Sepia
Anhang 4
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[Olaf Posdzechs]
In der Regel werden Sepia-Männer wegen der Scham für ihr Mann-Sein eher weich wirken. Wir können sie wirklich sehr mit Staphisagria verwechseln, solange wir uns nicht an das tiefere "warum" herangetastet haben. Es gibt aber auch Ausnahmen, in denen die ganze Thematik hinter einer eher übertrieben männlichen Fassade versteckt ist.
Ich erinnere mich an eine Veranstaltung, bei der wir hinterher noch zu dritt auf dem Hof standen und uns angeregt unterhielten. Wir waren drei Männer. Ich selbst nahm seit über einem Jahr Sepia, der nächste sollte es zwei Monate später von Andreas Krüger bekommen, und dem dritten würde es wahrscheinlich ungeheuer gut tun. Dieser Mann wirkt auf den ersten Blick eher wie ein Macho, auch wenn dieses Wort nicht so viel aussagt. Er ist gut gebaut, sehr muskulös, geht oft ins Sportstudio. Er wirkt sehr selbstbewusst. Also auf den ersten Blick überhaupt nicht wie Sepia. Als wir da so standen, kam eine Frau mit ihrem Fahrrad, die irgendwie an uns vorbei wollte. Sie war schon älter, und heute denke ich, sie hat sich wahrscheinlich durch unsere Ballung an Männlichkeit schon bedroht gefühlt. Wahrscheinlich hatte sie auch etwas mit Sepia zu tun und befürchtete vielleicht, dass wir im nächsten Moment über sie lästern könnten oder irgendwelche Zoten reißen. Jedenfalls nahm sie ihren Mut zusammen und sagte dann – auch mit einem Anflug von Selbstverteidigung oder Angriff "Kann ich hier mal vorbei?" Ich hatte noch gar nicht die Frage begriffen, da schoss dieser Mann schon zurück, "Jetzt stehen wir aber hier!" oder irgend sowas. In atemberaubenden Tempo wurden immer ärgere Beleidigungen von beiden hin und her geworfen und ich dachte nur, was machen die da? Als die Frau weg war, fragte ich ihn, was er da anstelle. "Ja, die blöde Kuh", erklärte er; "wenn die wenigstens jung und knackig gewesen wäre, da hätte ich ja mit mir reden lassen. Aber so eine...?!". "Sag mal, so willst du doch eigentlich auch nicht behandelt werden?", fragte ich ihn. Er zeterte noch eine Weile herum, aber schließlich bemerkte er dann selbst, dass da irgendwas mit ihm durchgegangen war. Er hatte sich durch die Frau auch angegriffen gefühlt. Und dann erzählte er davon, wie es in ihm hinter seiner starken männlichen Fassade aussieht. Er habe viele Jahre in einer anderen Stadt verbracht, sagte er, und er sei damals furchtbar dick und unförmig gewesen. Die Frauen hätten ihn höchstens ausgelacht. Er wurde nicht geachtet. Um aus dieser Kränkung herauszukommen, baute er sich dann diese Fassade von Muskelmann und Illustrierten-Männlichkeit auf. Dahinter aber – da bin ich sicher – sitzt bis heute ein zu tiefst verängstigter Mann, der weiß, er hat keine Chance auf Liebe und Anerkennung für das, was er ist. Also die Fassade kann sehr trügen. Fragt eure Patienten immer, nach dem Warum. Warum ist diesem Mann diese Fassade von Härte und Kraft so wichtig. Manchmal werden wir uns wundern, was dahinter zum Vorschein kommt.
Entscheidend im Auftreten von Sepia-Männern ist die Selbstverteidigung. Sie ist so stark verinnerlicht, dass sie reflexartig funktioniert. Das erlebt auch der Sepia-Mann so. Oft empfindet er selbst hinterher Scham und Verwunderung, wenn ihm klar wird, wie ausfallend und hart er da zurückgeschossen hat. Noch öfter aber wird er diese Reue gleich wieder verdrängen, um sich weiter als Opfer und in der Moral fühlen zu können. Die Form der Angriffe erinnert tatsächlich sehr an den Tintenfisch: Tinte raus und die entstehende Verwirrung nutzen, um schnell abzuhauen. Der Tintenfisch ist ja an sich völlig ungeschützt und kann sich nur in seiner Höhle verstecken. So ist es auch beim Sepia-Menschen.
