutschland, wo nahezu jeder wirtschaftende Landwirt eine hochwertige Fachausbildung genossen hat, ist dies weltweit die absolute Ausnahme. Selbst in der aufstrebenden Wirtschaftsnation China mit 700
Millionen Landwirtsfamilien im Subsistenzstatus hat kaum ein Landwirt auch nur eine minimale Fachausbildung genossen, die die elementaren Grundlagen des Pflanzenbaus oder der Tierhaltung, der Düngung oder des Pflanzenschutzes und der Bewässerung vermittelt. Das ist die weltweite Herausforderung: Die Vermittlung von fachlichen Grundlagen und von ökosystemaren Zusammenhängen, um Erträge auf einem Mindestniveau und
eine nachhaltige Produktion gleichermaßen abzusichern. Ob die
in Deutschland dafür zuständige Entwicklungspolitik diesen Ansprüchen Rechnung
trägt, ist hier nicht zu thematisieren. Allerdings ist aus diesem Befund
durchaus abzuleiten, dass es im Rahmen der nationalen
Bildungs- und Forschungsstrategie unbedingt Sinn macht, Anreizsysteme für
ausländische Studierende weiter auszubauen , die eine fundierte
agrarwissenschaftliche
Ausbildung in Deutschland gewährleisten bzw. diese in Kooperation
mit Entwicklungs- und Schwellenländern durchführen.
b. In den hoch entwickelten Agrarnationen der Welt, zu denen Deutschland gehört, ist in der Tat neben der oben angeführten Problematik der Konsummuster eine Debatte über die Grundlinien einer nachhaltigen Landnutzung notwendig, das hat aber zunächst nichts mit gentechnischen Ansätzen zu tun. Vielmehr ist ein auf wissenschaftlicher Basis fundierter Konsens darüber herbeizuführen, wie viele und welche unserer Flächen zukünftig für Nahrungsmittelerzeugung, für Energieproduktion oder für Naturschutz in welcher Intensität genutzt werden sollen. Hier fehlt ein „Masterplan“, der unter Berücksichtigung von Ökoeffizienzparametern die Regionen identifiziert, die für bestimmte Nutzungen (intensive Nahrungsmittel- und Energieproduktion; ökologischer Landbau; Naturschutz) prädestiniert sind und über die Agrar- und Umweltpolitik entsprechende Anreize setzt. Derzeit sieht
man de facto zu viel Flickwerk: Hier auf Bundesebene ein Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), das mit hohen Transferzahlungen an die Landwirtschaft und hohen CO2-Vermeidungskosten die wirtschaftliche Vorzüglichkeit
für Bioenergie vom Acker über alle Maßen fördert, dort auf
Bundesländerebene Agrarumweltmaßnahmen, die die Auswüchse des Energiepflanzenanbaus
teilweise zu kompensieren versuchen. Hier Förderung für
Investitionsmaßnahmen im Tierhaltungssektor, die dann
zusätzliche Treibhausgasemissionen verursachen, dort Maßnahmen zum Klimaschutz.
Hier die Verpflichtung im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die
Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen
und dort „weiche“ Kriterien der guten fachlichen Praxis hinsichtlich des
Düngungsmanagements auf den landwirtschaftlichen Betrieben, die die Reinhaltung
der Gewässer eben nicht befördern.
c. Wenn all dies geleistet ist bzw. mit der von Herrn Winnacker geforderten Vehemenz der Argumentation seitens der Wissenschaft in der Umsetzung gelungen ist, dann ist tatsächlich ernsthaft und konstruktiv Fall für Fall
darüber zu diskutieren, welche Potentiale der „modernen
Biologie“, die bisher nicht genutzt werden, zukünftig den
gesamtgesellschaftlichen Zielen dienen. Nur so wird man national auf mittlere
Sicht diejenigen, die Herr Winnacker als Bremser identifiziert
hat, überzeugen können, konstruktive Beiträge zum Wohle aller beizusteuern.
