Aquae allgemein Anhang 2

 

R.S.: möchte daran erinnern, wie das Roncegno-Wasser (= Levico.-Wasser) geradezu durch einen guten Geist zubereitet ist, um so mancherlei Kräfte unter gewissen

Umständen schon in der aussermenschlichen Natur vorzubereiten, die im menschlichen Organismus eine günstige Rolle spielen können... Wie in diesem Wasser in einer ganz wunderbaren Weise die beiden Kräfte des Kupfers und des Eisens gegeneinander abkompensiert sind, und wie dann das Arsen darinnen ist, um dieses Abkompensieren

auf eine breitere Basis zu stellen...".

In 1600m Höhe wurde eine Wasserader entdeckt, die noch heute in ein Steinbecken hineinmündet. Ein farb- und geruchloses, sehr klares Wasser mit einem sehr bitteren Geschmack (durch Gehalt an Eisen und andere Mineralien). Dieses ist das "Stark-Wasser", das für balneologische Behandlungen genutzt und zur oralen Anwendung in Flaschen abgefüllt wird.

Alpenbewohner benutzten das Wasser zur Heilung der Maul- und Klauenseuche Ihres Vieh. So haben Ärzte von der Heilwirkung des Wassers für die Tiere erfahren und wollten seine Anwendung für menschliche Erkrankungen erforschen.

Die Entdeckung des Arsengehalts durch Dr. Pinalli aus Trient führte im Jahre 1816 zunächst zu einem Verbot des "Stark-Wassers". Glücklicherweise haben andere Ärzte die Eigenschaften des "Stark-Wassers" studiert und seine therapeutische Wirkung gerade wegen des Arsen-Gehalts bestätigt.

 

[Martina Schmidt]

Immediat- und Langzeitwirkung einer Balneotherapie mit dem Levico-Wasser in Roncegno, Befunde zur Temperaturreaktion, zur Befindlichkeit und zur Lebensqualität

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund:

In der Balneologie und Klimatologie sind im Laufe der letzten Jahrzehnte durch zahlreiche und vielfältige Kurlängsschnittuntersuchungen neue Erkenntnisse über die umfassenden zu diesen Themen angefertigt und angeregt hat. Analyse und Verständnis der zeitlichen Ordnung reaktiver Vorgänge zeigen eine deutliche Gliederung der reaktiven Umstellungen des Organismus im Kurverlauf, denen periodische Strukturen zugrunde liegen.

Fragestellung:

Ziel der vorliegenden Studie ist, die klinische Anwendung des Levico-Wassers im Rahmen der Bäderkur in Roncegno einer empirisch-wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen, um periodische Strukturen, Adaptationsphänomene und mittel- bis langfristige Kureffekte und Kurerfolge nachzuweisen.

Methodik:

Das Erfassen der regulatorischen Immediateffekte der Temperatur im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Levico-Bad untersucht einen Einzelreiz, welcher den Behandlungsschwerpunkt der Kuranwendung darstellt. Die epitympanale Temperaturmessung ist bei korrekter Messtechnik ein zuverlässiges Verfahren zur Bestimmung der zentralen Körpertemperatur im Bereich des Hypothalamus, dem regulatorischen Zentrum der Körpertemperatur. Die Temperaturmessungen wurden unmittelbar vor dem Bad und am Ende der sich an das

Bad anschließende Ruhezeit durchgeführt. Über einen Zeitraum von knapp 2 Monaten wurden bei allen Patienten die Bäderanwendungen erhielten Temperaturmessungen vorgenommen. So besteht die Möglichkeit die unterschiedlichen Bäder-Formen, die in der Casa di Salute Rafael zur Anwendung kommen, miteinander zu vergleichen.

Mittel- und langfristige Effekte, sowie die Nachhaltigkeit des Kurerfolgs durch die Heilbehandlung in der Casa di Salute Rafael als ganzes, wurden durch eine

Längsschnitterfassung des Outcome-Parameters Befindlichkeit, mittels eines täglich zu führenden Kurtagebuches, und in einer prospektiven Beobachtungsstudie mit 3 definierten Messzeitpunkten (Kurbeginn, nach 14 Tagen Kur, 3 Monate nach Kurbeginn) im Hinblick auf die Lebensqualität (mit dem Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität, HLQ) untersucht.

Kurtagebuch und Lebensqualität-Fragebögen wurden bei Patienten eingesetzt, deren Kuraufenthalt sich mindestens über 14 Tage erstreckte und die Levico-Bäder erhielten.

Ergebnisse:

Die Immediateffekte zeigten eindeutige Ergebnisse der Adaptation, wie sie im Rahmen der Adaptionsphysiologie beschrieben und gefordert werden. Rhythmisch-periodische Reaktionsmuster auf den Einzelreiz des Levico-Bades ließen sich mit der Methode der epitympanalen Temperaturmessung nachweisen.

Die Ergebnisse des Kurtagebuchs zeigten die in zahlreichen Studien nachgewiesenen Verlaufsphänomene im Sinne einer typischen Reaktionsperiodik. Für die Kuranwendung in Roncegno kann festgestellt werden, dass die wichtigen Indikatoren für das Eintreten der therapeutisch angestrebten vegetativen Umstellung nachweisbar sind. Diese treten nur bei positiven Kureffekten im Kurverlauf in Erscheinung.

Weiterhin stellte sich in der Längsschnittdarstellung, und durch die lineare Regression ein Rückgang negativer Befindensurteile im Verlauf der Kuranwendung dar.

Die Auswertung der Lebensqualitätsfragebögen zeigte mittel- und langfristig eine fortschreitende Verbesserung der Lebensqualität in den verschiedenen Subskalen des Tests mit vorwiegend hochsignifikanten Ergebnissen.

Für die Einzelanwendung Levico-Bad belegt die gegliederte Periodik die Kureffekte, die adaptive Modifikation der Temperaturreaktion die Langzeitwirkungen der Kurbehandlung.

Für die Kur als Ganzes zeigen sich die Kureffekte beim Kurtagebuch in den reaktivperiodischen Veränderungen und beim Lebensqualitätsfragebogen in einer hochsignifikanten Verbesserung der Lebensqualität nach zwei Wochen Kur und auch 3 Monate nach Kurbeginn.

Schlussfolgerung:

Durch die Untersuchungen konnten die Kriterien, die für einen erfolgreichen Kurverlauf in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht und beschrieben wurden, für die Kurbehandlung mit dem Levico-Wasser in Roncegno/Italien nachgewiesen werden. Auch die über den Zeitraum des Follow-up anhaltenden und fortschreitenden Veränderungen dokumentieren die Effekte und den Kurerfolg der durchgeführten Behandlung. Das ist im Bereich von Kuranwendungen von besonderer Bedeutung, da sich Behandlungseffekte vor allem langfristig manifestieren.

Speziell die Bäder- und Klimaheilkunde bietet die Möglichkeit zu einer umfassenden Umgestaltung und Umerziehung der Lebensweise in engerem Kontakt mit der natürlichen Umwelt. (Hildebrandt 1962 a)

Diese Möglichkeit der Beeinflussung bewusst und gezielt auszuschöpfen, ist Sinn und Zweck eines Kuraufenthaltes. Um dieses zu erreichen, sind Kenntnisse über die Auswirkung jeder Kurmaßnahme auf den Organismus notwendig. Erst dadurch lässt sich der Kurerfolg oder Misserfolg konkreter prognostizieren.

Eine Kur ist eine komplexe, zeitlich begrenzte, ortsgebundene Behandlung, die sowohl als Prävention, Krankenbehandlung und Rehabilitation angewendet wird.

Kurmittel sind vor allem das Heilklima und die lokalen Heilquellen, die als Bäder oder Trinkkuren angewendet werden.

Der wesentliche therapeutische Ansatz ist die Reizwirkung der klimatischen Einflüsse und balneologischen Anwendungen, die letztlich zu einer zentralen vegetativen Umstimmung des Organismus führen sollen, und damit die gesundheitsfördernden Reaktionen stimulieren.

Durch vielfältige Kurlängsschnittuntersuchungen sind im Laufe der letzten Jahrzehnte neue Erkenntnisse über die umfassenden vegetativen Gesamtumschaltungen gewonnen worden, welchen der Organismus im Rahmen eines Kuraufenthaltes unterworfen ist. Die einzelne therapeutische Maßnahme, das einzelne medizinische Bad muss im Gesamtzusammenhang aller anderen Kurfaktoren gewertet werden (Kleinschmidt et al, 1973)

 

Diskontinuierlich-iterative Reizfaktoren

Zu den kontinuierlich wirkenden Basisbedingungen des Kurortes kommen nun die gezielten Reizanwendungen der Kurmittel, die diskontinuierlich-iterativen Charakter haben und strenger dosiert werden:

- balneotherapeutische Applikationen, z.B. Bäder, Packungen, Inhalationen

- physiotherapeutische Anwendungen, z.B. Massagen, KG, Wärmeanwendungen

- Hydrotherapie, z.B. Kneipp-Güsse

- Psychotherapie, Musiktherapie, Heileurythmie, Kunsttherapie u.v.a.m

Kurmittelanwendungen stellen in der Regel stärkere Reize dar, so dass sich eine kontinuierliche Anwendung verbietet. Ihre Immediat-Wirkungen dauern durchweg kürzer an als Effekte pharmakologischer Einzelgaben. Vor allem werden sie nicht in solchen Abständen wiederholt, wie es zur kontinuierlichen Erhaltung ihrer Immediatwirkungen erforderlich wäre.

Vielmehr werden Intervalle freigelassen in denen der Organismus Gelegenheit findet, seine eigenen Reaktionen zu entfalten und zu kompensieren. Die Schon- und Ruhezeiten zwischen den einzelnen Reizanwendungen dienen den autonomen Leistungen des behandelten Organismus. Auch die Mittagsruhe und der frühe Nachtschlaf haben diese besondere Bedeutung. Die Kurbehandlung steht somit in einem prinzipiellen Gegensatz zu den Verfahren der medikamentösen Therapie, wo eine möglichst kontinuierliche Wirkung angestrebt wird.

Ziel der Kur ist nicht Summierung oder Fixierung der Immediateffekte, die dem angestrebten Ziel häufig entgegengerichtet sind (wiederholte Ermüdung nach körperlichem Training soll nicht eine summative Steigerung der Ermüdung, sondern eine Verminderung der Ermüdbarkeit, eine Leistungssteigerung bewirken). Demnach werden langfristige reaktive Umstellungen des Organismus ausgelöst, die, dem Wirkungsmechanismus der Adaptation entsprechend, zu einer Modifikation der Reizantwort führen

 

Die zeitliche Gliederung der reaktiven Umstellungen im Kurverlauf ist sowohl im subjektiven Erleben des Patienten als auch an objektiven klinischen Erscheinungen so auffällig, dass sie schon den Badeärzten früherer Jahrhunderte geläufig und vielfach auch Ausgangspunkt einer Prognostik des Kurerfolges waren (Kukowka 1972, Hildebrandt, 1975, u.a.).

Dem Reaktionsmuster des Kurverlaufs liegen periodische Strukturen zugrunde. Das durchschnittliche Verhalten größerer Kollektive entspricht Interferenzbildern, in denen

einzelne periodische Strukturen mehr oder weniger dominieren.

Bisher wurden im Wesentlichen 2 Haupttypen von Reaktionsmustern im Kurverlauf abgegrenzt:

- Frühreaktives Muster: es ist charakterisiert durch das Dominieren einer etwa 7-tägigen Periodik (Zirkaseptanperiodik als Submultiple des Monatsrhythmus) und die frühe Lage des Reaktionsmaximums.

- Spätreaktives Muster: es ist charakterisiert durch das Überwiegen längerer reaktiver Perioden von etwa 10 Tagen Periodendauer (Zirkadekanperiodik) und aufschwingender Amplitude, so dass das Reaktionsmaximum erst in der 2. Hälfte einer 4-wöchigen Kur erreicht wird.

Die Abgrenzbarkeit zweier verschiedener Reaktionsmuster mit unterschiedlichen periodischen Komponenten macht es wahrscheinlich, dass therapeutisch nutzbare Reaktionen von 2 verschiedenen Integrationsebenen gesteuert werden können.