Gemüt
Der Sepia-Mann kann zwei Sorten von Menschen nicht leiden. Das eine sind Sepia-Frauen, durch die er sich immer angegriffen fühlt. Das ist, als müsste er sich vor ihnen rechtfertigen, wie er es sich überhaupt erlauben kann, als Mann geboren zu sein. Diese Angriffsgefühl ist so stark, dass er auf Sepia-Frauen wirklich schon aus 10 Metern Entfernung reagiert und in eine Abwehrhaltung geht. Nur ein falsches Wort von ihr, und sein Gift ist draußen. Das geht schneller, als er denken kann.
Die zweite Sorte Menschen, die er überhaupt nicht ausstehen kann, sind "richtige" Männer und Männer, die Erfolg bei den Frauen haben. Da ist natürlich auch ganz viel Neid dabei, weil es bei diesen Männern auf eine ihm rätselhafte Weise doch irgendwie zu funktionieren scheint. Er kann sich gar nicht vorstellen, woher die ihr Selbstbewusstsein nehmen, obwohl sie ein Mann sind. Noch dazu ist ihm schleierhaft, warum ausgerechnet die größten Machos als Mann begehrt werden.
"Wunsch, eine Frau zu sein oder in Frauenrolle zu leben" aber gleichzeitig ein starkes Gedächtnis für Geschichten, in denen Frauen übel mit den Männern umgehen. Ich erinnere mich an ein Erlebnis: Wir machen Pulsatilla-Unterricht. Alle sind ganz weich und hingegossen und möchten sich von der Welt nehmen lassen, da meldet sich plötzlich ein Mann. Ja, sagt er, zu Mann und Frau fällt ihm eine Geschichte ein von einer Vogelart im Urwald, die er gerade im Fernsehen gesehen habe. Die Männchen dieser Vogelart bauten mit ganz viel Anstrengung über Wochen ein kompliziertes Nest. Dafür müssen sie erst ein paar Zweige kunstvoll zusammenbiegen, und dann ganz viele kleinste Stöckchen herantragen. Es ist eine ungeheuer aufwendige Arbeit und sehr kompliziert. Wenn sie fertig sind kommt das Weibchen angeflogen und guckt. Sie dreht ein paar Runden um das Nest, guckt hier mal und guckt da, und dann beschließt sie, dass es ihr wohl nicht gefällt. Sie zöge dann einfach unten so ein Stöckchen raus, und das ganze Nest falle vom Baum und sei kaputt!
Wir wussten nicht so richtig, was diese Geschichte mit Pulsatilla zu tun hat. Aber solche Geschichten sammelt ein Sepia-Mann natürlich.
"Vermeidungshandlungen, tut eine andere Arbeit als die aufgetragene." Das liegt daran, weil er sich mit dieser Aufgabe nicht konfrontieren kann. Er hat schon so lange gegen seinen eigenen Rhythmus verstoßen, dass sein Grundgefühl ist, er ist von diesen Aufgaben überfordert. Sulfur würde dann statt dessen Feiern gehen, oder ein paar Drogen nehmen. Barium würde sich vor der Welt im Bett verstecken oder hinter der Tür. Sepia fühlt sich aber immer verpflichtet und macht dann statt dessen andere Arbeiten, die auch irgendwie wichtig sind. Typische Geschichte, die ich selbst erlebt habe: Ich habe noch nie so oft abgewaschen oder meine Fußböden gewischt wie in den Zeiten meiner Prüfungsvorbereitung für die Heilpraktiker-Überprüfung.
