Myotis myotis = Fledermaus
Marcgravia evenia lockt Fledermäuse durch einen akustischen Trick.
Wie mag sich dieses halbrunde saftige Grün wohl anhören? Dem menschlichen Ohr bleibt die Akustik von Marcgravia evenia verborgen. Das Ultraschallkonzert der tropischen Kletterpflanze richtet sich ausschließlich an ein tierisches Publikum. Fledermäuse sind ganz angetan davon – ihre Rufe reflektieren die Blätter des Gewächses äußerst trickreich: Inmitten der grünen Vielfalt des Urwalds verleiten sie die Fledertiere auf der Suche nach Nektar dazu, geradewegs Marcgravia evenia anzusteuern.
"Die Hochblätter haben eine andere Klangfarbe als die umgebende Vegetation, und dadurch werden diese Blüten auffällig", erzählt Ralph Simon. Der Biologe von der Universität Ulm hat zusammen mit britischen Forschern im kubanischen Regenwald die akustischen Leistungen von Marcgravia evenia aufgespürt. Seine Forschungsergebnisse belegen, wie sich die Tropenpflanze an die Bedürfnisse ihrer tierischen Bestäuber angepasst hat. Im Magazin Science werden die Beobachtungen nun beschrieben.
Dass Pflanzen mittels prächtiger Blüten oder betörender Düfte ihre tierischen Helfer anlocken, ist bekannt. Bienen und Vögel verteilen die Pollen vieler Gewächse und naschen im Gegenzug an deren Nektar. Ähnlich machen es auch Fledertiere in den Tropen, ob in Afrika, Australien oder Asien. Gleich mehrere Arten bestäuben dort Pflanzen und ernähren sich vom Saft der Blüten. "In Mittel- und Südamerika gibt es etwa 40 Arten von hoch spezialisierten Blumenfledermäusen aus der Familie der Glossophagien und einige hundert Pflanzenarten, die sich an diese Arten angepasst haben", sagt Simon.
Training mit Fledermäusen im künstlichen Laubwald
Der Wissenschaftler und seine Kollegen aus Deutschland und Großbritannien beschäftigen sich mit den unglaublichen Sinnesfähigkeiten von Fledermäusen. Beobachtungen haben gezeigt, dass die Tiere mit ihrem überragenden Gehör selbst Formen wie Kegel und Paraboloiden voneinander unterscheiden können. Fledermäuse, die sich über Ultraschall nicht nur verständigen, sondern auch orientieren können, leben in einer Welt, die für den Menschen geräuschlos ist. Ihre Rufe lösen auf allen Oberflächen ein Echo aus Schallwellen aus. An deren Muster erkennen die Tiere ihre Umgebung.
In Versuchen fanden Simon und sein Team heraus, dass Blumenfledermäuse am besten halbkugelförmige Objekte erkennen. "Deshalb staunten wir nicht schlecht als wir in Kuba eine Pflanze fanden, die diese kugelig geformten, konkaven Blätter präsentierte", sagt Simon. Selbst nachts fanden zahlreiche Fledermäuse ihren Weg zu Marcgravia evenia. Die Forscher vermaßen daraufhin die Echoeigenschaften der Hochblätter, die direkt über den nektarreichen Blüten der Pflanze hängen. "Sie sind wirklich einzigartig", sagt Simon.
In den tropischen Gefilden Kubas konnten die Forscher ihre Vermutungen über die Echo-Lockmethode jedoch nicht überprüfen. Marcgravia evenia ist nicht nur eine seltene Pflanze, sie blüht auch noch in mehreren Metern Höhe im Kronendach des Regenwaldes. Also trainierten die Forscher Fledermäuse in einem künstlichen Laubwald im Labor. Dort sollten sie einen Futterspender suchen, der entweder für sich alleine angebracht, mit einer Nachbildung eines halbrunden oder einem künstlichen herkömmlichen Blatt versehen war.