Mit großer Regelmäßigkeit ist das frühreaktive Muster im Kurverlauf der verschiedensten Funktionsgrößen nachzuweisen, und zwar auch im mittleren Verhalten von nicht weiter differenzierten Patientengruppen. Bei ergotroper (sympathikotoner) Ausgangslage ist die zirkaseptane Reaktionsperiodik besonders charakteristisch. Dem entspricht auch die zeitliche Anordnung der so genannten Kurkrisen.

Die charakteristische Periodendauer und der große Umfang der beteiligten Funktionen weisen dieses Reaktionsmuster des Kurverlaufs als Ausdruck einer unspezifischen vegetativen Gesamtumschaltung mit dem Ziel einer funktionellen Adaptation aus. Die Übereinstimmung der Phasenlage verschiedener Kollektive lässt vermuten, dass die reaktive Periodik bereits zu Kurbeginn, d.h. durch Klima- und Milieuwechsel angestoßen wird, während die nach Zeitpunkt und Stärke variabler eingesetzten therapeutischen Einzelreize möglicherweise eher den weiteren Verlauf (Dämpfung) beeinflussen. Bei einer einheimischen unbehandelten Vergleichsgruppe tritt die zirkaseptane Reaktionsperiodik nicht auf (Hildebrandt und Geyer 1979, Hildebrandt u. Mitarb., 1980)

Es liegen zahlreiche klinische Erfahrungen über Kurverläufe vor, bei denen das Reaktionsmaximum erst in der zweiten Kurhälfte, meist am Ende der 3. Kurwoche, erreicht wird.

Das spätreaktive Verlaufsmuster tritt in erster Linie bei trophotropen (vagotonen) Reaktionslagen auf. Es scheint auch bei bestimmten Kurformen, z.B. Hochgebirgsklimakuren, zu dominieren (Jungmann, 1962).

Vieles spricht dafür, dass es sich um eine, gleichfalls zu Kurbeginn angestoßene, Periodik von etwa 9-10 Tagen Periodendauer handelt (Zirkadekanperiodik), deren Amplitude aufschwingt, so dass das Maximum im Bereich des 20. Kurtages erreicht wird.

Andererseits sind auch 5-tägige Perioden im Kurverlauf einzelner Funktionsgrößen abgegrenzt worden. Es kann daher vermutet werden, dass das spätreaktive Verlaufsmuster von einem System ganzzahlig koordinierter Perioden geformt wird, die engere Beziehungen zum Bereich der Submultiplen des Jahresrhythmus aufweisen und daher eher trophisch-plastische Adaptationsprozesse impulsiveren. Mit fortdauernder Reizbelastung bestimmen dann aber die höheren Integrationsebenen das reaktive und adaptive Verhalten. Für eine initiale Beteiligung kürzerer Perioden spricht die Beobachtung, dass im Bereich des 3. Kurtages ein kritisches Reaktionsmaximum durchlaufen werden kann.

Bei der Vielfalt der verschiedenen Reizerlebnisse im Kurverlauf ist es erstaunlich, dass sich überhaupt so klare und einheitliche Reaktionsmuster abgrenzen lassen. Dies ist nur dadurch möglich, dass die reaktiv-periodischen Vorgänge zugleich mit Schwankungen der Empfindlichkeit gegenüber weiteren Reizbelastungen einhergehen.

Charakteristisch für alle Formen der Kurbehandlung ist die Tatsache, dass der therapeutische Effekt keine kontinuierlichen Fortschritte macht, sondern in der Regel von einer oder mehreren Phasen unterbrochen wird, in denen sich der Zustand des Patienten subjektiv wie objektiv vorübergehend verschlechtert. Diese so genannte Kurreaktionen, die sich zur Kurkrise zuspitzen können, sind schon lange unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt und mit den reaktiven Umstellungen des behandelten Organismus in Zusammenhang gebracht worden. Erst systematische Kurlängsschnittuntersuchungen haben es möglich gemacht, die Kurreaktion als Bestandteil des Reaktionsmusters im Kurverlauf zu identifizieren und damit in größere Zusammenhänge einzuordnen.

Im Vordergrund stehen Allgemeinsymptome wie Innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit, Abgeschlagenheit, Stimmungslabilität, Appetenzminderung sowie Einschlaf- und Durchschlafstörungen bei bedrückendem Trauminhalt.

Dazu treten verschiedene „vegetative Missempfindungen“, die auf Herz- und Kreislauffunktion, Atmung und Verdauungstrakt, auf die Temperaturregulation bezogen werden.

Vorzugstermine der Kurreaktionen liegen im Bereich des 7.-12. Kurtages sowie des 18.-22. Kurtages.

Somit erweisen sich die Kurreaktionen als Bestandteil der Reaktionsperiodik des Kurverlaufs.

Sie sind den extremen Auslenkungen und damit zugleich den Umschaltphasen zugeordnet, in denen sich die Tendenz der vegetativen Steuerung umkehrt. Auch im engeren Zeitraum einer

Kurreaktion wurden sehr unterschiedliche und ambivalente Verhaltensweisen der vegetativen Funktion gefunden.

Solange die kompensatorischen Fähigkeiten des Organismus ausreichen, um die notwendige Dämpfung des Reaktionsprozesses aufzubauen, darf die Kurreaktion als Indikator eines erwünschten Vorganges angesehen werden.

Die Größenordnungen der reaktiven Perioden, die das Reaktionsmuster des Kurverlaufs gestalten, und die Zeitkonstanten, die dabei in Betracht kommen, lassen erwarten, dass die beteiligten vegetativen Steuerungen überwiegend hormonaler Natur sind. In Übereinstimmung mit der Vorstellung, dass die Immediatreaktionen nach einzelnen Kurmittelanwendungen überwiegend mit Schwankungen des vegetativ-nervösen Tonus einhergehen, sind die daran beteiligten hormonellen Begleitreaktionen nur kurz dauernd, meist gering und nicht regelmäßig nachweisbar.

Im Zusammenhang mit den chemischen und thermischen Badereizen haben die in den peripheren Geweben freigesetzten Hormone (Azetylcholin/Histamin u.a.) seit langem ihre Bedeutung für die Erklärung von Immediatwirkungen. Besonders im frühreaktiven Verlaufsmuster entwickelt sich die Kurkrise unter Steigerung des sympathikoton-ergotropen Antriebs. Zunahme der Katecholaminausscheidung im Harn und des Plasma-Histaminspiegels scheinen die Erscheinungsformen der Badereaktion zu erklären.

Von den trophotrop wirkenden Hormonen haben die Kortikosteroide die größte Beachtung gefunden. Die hormonale Aktivität der Nebennierenrinde zeigt während der Badereaktion eine deutliche Beziehung zur Schwere der Reaktion.

Eine Verminderung der Steroidausscheidung, die zur Bildung einer krisenhaften Exazerbation führt, scheint schon Zeichen der Desorganisation der neurohumoralen Regulation infolge Reizüberlastung zu sein.

Die Veränderung der Nebennierenaktivität ist keineswegs ein einseitig gerichteter und stetig fortschreitender Vorgang, sondern es handelt sich um komplizierte phasisch-periodische Muster, wie sie der erwarteten Bedeutung dieser Hormone im Rahmen der Steuerung der Reaktionsperiodik entspricht.

Es scheinen Unterschiede zwischen den einzelnen Kurformen zu bestehen.

Die bis zum Kurende eingetretenen subjektiven und objektiven Veränderungen, die den Kureffekt bzw. das Kurergebnis ausmachen, können nicht ohne weiteres mit dem Erfolg der Kur gleichgesetzt werden. Die reaktiven Prozesse müssen am Ende einer 4- oder 6-wöchigen Behandlung durchaus noch nicht abgeschlossen sein. Zum anderen kann die Fortsetzung dieser reaktiven Vorgänge durch die Rückkehrreaktion mehr oder weniger gestört werden. Der Kurerfolg ist nicht ein stabiler Zustand, sondern ein dynamischer Ablauf, der erst Monate nach der Kur beurteilt werden kann.

Vergleichsuntersuchungen zwischen Kureffekt und Kurerfolg nach 3-6 Monaten haben bei verschiedenen Kurformen übereinstimmende Ergebnisse erbracht.

Die häufigste Differenz zwischen Kureffekt und Kurerfolg bestehen darin, dass sich Befund und Befinden nach der Kur auch dort noch verbessern können, wo zunächst kein positiver Kureffekt feststellbar war. Im Nachkurverlauf der Leistungswerte wurden Anhalte dafür gewonnen, dass der Langzeitkurerfolg selbst einen periodisch gegliederten Prozess mit einer Periodendauer von etwa

9 Monaten darstellt.

Seit weit über 100 Jahren wird das Levico-Wasser in den Kurorten Levico, Roncegno und Vetriolo im Valsugana/Italien bei einer Vielzahl von Patienten aus aller Welt in der balneologischen Kurbehandlung angewandt.

In der Casa di Salute Raphael (Raphael-Sanatorium) in Roncegno wird die Kuranwendung mit dem Levico-Wasser mit anderen Therapien der Anthroposophischen Medizin kombiniert.

Die Anwendungen differenzieren sich zum einen in permanent einwirkende therapeutisch verwandte Wirkfaktoren wie Klima, milieubedingte Schonfaktoren, Entlastung, Luftqualität,

Licht, Wärme und Kälte, Tagesrhythmik und biologisch-dynamische Lebensmittelqualität, und zum anderen in die gezielten, dosierten, natürlichen Heilfaktoren im Sinne einer Reiz-Reaktions-Therapie mit dem Ziel der Auslösung, Stimulation oder Unterstützung der dem Organismus bzw. dem Individuum potentiell innewohnenden Selbstregulations-Selbstordnungs- und Selbstheilungskräfte (HILDEBRANDT, 1980, MC GAW 1980) wie verschiedene Bäder, Rhythmische Massage, Packungen und Einreibungen, Heileurythmie,

Maltherapie, Plastizieren, sowie anthroposophische Medikation.

Thermische Wirkungen der Bäder

Warme Bäder (bis 38°C) sind als medizinische Bäder mit und ohne Badezusätze weit verbreitet. Die in warmen Bädern eintretenden Umstellungen des Organismus sind an wichtigen Parametern von Kreislauf und Stoffwechsel abzulesen. Für die Veränderung verschiedener Kreislaufparameter gelten Abhängigkeiten von der Badetemperatur, der Dauer und Konsistenz des Bades

(Witzleb, 1962; Jungmann, 1964; Drexel 1970, 1973).

Der Wärmebestand des Organismus wird in der bis zu 4 Minuten dauernden Anfangsphase des Bades zunächst lediglich in der Körperschale aufgefüllt, vor die Körperkerntemperatur ansteigt.

Im Übrigen ist das zeitliche Verhalten der verschiedenen Funktionsgrößen im warmen Bade auch von der thermischen Vorgeschichte abhängig, da die Körpertemperatur erst dann

ansteigt, wenn die Körperschale durch die aufgenommene Wärme die Kerntemperatur erreicht. Im Wasserbad ist nur in einem engen Bereich von Badetemperaturen nach längerer Badedauer eine gewisse Konstanz der Temperaturverteilung zu erreichen (Dirnagel und Drexel, 1961).

In warmen Bädern wird in der Haut vermehrt Azetylcholin freigesetzt (Gollwitzermeier und Bingel, 1933), auch das Auftreten von Bradykinin soll durch direkte Wirkung

auf die Gefäße an der peripheren Gefäßdilatation beteiligt sein.

Der Körper kann den Wärmeaustausch mit dem Bad nur durch Veränderung der Durchblutung in der Körperschale, die etwa 35% der Gesamtkörpermasse ausmacht und als Puffer zwischen Körperkern und Umwelt dient, beeinflussen. Es bestehen aber große Unterschiede zwischen den verschiedenen Körperregionen. Besonders günstige Vorbedingungen für die regulatorischen Änderungen des Wärmedurchgangs der Körperschale herrschen an den Extremitäten.

Außerdem steht dem Körper die Steuerung der Wärmeproduktion als Ausgleichsmaßnahme zur Verfügung.

