A.D.H.S. Anhang
[Werner Werner stangl]s arbeitsblätter]
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen
"Und das ist halt auch sehr anstrengend, sich da zu konzentrieren. Es gibt jetzt also, unser Chemielehrer zum Beispiel, den haben wir auch in Biologie, da ist Mitarbeit o. sich konzentrieren
nicht möglich, weil die ganze Klasse, wenn ich es jetzt so ausdrücken darf, scheißt auf den. Dementsprechend sah auch meine Chemienote aus."
In Unkenntnis genauer Verursachungen aber vielfältiger Vermutungen darüber, wurden die verschiedensten Diagnosebezeichnungen geprägt. Diese betonen zunächst das ständige Zappeln und
die exzessive Ruhelosigkeit. Die Kinder werden vorschnell mit stigmatisierenden Begriffen bedacht, wobei Etikettierungen, ständige Vorwurfshaltung und Ausgrenzung die Symptomatik des hyperaktiven Kindes eher fördern. Durch die Sammeltopfbegriffe wird eine gezielte Eingrenzung der tatsächlichen Problematik eines Kindes unmöglich. Zwar ist die Diagnose häufig erst einmal eine Entlastung für die Eltern nach langem Suchen danach, warum das Kind so schwierig ist. Mütter werden vom Umfeld oft damit konfrontiert, dass sie selbst am auffälligen Verhalten des
Kindes schuld seien, und dass sie die Diagnose nur als Entschuldigung benützen. Permanente Schuldzuweisungen (vom eigenen Mann nicht ausgeschlossen) machen das Leben betroffener Mütter
zur Qual, denn die eigene Erziehungsfähigkeit wird angezweifelt. Viele ziehen sich zurück und fühlen sich dann erst recht isoliert. Die Suche nach dem richtigen Therapiekonzept wird für viele Kinder eine Odyssee, denn sie werden von einer Institution zur nächsten geschleppt. Auch die Mütter, die ja vorwiegend mit der Erziehung beauftragt sind, werden von der Umgebung oft verunsichert. Irritiert durch die vielen unterschiedlichen Therapiemethoden, tendieren verzweifelte Eltern oft zu Angeboten, die eine schnelle Heilung versprechen.
Bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen handelt es sich um eine komplexere psychische Störung (= Syndrom), dessen Kernsymptomatik gestörte Aufmerksamkeitsleistungen sind.
Etwa 3 - 5 % der Grundschulkinder leiden darunter. Die Störung wird nach standardisierten Kriterien diagnostiziert. Als Kriterien, die auf eine solche Störungen verweisen gelten Symptome der Unaufmerksamkeit (etwa erhöhte Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit), der Impulsivität (unbedachtes, risikoreiches Verhalten) und der Hyperaktivität (motorische Unruhe), die in charakteristischer Ausprägung und in einem entwicklungsalterinadäquaten Ausmaß vorhanden sein müssen.
Auf diese Störung wird allerdings nur dann erkannt, wenn diese Symptome länger als sechs Monate bestehen, sie vor dem Schuleintritt schon vorlagen und eine Reihe von Ausschlusskriterien
(etwa reaktive Verursachung) nicht zutreffen.
Zwar vermutete man bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung schon seit einiger Zeit, dass die Störung auch teilweise genetisch bedingt ist, denn Kinder eines Elternteils, der an ADHS leidet, zeichen mit höherer Wahrscheinlichkeit diese Symptome, und wenn ein Zwilling ADHS hat, weist der andere diese Störung mit 75-prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf. WissenschaftlerInnen um Anita Thapar (Cardiff University) fanden 2010 bei den betroffenen Kindern eine bedeutende genetische Veränderung, wobei man das Erbgut von 366 Kindern mit
ADHS mit dem von 1047 Kindern ohne die Störung verglich. Bestimmte Abschnitte der DNA, die Genkopiezahlvarianten (CNV), lagen im Erbgut betroffener Kinder entweder in doppelter Ausführung vor o. fehlten.