Und nur so werden wir als hoch entwickelte
Industriegesellschaften den Schwellenländern Modelle liefern können, die
überzeugen und zum Nachahmen anregen.
Die Autoren:
Prof. Dr. Friedhelm Taube ist Leiter der Arbeitsgruppe
Grünland und Futterbau/Ökologischer Landbau am Institut für Pflanzenbau und
Pflanzenzüchtung der Universität Kiel. Er ist u.a.
Mitglied der AG Tierinnovation beim BioÖkonomierat,
Mitglied des Fachkollegiums Pflanzenbau bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG), Mitglied im
wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des
Bundesministeriums für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
und Träger des Wissenschaftspreises der Stadt Kiel (2009).
Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Landbaues der TU München in Weihenstephan. Er war bis 2011 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des BMELV
und ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und genetische Ressourcen des BMELV.
[Angelika Hilbeck/Hartmut Meyer]
Die Risikoabschätzung gentechnisch veränderter Pflanzen ist
unzureichend
In der Grünen Gentechnik beginnen Fragen zur Sicherheit, wo
Entwickler-Interessen aufhören. Es reicht nicht, gentechnisch veränderte
Pflanzen wie Chemikalien zu testen.
Der Diskurs um die Agrar-Gentechnik betrifft auch die Frage,
wie wir bei der Gestaltung technischen Fortschritts aus den Fehlern vergangener
Technologieeinführungen lernen wollen. Alle Säulen, auf denen
gesellschaftliches Gedeihen beruht - Ökonomie/Finanzwirtschaft, Umwelt,
Gesundheit/Ernährung, Politik, Frieden - sind heute in der Krise, deshalb
mehren sich die Rufe nach einem Ende des "Weiter so". "Business
as usual is no longer an option", stellt
zum Beispiel der Weltagrarbericht von 2008 fest, oder im Hauptgutachten 2011
des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen
(WBGU) wird nicht weniger als eine "Große Transformation" unserer
Gesellschaft gefordert.
Wenn bei einem solchen Paradigmenwechsel Rollen, Kapital und Macht neu verteilt werden, dann muss in einer Demokratie um die besten Konzepte gestritten werden. Auf dem Gebiet der Nahrungsmittelherstellung ist es
schlicht historischer Zufall, dass der exemplarische Diskurs
die Einführung der Gentechnik traf – die außer ihren Entwicklern und der
Industrie in Europa niemand wirklich will.
Das Potenzial der Gentechnik zur Transformation der Produktions-, aber auch der Abhängigkeitsverhältnisse in der Landwirtschaft ist unbestritten. Uneinigkeit herrscht aber bei der Bewertung, wie tief und wie irreversibel sie
in die Evolution eingreift und wie hoch ihre gesundheitlichen und ökologischen Risiken sind. Ja, selbst die Frage ist kontrovers, mit welchen Methoden diese Risiken abzuschätzen sind. Die Frontlinien dieser Debatte wollen
wir als Beispiel für das alte und das neue Paradigma
beschreiben.
Wie schätzt man ein Risiko ab?
Derzeit wird eine gentechnisch veränderte Nutzpflanze in zwei Einheiten unterteilt: die bekannte Maispflanze und das neue transgene Element; beim in der EU zum Anbau zugelassenen Bt-Mais Mon 810 der Firma Monsanto
zum Beispiel ist es das Insektengift auf Basis des Bacillus thuringensis (Bt), das in allen Pflanzenteilen während der gesamten
Lebensdauer produziert wird.
Die ursprüngliche Maispflanze wird aufgrund jahrhundertelanger Erfahrung als grundsätzlich sicher eingestuft, sie muss keine konkreten Risikotests mehr durchlaufen. Etwas genauer untersucht man die hinzugefügte neuartige Substanz, und zwar eng angelehnt an die Prüfung synthetischer Insektizide. In direkten Fütterungsstudien wird vor allem die akute Toxizität mit den mikrobiell hergestellten Bt Toxinen an standardisierten Labororganismen
wie Springschwänzen, Marienkäfern oder Honigbienen getestet. Wenn trotz hoher Dosen kein signifikanter Unterschied zwischen Bt-Toxin Futter und der Kontrolle beobachtet wird, gilt die Substanz als ausreichend sicher.