Die in der Bäderkunde bevorzugt verwendeten Reize treffen im Organismus auf besonders vielfältig abgestufte Rezeptorsysteme. Die ausgeprägte Tiefenstaffelung der Rezeptorsysteme lässt die vielfältige Abstufung therapeutischer Reaktionen im vegetativ-autonomen Bereich erkennen, die allein durch die mehr oder weniger große Tiefenwirkung von Warn- und Störreizen gegeben sind. Die afferenten Strukturen werden schwerpunktmäßig unterschiedlichen Regionen des Zentralnervensystems zugeleitet.

- Die der bewussten Wahrnehmung dienenden exterozeptorischen Afferenzen erreichen über thalamische Strukturen die Großhirnrinde.

- Die propriozeptorischen Informationsleitungen enden v.a. im Rauten- und Kleinhirnbereich als dem Zentrum der unbewussten Sensomotorik.

- Die enterozeptorischen Afferenzen schließlich erreichen vornehmlich die vegetativen Zentren in Hypothalamus, Mittel- und Rautenhirn.

Die von den Rezeptoren des protopathischen Systems der Körperoberfläche sowie aus dem enterozeptorischen System einlaufenden Informationen werden in markärmeren, dünneren und weniger schnell leitenden Nervenfasern zentralwärts geführt. Für diese ist eine besonders starke Ausbildung kollateraler Verbindungen zum vegetativ-autonomen System kennzeichnend. Bei C-Faser-Reizung (Schmerz, Temperatur, etc.) kommt es stets zu supraspinaler Generalisation der sympathischen Miterregung Koizumi und Brooks 1972).

Die thermoregulatorischen Reaktionen werden durch Erregung thermosensibler Strukturen ausgelöst, die in einer charakteristischen Tiefenstaffelung in Haut, Eingeweiden, Rückenmark, Medulla oblongata, Mittelhirn und Hypothalamus verteilt sind. Auch die steuernden bzw. regelnden Zentren sind hierarchisch gestaffelt in Rückenmark, Hirnstamm und Hypothalamus angeordnet (Brück, 1970, 1980, Simon, 1974). Der jeweilige Erregungszustand der thermoregulatorischen Zentren ist das Ergebnis einer integrativen Berücksichtigung aller oberflächlichen und tiefen Afferenzen. Auch unspezifische Miterregungen, z.B. bei psychischen Reaktionen und motorischer Aktivität, können zu Sollwertverstellungen im System der Thermoregulation führen.

In kalten und warmen Bädern werden die ersten Reaktionen in der Regel über eine Erregung der Thermorezeptoren der Haut ausgelöst, die in unterschiedlicher Dichte auf der Körperoberfläche verteilt sind.

Die Tendenz zu Irradiation und Generalisation der afferenten Erregungsausbreitung kommt auch im humoralen Transport von Erregungsstoffen (Transmittern, Stimulonen) zum Ausdruck, die als Reizfolge in den Geweben entstehen bzw. aus Reservoiren freigesetzt werden (Histamin, Bradykinin, Serotonin, Prostaglandine, Substanz P, Azetylcholin, Adrenalin bzw. Noradrenalin etc.).

Sämtliche Afferenzen werden durch Kollateralen dem unspezifischen Aktivierungssystem der Formatio reticularis, speziell des Hirnstamms, zugeschaltet. Der dadurch mögliche generalisierende Erregungseffekt ist aber wiederum besonders ausgeprägt für afferente Impulse aus denjenigen Modalbezirken, die therapeutisch bevorzugt genutzt werden (Müller-Limmroth, 1973, 1986)

Chemische Wirkungen der Bäder

Der großflächige Kontakt mit dem Bademedium, das in der Balneotherapie stets von besonderer chemischer Beschaffenheit ist, lässt auch chemische Wirkungen des Bades erwarten.

Chemische Bäderwirkungen sind grundsätzlich über folgende Wege und Mechanismen möglich:

- Perkutane Absorption (Penetration, s. 1.4.1) von Wasser und in Wasser gelösten Stoffen durch die Haut in Kreislauf und Lymphbahnen.

- Ablagerung (Deposition und Absorption, s. 1.4.2) von Wasser und Badeinhaltsstoffen in der Haut, wodurch Funktionsänderungen des Hautorgans eintreten und zum Ausgangspunkt weiterer Wirkungen im Organismus werden können (Mediatorfunktion der Haut).

- Auswaschung (Elution, s. 1.4.3) hauteigener und körpereigener Substanzen aus der Haut mit der Möglichkeit, den Hautstoffwechsel und von dort aus den

Gesamtorganismus zu beeinflussen.

Perkutane Absorption

Die Haut ist beim Menschen keineswegs wasserdicht. Es findet ein auf Diffusion beruhender Wassertransport in beiden Richtungen statt (KÜHNAU, 1962). Im Bad lässt sich schon nach 10-15 Minuten radioaktiv markiertes Wasser in Blut und Harn nachweisen (Drexel und Dirnagel, 1963).

Die perkutane Wasseraufnahme im Vollbad erreicht Werte von 20-40g/m²/h oder 3,0-5,7μl/cm²/h (Pratzel, 1976, Drexel und Dirnagel, 1963).

Die Epidermis bietet aufgrund ihrer anatomisch-physiologischen Eigenschaften Voraussetzungen für ein relativ rasches Eindringen von Substanzen in das Stratum corneum, dessen Hohlräume als Reservoir dienen können.

Die anfängliche Imbibition der Hornhaut hat einen erheblichen Anteil an der gesamten Wasseraufnahme, weshalb die Wasserabsorption nach Sättigung der Hornhaut mit längerer Badedauer stark zurückgeht.

Bedeutsam ist die Vehikelfunktion des interzellulären Wassertransports für die in ihm gelösten Mineralstoffe. Mithilfe von Isotopentechniken sind die perkutanen Absorptionsquoten für alle balneotherapeutisch wichtigen Badeinhaltsstoffe in den letzten Jahrzehnten quantitativ bestimmt worden (Kühnau, 1962, Lotmar, 1962 Hagmüller und Hellauer, 1963, Drexel und Dirnagl, 1968, Drexel et al, 1970, Pratzel und Schnizer 1992).

Ionisierte Badeinhalsstoffe werden während eines Vollbades von therapeutisch üblicher Dauer in deutlich geringeren Mengen absorbiert, als es dem täglichen Umsatz bzw. Tagesbedarf entspricht, auch unter Berücksichtigung der so genannten Nachresorption von während des Bades in der Haut abgelagerten Stoffmengen. Lipo- und hydrophile Badeinhaltsstoffe (z.B. auch Arsen) können in beträchtlich größeren Mengen durch die Haut aufgenommen werden.

Durch Anreicherung in den lebenden Schichten der Epidermis sowie durch Einwirkung auf Gefäße, Nerven und z.B. immunkompetente Zellen der Haut, sowie durch Verteilung im Gesamtorganismus sind durchaus therapeutisch relevante Effekte zu erwarten.

Die transfollikuläre Passage entlang der Haarschäfte hat den größten Anteil der Absorptionsquote.

Deposition, Adsorption und Nachresorption

Höherwertige Ionen werden von der Hornhaut stärker und weniger reversibel adsorbiert als niederwertige. So lassen sich Jod, Eisen und Arsen nach Aufnahme in die Hornhaut nur teilweise mit destilliertem Wasser wieder ausspülen, während Natrium nahezu vollständig wieder gewonnen werden kann. Sie beeinflussen auch die weitere Anreicherung dieser Stoffe.

Sie Verbleiben nach dem Abtrocknen in der Haut und bilden ein Stoffdepot, aus dem die Substanzen auch weit über das Bad hinaus nachresorbiert werden können. Um die

Nachresorption nicht zu behindern, gilt es daher als Regel, die Haut nach Heilwasserbädern nicht abzuwaschen.   

Elution der Haut im Bade

Die zu etwa 30% in der Hornhaut enthaltenen wasserlöslichen Stoffe werden zur Hälfte von der Summe der freien Aminosäuren gestellt (Drexel und Dirnagl, 1968, Leonhardi et al, 1980).

Das Herauslösen der Stoffe ist durch ein initiales Maximum gekennzeichnet, dessen Breite der üblichen Badedauer entspricht, und von dem aus die Kurve auf ein sehr viel

niedrigeres Niveau oder gegen Null zurückgeht. Die Elution im Bad wird stark von Konzentration und Zusammensetzung der Badeflüssigkeit beeinflusst. So wird die Elution von Aminosäuren

in 10%iger Kochsalzlösung gegenüber 0,9%iger Lösung verdreifacht (Drexel und Dirnagel, 1968)

Die Haut als Vermittler chemischer Bäderwirkungen

Die Haut wird durch Heilwasserbäder „in einen anderen Status versetzt“ (Kühnau, 1960) und kann Vermittlerorgan für Bäderwirkungen auf den Gesamtorganismus sein.

Da feststeht, dass durch perkutane Stoffaufnahme oder Stoffabgabe in mineralstoffhaltigen Bädern keine relevanten Einflüsse auf die Stoffbilanzen des Organismus ausgeübt werden

können, konzentrieren sich die Fragen einer chemischen Bäderwirkung auf die Möglichkeiten einer primären Beeinflussung des Hautorgans und seiner Stoffwechselleistungen und die davon ausgehenden nervalen wie humoralen Fernwirkungen im Körper (Kühnau, 1960, 1962, Schmidt-Kessen, 1962, Pratzel, 1964, Drexel et al, 1970, Pratzel und Schnizer ,1992).

Dabei kann grundsätzlich vorausgesetzt werden, dass die Veränderungen im Stoffgehalt der Haut den Bereich lebender Epidermiszellen erreichen müssen, bevor pharmakologische Effekte ausgelöst werden können (Pratzel, 1976).

Bei der hohen Empfindlichkeit der Lebensfunktionen gegenüber jeglichen Änderungen des physikochemischen Milieus ist anzunehmen, dass das Eindringen von Ionen aus dem Bad und die Elution aus der Haut schon in sehr geringen Mengen zu differenzierten Änderungen der nervösen und Stoffwechselleistungen der Haut führen. Veränderungen des vegetativen Tonus der Haut durch Bäder wurden zuerst von Stahl (1923) nachgewiesen.

Die Epidermis, die im Gesamtgewicht nur einen geringen Teil des Hautorgans ausmacht, hat den weitaus größten Stoffumsatz und die Aktivitäten der Epidermisenzyme werden von keinem anderen Organ erreicht (Pratzel, 1968). Hier sind vielfältige Beeinflussungsmöglichkeiten des Stoffwechsels gegeben. Dabei ist die gleichzeitige Beeinflussung der Hautdurchblutung wichtig, die überwiegend von thermischen Einflussgrößen abhängig ist.

Die Haut ist auch ein wichtiges Immunorgan des Körpers. Den in der Epidermis gelegenen Langerhans-Zellen kommt eine entscheidende Rolle bei der Regulation der zellulär vermittelten Immunantwort zu (Pratzel und Artmann, 1990, Pratzel und Schnizer 1992).

Im Vordergrund der Reaktion des Hautstoffwechsels steht die Aktivierung proteolytischer Abbauvorgänge von hochmolekularen Eiweißverbindungen. Die entstehenden Abbauprodukte sind Peptide mit hormonartigen Wirkungen, die auf dem Blutwege umfassende Sekundärreaktionen im Inneren des Organismus auslösen können (Kühnau, 1962), u.a. an Gefäßsystem, glatter Muskulatur, Verdauungsdrüsen, Intermediärstoffwechsel und vegetativhormonalem

System:

- Azetylcholin (parasympathische Reaktionen. Gollwitzer und Bingel, 1933, Lotmar, 1967),

- Histamin (Steigerung der Durchlässigkeit der Kapillarwände, Überträgerstoff im Nervensystem, Wirkung durch ACTH-Ausschüttung aus der Hypophyse auf Nebennierenrinde. Gutenbrunner und Geis, 1985),

- Serotonin (enge Beziehung zu zentralnervösen Funktionen. Kühnau 1962)

- Bradykinin (wahrscheinlich diuretischer Effekt des Bades, Gefäßerweiterung. Fox und Hilton, 1958, Lewis, 1963).