Am längsten benötigten die Fledermäuse, um den allein stehenden Nektarspender zu finden, unwesentlich kürzer dauerte es, wenn dieser ein einfaches Blatt angeheftet bekam. Erstaunlich: "Die Suchzeit verkürzt sich um etwa 50%, wenn die Kunstblüte ein schüsselförmiges Blatt präsentiert", sagt der Biologe Simon.
arcgravias evenia ist also evolutionsbiologisch betrachtet ein cleveres Gewächs. "Von der ausgefeilten Echo-Ortung profitieren beide, Pflanze und Fledermaus", erläutert der Mitautor der Studie, Marc Holderied von der School of Biological Sciences in Bristol. "Einerseits erhöht es den Erfolg der Nahrungssuche für Nektar fressende Fledermäuse", sagt Holderied. Blumenfledermäuse statten in den Tropen jede Nacht Hunderten von Gewächsen einen Besuch ab, um ihren Energiebedarf zu decken. "Andererseits ist Marcgravias evenia ein seltenes Gewächs und daher auf sehr mobile Bestäuber angewiesen."
Die Pflanze nimmt für ihren Akustik-Trick sogar Nachteile in Kauf. Die ungewöhnliche Form und Ausrichtung ihrer Hochblätter senke ihren Energiegewinn durch Photosynthese, schreiben die Autoren der Studie. "Doch dieser Aufwand gleicht sich aus, zum Vorteil einer effizienteren Anziehung von Bestäubern", argumentieren Simon und seine Kollegen. Die Biologen sind überzeugt, dass weitere Pflanzen auf ähnliche Lockmanöver setzen.
Fledermäuse filtern Störgeräusche
Der Mensch kann diesen Hörkunststücken nur mit speziellem Gerät folgen. So bleibt ihm nur der Blick auf die bunte Blüte der tropischen Kletterpflanze. Auch ohne florale Akustik nicht zu verachten.
Ohne die Sinnesleistungen der Fledermäuse wäre die Kletterpflanze wohl aufgeschmissen. Wie präzise die Ultraschallortung der Tiere ist, zeigt eine weitere Arbeit, die ebenfalls in Science erschienen ist. Darin beschreibt eine Gruppe um Mary Bates von der Brown University im amerikanischen Providence, wie Breitflügelfledermäuse Insekten jagen. Die weit verbreitet auch in Europa vorkommende Fledertierart geht ebenfalls per Ultraschall auf Beutefang. Dazu manipulieren sie etwa Frequenz und Intensität ihrer Rufe. Die Flieger nutzen Ober- und Unterwellen im Schallspektrum, um Störgeräusche zu filtern. Dadurch können sie fast problemlos Insekten allein per Echo aufspüren, selbst wenn diese durch flatterndes Laub düsen.
Ist Symbiose
ZEIT ONLINE
Umwelt
Fledermäuse vertrauen auf das Magnetfeld und die Sonne
Auf Nahrungssuche legen Mausohren gut 20 Kilometer zurück. Für ihre Orientierung nutzen sie dabei 2 Dinge: das Magnetfeld der Erde und die untergehende Sonne.
Fledermäuse orientieren sich bei ihren Flügen auch am Magnetfeld der Erde und der untergehenden Sonne. Das haben drei Forscher vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen und Radolfzell herausgefunden. Experimentiert haben die Wissenschaftler dabei mit Großen Mausohrfledermäusen. Demnach können die Tiere, die auf Nahrungssuche oft beträchtliche Strecken zurücklegen, ihren Magnetkompass an der Position der untergehenden Sonne ausrichten.
Die Wissenschaftler erbrachten den Nachweis, indem sie bei der Hälfte der Fledermäuse während des Sonnenuntergangs das Erdmagnetfeld mit Hilfe einer Helmholtzspule künstlich um 90° von Nord nach Ost verdrehten. Diese Tiere flogen im Gegensatz zu den Kontroll-Tieren ungefähr um 90° falsch Richtung Osten statt in den Süden zur Heimathöhle.