In einem Punkt widerspricht mein eigenes Sepia Bild der gängigen Lehrmeinung vollkommen. Es wird immer gesagt, Sepia habe eine Abneigung gegen Sexualität. Wenn ich mir Menschen ansehe, von denen ich weiß, dass ihnen Sepia gut getan hat und andere, bei denen ich sicher bin, dass sie es brauchen könnten – sie haben fast alle eine starke Sexualität! Aber: der praktische Vollzug ist total schwierig, weil man befürchtet, dass die eigene Sexualität nicht angenommen wird und gelebt werden kann. Wie bei allen anderen Dingen im Leben fürchtet der Sepia-Mensch gerade auch in der Sexualität, dass hier von ihm ein bestimmtes Rollenverhalten erwartet wird, was vielleicht gar nicht zu ihm passt. Im Repertorium finden wir für Sepia das Symptom "weint beim Erzählen von ihrer/seiner Sexualität". Welcher Schmerz und welche Sehnsucht müssen dahinter stecken!
[Dr. Gerhardus Lang]
Seit alten Zeiten haben Mythen und Märchen die Menschen in ihren Bann gezogen.
Vom Altertum sind uns von den herrschenden Kulturen nur Trümmer und Fragmente überliefert. In den Sagen, Mythen und Märchen ist uns jedoch eine Seite der Weltbetrachtung unserer Vorfahren überliefert worden, die uns oft unverständlich und rätselhaft erscheint. Durch die Psychologie von C.G. Jung ist ein Bewusstsein davon geweckt worden, dass sich in der Bildersprache der Alten ihre
Art von Durchschauung der Welt niedergeschlagen hat. Auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, hat darauf hingewiesen, dass die Gesetze der Physiologie lebendiger Organismen in
der Bildersprache der Mythen und Märchen ihren Niederschlag gefunden haben. In der modernen Betrachtung von Mythen findet man den Gesichtspunkt, dass der Dualismus von Geist und Materie,
Gott und Welt - wie immer er auftreten mag – durch die wahre Erkenntnis der Mythen und Märchen überwunden werden kann. Auch bei den Anhängern der Homöopathie wird das Bewusstsein
immer stärker, dass in den charakteristsichen Zügen eines Arzneimittelbildes bestimmte Wesenszüge von Gestalten, die in Mythen und Märchen und in der Dichtung eine Rolle spielen, ihre Wiederspiegelung finden. (Gawlik, Stübler, J.Becker). Bei manchen Arzneimitteln ist es nicht schwer, z.B. für Aurum, entsprechende Märchen zu finden. Man muss schon mit Blindheit geschlagen sein,
wenn man da nicht sofort charakteristische Züge eines solchen Mittels entdeckt, das schon, wie Gold, zu ältesten Zeiten ein hervorragender Kulturgegenstand war. Schwieriger wird es bei Mitteln, die
aus Lebensbereichen stammen, die nicht so sehr der Klarheit des Tages, des Sonnenlichts, zugeordnet werden können. Ein solches Mittel ist Sepia, der Tintenfisch.
Viele Charakteristika des Mittels lassen sich aus der Lebensweise des Tieres oder seiner Verwandten ableiten (Simonis). Wo aber finden sich entsprechende Gestalten in der Mythologie- und Märchenwelt?
Auf der Suche nach solchen Gestalten wird man jedenfalls nicht die Gefilde der Luft und der festen Erde durchforschen, sondern die Bewohner des Meeres und die dort herrschende Götterwelt studieren. In der griechischen Mythologie bietet sich insbesondere Nereus mit seinem Gefolge an. Nereus stammt aus der Verbindung von Gaia und Pontos, jene Verbindung, die Gaia nach dem Sturz des Uranos
einging. Pontos ist das Salzmeer und entstammt selbst der ursprünglichen Schöpfung der Gaia, die zu Uranos (der Himmel), den Gebirgen und dem Meer führte (Hesiod).
Aus dieser ursprünglichen Schöpfung stammen alle jene Wesen, die den Kräften entsprechen, denen wir große Teile unseres Empfindungslebens, die Träume, die Rache, die Wut, das Gewissen und viel anderes verdanken, und denen viele der Symptome entspringen, die wir als Gemütssymptome in der Homöopathie kennen.