- Weitere Wirkstoffe von Peptidcharakter scheinen eine aktivierende Wirkung auf das retikuloendotheliale System und die Immunantikörperbildung zu haben und man muss annehmen, dass sie wie das Histamin in die Steuerung der langfristigen adaptiven Umstellungen des Organismus einbezogen werden.

METHODIK

Allgemeine Übersicht

Die Untersuchungen wurden in den Jahren 2000-2003 durchgeführt an der anthroposophischen Kureinrichtung „Casa di Salute Raphael“ in Roncegno, einem italienischen Dorf, das in einem Tal der auslaufenden Alpenkette des Trentino liegt. Die Kureinrichtung steht unter der ärztlichen Leitung von Dr. med. Vincenzo Bertozzi. Die Patienten werden auch behandelt von Dr. med. Stefano Gasperi, der sich nahezu um alle deutschen Patienten kümmert, und Dr. med. Elio D’Annunzio.

Behandlung in der Casa di Salute Rafael

Arbeitsschwerpunkte des Einrichtung sind die Behandlung von Erschöpfungszuständen, verzögerter Rekonvaleszenz, Erkrankungen des Bewegungsapparates, Kräfteverfall bei Karzinomerkrankungen und nach Chemo- bzw. Strahlentherapie, Leukämie, Anämie, Atemwegserkrankungen, Arthrose, Hypo- und Hyperthyreose, Hypo- und Hypertonie.

Die Öffnungszeiten des Hauses sind in jedem Jahr von März bis November.

Patienten

Bei den in die Studie aufgenommenen Teilnehmern handelte es sich vor allem um Kurpatienten aus Italien, Deutschland und der Schweiz, die wegen unterschiedlicher, den

Arbeitsschwerpunkten des Hauses entsprechender Diagnosen eine Kurmaßnahme durchführen wollten und zumeist nur geringe Zuschüsse von den Versicherungsträgern für den Kuraufenthalt und die Anwendungen erhielten.

Voraussetzung für die Teilnahme an den beiden Fragebogen-Studien war ein Mindest-Kuraufenthalt von 14 Tagen und Bäderanwendungen mit dem Levico-Wasser.

Für den Studienteil der Immediateffekte gab es im Sommer 2000 eine orientierende Erhebung der epitympanalen Temperaturen bei Patienten, die Levico-Bäder erhielten, im Sinne einer Pilotstudie. Die in die Dissertation eingehende Temperatur-Studie wurde bei allen Patienten, die im Zeitraum Juli/August 2003 Bäderanwendungen erhielten, durchgeführt.

Patientenkollektiv der Fragebogen-Studien

Für die drei unterschiedlichen Untersuchungsverfahren, die in der Studie angewandt werden, gibt es nur teilweise Überschneidungen zwischen den Patientenkollektiven. Das liegt daran, dass die Temperaturmessungen in zwei zeitlich begrenzten Perioden von jeweils 5-6 Wochen im Sommer 2000 und im Sommer 2003 durchgeführt wurden, während die Fragebögen in den Jahren 2000-2003 jeweils über die gesamte Kursaison von März bis November an die Kurgäste ausgegeben wurden.

Art der Behandlung

Der Kurbehandlung besteht in unterschiedlicher Zusammensetzung aus balneologischen Anwendungen mit dem Levico-Wasser, Inhalationen und innere Anwendungen mit dem Levico-Wasser, Packungen und Wickel, Physiotherapie und Massagen, sowie Kunsttherapie, Heileurythmie, Diät und anthroposophisch-medikamentöser Therapie.

Das Levico-Bad

Patienten die als balneologische Therapie ausschließlich Levico-Bäder verordnet bekommen, erhalten täglich ein mit dem „Stark-Wasser“ aufbereitetes Bad. Dieses wird von dem Bäderpersonal in der Konzentration vorbereitet, die individuell vom behandelnden Arzt verschrieben wird. Die Bäder beginnen im Allgemeinen mit 5-10 Liter „Stark-Wasser“ auf ein Vollbad von ca. 200 Liter, die innerhalb der ersten Tage auf etwa 20 Liter gesteigert, und in den folgenden Tagen wieder gesenkt werden.

Die Bäder werden von Montag bis Samstag im Laufe des Vormittags in einem Zeitraum von 8-12 h. durchgeführt. So erhalten die Patienten 6 Bäderanwendungen pro Woche.

Das Levico-Bad dauert 10 Minuten. Mit einer Badtemperatur von 37°C handelt es sich um ein Warmbad (eine weit verbreitete Form des medizinischen Bades mit und ohne Badezusätze).

Eine Uhr gibt nach Ablauf der 10 Minuten ein akustisches Signal. Einer der Bademeister kommt daraufhin in den Raum und reicht dem Patienten ein vorgewärmtes großes

Baumwolltuch, in das er sich, unmittelbar nachdem er aus der Wanne gestiegen ist, einwickelt und sich sogleich im gleichen Raum oder einem Nebenraum auf eine mit einem Laken und einer Wolldecke vorbereitete Liege legt. Das Badepersonal schlägt den Patienten zunächst in das Laken ein und modelliert dann die Wolldecke um den Köper, sodass der Patient in einer ihn ganz umschließenden Packung liegt. Er hat sich inzwischen nicht abgetrocknet und das Wasser bedeckt noch die Haut.

In der Ruhepackung verbleiben die Patienten 30 Minuten.

Die erste Temperaturmessung der Patienten erfolgte unmittelbar vor dem Levico-Bad, die zweite Messung nach Beendigung der 30-minütigen Ruhepackung.

3.4. Untersuchungsmethoden

Aufgrund des komplexen Therapieangebotes und der zahlreichen Einflussfaktoren einer Kurbehandlung sind Wirksamkeitsnachweise für einzelne Maßnahmen in Form klinischer

Studien schwierig. Um dennoch Aussagen über Qualität, Effektivität und Nachhaltigkeit des Kurverfahrens zu erhalten, werden daher andere Konzepte der wissenschaftlichen Forschung

herangezogen, die in Form von Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungssystemen Struktur-, Ergebnis- und Prozessqualität der eingesetzten Therapien darstellen und

analysieren. Entsprechende Forschungen sind unter anderem im Klinikverbund „Münchener Modell“ durchgeführt und (Melchart, D et al. 1994, 1996, 1997, 1998) beschrieben worden.

Die Untersuchungsmethoden dieser Studie sind:

- Immediateffekt der Bäderanwendung durch Temperaturmessungen vor und nach der balneologischen Therapie, s. 3.4.1

- Kurtagebuch, s. 3.4.2

- Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität, HLQ, s. 3.4.3

Die Temperaturmessungen wurden nur für wenige Wochen im Jahr 2003 durchgeführt, weshalb es nur geringe Überschneidungen mit den Patienten gibt, die das Kurtagebuch und

den Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität HLQ ausgefüllt haben. Letztere wurden vom Jahr 2000 bis 2003, jeweils über die gesamte Badesaison von März bis November, an die

Patienten ausgegeben. Deshalb ist die Schnittmenge der Patienten, die an allen drei Untersuchungen teilgenommen haben, sehr klein.

3.4.1 Temperaturmessungen vor und nach der balneologischen Therapie

Um neben der Beobachtung der Gesamtwirkungen der Kur die Einzelwirkung des Levico-Bades zu erfassen, und die Dynamik der Veränderungen der Wärmeregulation

wahrzunehmen, wurden täglich die Temperaturen vor und nach der Bäderanwendung gemessen.

3.4.1.1 Methode der epitympanalen Temperaturmessung

Die Temperaturmessungen wurden mit dem Ohrthermometer ThermoScan pro LT der Firma Braun als epitympanale Messung durchgeführt.

Als eigentliche Kerntemperatur wird die an den Thermorezeptoren des Hypothalamus gemessene Temperatur definiert. Weil das Trommelfell und das Temperaturkontrollzentrum

im Gehirn, der Hypothalamus, von gemeinsamen Blutgefäßen versorgt werden, spiegelt die epitympanale Temperaturmessung die Körperkerntemperatur besonders genau wieder

(Tiedt, 1993). Daher werden Veränderungen der Körperkerntemperatur bei der Messung im äußeren Gehörgang auch schneller und genauer angezeigt. Ein Vergleich der

Temperaturmesskurven von Gehirn und Tympanon zeigt eine hoch signifikante Übereinstimmung. Die beiden Temperaturverläufe sind praktisch kongruent (Foltan et al, 2004).

Abhängig vom Ort der Messung ergeben sich verschiedene Normwerte, die in etwa die Differenz zur Kerntemperatur beschreiben: Achselhöhle -0,4 bis -0,6°C, Mundboden -0,7°C,

Rektum -0,3°C, und äußerer Gehörgang -0,1°C.

Die Temperaturmessung wurde unmittelbar vor den Bädern und nach der obligatorischen Ruhephase von 30 Minuten durchgeführt. So wurde nicht der direkte Wärmeeinfluss des

Bades erfasst, sondern die regulative Reaktion des Organismus auf die Anwendung.

Die Messungen wurden an insgesamt 62 Patienten im Zeitraum Juli/August 2003 durchgeführt, die

- ausschließlich Levico-Bäder,

- Levico-Bäder alternierend mit Öldispersionsbädern

- Levico-Bäder alternierend mit Dampfbädern

- ausschließlich Öldispersionsbäder erhielten.

 

3.4.1.2 Durchschnittlicher Immediateffekt aller Levico-Bäder

3.4.1.3 Individueller Immediateffekt der Levico-Bäder

Der individuelle durchschnittliche Immediateffekt wurde für jeden einzelnen Patienten als individueller Mittelwert und individueller mittlerer Fehler berechnet und durch ein Histogramm abgebildet.

 

Temp. in °C

3.4.1.4 Durchschnittlicher Immediateffekt der einzelnen Badetage

Für die Temperatur aller Patienten jeweils vor und nach dem Levico-Bad wurden Mittelwert und Streuwert des 1., 2., 3., …..n. Bades berechnet. Für jeden Badetag lässt sich somit die durchschnittliche Temperaturdifferenz darstellen.

3.4.1.5 Durchschnittlicher Immediateffekt aller Bäder

Zur Darstellung der Immediateffekte unterschiedlicher Bäderanwendungen, wurde für jede Anwendungsart

- ausschließlich Levico-Bäder

- Levico-Bäder alternierend mit Dampfbädern

- Levico-Bäder alternierend mit Öldispersionsbädern

- ausschließlich Öldispersionsbäder

Mittelwert, Standardabweichung, Maximum und Minimum ermittelt.

3.4.1.6 Längsschnitt-Beobachtung der Immediateffekte zur Darstellung der dynamischen Veränderungen.

Zur Darstellung der dynamischen Veränderungen der Temperaturregulation wurden die Temperaturdifferenzen der jeweils 1., 2., 3., …n. Bäder summiert und der Mittelwert berechnet.

Im Falle der alternierenden Bäder wurde eine Synchronisation erreicht, durch das Übereinanderstellen des jeweils 1., 2., 3., …n. Levico-Bades und dann für alle Badetage der Mittelwert der Temperaturdifferenz ermittelt.

Die Öldispersionsbäder werden, wie auch die Levico-Bäder, mit einer Badetemperatur von 37°C vorbereitet.

3.4.2 Das Kurtagebuch

Die tägliche Kontrolle von Befindensparametern mit vorgegebenen Kurtagebüchern, die über subjektive Befindensänderungen Aufschluss geben, hat in letzter Zeit sehr an Bedeutung gewonnen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Befindensschwankungen einen wichtigen Indikator der vegetativen Reaktionsdynamik darstellen (Hildebrandt, 1985;

Hildebrandt, 1990; Hildebrandt und Brandt-Reges, 1992). Weiterhin sind Kurtagebuchuntersuchungen auch zu vergleichenden Untersuchungen von Kureffekt und

Kurerfolg eingesetzt worden (PRATZEL, und Mitarbeiter, 1993).