Das entscheidende letzte Experiment war dann, dieselbe Prozedur nachts zu wiederholen. Wieder wurde das Magnetfeld bei der Hälfte der Tiere künstlich von Nord auf Ost verdreht, aber erst, als auch der letzte Streifen Helligkeit vom Horizont verschwunden war. Nun flogen beide Gruppen nach Süden Richtung Heimathöhle.
"Die Magnetfeldmanipulation war also nur in Verbindung mit dem Sonnenuntergang wirksam", heißt es in der Pressemitteilung über die Studie von Richard Holland, Ivailo Borissov und Björn Siemers. "Große Mausohrfledermäuse scheinen daher einen Magnetkompass zu haben, den sie an der Position der untergehenden Sonne kalibrieren." Für Fledermäuse sei also Westen dort, wo die Sonne untergeht, egal, ob das momentane Magnetfeld eigentlich etwas anderes sagt.
Schon seit den 1940er Jahren ist bekannt, dass sich Fledermäuse im Nahbereich mit Hilfe von Echoortungsrufen orientieren. Manche Fledermäuse fliegen aber auf Nahrungssuche 20 Kilometer und mehr von ihrem Quartier weg. Zwischen Sommer- und Winterquartier können zudem mehr als 50 Kilometer liegen.
Fledermäuse hören, wo der Nektar
fließt
Ein Tropengewächs lockt die Fledertiere mit einem Akustik-Trick: Ihre halbrunden
Blätter nutzen die Ultraschall-Ortung der Tiere aus. Beide profitieren.
Wie mag sich dieses halbrunde saftige
Grün wohl anhören? Dem menschlichen Ohr bleibt die Akustik von Marcgravia evenia verborgen. Das
Ultraschallkonzert der tropischen Kletterpflanze richtet sich ausschließlich an
ein tierisches Publikum. Fledermäuse sind ganz angetan davon – ihre Rufe
reflektieren die Blätter des Gewächses äußerst trickreich: Inmitten der grünen
Vielfalt des Urwalds verleiten sie die Fledertiere
auf der Suche nach Nektar dazu, geradewegs Marcgravia
evenia anzusteuern.
"Die Hochblätter haben eine
andere Klangfarbe als die umgebende Vegetation, und dadurch werden diese Blüten
auffällig", erzählt Ralph Simon. Der Biologe von der Universität Ulm hat
zusammen mit britischen Forschern im kubanischen Regenwald die akustischen Leistungen
von Marcgravia evenia
aufgespürt. Seine Forschungsergebnisse belegen, wie sich die Tropenpflanze an
die Bedürfnisse ihrer tierischen Bestäuber angepasst
hat. Im Magazin Science werden die Beobachtungen nun beschrieben.
Die tropische Kletterpflanze "Marcgravia evenia"
Dass Pflanzen mittels prächtiger
Blüten oder betörender Düfte ihre tierischen Helfer anlocken, ist bekannt.
Bienen und Vögel verteilen die Pollen vieler Gewächse und naschen im Gegenzug
an deren Nektar. Ähnlich machen es auch Fledertiere
in den Tropen, ob in Afrika, Australien oder Asien. Gleich mehrere Arten
bestäuben dort Pflanzen und ernähren sich vom Saft der Blüten. "In Mittel-
und Südamerika gibt es etwa 40 Arten von hoch spezialisierten
Blumenfledermäusen aus der Familie der Glossophagien
und einige hundert Pflanzenarten, die sich an diese Arten angepasst
haben", sagt Simon.