Neben hochgradig genetisch determinierten und daher wenig veränderbaren Ursachen gibt es auch vorgeburtliche o. frühkindliche Einflüsse, die solche Symptome verstärken. Vor allem ein Gehirnsystem, das die allgemeine Aktivität und Aufmerksamkeit regelt und durch Neuromodulatoren wie Dopamin (anregend, antreibend), Serotonin (dämpfend) und Acetylcholin (steuert Aufmerksamkeit) sowie eine Reihe von Neuropeptiden charakterisiert ist. Dieses System bestimmt die allgemeine Fähigkeit, Dinge und Geschehnisse der Umwelt in ihrer Bedeutung erfassen zu können, und es liegt auch der allgemeinen Lernfähigkeit und Lernbereitschaft zugrunde. Es bildet sich vornehmlich in der frühen Mutter-Kind-Beziehung aus und ermöglichst es dem Säugling und Kleinkind, die Gefühle und Intentionen der Mutter zu erfassen und danach das eigene Ich auszubilden, Impulskontrolle einzuüben und die Grundzüge sozialer Interaktion und des Einfühlungsvermögens (Empathie) auszubilden. Diese Entwicklungsdefizite können genetisch bedingt o. durch vor-/geburtliche/nachgeburtliche Schädigungen hervorgerufen sein, aber auch durch Defizite im Fürsorgeverhalten, die wiederum auf Defizite im Gehirn der Mutter zurückzuführen sind.
In einer amerikanischen Studie zeigte sich, dass von den Kindern, die im Schlaf heftig schnarchen, nach Einschätzung ihrer Eltern 22% unter Verhaltensstörungen wie Unaufmerksamkeit litten, während solche Störungen nur bei 12% bei gelegentlichen Schnarchern auftraten. Man vermutet, dass die vom schlechten Schlaf erschöpften Kinder ihre Müdigkeit durch Hyperaktivität auszugleichen versuchen, was auch erklären könnte, warum paradoxerweise anregende Medikamente wie Ritalin wirksam sind. In neuerer Zeit werden übrigens auch Antidepressiva wie
Strattera (Atomoxetin) verschrieben, die aber nicht so wirkungsvoll sein sollen wie das "Wundermittel" Ritalin.
Diese Störungen werden nach feststehenden Behandlungsstandards (vgl. Arbeitsgemeinschaft der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie 2000, Lauth, Schlottke & Naumann 2000) therapiert. Dazu gehört vor allem eine angemessene Aufklärung des Kindes und seiner Bezugspersonen (Eltern/Lehrer), eine medikamentöse Therapie mit Psychostimulantien, die psychotherapeutische Unterstützung des Kindes (etwa Erlernen von Aufmerksamkeitsprozessen/Behandlung einer depressiven Teilsymptomatik) und die Anleitung der
Eltern bzw. Lehrer (Elterntraining, Beratung des Lehrers). Hierzu gibt es auch praktikable Therapieprogramme (etwa Barkley 1997, Lauth & Schlottke 2000, Döpfner, Schürmann & Frölich 1997, Lehner & Eich 1990).
Man kann sein Aufmerksamkeitssystem in Ansätzen trainieren, schnell von dem einen Reiz auf den anderen zu schalten o. auch weniger von anderen Reizen abgelenkt zu werden. In unserer Gesellschaft hat die Reizüberflutung so zugenommen, dass das Aufmerksamkeitssystem pausenlos damit überfordert ist, das auszuwählen, was wichtig ist. Der Blick ist bei Menschen normalerweise immer dorthin gerichtet, wohin das Aufmerksamkeitssystem auch gerade "hinzeigt". Das optomotorische System, das diese Koordination bewerkstelligt, entwickelt sich bis
zum zwanzigsten Lebensjahr. Jetzt kann man überlegen, was die Kinder bis dahin schon alles machen, mit welchen Aufgaben ihr Gehirn konfrontiert war o. ist. Durch Schule, Film, Fernsehen, Musik und Computerspiele ist ihr Aufmerksamkeitssystem über lange Zeitspannen hinweg vollkommen überfordert worden. Das Aufmerksamkeitssystem von Kindern und Jugendlichen muss
von früh bis spät irrsinnige Leistungen vollbringen. Man sollte ihnen und auch Erwachsenen immer wieder Zeit geben, sich deshalb einmal von den äußeren Reizen abkoppeln zu können.