Da der Kureffekt besonders am Rückgang von subjektiven Beschwerden erlebt wird, wurden für diese Untersuchung tägliche Eintragungen in einem Kurtagebuch ausgewertet. Die Führung von solchen Kurtagebüchern hat sich bereits in vielen Kurorten bewährt, da von Seiten der Kurpatienten nur wenig Zeit dafür aufgewendet werden muss und der Tagesablauf nicht durch aufwendige Messungen gestört wird. Zahlreiche Arbeiten zeigen einen parallelen Verlauf von subjektiven Befindensänderungen und objektiv gemessenen Funktionsänderungen (Hildebrandt und Frank, 1974, Lammert, 1986, Muhry, Hildebrandt, Moser, 1994).

Das in den Untersuchungen der Bad Gleichenberger Forschungsstelle bewährte Kurtagebuch

Wurde von Mitarbeitern des Arbeitskreises um Prof. Gunther Hildebrandt für Längsschnittuntersuchungen ausgearbeitet. Es stammt aus dem Institut für Arbeitsphysiologie

und Rehabilitationsforschung der Universität Marburg/Lahn und dem Grote Institut in Bad Berleburg (vgl. Hildebrandt, 1959, Baier, 1970, Ficker, 1973, Frank, 1974, Riedel, 1977).

Die Fragen sind so gestellt, dass die Beantwortung den Patienten keine Schwierigkeiten bereitet. Es gibt in der Regel 3-4 Antwortmöglichkeiten, die jeweils zu einer Ziffer,

entsprechend den Schulnoten, verschlüsselt werden. Durch die tägliche Dokumentation können kurzfristige Schwankungen des Befindens und Krisensituationen erfasst werden.

Das Kurtagebuch wurde den Patienten beim ärztlichen Aufnahmegespräch zusammen mit dem Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität übergeben und erläutert.

Das Kurtagebuch aus dem Institut für Arbeitsphysiologie und Rehabilitationsforschung der Universität Marburg/Lahn und dem Grote Institut in Bad Berleburg erhielt ein verändertes Layout. Für die italienischen Patienten wurde der Fragebogen von Dr. med. Stefano Gasperi in die italienische Sprache übersetzt. Beide Kurtagebücher sind im Anhang abgedruckt.

3.4.2.1 Auswertungen des Kurtagebuchs

Die Kurtagebucheintragungen wurden über 27 Tage ausgewertet.

Folgende neun Fragen/Items wurden für die Auswertung ausgewählt:

- Wie fühlen Sie sich im Vergleich zu gestern?

- Wie sind Sie gestern eingeschlafen?

- Sind Sie nachts aufgewacht?

- Haben Sie geträumt?

- Fühlen Sie sich ausgeschlafen?

- Wie ist Ihre Stimmung heute?

- Wie war Ihr Appetit heute?

- Haben Sie heute Mittag geschlafen?

- Fühlen Sie sich besser, gleich oder schlechter als vor der Kur? dazu kamen weitere sechs Items über das Auftreten folgender Beschwerden:

- Kopfschmerz

- Schwindel

- Vermehrtes Schwitzen

- Bauchbeschwerden

- Innere Unruhe

- Angstgefühl

 

3.4.2.2 Statistische Methodik

Zur Darstellung des mittleren Kurverlaufes wurde für das Gesamtkollektiv der Patienten für jedes Item und jeden Kurtag der arithmetische Mittelwert berechnet,

die Standardabweichung, sowie der mittlere Fehler des Mittelwertes,

Das Ergebnis wurde jeweils als Liniendiagramm dargestellt. Dieser Diagrammtyp eignet sich für die Darstellung von kurzfristigen Veränderungen und Tendenzen, welche durch die tägliche Befragungsform erfasst werden.

Um die periodischen Strukturen, die dem Reaktionsmuster des Kurverlaufs zugrunde liegen, deutlicher herauszuarbeiten, wurden die Einzelkurven als aufsummiertes Liniendiagramm dargestellt.

Anschließend wurden die einzelnen Liniendiagramme einer einmaligen übergreifenden Dreiermittelung unterzogen und eine Maxima-Minima-Berechnung durchgeführt.

3.4.2.3 Regressionsanalysen

Um für das Patientenkollektiv die allgemeine Veränderungstendenz der einzelnen Befindensparameter im Kurverlauf zu beurteilen, wurde jeweils die lineare Regression

berechnet; nach der Formel Y = a + b x

3.4.3 Systematisierte Erfassung der Lebensqualität (LQ)

Die in den letzten 15-20 Jahren neu entwickelte Möglichkeit zur systematisierten Erfassung der Lebensqualität (LQ) von Patienten stellt einen Fortschritt in der medizinischen Forschung dar. Während bis dahin im wesentlichen nur durch Erhebung technischer Messdaten der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben werden durfte, wird dieser nun auch der Befragung von Patienten zugestanden, nachdem dafür geeignete Methoden entwickelt worden sind. Damit kommt der Patient selbst in angemessener Weise zu Wort (Olschewski, 1985).

Man verzichtet heute auf eine allgemeingültige Definition der Lebensqualität und fasst sie stattdessen als mehrdimensionales Merkmal auf, das sich im Wesentlichen aus drei allgemein anerkannten Komponenten oder Dimensionen zusammensetzt: körperliche, psychische und soziale Bedingungen (Fletcher, 1995). Wie die Krankheit sich in den körperlichen Beschwerden, im seelischen Verhalten und im sozialen Kontakt spiegelt, kommt darin zum Ausdruck.

Zwei Aspekte sind bei den genannten Dimensionen zu wenig berücksichtigt:

- Persönlichkeitspräsenz. Damit wird die Fähigkeit zu Zielsetzung und Planung für Lebensaufgaben erfasst – ein wichtiger Aspekt in der Krankheitsbewältigung und

Lebensgestaltung, der von den Strukturierungsmöglichkeiten der Individualität des Patienten entworfen und durchgesetzt wird.

- Vitalität. Die vitalen Ressourcen sind während und nach einer Krankheit häufig reduziert. Für diese vitalen Ressourcen hat der Kranke – auch mancher Gesunde – oft nicht genügend Bewusstsein, sodass es zur ärztlichen Beratung gehören sollte diesen Bereich zu erfragen und mit der kurz- und langfristigen Lebensplanung in Einklang zu bringen.

Beim erkrankten Organismus und im Heilprozess liegen jeweils unterschiedliche Verschiebungen in den Dimensionen vor. Erst die Verlaufskontrolle durch Vergleich

mehrerer LQ-Schätzungen ergibt verwertbare Ergebnisse.

3.4.3.1 Herdecker Fragebogen zu Lebensqualität (HLQ)

Der von der Abteilung für Klinische Forschung am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke entwickelte und 1996 veröffentlichte Herdecker Fragebogen zu Lebensqualität HLQ ist ein Instrument zur Erfassung der allgemeinen Lebensqualität bei stationären Patienten (Guyatt, 1986). Der Fragebogen ist ein geeignetes Messinstrument, um krankheitsübergreifend längerfristige Veränderungen der Lebensqualität zu dokumentieren (Schulte und Kümmel, 1996) und dient bei ausreichendem zeitlichem Abstand auch der Erfassung des Kurerfolgs, der etwa 3 Monate nach der Kur beurteilt werden kann (Hildebrandt, 1985, S.176-181)

Um individuelle Lebensqualität zu beschreiben und die individuellen Auswirkungen von Krankheit und Therapie gezielt zu erfassen ist es sinnvoll, sich eines einheitlichen

Organismusbegriffs zu bedienen, in dem die Dimensionen aufeinander abgestimmt sind und die gleichzeitig den menschlichen Organismus vollständig erfassen.

Die anthroposophische Auffassung von der Viergliedrigkeit des Organismus (R.S., 1904, R.S. und Wegmann 1925) erfüllt diese Bedingungen und wird um die soziale

Dimension ergänzt, welche die menschliche Organisation auf allen vorgenannten Ebenen umgreift.

Der Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität umfasst in der allgemeinen Fassung 39 allgemeine, nicht krankheitsspezifische Aussagen (Items) unterschiedlicher Ausprägung, die den folgenden Subklassen zugeordnet werden können:

- körperliche Verfassung

- Vitalität

- Seelisches Verhalten

- Persönlichkeitspräsenz

- Soziales Umfeld.

Die ersten vier dieser Skalen sind aus dem Konzept der anthroposophischen Viergliederung des Menschen abgeleitet.

- Die körperliche Verfassung entspricht dem Physischen (Physischer Leib). Dieses kann gemessen, gewogen, berührt werden. Die anderen Strukturen

projizieren sich unterschiedlich intensiv hinein.

- Die Vitalität entspricht dem Lebendigen (Ätherleib). Die lebendige Organisation umfasst alle regenerativen, reproduktiven, gesundenden und ernährenden Vorgänge. Sie unterliegt der Gesetzmäßigkeit des Rhythmischen und der Gestalt-Verwandlung.

- Das seelische Verhalten entspricht dem Seelischen (Astralleib). Als Organisation ermöglicht sie nicht nur seelisches Erleben, sondern sie ist so zu verstehen, dass sie mit einem Teil ihrer Kraftstruktur auch das Physisch-Lebendige durchdringt und damit alle Formen des Bewegens eines Organismus ermöglicht. Diese Doppelnatur – Bewusstsein und Bewegung – macht verständlich, warum sich Krankheitsprozesse des Physisch-Lebendigen im Seelischen spiegeln können.

- Die Persönlichkeitspräsenz entspricht dem Ich. Dies ist die integrierende Kraftstruktur, die die anderen drei koordiniert und durchdringt. Als das eigentlich geistige Prinzip vermag es sich selbst zu erfassen. Dies erlebt man als Eigenständigkeit der Person, ihr Freiheitsvermögen und ihre Einmaligkeit. Zu jedem Item gab es 5 Antwortmöglichkeiten, die durch ein Gegensatzpaar aufgebaut waren und durch die moderateren Übergänge zu einer fünfstufigen Skala ergänzt wurden. Sie wurden numerisch von 0-4 bewertet.

- Fragen nach Häufigkeit: Antwortskala: nie – selten – gelegentlich – oft - immer

- Fragen nach Intensität: Antwortskala: gar nicht – kaum – mäßig – ziemlich – außerordentlich.

Für die italienischen Patienten wurde der Fragebogen von Dr. med. Stefano Gasperi, zweisprachiger behandelnder Arzt an der Casa di Salute Rafael, in die italienische Sprache übersetzt.

3.4.3.2 Definitionen des Zeitfensters

Jedes LQ-Messinstrument fragt nach der Lebensqualität in einem bestimmten Bezugszeitraum, dem so genannten Zeitfenster. Dieser Zeitraum sollte so gewählt werden,

dass kurzfristige Befindlichkeitsschwankungen das vermittelte Bild nicht dominieren können. Das Zeitfenster des HLQ bezieht sich auf die vergangene Woche.

Der Fragebogen wurde den Patienten zu Kurbeginn, während des ärztlichen Aufnahmegespräches ausgehändigt und vom Patienten unmittelbar ausgefüllt. Der zweite

HLQ wurde nach 14 Tagen Kur und der 3. Fragbogen 3 Monate nach Kurbeginn ausgefüllt.

3.4.3.6 Methoden zum Vergleich der Subskalen untereinander

Zur Darstellung der prozentualen Veränderung der Lebensqualität in den 5 Subskalen wurden

zu Kurbeginn die einzelnen Items des HLQ1 aller Patienten summiert und anschließend wiederum summiert in der Subskala zusammengefasst. Das gleiche wurde für den HLQ2

(nach 14 Tagen) und den HLQ3 (nach 3 Monaten) durchgeführt und die prozentuale Veränderung gegenüber dem Kurbeginn errechnet: (T2-T1)*100/T1 bzw. (T3-T1)*100/T1

Die Auswertung der HLQ 1-3 wurde für das gesamte Patientenkollektiv von 53 Patienten vorgenommen.

Die Berechnungen der HLQ 1 und HLQ 2 wurde aufgrund des höheren Anzahl von 105 Patienten weiter differenziert in:

- Kurbeginn bis Juni / Kurbeginn ab Juli

- Patienten unter 55 Jahren / Patienten über 55 Jahren

- Frauen / Männer

- Italienische Patienten / Deutsche Patienten

Die prozentuale Veränderung der Lebensqualität in den 5 Subskalen wird durch Säulendiagramme dargestellt.