Training mit Fledermäusen im
künstlichen Laubwald
Der Wissenschaftler und seine Kollegen
aus Deutschland und Großbritannien beschäftigen sich mit den unglaublichen
Sinnesfähigkeiten von Fledermäusen. Beobachtungen haben gezeigt, dass die Tiere
mit ihrem überragenden Gehör selbst Formen wie Kegel und Paraboloiden
voneinander unterscheiden können. Fledermäuse, die sich über Ultraschall nicht
nur verständigen, sondern auch orientieren können, leben in einer Welt, die für
den Menschen geräuschlos ist. Ihre Rufe lösen auf allen Oberflächen ein Echo
aus Schallwellen aus. An deren Muster erkennen die Tiere ihre Umgebung.
In Versuchen fanden Simon und sein
Team heraus, dass Blumenfledermäuse am besten halbkugelförmige Objekte
erkennen. "Deshalb staunten wir nicht schlecht als wir in Kuba eine
Pflanze fanden, die diese kugelig geformten, konkaven Blätter
präsentierte", sagt Simon. Selbst nachts fanden zahlreiche Fledermäuse
ihren Weg zu Marcgravia evenia
. Die Forscher vermaßen daraufhin die Echoeigenschaften der Hochblätter, die
direkt über den nektarreichen Blüten der Pflanze hängen. "Sie sind wirklich
einzigartig", sagt Simon.
In den tropischen Gefilden Kubas
konnten die Forscher ihre Vermutungen über die Echo-Lockmethode jedoch nicht
überprüfen. Marcgravia evenia
ist nicht nur eine seltene Pflanze, sie blüht auch noch in mehreren Metern Höhe
im Kronendach des Regenwaldes. Also trainierten die Forscher Fledermäuse in
einem künstlichen Laubwald im Labor. Dort sollten sie einen Futterspender
suchen, der entweder für sich alleine angebracht, mit einer Nachbildung eines
halbrunden oder einem künstlichen herkömmlichen Blatt versehen war.
Am längsten benötigten die Fledermäuse, um den allein stehenden Nektarspender zu finden, unwesentlich kürzer dauerte es, wenn dieser ein einfaches Blatt angeheftet bekam. Erstaunlich: "Die Suchzeit verkürzt sich um etwa 50%, wenn die Kunstblüte ein schüsselförmiges Blatt präsentiert", sagt der Biologe Simon.
Marcgravias evenia ist also evolutionsbiologisch betrachtet ein
cleveres Gewächs. "Von der ausgefeilten Echo-Ortung profitieren beide,
Pflanze und Fledermaus", erläutert der Mitautor der Studie, Marc Holderied von der School of Biological
Sciences in Bristol. "Einerseits erhöht es den Erfolg der Nahrungssuche
für Nektar fressende Fledermäuse", sagt Holderied.
Blumenfledermäuse statten in den Tropen jede Nacht Hunderten von Gewächsen
einen Besuch ab, um ihren Energiebedarf zu decken. "Andererseits ist Marcgravias evenia ein seltenes
Gewächs und daher auf sehr mobile Bestäuber
angewiesen."
Die Pflanze nimmt für ihren
Akustik-Trick sogar Nachteile in Kauf. Die ungewöhnliche Form und Ausrichtung
ihrer Hochblätter senke ihren Energiegewinn durch Photosynthese, schreiben die
Autoren der Studie. "Doch dieser Aufwand gleicht sich aus, zum Vorteil
einer effizienteren Anziehung von Bestäubern",
argumentieren Simon und seine Kollegen. Die Biologen sind überzeugt, dass
weitere Pflanzen auf ähnliche Lockmanöver setzen .
Fledermäuse filtern Störgeräusche
Der Mensch kann diesen Hörkunststücken
nur mit speziellem Gerät folgen. So bleibt ihm nur der Blick auf die bunte
Blüte der tropischen Kletterpflanze. Auch ohne florale
Akustik nicht zu verachten.