Für unsere Gesellschaft wird es immer wichtiger werden zu lernen, sich einmal zurückzuziehen. Wenn man das versucht, dann merkt man, dass man dies nicht gut kann, es offensichtlich verlernt hat. Durch Manipulationen der Darstellung (Schnitttempo, rasche Bewegung etc.) wird in der Werbung beispielsweise versucht, die Filterfunktion der Wahrnehmung möglichst zu umgehen. Je besser dies gelingt, desto mehr der Werbebotschaften strömt auf uns ein, auch wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen. Auch dadurch wird unser Aufmerksamkeitssystem dauernd überfordert.
Therapieziel sollte sein, das Kind kompetent zu machen im Umgang mit sich selbst und die erziehende Umgebung kompetent zu machen im Umgang mit dem Kind. Es soll nicht Ziel einer Therapie sein, dass der Sprößling in ein blind-normgerechtes Kind verwandelt wird.
Das Setzen von Grenzen, die dem Kind erläutert werden müssen, ist enorm wichtig, da eine grenzenlose Erziehung die Kinder alleine lässt. Durch die Grenzen erfährt das Kind Halt, Vertrauen, Orientierung und Persönlichkeiten, an denen es sich reiben kann. Ein klar strukturierter Tagesablauf und feste Regeln erleichtern dem hyperaktiven Kind seinen Alltag. Durch langatmige Vorträge und permanentes Schreien erreicht man bei hyperaktiven Kindern keine Einsicht. Ein übereinstimmendes Erziehungskonzept beider Elternteile ist wesentlich.
Gerade auch in der stationären Behandlung ist es wichtig, selbstwertmindernde Botschaften ("Du hast eine Hirnstoffwechselstörung!") zu vermeiden und darauf zu achten, sodass die medikamentöse Therapie nicht als Signal der persönlichen Hilflosigkeit und des Wegfalls autonomer Verantwortung gewertet wird. Denn durch Überwindung der Dualität von Therapieraum und Realitätsraum sowohl durch das Medikament als auch die Klinik besteht in erhöhtem Maße die Gefahr, dass alle Beteiligten den Eindruck gewinnen, die persönlichen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Patienten und seiner Familie seien so minimal, dass therapeutische Maßnahmen ständig notwendig sind. Die gängige Ausdrucksweise, dass der Patient medikamentös ‚eingestellt' wird, unterstellt ein Ausmaß an Passivität, das psychotherapeutischen Interventionen zur Verbesserung von Selbstkontrolle und Autonomie eher zugegen läuft. Viel hilfreicher ist es, dem Patienten zu vermitteln, dass ihm mit ‚seinem' Medikament ein Werkzeug zur Verfügung gestellt wird, das ihn bei sachgerechtem Gebrauch dabei unterstützen kann, das Leben eigenverantwortlich erfolgreich zu meistern.
Inzwischen hat sich allgemein die Meinung durchgesetzt, dass sich die Betroffenen durch das Zappeln selbst therapieren, indem sie ihr träges Nervensystem in Schwung zu bringen, denn durch die ständige Bewegung wird der Kreislauf angekurbelt und in der Folge mehr Dopamin ausgeschüttet.