4. ERGEBNISSE

4.1 Immediateffekte

4.1.3 Individuelle Immediateffekte der Levico-Bäder

Die Abb. 4.2 zeigt die Mittelwerte und den Mittleren Fehler der Mittelwerte der individuellen Temperaturdifferenzen bei der Behandlung mit Levico-Bädern. Die Reihenfolge wurde nach der Reaktionshöhe angeordnet. Bei Patient 1 ergab sich im Mittel ein Temperaturabfall um 0,133°C. Patient 35 zeigte mit durchschnittlich 0,775°C die stärkste Temperaturzunahme. Die übrigen Patienten lagen dazwischen.

Der mittlere Fehler des Mittelwerts der individuellen Temperaturdifferenzen zeigt ebenfalls von Patient zu Patient eine deutlich variierende Streubreite, die sich nicht proportional zu der Höhe des Mittelwertes verhält. So hat Patientin 4 eine minimale Reduktion von T, aber eine hohe Streubreite, Patientin 5 einen minimalen Anstieg von T, und eine geringe Streubreite.

Doch können auch Patienten mit einer starken Veränderung von T, wie Patientin 31, eine geringe Streubreite ihrer Temperaturreaktion, und auch, wie bei Patientin 32, eine hohe Streubreite aufweisen.

Die erstaunlichen Schwankungen der Streuung von Patient zu Patient, wie auch der durchschnittlichen Temperaturdifferenz zeigen an, dass die individuellen Reaktionen von Bad zu Bad erhebliche Unterschiede aufweisen können. Aufschluss darüber kann nur eine Untersuchung des einzelnen Bades im Verlauf der Kuranwendungen bringen.

4.1.4 Durchschnittlicher Immediateffekt im Verlauf der Bäderanwendungen

Zur Beurteilung des durchschnittlichen Immediateffektes der Levico-Bäderanwendung im Verlauf, wurden zunächst drei definierte Zeitpunkte bzw. Bäder herausgegriffen.

Patientenkollektiv zu überschauen mussten bei Abb. 4.4 Lücken bei den Messwerten in Kauf genommen werden.

In beiden Abbildungen zeigt sich eine Vereinheitlichung der Reaktion auf die Levico-Bäder.

Die Abschwächung des Temperaturanstiegs, sowie die Verminderung der Streubreite und Varianz, entsprechen den Anforderungen einer Adaptation im Sinne einer Homogenisierung der Reaktion, die eine Anpassungsreaktion des Organismus an einen Reizfaktor, in unserem Fall an das Levico-Bad, darstellt.

Die Abbildung 4.5 zeigt die durchschnittliche Temperaturveränderung durch die tägliche (mit Ausnahme des Sonntags) Anwendung der Levico-Bäder im Verlauf vom 1. bis zum 12. Bad.

Der durchschnittliche Basalwert der Temperaturen (vor dem Bad) unterliegt deutlichen Schwankungen. So stellt sich Bad 5 mit einem Minimum, Bad 12 mit einem Maximum des Ausgangswertes dar. Auch die Streubreite des Basalwertes zeigt erhebliche Unterschiede wie z.B. im Vergleich zwischen dem 6. Bad mit geringer Spannweite und dem 7. Bad mit einergroßen Spannweite. Das gleiche gilt für die Höhe und Streubreite der Temperaturen nach der Anwendung.

Die Temperaturdifferenz zeigt bei der 3., 8. und 11. Anwendung eine Abflachung, die einem geringeren durchschnittlichen Temperaturanstieg an diesem Badetag entspricht. Die Variation von Temperatur wird nicht deutlich.

Im Längsschnitt zeigt sich bei den Levico-Bädern eine reaktive Periodik von jeweils 5 Bädern mit einer zunehmend negativen Tendenz der mittleren Temperaturdifferenz am 3., 8., 13. und 18. Badetag.

Bei gleicher Badetemperatur von 37°C zeigt der durchschnittliche Immediateffekt der verschiedenen Bäderanwendungen im Hinblick auf Mittelwert, Standardabweichung, Minimum und Maximum deutliche Unterschiede.

Reine Levico-Anwendungen führen zu einem durchschnittlichen Anstieg der Temperaturen von 0,344°, Levico-Bäder im Wechsel mit Dampfbäder einen geringeren

durchschnittlichen Anstieg von 0,24°C. Levico-Bäder im Wechsel mit Öldispersionsbädern haben fast den gleichen Anstieg der mittleren Temperatur wie reine Levico-

Bäderanwendungen mit 0,346°C. Die Anwendungen von ausschließlich Öldispersionsbädern führen zum stärksten durchschnittlichen Temperaturanstieg mit 0,51°C.

Die Auslenkung der Minima und Maxima ist am stärksten bei den Levico-Bädern, und mit jeweils 1,9°C identisch in beiden Richtungen. Ein Überwiegen der Erwärmung zeigt sich am deutlichsten bei den Öldispersionsbädern mit einer ebenfalls kräftigen Auslenkung des Maximums. Am geringsten ist die Reaktionsbreite bei den Levico-Bädern im Wechsel mit den Dampfbädern.

Bis auf die Parameter Appetit, Mittagsschlaf und das Befinden im Vergleich zum Vortag zeigen die übrigen Parameter eine eindeutige Tendenz der Besserung des Befindens im Kurverlauf. Insbesondere die Qualität des Schlafs und die Stimmung haben sich bei den Patienten deutlich verbessert. Auffallend ist auch die Die zunehmend bessere Beurteilung des Befindens gegenüber der Situation vor der Kur.

Die zunehmend schlechte Beurteilung des Mittagsschlafs kann sich daher erklären, dass die Patienten aufgrund der Verbesserung ihres Gesamtbefindens und Nachtschlafes in der 3. und 4. Kurwoche keinen Mittagsschlaf mehr gehalten haben. Das entspricht der Beobachtung, dass sie zunehmend nach dem Mittagessen Unternehmungen geplant haben.

4.2.7 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Befindensurteile zeigen im Kurverlauf keine stetige Veränderung oder gar eine lineare Kurvenform. Vielmehr handelt es sich um einen gegliederten Kurvenverlauf mit einem periodischen Verlaufsmuster (Abb. 4.12-4.20). Zur Beurteilung der Verlaufsperiodik wurden zusätzlich die Verlaufskurven nach einfacher Kurvenglättung durch Dreiermittelung dargestellt.

Ein höherer Wert bedeutet eine Verschlechterung, ein niedriger Wert eine Verbesserung des Befindens.

Für die Befindensurteile über Appetit, Einschlafverhalten, Durchschlafverhalten, Erholung durch den Schlaf und das Vergleichsurteil gegenüber dem Kurbeginn kann man ein frühes Maximum zum Anfang der zweiten Kurwoche und im weiteren Verlauf eine zunehmende Dämpfung der Amplitude feststellen.

Die Fragen: „Wie fühlen Sie sich im Vergleich zu gestern?“ und „Fühlen Sie sich besser, gleich oder schlechter als vor der Kur?“ und der Stimmungsverlauf zeigen eine

Zirkaseptanperiodik mit maximaler Auslenkung Mitte der 3. Kurwoche. Das Mittagsschlafverhalten hat eine stark ansteigende Tendenz (auch ansteigende Regressionsgerade) mit Maxima in der 3. und 4. Kurwoche. Ob es sich hier um ein spätreaktives Muster handelt oder die Patienten, aufgrund des verbesserten Befindens und der zunehmenden sozialen Aktivität ihre Mittagsruhe nicht mehr halten, bleibt eine offene Frage.

Insgesamt gibt es eine deutliche Dominanz der Zirkaseptanperiodik, die für das frühreaktive Reaktionsmuster des Kurverlaufs charakteristisch ist. Besonders gut lässt sich die Periodik darstellen, wenn die Verlaufskurven aufsummiert werden und gleichsinnige Tendenzen sich zunehmend verstärken. Auch die Frühkrise am 3. Kurtag tritt durch diese Art der graphischen Darstellung gut sichtbar hervor.

Die durchschnittlichen Beschwerdenurteile zeigen im Kurverlauf eindeutig rückläufige Tendenzen. Weiterhin lässt sich eine klare Reaktionsperiodik nachweisen.

4.3.4 Vergleichende Ergebnisse des HLQ 1 und 2

Im Vergleich der 5 Subskalen miteinander sieht man wiederum den deutlichsten Effekt der Therapie mit dem Levico-Wasser im Bereich der Vitalität, wie auch schon bei dem Patientenkollektiv HLQ 1-3 von 53 Patienten.

Bei der weiteren Differenzierung (Abb. 4.36) der Patienten nach Alter, Zeitpunkt des Kurbeginns im Jahreslauf, nach Geschlecht und Nationalität, zeigen sich deutliche

Unterschiede zwischen den Vergleichskollektiven bei den einzelnen Subklassen. Besonders auffällig sind diese bei der Vitalität und der Dimension Soziales Umfeld.

Übersicht über die Verteilung der Patienten auf die Vergleichskollektive:

Kurbeginn: 42 Patienten bis Juni - 63 Patienten ab Juli

Alter:              55 Patienten unter 55 Jahre - 50 Patienten über 55 Jahre

Geschlecht:     82 Frauen - 23 Männer

Nationalität:   48 Italienische Patienten - 57 Deutsche Patienten

4.3.5 Differenzierte Ergebnisse des HLQ 1 und HLQ 2

5.1 Diskussion zur Methodik

5.1.1 Immediateffekte

Durch das Erfassen von Immediateffekten der Temperaturregulation im Sinne einer Reiz-Reaktions-Therapie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Levico-Bad, wird eine einzelne Maßnahme isoliert untersucht, welche den Behandlungsschwerpunkt der Kuranwendung darstellt.

Mit der epitympanalen Temperaturmessung ist die Möglichkeit gegeben, die Temperaturmessung in unmittelbarer Nähe zu dem Bereich der integrierten zentralen

Überwachung der Thermoregulation vorzunehmen: dem Hypothalamus.

Diese Integrationsstufe stellt einerseits eine zentrale Instanz des gesamten autonomen Systems dar, lässt andererseits aber auch deutliche Merkmale einer Übergangsstufe zwischen den unteren einfacher strukturierten Regelkreisen und solchen autonomen Reaktionsmustern erkennen, die bereits die Komplexität von Verhaltensmustern haben. Dabei lassen sich Areale unterscheiden, deren Reizung entweder mehr leistungsbetonte, Spannung steigernde autonome Muster (Ergotropie) auslöst, und solche, die auf Entspannung, Ruhe, Erholung und Befriedigung zielen (trophotrop-endophylaktische Muster) (Hess, 1948, Koizumi und Brooks, 1972). Die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Funktionstendenzen und die Repräsentation zentraler Schaltstellen für die Regulation aller Teilbereiche des „internen Milieus“ kennzeichnen die Bedeutung dieser Integrationsstufe für die Aufrechterhaltung vegetativer Gleichgewichte. Diese Funktion der Homöostase ist aufs engste verknüpft mit der Fähigkeit einer permanenten zeitlichen Gliederung, die dazu führt, dass die gegensätzlichen Tendenzen der autonomen Funktionen in rhythmischem Wechsel dominieren (Hildebrandt, 1979). Die in der Bäderheilkunde verwendeten Reize treffen im Organismus auf besonders vielfältig abgestufte Rezeptorsysteme. Thermisch empfindliche Strukturen finden sich nicht nur in Haut und Schleimhäuten, sondern auch in den Geweben, den Transport- und Verteilungssystemen, sowie als zentrale Fühlerinstanzen im Kopfbereich und in den regelnden Zentren des Gehirns selbst (Simom, 1974, Werner, 1980). Dort finden sich die Regelzentren, die besonders für die tiefengestaffelten Rezeptorsysteme der Enterozeption die oberste Fühlerinstanz darstellen (z.B. für thermische und osmotische Reize).

Die ausgeprägte Tiefenstaffelung der Rezeptorsysteme lässt die vielfältigen Möglichkeiten einer Abstufung therapeutischer Reaktionen im vegetativ-autonomen Bereich erkennen, die allein durch die mehr oder weniger große „Tiefenwirkung“ von Warn- und Störreizen gegeben sind.