Ohne die Sinnesleistungen der Fledermäuse wäre die Kletterpflanze wohl aufgeschmissen. Wie präzise die Ultraschallortung der Tiere ist, zeigt eine weitere Arbeit, die ebenfalls in Science erschienen ist. Darin beschreibt eine Gruppe um Mary Bates von der Brown University im amerikanischen Providence, wie Breitflügelfledermäuse Insekten jagen. Die weit verbreitet auch in Europa vorkommende Fledertierart geht ebenfalls per Ultraschall auf Beutefang. Dazu manipulieren sie etwa Frequenz und Intensität ihrer Rufe. Die Flieger nutzen Ober- und Unterwellen im Schallspektrum, um Störgeräusche zu filtern. Dadurch können sie fast problemlos Insekten allein per Echo aufspüren, selbst wenn diese durch flatterndes Laub düsen.
Die Welt als Echo
Forscher erkunden die Sinnesleistungen
von Fledermäusen – unter den Säugetieren sind sie einzigartig.
Mit einem noch etwas besseren Gehör
würden die Großen Mausohren wohl auch das Gras wachsen hören. Schon jetzt
können sie problemlos belauschen, was sich zwischen den Halmen abspielt.
Besonders sensitiv reagieren die Ohren dieser Fledermäuse auf das zarte
Geräusch von Käferbeinen auf dem Boden – selbst wenn wenige Meter entfernt ein
Laster über die Autobahn donnert.
Ihr überragendes Gehör konnten die
Mausohren im Labor von Björn Siemers am
Max-Planck-Institut für Ornithologie im bayerischen Seewiesen unter Beweis
stellen. Aus getrennten Lautsprechern spielte ihnen der Biologe einmal
Laufkäfergetrappel und einmal Verkehrslärm vor. Lagen beide Geräuschquellen
nahe zusammen, dauerte die Suche nach dem vermeintlichen Beutetier zwar länger
und war insgesamt weniger effizient, aber erstaunlich oft trotzdem erfolgreich.
Das ist nur eines von vielen neuen
faszinierenden Ergebnissen aus den Labors des Fledermausforschers. Zwar lernt
heute jedes Kind, dass Fledermäuse über spezielle Fähigkeiten verfügen; dass
sie sich bei der Jagd auf die Echoortung verlassen und sich mittels
Ultraschallrufen orientieren. Doch wie komplex, vielschichtig und einzigartig
die Wahrnehmung und das Verhalten der Fledermäuse wirklich ist, zeigt sich erst
jetzt so richtig.
Und einige der staunenswertesten
Erkenntnisse stammen aus der Forschungsgruppe Sinnesökologie, die Siemers seit vier Jahren leitet. Schon als Kind wollte der
heute 38-Jährige Zoodirektor oder Tierforscher werden. In Brasilien studierte
er unter anderem das Verhalten von Primaten. »Ich habe dann aber erkannt, dass
es bei den Fledermäusen noch viel fesselndere Fragen
zu lösen gibt als in der Affenkommunikation«, erinnert sich Siemers.
Der Erfolg gibt ihm recht. Kürzlich
konnten er und seine Mitarbeiterin Maike Schuchmann
zum Beispiel zeigen, wie ausgefeilt die Echoortung einer speziellen
Fledermausart, der sogenannten Mehely-Hufeisennase,
ist: Diese kann artfremde Ultraschallsignale selbst dann noch
auseinanderhalten, wenn deren Frequenzen so dicht beieinanderliegen,
dass sie sich überlappen. Warum brauchen die Hufeisennasen solche
»Fremdsprachenkenntnisse«? Schließlich ist die Echoortung – anders als etwa die
Sprache des Menschen und der Gesang der Vögel – gar nicht primär als Mittel der
Kommunikation entstanden. Warum differenzieren die Fledermäuse dennoch so fein?
Denkbar ist, dass die Tiere auf diese
Weise überlegenen Konkurrenten aus dem Weg gehen; vielleicht erlauschen sie
auch den Weg zu neuen Quartieren, indem sie etwa artfremden Fledermäusen mit
ähnlichen Präferenzen folgen. Genau weiß das derzeit allerdings niemand.