Hyperkinetische Störungen werden durch mehrere Zuweisungsmerkmale erfasst (Forschungskriterien für hyperkinetische Störungen gemäß ICD-10, Weltgesundheitsorganisation, 1994, S. 187-189):
Durch charakteristische Verhaltensmerkmale für Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität;
Beispielhafte Verhaltensmerkmale dafür sind:
Unaufmerksamkeit: ist unaufmerksam gegenüber Details o. Sorgfaltsfehler, die Aufmerksamkeit kann bei Aufgaben o. bei Spielen häufig nicht aufrechterhalten werden, hört scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird, kann oft Erklärungen nicht folgen, kann häufig Aufgaben und Aktivitäten nicht organisieren,
Überaktivität: fuchtelt mit Händen und Füßen herum, verlässt den Platz im Klassenraum, läuft in unpassenden Situationen herum o. klettert extensiv, ist beim Spielen unnötig laut, legt trotz
sozialer Einflußnahme ein anhaltendes Muster extensiver motorischer Unruhe an den Tag;
Impulsivität: platzt häufig mit der Antwort heraus, kann nicht warten, bis er/sie an der Reihe ist, stört und unterbricht andere häufig.
Diese Verhaltensmerkmale müssen seit mindestens 6 Monaten zu beobachten sein.
Die "Verhaltensprobleme" sollen vor dem siebten Lebensjahr begonnen haben. (Bei Vorschulkindern soll nur eine extreme Ausprägung zur Diagnose führen).
Die Verhaltensprobleme müssen ferner eine in Bezug auf Alter und Entwicklungsstand des Kindes abnorme Ausprägung besitzen; also eine deutliche unangemessene Qualität haben.
Die Hinweise auf Unaufmerksamkeit und Verhaltensmerkmale für Hyperaktivität, müssen in mehr als einer Situation (z.B. zu Hause, im Klassenraum, beim Spielen, in der Klinik) registriert werden, was den Nachweis einer situationsübergreifenden Symptomatik erfordert.
Die genannten Verhaltensmerkmale müssen darüber hinaus so beschaffen sein, dass sie ein deutliches Leiden o. Beeinträchtigungen der sozialen, schulischen o. beruflichen Funktionsfähigkeit beim betroffenen Kind bzw. Jugendlichen verursachen.
Eine Hyperkinetische Störung ist hingegen auszuschließen, wenn anderweitige klinische Auffälligkeiten, wie affektive Störungen, Angststörungen, Schizophrenie, tief greifende Entwicklungsstörungen vorliegen. Ferner ist ein akut einsetzendes hyperaktives Verhalten bei Kindern im Vorschulalter eher als reaktiv bedingt zu sehen (Weltgesundheitsorganisation, 1994).
Aufgrund der Tatsache, dass neben der grundlegenden Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsproblematik auch weitere Sozialstörungen auftreten, wird im ICD-10 zwischen einer einfachen
Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung und einer Hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens unterschieden, bei der zusätzlich zu den Kriterien einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung auch die Kriterien einer "Störung des Sozialverhaltens" (z.B. ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche; wohlüberlegtes Ärgern anderer) erfüllt sind.