Bei solchen rein toxikologischen Tests bleibt es dann. Das
gesamte transgene Pflanzenmaterial aber, das
tatsächlich auf den Feldern wachsen oder in die Nahrung gelangen soll, wird
kaum auf seine ökologischen und gesundheitlichen Risiken geprüft.
Zur Bestätigung der Unbedenklichkeit, aber hauptsächlich um zu überprüfen, ob die Pflanze als Futtermittel ähnlich gute Ergebnisse wie herkömmliche Produkte erbringt, lassen die Antragsteller in der Regel eine vergleichende Fütterungsstudie mit Hühnern, Ratten oder Mäusen durchführen. Eine echte wissenschaftlich robuste Überprüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit stellen aber auch diese Studien nicht dar. Gentechnisch veränderte Pflanzen, die keine neuartigen Substanzen produzieren (etwa die herbizidresistenten oder stärkeveränderten Pflanzen) kommen mit noch weniger bis gar keinen experimentellen, gesundheits- und umweltrelevanten Prüfungen auf den Markt.
Im Großen und Ganzen wird die Sicherheit von gentechnisch
veränderten Pflanzen auf eine Beurteilung dessen zurückgeführt, was aus der
Literatur bekannt ist und theoretisch abgeleitet wird. So wird zum Beispiel
mittels eines Datenbankabgleiches abgeklärt, ob die
hinzugefügten neuartigen Substanzen bekannten Allergenen ähneln. Unbekannte
Allergene kann man so jedoch nicht erfassen. Ebenfalls nicht erfasst werden
Veränderungen, die durch die gentechnische Modifikation ungeplant ausgelöst
werden könnten.
Gerne führen die Entwickler die in der Regel deutlich
umfassenderen Ergebnisse zur molekularen Charakterisierung der gentechnisch
veränderten Pflanze als 'Sicherheitsabklärungen' ins Feld. Dabei handelt es
sich aber im Wesentlichen um Produktbeschreibungen, um den gewünschten
Zieleffekt belegen zu können. Wiederum in Anlehnung an Pestizidprodukte geht es
vor allem um eine Beschreibung der 'Inhaltsstoffe'. Diese stellt aber erst die
Ausgangsbasis für eine Risikoanalyse dar. Fragen zur biologischen Sicherheit beginnen
dort, wo das Interesse von Entwicklern endet. Sie fragen nach nicht
beabsichtigten Effekten, Wechselwirkungen im Ökosystem sowie einer nachhaltigen
Steigerung der Umweltverträglichkeit der Produktionssysteme.
Kritik am Zulassungsverfahren
Wie viele Wissenschaftler kritisieren wir diese gängigen Zulassungsverfahren
als unzureichend für eine zuverlässige, wissenschaftliche Risikoabschätzung. Es
reicht nicht, eine gentechnisch veränderte Pflanze wie eine Chemikalie zu
prüfen. Toxikologische Parameter aus kurzfristigen Labortests stellen – ohne
Überprüfung – keine belastbaren Indikatoren für ökologische
Langzeitauswirkungen in komplexen Umwelten dar. So wird man den Eigenschaften
eines lebenden, dynamischen Organismus nicht gerecht, der Inhaltsstoffe in
Abhängigkeit vielfältiger Umwelteinflüsse verändert. Isoliert vom
Pflanzenkontext werden auch Wechselwirkungen mit anderen bioaktiven
Pflanzeninhaltstoffen nicht berücksichtigt.