Offenbar birgt die Echoortung selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung noch
Überraschungen.
Fledermäuse können aber nicht nur sehen, hören, riechen und echoorten; sie verfügen auch über einen inneren Magnetkompass, wie Siemers’ Kollege Richard Holland herausgefunden hat. Holland, der an der Vogelwarte Radolfzell arbeitet, hat zusammen mit Siemers auch beobachtet, dass Fledermäuse ihren inneren Kompass anhand des Sonnenunterganges justieren. Wie Zugvögel wissen sie: Dort, wo die Sonne versinkt, muss Westen sein. Anders als Vögel sind Fledermäuse allerdings nachtaktiv und fliegen erst aus, wenn die Sonne unter dem Horizont steht. Offenbar können sie sich selbst am schwächsten Lichtschein orientieren. »Bei unseren Versuchen konnten wir noch eine Stunde später an einem Lichtschimmer erkennen, wo die Sonne untergegangen war. Das scheint den Fledermäusen zu genügen«, berichtet Siemers.
Die nachtaktiven Säugetiere haben
vermutlich deshalb so viel mit Zugvögeln gemein, weil sie vor ähnlichen
Herausforderungen stehen: Zwischen den Sommer- und Winterquartieren der
Rauhautfledermäuse etwa können mehr als 1000 Kilometer liegen. Die Tiere balzen
in Deutschland, bringen ihre Jungen in Polen zur Welt und überwintern dann in
Holland. Auf diesen Distanzen hilft ihnen die Echoortung kaum weiter. Denn
Echoortungsrufe reichen meist nur wenige Meter weit und liefern keinen
weiträumigen Überblick über die dreidimensionale Umwelt, wie dies unsere Augen
tun. Würden sich die Fledermäuse bei ihren bis zu 35 Stundenkilometer schnellen
Flügen allein nach der Echoortung richten, wäre das so, »als ob wir mit einer
Funzel auf der Autobahn unterwegs wären«, meint Siemers.
Deshalb orientieren sie sich auf weiten Strecken wohl eher an ihrem Magnetsinn.
Auf kurzen Distanzen allerdings ist
vermutlich die Echoortung dafür zuständig, Orientierungspunkte wie einzeln
stehende Bäume oder Seen zu identifizieren. Insbesondere Gewässer spielen im
Leben der Fledermäuse dabei eine entscheidende Rolle. Sie sind nicht nur zur
Orientierung und als Trinkstellen wichtig, sondern auch als hervorragende
Jagdgebiete. Wie eng die Tiere den Gewässern tatsächlich verbunden sind, haben
die Max-Planck-Forscher aber erst jetzt festgestellt.
An Teichen oder Tümpeln wird den
Fledermäusen ihre Beute – Zuckmücken, Köcher-, Stein- und Eintagsfliegen –
gewissermaßen auf dem Silbertablett serviert: Die glatten Wasserflächen
fungieren in der Echoortung als akustische Spiegel; sie reflektieren die Rufe
der Fledermäuse weg von den Tieren, sodass die Insekten als Punktstrahler
echoakustisch besonders exponiert sind. Eines Tages nun beobachtete Siemers, wie ein paar Fledermäuse offenbar vom glatten
Linoleumboden seines Labors zu trinken versuchten. Da kam ihm der Verdacht,
dass die Tiere gar nicht vom Wasser direkt angezogen werden, sondern von allen
glatten Flächen, die Ultraschallsignale wegreflektieren.
Um das zu testen, legten er und sein
Mitarbeiter Stefan Greif in einem Versuchsraum glatte Metallplatten aus und
testeten die Reaktion von fünfzehn verschiedenen Fledermausarten. Ergebnis: Die
Tiere wurden von den kalten Metallflächen fast magisch angezogen. Besonders die
Langflügelfledermäuse zeigten sich begeistert; manche von ihnen versuchten
innerhalb weniger Minuten mehr als 100 Mal von den Metallplatten zu trinken.