Nach Schmidt (o.J.) gibt es zahlreiche Störungsbilder, die eine identische o. sehr ähnliche Symptomatik zeigen können wie ADS bzw. ADHS und die eigentlich differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden müssten. Er listet auf: "Autistische Störungen - Hospitalismus - Bindungsstörung - Reaktionen auf schwere Belastungen - Anpassungsstörungen - Schlafstörungen - stereotype Bewegungsstörung - Störungen des Sozialverhaltens - auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens - Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen - Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen - Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten - Angststörungen - Depression - Ticstörungen - Substanzabusus (Alkohol, Drogen, Koffein, Medikamente) - hebephrene Schizophrenie - Manie - emotional instabile Persönlichkeitsstörung - Borderline-Persönlichkeitsstörung - Anorexia nervosa - Leserechtschreibstörung/Legasthenie - Rechenstörung – Zentrale Hörstörung/auditive Wahrnehmungsstörung - Störung der visuellen Wahrnehmung - kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten - Hochbegabung - Lernbehinderung - Geistige Behinderung - Frühkindliche Hirnschädigungen - Leichte kognitive Störung vor, während o. nach einer Vielzahl zerebraler und systemischer Infektionen und körperlicher Erkrankungen (einschließlich HIV) - Chorea minor (Sydenham) - Enzephalitis (akut o. subakut, z. B. subakute sklerosierende Panenzephalitis) -Enzephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose) - Organische Persönlichkeitsstörung nach lokaler Hirnschädigung - Postenzephalitisches Syndrom - Organisches Psychosyndrom nach Schädel-Hirn-Trauma - Sehstörungen - Hörstörungen - Allergien (z. B. Neuro.mitis) - Epilepsie (Absencen, komplex-partielle Anfälle) - Hyperthyreose - andere Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Phenylketonurie, usw.) - Chromosomale Störungen wie z.B. Fragiles X-Syndrom, Klinefelter-Syndrom, usw.) - neurotoxische Substanzen, z. B. Bleiintoxikation Zink-, Eisen-, Magnesium- o. Vitaminmangel - Medikamentöse Nebenwirkungen (z. B. Phenobarbital, Carbamazepin, Fluoxetin, andere antriebssteigernde Antidepressiva) - Ehekonflikt der Eltern - Krankheitsfall in der Familie - Alkoholproblem o. andere psychische Störung eines o. beider Elternteile - Misshandlung - sexueller Missbrauch - Beziehungsprobleme zu Erziehern/Lehrern und/o. Gleichaltrigen (Spitczok v. Brisinski 2002)."
Zur ADS-Diagnose
Quelle:
http://www.ads-kritik.de/ (05-05-05)
Es gibt keinerlei standardisierte, objektive, valide und zuverlässige Testverfahren speziell für "ADS".
Die Diagnostik bei Kindern beschränkt sich fast ausschließlich auf Verhaltensbeschreibungen der Mütter, seltener der Lehrer o. Erzieherinnen, bei Erwachsenen auf Selbstbeschreibungen. Solche Beschreibungen und die dabei zur Anwendung kommenden Fragebögen sind unzuverlässig, unspezifisch, subjektiv beeinflusst und beziehungsabhängig.
Die sonst oft zur Anwendung kommenden psychologischen o. neurologischen Testverfahren sagen nichts "ADS"-Typisches aus und sind für diese Störung nicht konstruiert o. geeicht.
Die Diagnose mit Hilfe der gängigen Kriterienkataloge des DSM IV und ICD 10 ist nicht beobachterunabhängig . Die Kriterien kranken unter ungenauen o. fehlenden Definitionen und nichtrepräsentativen Häufigkeitsverteilungen ihrer Merkmale.
Die co-morbiden Störungen (z.B. Lernstörungen, Verhaltensstörungen, Wahrnehmungsstörungen etc.) haben einen sehr großen (bis zu 90%) Überschneidungsbereich mit "ADS".
Definitionsgemäß soll "ADS" eine Hirnstoffelwechselstörung zugrunde liegen, diese wird aber, obwohl einzig beweisend, für die Diagnose praktisch nie untersucht.
Untergruppierungen zu "ADS" (mit und ohne Hyperaktivität; mit und ohne Hypoaktivität) sind ungeklärt und differentialdiagnostisch schwierig bis unmöglich sind. "Hyperaktivität" wie auch "Aufmerksamkeit" und "Impulsivität" sind Merkmale, die nicht nur uneinheitlich definiert, sondern auch uneinheitlich o. gar nicht messbar sind, Normen liegen keine vor.
Das Fazit von H.-R. Schmidt: Es gibt Lernstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Konzentrationsstörungen, Verhaltensstörungen etc, die man einzeln und kombiniert relativ gut diagnostizieren kann. Es gibt aber kein Syndrom "ADS", schon gar keines, das man zuverlässig diagnostizieren könnte.