Im Falle experimenteller Untersuchungen mit herbizidresistenten Pflanzen ist überdies gravierend, dass sie oft ungespritzt getestet werden. Damit bleibt die Rückstandsproblematik der Unkrautvernichtungsmittel für Umwelt
und Gesundheit außen vor. Immerhin überschritten diese Rückstände bei der Markteinführung der herbizidresistenten Sojabohnen von Monsanto sowohl in den USA als auch in der EU die bis dahin geltenden Höchstwerte.
Diese wurden daraufhin umgehend von den zuständigen Behörden
einfach nach oben korrigiert; anderenfalls hätten die Ernteprodukte nicht
verkauft werden dürfen.
Ein neuer Trend bei den Zulassungen von gentechnisch veränderten Pflanzen sind sogenannte 'gestapelte' Sorten, die bis zu sechs verschiedene Bt Insektengifte und die Rückstände von einem oder zwei Totalherbiziden in sich vereinen. Kombinationswirkungen dieser Toxine gelten als ausgeschlossen, da in den früheren isolierten Prüfungen der einzelnen Bt Insektengifte keine als negativ bewerteten Effekte von biologischer Relevanz konstatiert
wurden. So kommen diese 'gestapelten' Pflanzen ohne nennenswerte zusätzliche Sicherheitsstudien auf den Markt.
Grüne Gentechnik Die Risikoabschätzung gentechnisch
veränderter Pflanzen ist unzureichend
In der Grünen Gentechnik beginnen Fragen zur Sicherheit, wo
Entwickler-Interessen aufhören. Es reicht nicht, gentechnisch veränderte
Pflanzen wie Chemikalien zu testen.
Der Diskurs um die Agrar-Gentechnik betrifft auch die Frage,
wie wir bei der Gestaltung technischen Fortschritts aus den Fehlern vergangener
Technologieeinführungen lernen wollen. Alle Säulen, auf denen
gesellschaftliches Gedeihen beruht – Ökonomie/Finanzwirtschaft, Umwelt,
Gesundheit/Ernährung, Politik, Frieden – sind heute in der Krise, deshalb
mehren sich die Rufe nach einem Ende des "Weiter so". "Business
as usual is no longer an option", stellt
zum Beispiel der Weltagrarbericht von 2008 fest, oder im Hauptgutachten 2011
des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen
(WBGU) wird nicht weniger als eine "Große Transformation" unserer
Gesellschaft gefordert.
Wenn bei einem solchen Paradigmenwechsel Rollen, Kapital und
Macht neu verteilt werden, dann muss in einer Demokratie um die besten Konzepte
gestritten werden. Auf dem Gebiet der Nahrungsmittelherstellung ist es schlicht
historischer Zufall, dass der exemplarische Diskurs die Einführung der
Gentechnik traf – die außer ihren Entwicklern und der Industrie in Europa
niemand wirklich will.
Das Potenzial der Gentechnik zur Transformation der
Produktions-, aber auch der Abhängigkeitsverhältnisse in der Landwirtschaft ist
unbestritten. Uneinigkeit herrscht aber bei der Bewertung, wie tief und wie
irreversibel sie in die Evolution eingreift und wie hoch ihre gesundheitlichen
und ökologischen Risiken sind. Ja, selbst die Frage ist kontrovers, mit welchen
Methoden diese Risiken abzuschätzen sind. Die Frontlinien dieser Debatte wollen
wir als Beispiel für das alte und das neue Paradigma beschreiben.
Wie schätzt man ein Risiko ab?
Derzeit wird eine gentechnisch veränderte Nutzpflanze in
zwei Einheiten unterteilt: die bekannte Maispflanze und das neue transgene Element; beim in der EU zum Anbau zugelassenen Bt-Mais Mon 810 der Firma Monsanto
zum Beispiel ist es das Insektengift auf Basis des Bacillus
thuringensis (Bt), das in
allen Pflanzenteilen während der gesamten Lebensdauer produziert wird.