Neben Nereus entstammen dieser Verbindung des Pontos und der Gaia Thaumas, Keto, Eurybia und Phorkys, der in Faust II dann eine Metarmorphose von Mephisto darstellt, die in vielem an die Gestalt der Kassandra erinnert, jener unglücklichen Tochter des trojanischen Königs Priamos, die den ganzen Untergang voraussah und der niemand glaubte. Sie kam beim Königsmord an Agamemnon schließlich um. Nereus zeugt mit der Okeanide Doris die 50 Nereiden. Es sind dieses alles Gestalten, die vor der Herrschaft des Zeus entstehen. Nehmen wir Zeus als das Symbol der ordnenden Kraft des Bewusstseins, dessen höchste Zeugung (man beachte die ethymologische Ähnlichkeit von Zeus und Zeugung!) – Athene - ihm in voller Rüstung aus dem Haupt entspringt (als Bild des menschlichen Denkvermögens), so sind die Geschöpfe des Meeres Gestalten, die unserer unbewussten, bzw. unserer empfindenden Seele zuzuordnen sind (Anima des C.G. Jung, s. a. C.G. Carus, Psyche).
Im Meer lebt die zwar lebhafte, aber doch stumme Gesellschaft der Fische, der auch unsere Sepia angehört, obwohl sie kein Fisch ist, sondern in der Familie der Weichtiere angesiedelt ist.
Erst über dem Wasser, bzw. auf dem Festland entsteht das klare Tagesbewusstsein und die festen Konturen. Die Bevölkerung des Meeres durch göttliche oder gottähnliche Wesen geschieht in der
griechischen Mythologie durch die Generation, die der Gaia und dem Uranos ihren Ursprung verdankt.
Die dritte Generation wird von Kronos und seine Titanenschwester Rhea erzeugt. Aus ihnen geht das Göttergeschlecht der Olympier oder die jüngere Götterwelt hervor. Zwar verschlingt Kronos seine Kinder wegen der Voraussage, dass eines derselben ihm die Macht nehmen würde. Rhea sorgt jedoch dafür, dass ihr letzter Sprössling, Zeus, diesem Schicksal entgeht, und mit seiner Hilfe gelingt es dann,
der neuen Generation der Götter zur Macht zu verhelfen. Diese Macht fällt dem Zeus nicht ohne Mühe und Kampf zu, wofür der Kampf gegen die Titanen eine Stufe darstellt.
Dieser jüngeren Götterwelt gehört die Sepia bestimmt nicht an. Nach dem Sieg über die Titanen muss sich Zeus noch einmal mit den Geschöpfen der Gaia auseinandersetzen: Im Kampf gegen die Giganten. Die Giganten waren aus dem Blut des Kronos entsprungen, das bei der Kastration desselben auf Gaia nieder floss. Aus den Geschlechtsteilen des Kronos, die ins Meer hinab fielen, entstand
die Göttin Aphrodite.
Bei den verschiedenen „Generationswechseln” legen die Gattinnen der jeweiligen Herrscher ein eigentümliches Verhalten an den Tag: Sie überwinden die Tyrannis der Zeugenden (Uranos und Kronos) mit ihrer Beihilfe durch Beraubung der Zeugungsorgane und ermöglichen so den Sieg über dieselben. Dieses Verhalten der Göttinnen ist an sich logisch. Ihr Sinn besteht gerade darin, dem Erzeugten zum Leben zu verhelfen. Sie zeugen selbst nicht, aber sie lassen entstehen.
Ihr Interesse ist die Zukunft, das Werdende, und nicht die Vergangenheit, das Gewordene. Sepia als vorwiegendes Frauenmittel und dort mit unübersehbarem Schwerpunkt im Fortpflanzungsbereich von Uterus, Ovarien und Hypophyse wird mehr den Verhaltensweisen der Mütter zuzuordnen sein. Gaia hilft ihrem Sohn Kronos und Rhea ihrem Sohn Zeus, den Vater zu entmachten. Allerdings ist das Verhalten von Gaia zwiespältig, da sie zunächst die Anerkennung der Oberherrschaft des Zeus allen Göttern empfohlen hatte, es sich jedoch später anders überlegte, da sie dem Zeus doch nicht verzeihen konnte, dass er ihre Söhne, die Titanen, unter die Erde verbannt hatte (Sepia ist eines von den Mitteln, die einen gespaltenen Willen zeigen). Gaia erzeugt mit Tartaros den Typhon, ein riesiges Ungeheuer mit 100 brüllenden, Feuer speienden Drachenköpfen von schrecklicher Gestalt, der nur durch die Blitze des Zeus besiegt werden konnte. Die Giganten, aus dem Blut des Uranos gezeugt, sind gleichfalls Söhne der Gaia, die erst im Gigantenkampf besiegt werden. Dieser Kampf geht lange unentschieden hin und her und wird nur durch das Eingreifen des Herakles zu Gunsten der Götter entschieden.