Die rückgekoppelte Kreisstruktur der Regeleinrichtungen macht alle Funktionskreise in der Regel schwingungsfähig (Drischel, 1973, Rensing, 1973), so dass sie sowohl spontane Rhythmizität, wie auch periodische Antworten zeigen können. Solche Oszillationen sind aber nicht nur als Abfallprodukte der homöostatischen Regelung zu betrachten, sie erweisen sich vielmehr als eigenes Ordnungssystem das in einem umfassenden Zusammenhang steht (Hildebrandt, 1961, 1967, SINZ 1978, 1980).

Eine Abgrenzung reaktiv ausgelöster periodischer Vorgänge gegenüber den vegetativautonomen Spontanrhythmen wurde erst in den letzten Jahrzehnten vorgenommen. Dabei konnten folgende charakteristische Eigenschaften der reaktiven Perioden, die in allen Größenordnungen der Periodendauer zu beobachten sind, herausgearbeitet werden:

- sie treten nur nach Reizbelastung auf

- die Amplituden werden mit dem Fortschreiten der regulatorischen Kompensation gedämpft

- die Periodendauer der reaktiven Perioden nicht identisch mit denen der Spontanrhythmen, stehen aber vorwiegend in einfacher ganzzahliger Beziehung zu ihnen

- die Phasenlage wird vom Reizzeitpunkt bestimmt

Die Bestimmung der epitympanalen Temperatur soll überprüfen, ob sich im Bereich des Hypothalamus spezifische Immediatreaktion nachweisen lassen können, die durch

Reizanwendungen mit den Levico-Bädern ausgelöst werden.

            5.1.1.1 Vergleich der durchschnittlichen Immediateffekte bei sublingualer und epitympanaler

Temperaturmessung in einer Längsschnittdarstellung.

Die Längsschnittdarstellung der oral bzw. sublingual gemessenen Temperaturdifferenz zeigt in ihrem Verlauf eine wesentlich andere Dynamik als die der epitympanalen Messung. Der auffallende Temperaturabfall, der bei den Levico-Bädern periodisch bei jedem fünften Bad auftritt (Levico-Effekt), zeigt sich bei der sublingualen Messmethode erst beim 10. Bad.

5.1.1.2 Vergleich individueller Immediateffekte bei sublingualer und epitympanaler

Temperaturmessungen in einer Längsschnittdarstellung.

Die sublinguale Temperaturmessung wurde in der 3. Kurwoche unterbrochen und in der 4. Woche wieder aufgenommen.

Der individuelle Temperaturverlaufs zeigt deutliche Unterschiede zwischen den sublingual und epitympanal gemessenen Temperaturen. Die beiden unterschiedlichen Meßmethoden bilden für die ersten 12 Bäder eine gegenläufige Tendenz sowohl bei der Ausgangstemperatur vor dem Bad (blaue Kurven), wie auch bei der Temperaturreaktion nach dem Bad ab.

Die vor dem Bad gemessenen sublingualen Temperaturen sind bei der Patientin zunächst sehr niedrig und steigen im Kurverlauf langsam an, während die epitympanal gemessenen Temperaturen sich auf einem konstanten Niveau bewegen.

Wie bereits in 3.4.1.1 beschrieben bietet die im äußeren Gehörgang gemessene Tympanontemperatur eine hohe Korrelation zur Temperatur im Bereich des Hypothalamus.

(Foltan et al, 2004). So kann mit der Meßmethode die regulative Reaktion des Organismus auf die Anwendung erfasst werden.

Eine interessante Beobachtung war, dass die sublingual gemessene Temperatur dem subjektiven Wärmempfinden der Patienten entsprach (Körperschale), während die

epitympanale Temperatur, welche die zentrale Thermoregulation abbildet, von den Patienten häufig mit großem Befremden erlebt wurde. Sie waren gut in der Lage die sublinguale Temperatur zu schätzen, während es ihnen nicht gelang, die epitympanale Temperatur einzuschätzen.

Auffallend ist bei letzteren die negative Temperaturdifferenz beim 12. Bad.

Das bereits beschriebe Phänomen des Levico-Effekts kann bei dieser Patientin, die Levico-Bäder im Wechsel mit Hypericum-Öldispersionsbädern erhielt, nur mit der epitympanalen Messung dargestellt werden. Sie tritt im Zusammenhang mit dem 6. Levico-Bad auf und scheint sich als eine für das Levico-Bad spezifische modifizierte Reaktion der höheren Regulationsebene, des Hypothalamus, darzustellen.

Die Methode der epitympanalen Temperaturmessung ist also geeignet, die reaktiven zentralen Regulationsprozesse zu erfassen, die durch die diskontinuierlich-iterativen Reizfaktoren bei Anwendung mit Levico-Bädern als Immediateffekte ausgelöst werden.

5.1.2 Kurtagebuch

Der Befund einer allgemeinen Befindensverbesserung bzw. Abnahme von Befindensstörungen im Kurverlauf ist von zahlreichen Autoren und an verschiedenen Kurorten mit unterschiedlichem Behandlungsregime erhoben und systematisch ausgewertet worden (Hildebrandt, 1985, Franke, 1962, Rechtsprecher, 1980, Hoewer, (1980), Wiemann, (1981), Webert, 1981, Zipp, 1981, Zeising 1982, Sauer, 1983, u.a.).

Engel und Mitarbeiter (1963) haben bei der „Objektivierung psychophysischer Umstellungen im Kurverlauf“ objektive Verlaufskurven dem Verlauf subjektiver Befindensschwankungen gegenübergestellt. Hentschel (1968) und Stalling, (1960), berichteten, dass im Zusammenhang mit vegetativen Umstellungen während CO2-Sole-Thermalbädern bzw. CO2-Bädern die Verschlechterung objektiver Kriterien mit einer synchronen Steigerung subjektiver Beschwerden einhergeht. Zeising, Hildebrandt und Stornfels (1979) konnten einen positiven Zusammenhang zwischen objektiv gemessenen Daten und subjektiv empfundenen Effekten und ihrer Reaktionsperiodik während Gruppenübungen beim Autogenen Training nachweisen.

Ob nun subjektive Empfindungen oder objektive Befunde diesen Untersuchungen zugrunde liegen, so ist allen Beobachtungen eine weitgehend parallel verlaufende, reaktiv-periodische Gliederung des Kurverlaufs gemeinsam. Subjektive Aussagen gelten daher heute als sensible Indikatoren für die Kurverlaufs- und Kurerfolgsbeurteilung. Diese Tatsache kann man einem Einwand, dass objektive Befunde die körperlichen Umstellungen im Kurverlauf sicherer wiedergeben können, entgegenhalten.

Das in dieser Studie eingesetzte Kurtagebuch wurde an der Forschungsstelle für Psychosomatik und Kurmedizin Bad Gleichenberg in Anlehnung an Vorlagen von Prof.

Gunther Hildebrandt entwickelt. Es bildet kurzfristige Veränderungen und Schwankungen im Kurverlauf durch tägliche Befragung der Patienten zu ihrem Befinden ab.

Vor allem das Auftreten von Kurkrisen lässt sich mit diesem Instrument gut darstellen. Es ist ein häufig eingesetztes Messinstrument, das eine hohe Korrelation zu den objektiv messbaren physiologischen Parametern besitzt, in der Durchführung jedoch wesentlich einfacher zu handhaben ist.           

5.1.3 Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität

Der Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität wird als Instrument zur Erfassung der allgemeinen Lebensqualität im Therapieverlauf zunehmend neben anderen Formen der Patientenbefragung eingesetzt (Doerfler, Blank, Eustachi, Gerhard, 2002, Ostermann, Beer, Matthiessen, 2002). Eine Validierung im Vergleich mit den wissenschaftlich anerkannten Fragebögen NHP (Nottingham Health Profile) und SF-36 (Fragebogen zum Gesundheitszustand) wurde im Jahr 2003

von D. Bemzinover durchgeführt. Die Korrelationsanalyse zwischen den 3 Messinstrumenten zeigt eine hohe Übereinstimmung entsprechender Bereiche. Das bedeutet, dass der HLQ ähnliche Aufgaben wie der SF-36 und der NHP erfüllt und sowohl in klinischen als auch epidemiologischen Studien eingesetzt werden kann.

Im Gegensatz zum SF-36 bezieht sich der HLQ nicht auf Situationen des beruflichen und häuslichen Alltags und ist deshalb als Instrument für eine prospektive Beobachtung der allgemeinen Lebensqualität bei stationären Patienten geeignet. Der Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität wurde an der Universität Witten-Herdecke

entwickelt und validiert. Eingesetzt wurde er unmittelbar vor Kurbeginn am Anreisetag, nach 14 Tagen Kur und 3 Monate nach Kurbeginn. In der frühen Phase nach 14 Tagen zeigt er durch die Befindensverbesserung eine mittelfristige Veränderung der Lebensqualität an, und in der postklinischen Phase eignet er sich mit einem Messzeitpunkt nach 3 Monaten zur Beurteilung des Kurerfolgs.

5.2 Diskussion der Ergebnisse

5.2.1 Immediateffekte

Von den 35 Patienten, die ausschließlich mit Levico-Bädern behandelt wurden, waren 27 Frauen, und 8 Männer. Sie erhielten insgesamt eine Anzahl von 288 Bädern.

Der durchschnittliche Immediateffekt zeigt einen Temperaturanstieg von 0,34°C als eine modifizierte Antwort auf den Bäderreiz.

In warmen Bädern (Temperatur über dem Thermoindifferenzbereich von 34-36°C) werden die ersten Reaktionen in der Regel über die Thermorezeptoren der Haut ausgelöst. Infolge der differentiellen Empfindlichkeit der Hautrezeptoren kommt es zu überschießenden Kompensationen, sodass die Kerntemperatur initial abfällt. Dies kann wegen der gegenseitigen Beeinflussung der zentralen Rezeptoren zu nachfolgender Herabsetzung der Reaktionsstärke und dadurch zu phasisch-periodisch (Witzleb, 1969) fortgesetzten Schwankungen der thermoregulatorischen Aktivität führen. Durch direkte thermische Beeinflussung wird der Gefäßtonus der Haut und auch der Gewebsstoffwechsel verändert. Beides geht mit einer veränderten Durchblutung der Haut einher. Reichen die von der Hautoberfläche ausgelösten Gegenmaßnahmen nicht aus, kommt es zu Änderung der Bluttemperatur im Körperkern, die ihrerseits über Erregung der zentralen Temperaturfühler weitere Reaktionen in Gang setzen. Dabei kommt offenbar den thermosensiblen hypothalamischen Zentren eine übergeordnete Bedeutung zu (Brück, 1970, Simon, 1974).

Die thermoregulatorischen Maßnahmen des Körpers in warmen und heißen Bädern werden überwiegend durch die sich ändernden Kerntemperaturen über die statisch empfindlichen zentralen Rezeptoren bestimmt. Der Stresscharakter der durch Bäder erzwungenen thermischen Bilanzstörungen führt bei serieller Wiederholung zweifellos zu längerwelligen reaktiv-periodischen Gesamtumschaltungen des vegetativen Systems von adaptivem Charakter, die therapeutisch nutzbar sind (Drexel, 1970)

Die starken, von Mensch zu Mensch deutlich variierenden Schwankungen der Temperaturreaktion auf die Levico-Bäder, wie auch die deutlichen intraindividuellen

Schwankungen weisen bereits darauf hin, dass die Reaktionen auf das einzelne Bad nicht gleichförmig sind.

Weiterhin ließ sich darstellen, dass die durch die Bäder ausgelösten regulativen Veränderungen der hypothalamischen Temperatur für die vier verschiedenen Bäderformen deutliche Unterschiede aufweist (Abb. 4.8 und 4.9). Der deutlich höhere Temperaturanstieg durch die Öldispersionsbäder kann durch die homogen-feinstverteilten fetten Öle bewirkt sein, die eine zusätzliche Hülle auf den vorhandenen Fettfilm auflagern und dadurch das thermische Verhalten des Organismus verändern. Junge berichtet 1979 von Beobachtungen bei Badeversuchen in Form des Öldispersionsbades, von einem Anstieg der Körpertemperatur, trotz einer um 1-2°C niedrigeren Badetemperatur. Inwieweit diese Beobachtungen wissenschaftlich fundiert sind, lässt sich an dieser Stelle nicht klären. Da die ätherischen Öle gut resorbiert werden, können auch die Einwirkungen auf den Hautstoffwechsel über die Bildung humoraler Wirkstoffe (wie z.B. Azetylcholin) Einfluss nehmen.