Aber auch andere Spezies blieben hartnäckig und ließen sich von zahlreichen
Fehlversuchen oder einem Kontakt mit dem harten Metall nicht frustrieren.
Auch die Gegenprobe gelang: Legten die Forscher Metallplatten mit einer rauen Oberflächenstruktur aus, wurden diese von den Fledermäusen konsequent ignoriert. »Die neuronale Verknüpfung von horizontalem akustischen Spiegel und Wasser scheint bei Fledermäusen außerordentlich stark zu sein«, erläutert Stefan Greif. »Wir gehen mittlerweile davon aus, dass sie angeboren ist.« Wie Versuche zeigten, wollten selbst Jungtiere, die noch nie ein natürliches Gewässer gesehen oder geortet hatten, von den Metallplatten trinken. »Soweit wir wissen, ist dies der erste Nachweis, dass auch Säugetiere ein Merkmal ihres Lebensraumes von Geburt an erkennen können«, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Communications.
Ein solches genetisch festgelegtes
Gespür für Wasser kennt man zum Beispiel von Fischen, die ihr Habitat am Geruch
erkennen. Auch Insekten müssen nicht erst ausprobieren, welche Pflanzen zur
Eiablage bestimmt sind. Und Nachtfalter »wissen« gleich nach dem Schlüpfen, vor
welchem Hintergrund sie am besten getarnt sind. Säugetiere dagegen, so dachte
man bisher, müssen derartige Dinge erst nach und nach lernen.
Warum aber ist den Fledermäusen der
Drang zu glatten Flächen angeboren, und warum lernen sie nicht, zwischen einer
Metallplatte und echtem Wasser zu differenzieren? Siemers
erklärt das damit, dass Fledermäuse, anders als viele andere Tiere, in einer
akustischen Welt leben und sich nicht in erster Linie auf ihre Augen verlassen.
»Sie können das Verhalten ihrer Mütter und anderer Artgenossen nicht im Detail
beobachten, um sie dann zu imitieren«, erklärt der Forscher. »Da scheint es
sinnvoll, die Interpretation einfacher Echomuster genetisch festzulegen.« Und
so wird ein großer akustischer Spiegel am Boden automatisch als Wasserfläche
interpretiert, während kleine Objekte im Luftraum eben als Beute gelten.
Ganz auf sich allein gestellt sind die
jungen Fledermäuse dennoch nicht. Sie können zumindest die Position und
Flugbewegung von Artgenossen über deren Echorufe verfolgen. Ändern sich deren
Rufe, lässt dies auch auf das Verhalten rückschließen.
So lernen zum Beispiel bestimmte Fledermäuse aus Mittelamerika von ihren
Artgenossen, welche Frösche sich für sie als Beute eignen: Hören sie, dass ein
Artgenosse auf einen spezifischen Froschruf reagiert und kurz darauf schmatzt
und kaut, werden sie auch selbst diese Froschart probieren.
Fledermäuse belauschen also ihre Artgenossen, vielleicht aber auch fremde Spezies. Sie verfügen über einen Magnetsinn wie die Zugvögel und können mit Wasserflächen ein wichtiges Element ihres Lebensraumes von Geburt an erkennen – eine bei Säugetieren bislang unbekannte Fähigkeit. Kein Zweifel: Björn Siemers und seinen Forscherkollegen wird die Arbeit nicht so bald ausgehen.
Guano-f.:
Pel: myotis = großes Mausohr/= Fledermausfell/= Myotis myotis bringt Glück:
Verbunden mit Mond
Vergleich: Siehe: Mammalia:
Nacht ↔ Fledermaus/Eule ↔ Fliegen
Allerlei: Fledermäuse bestäuben Banane
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