Theorien zur Ursache von Hyperaktivität
Christine Falk-Frühbrodt arbeitet seit vielen Jahren als Erziehungswissenschaftlerin und Lerntherapeutin mit Kindern, deren Eltern und Lehrern, u.a. auf der Basis des Marburger Konzentrationstrainings.
Hyperaktivität ist keine Krankheit, sondern ein Symptom für eine organische Erkrankung o. ein psychisches Leiden. Es gibt keine standardisierten Tests, mit denen sich Hyperaktivität zweifelsfrei diagnostizieren ließe. Hyperaktivität kann eine Vielzahl von Ursachen haben, wobei sich zuerst stets die Frage stellt, ob dieses Verhalten tatsächlich aus dem Bereich der altersgemäßen Entwicklung herausfällt. Hyperaktivität kann organisch (siehe dazu eine mögliche physiologische Basis von ADS) und/o. psychosozial bedingt sein:
Hyperaktivität als Folge von Untererregung
Mangelhafte Durchblutung und damit einhergehende Untererregung im Hypothalamus (Unterversorgung mit Dopamin). Stimulantia wie Ritalin, aber auch koffeinhaltige Getränke, führen paradoxerweise zu einer Beruhigung des Kindes.
Hyperaktivität als Folge von Übererregung
Dopaminüberschuss in den Vesikeln der dopaminergen Präsynapsen.
Hyperaktivität als Folge von Störungen im Glucosestoffwechsel
Mangelhafter Zuckerstoffwechsel führt zu einem Ungleichgewicht von erregenden und hemmenden Zentren im Gehirn, wobei die hemmenden Zentren nicht genügend aktiviert o. stimuliert sind und somit die erregenden Zentren ein Übergewicht bekommen.
Hyperaktivität als Folge von Wahrnehmungsstörungen
Wahrnehmungsstörungen und Probleme bei der Verarbeitung von Informationen, Reize aus der Umwelt werden nur zum Teil aufgenommen, Unterschiede zwischen Reizen werden nicht erkannt.
Hyperaktivität als Folge von Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Nahrungsbestandteile wie phosphathaltige Lebensmittel (widerlegt), Konservierungsstoffe, künstliche Geschmacks- und Farbstoffe, Geschmacksverstärker, in Trauben, Äpfeln, Tomaten, Aprikosen, Orangen und anderem Obst und Gemüse enthaltene Salicylate.
Hyperaktivität als Folge sozialer und erzieherischer Einflüsse
Nachlässige Erziehung, wenig Strukturierung, häufiges Fernsehen und andere passive Aktivitäten.
Hyperaktivität zur Kompensierung von Minderwertigkeitsgefühlen
Soziale Situationen werden nur ungenügend verstanden, Fehldeutungen durch andere Menschen, Selbstwertgefühl reduziert, Unmut und Unsicherheiten werden mit auffälligem Verhalten kompensiert.
Hyperaktivität als Folge familiärer Konflikte
Konflikthaften Beziehungen der Familienmitglieder untereinander, das hyperaktive Kind ist lediglich Symptomträger.
Hyperaktivität als Folge erhöhter Bleikonzentation
Joel Nigg (Oregon Health & Science University) vermutet auf Grund zweier Studien, dass die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung zumindest teilweise auf das Neurotoxin Blei zurückzuführen ist, das sich überall in der Umwelt findet und in jedem Körper nachzuweisen ist. Kinder in den USA, die mit ADHS diagnostiziert waren, hatten gegenüber Kindern in einer Kontrollgruppe höhere Bleiwerte in ihrem Blut. Nigg vermutet, dass Blei indirekt über das Andocken an Genen auch manche psychische Prozesse, vor allem die kognitive Kontrolle, verändert, was letztlich zu Hyperaktivität und Konzentrationsschwäche führt.
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