Die ursprüngliche Maispflanze wird aufgrund jahrhundertelanger Erfahrung als grundsätzlich sicher
eingestuft, sie muss keine konkreten Risikotests mehr durchlaufen. Etwas
genauer untersucht man die hinzugefügte neuartige Substanz, und zwar eng
angelehnt an die Prüfung synthetischer Insektizide. In direkten
Fütterungsstudien wird vor allem die akute Toxizität mit den mikrobiell hergestellten Bt
Toxinen an standardisierten Labororganismen wie Springschwänzen, Marienkäfern
oder Honigbienen getestet. Wenn trotz hoher Dosen kein signifikanter
Unterschied zwischen Bt-Toxin Futter und der
Kontrolle beobachtet wird, gilt die Substanz als ausreichend sicher. Bei
solchen rein toxikologischen Tests bleibt es dann. Das gesamte transgene Pflanzenmaterial aber, das tatsächlich auf den
Feldern wachsen oder in die Nahrung gelangen soll, wird kaum auf seine
ökologischen und gesundheitlichen Risiken geprüft.
Zur Bestätigung der Unbedenklichkeit, aber hauptsächlich um zu überprüfen, ob die Pflanze als Futtermittel ähnlich gute Ergebnisse wie herkömmliche Produkte erbringt, lassen die Antragsteller in der Regel eine vergleichende Fütterungsstudie mit Hühnern, Ratten oder Mäusen durchführen. Eine echte wissenschaftlich robuste Überprüfung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit stellen aber auch diese Studien nicht dar. Gentechnisch veränderte Pflanzen, die keine neuartigen Substanzen produzieren (etwa die herbizidresistenten oder stärkeveränderten Pflanzen) kommen mit noch weniger bis gar keinen experimentellen, gesundheits- und umweltrelevanten Prüfungen auf den Markt.
Die Risikoabschätzung ist althergebracht und reduktionistisch
Entwickler gentechnisch veränderter Pflanzen nehmen als
deren spezifischen Nutzen in Anspruch, sie ermöglichten eine ökonomischere
Unkrautkontrolle und schonende Bodenbearbeitungsverfahren; Effekte, die auch
durch andere Maßnahmen erzielt werden könnten. Dass heute schon Resistenzen
gegen Glyphosat beobachtet werden und damit der
Einsatz von alten, zuvor als schädlich bezeichneten Unkrautvernichtungsmitteln
wieder erforderlich geworden ist, sehen die Entwickler hingegen nicht als
spezifischen Schaden der Gentechnik. Dabei hatten ihre Protagonisten zur
geplanten EU-Markteinführung Mitte der 1990er noch betont, Glyphosatresistenzen
seien praktisch auszuschließen. Auch beim Anbau von Bt-Pflanzen
verbuchen ihre Entwickler die anfängliche Verringerung der Pestizidanwendung
als Nutzen auf ihrem Konto, deuten aber deren Zunahme nach der Resistenzbildung
als allgemeines Problem.
Die Auswahl von Einschätzungen, die für einen selbst am
günstigsten erscheinen, ist charakteristisch für eine althergebrachte reduktionistische Risikoabschätzung, die mit der
klassischen Technologieförderung einhergeht. Wenn, wie eingangs dargestellt,
ein Paradigmenwechsel eingefordert wird, dann muss dieses System der
Sozialisierung der Schäden für das Gemeinwohl ersetzt werden. Die negativen
Effekte, die der Einsatz von Bt-Pflanzen hervorruft,
müssen bereits von den Herstellern mit in ihre Kostenkalkulationen eingerechnet
werden. Erst wenn die tatsächlichen Kosten abgeschätzt sind, können daran auch
alternative Lösungen vernünftig gemessen werden.
Diese Forderung betrifft aktuell auch die Nanotechnologien oder die Synthetische Biologie, die momentan mit massiver finanzieller Unterstützung durch Steuergelder vorangetrieben werden. Wie gentechnisch veränderte Produkte, so müssen auch diese zukünftig in realistischen Expositionsszenarien und in ihrer Gesamtheit getestet werden statt realitätsfremd als isolierte Komponenten.
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