Im Hinblick auf die thermoregulatorischen Wirkungen des Levico-Bades scheint eine genauere Betrachtung des Einzelbades und des Reaktionsverlaufes sinnvoll und notwendig um festzustellen, ob es eine spezifische modifizierte Reaktion auf den Reiz Levico-Bad gibt. Die Betrachtung der Bäder zu drei ausgewählten Messzeitpunkten, dem 1., dem 6. und dem 12. Levico-Bad, zeigt bereits Adaptationsphänomene, als Ausdruck reaktiver Anpassungsleistung des Organismus an eine regelmäßig wiederholte Auseinandersetzung mit dem Kurfaktor Levico-Bad. Die ausgelösten Modifikationen zeigen sich in einer Abschwächung des Temperaturanstiegs und der zunehmenden Reduktion von Streubreite und Varianz.

Nachdem wir Phänomene der Adaptation bei der punktuellen Betrachtung einzelner Bäder festgestellt haben, war der nächste Schritt zu untersuchen, ob es eine zeitliche Gliederung der reaktiven Temperaturveränderungen gibt, wie auch viele andere bereits ausführlich untersuchte und beschriebene Funktionsgrößen ein periodisch strukturiertes Reaktionsmuster aufweisen (Hildebrandt, 1975).

Die Längsschnittdarstellung der mittleren Temperaturdifferenzen ließ eine klare periodische Rhythmizität über den Kurverlauf erkennen, die einer Periodik von jeweils 5 Levico-Bädern entspricht.

Die Temperatur-Verlaufskurven einzelner Patienten zeigen, dass es neben der Temperaturregulation im Sinne eines Temperaturanstiegs auch Behandlungstage gibt, an denen es zu einer Umkehr der Temperaturreaktion kommt (Levico-Effekt), von welcher anzunehmen ist, dass sie für das rhythmisch-periodische Bild des durchschnittlichen Temperaturverlaufs verantwortlich ist. Diese Phänomene müssten weiter systematisch untersucht werden.

Deutlich ist jedoch auch bei der Längsschnittbetrachtung der mittleren Temperaturdifferenz, dass die Reaktionsumkehr ein regelmäßiges Phänomen der Levico-Bäderbehandlung darstellt (Levico-Effekt), das auch bei den alternierend angewandten Bädern auftritt, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt. Bei den Patienten, die ausschließlich Öldispersionsbädern erhielten, kann der Levico-Effekt nicht beobachtet werden.

5.2.2 Kurtagebuch

Der Rückgang der negativen Befindensurteile, wie er sich im Rahmen der Längsschnittdarstellungen (und letztlich auch an den Regressionsverläufen) zeigt, vollzieht

sich nicht in einer stetigen oder gar linearen Kurvenform. Vielmehr handelt es sich um einen gegliederten Kurvenverlauf mit einem periodischen Verlaufsmuster.

Bei der Reaktionsperiodik des Kurverlaufs handelt es sich um vegetative Gesamtumschaltungen (Hoff, 1957, 1969), wobei die Reaktionsdynamik einerseits der funktionellen Adaptation und andererseits der trophisch-plastischen Adaptation zugeordnet werden kann. Die beiden Formen der Adaptation unterscheiden sich vor allem in ihrer Zeitstruktur, d.h. in ihrer Peiodendauer und im Dämpfungsverhalten der reaktiven Periodik, die wiederum von der vegetativen Ausgangslage abhängig sind (Engel et al, 1963, Baier, 1972, Baier et al, 1974, Hildebrandt, 1975, 1979).

So dominiert im Bereich der funktionellen Adaption des Kurverlaufs ein Reaktionsmuster mit etwa 7-tägiger Periodik und früher Lage des Reaktionsmaximums, im Bereich der trophischplastischen Adaption dominiert ein Reaktionsmuster mit etwa 10-tägiger Periodik und einem späten Maximum.

Die während der Kur in Roncegno anhand von Kurtagebüchern festgestellten Befindensschwankungen entsprechen im Wesentlichen denen früherer Untersucher

(Schäfer und Hildebrandt, 1954, Meissner, 1967, Gasser, 1970, Heckerth, 1970, Höwer, 1980, Zipp, 1981, Wiemann, 1981, Webert 1981).

Die aufsummierten Liniendiagramme der Befindensverläufe zeigen ein erstes Maximum am 3. Kurtag. Es handelt sich um ein seit langem bekanntes Phänomen einer krisenhaften Befindensstörung im Zusammenhang mit dem Komplex der Kureintrittsreaktion, die vor allem durch Milieu- und Ortwechsel ausgelöst werden (HILLE, 1967a, 1967b, HILLE et al, 1968). Die Krise des 3. Tages ist v.a. durch die Urlaubsforschung bekannt geworden (Halhuber, 1960, Hittmair, 1960, Webert, 1981 u.a.). Sie ist auch für Entlastungsreaktionen nachgewiesen worden (Hildebrandt et al, 1975).

Die im weiteren Verlauf der Kur auftretenden krisenhaften Störungen liegen im Bereich des 10., 17. und 24. Kurtages, wie sich sowohl in den Längsschnittdarstellungen des Befindensverlaufes, wie auch bei der Berechnung der Maxima und Minima der Befindensurteile deutlich darstellen lässt. Sie folgen damit der Zirkaseptanperiodik der fortgesetzten vegetativen Gesamtumschaltungen im Kurverlauf. Zugleich ist der erste Krisengipfel meist am stärksten ausgeprägt, was dem frühreaktiven Typus des Reaktionsmusters bei dieser Periodendauer entspricht (Hildebrandt, 1998).

Trümper beschreibt 1985 eine Häufung schlechter Befindensurteile um die Kurwochenenden herum. Die Krisentage der Patienten in Roncegno lagen in etwa am 3en Tag einer jeden Kurwoche, während die durchschnittlichen Beschwerdeäußerungen an den Wochenenden am niedrigsten ausfallen.

Die Frühkrise im Bereich des 3. Kurtages ist ein typisches Phänomen der Sympathikotonen Patienten (ihr Fehlen für den Vagotonen) und ein Hinweis auf das weitere Reaktionsverhalten.

So sollte die jeweils adäquate Fortsetzung der Kurbehandlung bei der Frühkrise des Sympathikotonen zunächst schonend dosiert und ab der 3. Kurwoche gesteigert werden,

während die spät reagierenden Vagotonen nach anfänglich kräftigen Behandlungsreizen in der 3. Kurwoche schonender bedacht werden sollten (Hildebrandt, 1963).

Die Hauptkurkrisen in der 2. und 3. Kurwoche sind ein wichtiger Indikator für das Eintreten der therapeutisch angestrebten vegetativen Umstellung, die in der Balneotherapie früherer Zeiten „provoziert und von Arzt und Patient freudig begrüßt wurden“( Hildebrandt, 1978)

Für die Kuranwendung in Roncegno kann festgestellt werden, dass die vielfach für Kurverläufe beschriebenen Kureffekte im Sinne einer typischen Reaktionsperiodik nachweisbar sind. Untersuchungen der letzten Jahre mit Kurtagebüchern haben ergeben, dass nur bei positiven Kureffekten eine signifikante Zirkaseptanperiodik im Kurverlauf entwickelt wurde (Moog und Hildebrandt, 1994)

Um Kureffekte über den Zeitraum von 4 Wochen hinaus und den Kurerfolg zu beurteilen, haben wir mit der Auswertung des HLQ im folgenden Kapitel ein Langzeitergebnis.

5.2.3 Herdecker Fragebogen zur Lebensqualität

Für alle 5 Subklassen der Lebensqualität konnte eine deutliche Verbesserung nach 14 Tagen Kur nachgewiesen werden, die sich auch nach Rückkehr in den häuslichen Alltag in der Tendenz weiter fortsetzt und in der Befragung drei Monate nach Kurbeginn erfasst werden konnte. Mit Ausnahme der Subklasse Soziales Umfeld, die nur signifikante Ergebnisse aufweist, war das Ergebnis für die übrigen 4 Subklassen hochsignifikant. Die bis zum Kurende eingetretenen subjektiven und objektiven Veränderungen, die den Kureffekt (Lühr, 1959) bzw. das Kurergebnis (MENGER, 1966) ausmachen, können nicht ohne weiteres mit dem Erfolg der Kur gleichgesetzt werden. Die reaktiven Prozesse müssen am Ende einer 4- oder 6-wöchigen Behandlung durchaus noch nicht abgeschlossen sein. Zum anderen kann die Fortsetzung dieser reaktiven Vorgänge durch die Rückkehrreaktion mehr oder weniger gestört werden. Der Kurerfolg ist nicht ein stabiler Zustand, sondern ein dynamischer Ablauf, der erst Monate nach der Kur beurteilt werden kann.

Vergleichsuntersuchungen zwischen Kureffekt und Kurerfolg nach 3-6 Monaten haben bei verschiedenen Kurformen übereinstimmende Ergebnisse erbracht (Lachmann et al, 1960, Engle et al, 1963, Baier, 1975).Die häufigste Differenz zwischen Kureffekt und Kurerfolg bestehen darin, dass sich Befund und Befinden nach der Kur auch dort noch verbessern können, wo zunächst kein positiver Kureffekt feststellbar war.

Eine Möglichkeit über den Kuraufenthalt hinaus Kureffekte und Kurerfolg zu beurteilen, ist die fortgesetzte tägliche Kontrolle des Befindens über ein Nachkurtagebuch, wie es von Muhry, Hildebrandt, Moser et al 1993 in Bad Gleichenberg eingesetzt wurde, um den Nachkurverlauf zu beobachten. Beobachtungen von Nesswtha und Nathusius weisen darauf hin, dass das individuelle Reaktionsvermögen die Dynamik des Nachkurverlaufs mitgestaltet.

Da das Reaktionsmuster des Kurverlaufs selbst von der individuellen vegetativen Ausgangslage mitbestimmt wird, ist es nicht verwunderlich, dass die katamnestisch kontrollierten Kurerfolge von der Ausgangslage abhängig sind (Schäfer und Hildebrandt, 1954).

Untersuchungen des Nachkurerfolgs sind methodisch besonders aufwändig, so dass meist auf katamnestische Befragung des Patienten oder behandelnden Arztes zurückgegriffen wird. Den subjektiven Angaben der Patienten über Kureffekt und Kurerfolg werden häufig Vorbehalte entgegengebracht (Stützle, 1960, Schoger, 1967)

Das erneute Aufgreifen eines vor und während der Kur eingesetzten Befragungsinstruments zur Lebensqualität, scheint ein geeignetes Mittel der katamnestischen Kontrolle des Kurerfolgs zu sein. Die im Wesentlichen hochsignifikanten Ergebnisse bestätigen sowohl die Langzeitwirkung und den Kureffekt der Bäderkur mit dem Levico-Wasser, als auch die Tauglichkeit des Untersuchungsinstruments Herdecker-Fragebogen zur Lebensqualität/HLQ.

Der Vergleich der prozentualen Veränderung der Lebensqualität in den verschiedenen Subklassen zeigt für die Vitalität eine überproportional große Auslenkung, gefolgt von der körperlichen Verfassung sowohl nach den ersten 14 Tagen Kur, wie auch weiterhin in der Nachkurbetrachtung. Auffallend ist auch die im Nachkurverlauf sich verstärkt fortsetzende Persönlichkeitsentwicklung.

Die deutlichen Unterschiede bei der differenzierten Auswertung der Fragebögen im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Zeitpunkt des Kurbeginns und Nationalität nach 14 Tagen Kuraufenthalt, weist auf unterschiedliche Voraussetzung für die Veränderung der Lebensqualitätsparameter hin.

Inwieweit die überproportionalen Veränderungen insbesondere der Vitalität und im Nachkurverlauf der Persönlichkeitspräsenz eine spezifische Wirkung der Behandlung durch Levico-Bäder darstellen könnte, muss durch weitere Untersuchungen geklärt werden.

 

 

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