Hier wird in der griechischen Mythologie unübersehbar die Bedeutung des Menschen für die gesamte Entwicklung des Weltgeschehens aufgezeigt
(Olga von Ungern-Sternberg)
. Ein letztes Mal muss Zeus seine Herrschaft verteidigen, als die Aloaden (Söhne des Poseidon und der Iphimedeia, also auch dem Meerbereich Entsprungene) in ihrem Übermut den Olymp erstürmen wollen.
Im Kampf der Achäer gegen die Trojaner zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Götter zwar unter der Herrschaft des Zeus stehen, aber doch irgendwie weiter ihre eigenen Interessen vertreten. So steht Aphrodite, eine der älteren Göttinnen, eigentlich Titanin, auf der Seite der Trojaner, ebenso Ares und bis zu einem gewissen Grade auch Poseidon, der Herrscher des Salzmeeres, der den Odysseus,
Athenes Schützling, bis zuletzt verfolgt, weil er seinen Sohn Polyphem geblendet hat.
Eine eigentümliche Gestalt taucht im Gesichtskreis des Zeus auf, nämlich Thetis, eine Nereide. Er liebt sie, jedoch offenbart ihm der von Herakles erlöste Prometheus.x, dass sie einen Sohn gebären sollte,
der mächtiger sein würde als der Vater. Darauf gibt Zeus sie dem König Peleus, einem Sterblichen, zur Gattin, der mit ihr den Achill zeugt. Von der Werbung des Peleus um Thetis wird erzählt, dass sie
sich seiner gewaltsamen Umarmung durch Verwandlung in Feuer, Wasser, eine Schlange und einen Löwen und zuletzt in eine Meerspinne zu entziehen versuchte. Peleus ließ sich jedoch nicht schrecken
und so „ergab sie sich dem kühnen Helden”, wie es in der Sage heißt.
(Leitsymptom von Sepia: Macht das Gegenteil von dem, was es ursprünglich wollte). Die Hochzeit des Peleus mit Thetis führt dann direkt zum trojanischen Krieg: Eris, Göttin der Zwietracht, ist nicht zum Fest geladen, und aus Zorn darüber erregt sie den großen Krieg. Sie wirft den berüchtigten Apfel mit der Aufschrift „der Schönsten” unter die Hochzeitsgesellschaft.
Hera, Athene und Aphrodite beanspruchen den Preis der Schönheit. Kein Gott wagt, den Streit zu entscheiden (was gut zu verstehen ist), und so muss der Schönste der Sterblichen, Paris, dieses Problem lösen. Dabei fällt er der Verführung der Titanin Aphrodite, die ihm das schönste Weib (nämlich Helena) verspricht (sie kauft ihn regelrecht ein), zum Opfer, womit der Grund zum trojanischen
Krieges gelegt ist.
In diesem spielt nun der Sohn der Thetis und des Peleus, nämlich Achill, eine hervorragende Rolle. Thetis wollte ihn unsterblich machen und hielt deshalb das Kind in der Stille der Nacht über ein göttliches Feuer, wobei sie von ihrem Gatten Peleus überrascht wurde. Dieser zückte, von Entsetzen gepackt, das Schwert gegen die göttliche Mutter und dieselbe verschwand auf Nimmerwiedersehen
(ein Verhalten, welches die Sepia auch an den Tag legt, indem sie das Nimmerwiedersehen durch eine dunkle Farbe verwirklicht). Achill, den sie an der Ferse gehalten hatte, wurde dadurch an
dieser Stelle verwundbar (eine andere Sage erzählt, sie hätte ihn gleicher Weise haltend in das Wasser des Styx getaucht). Genau jener Paris, der den trojanischen Krieg mit seinem Schönheitsurteil anstiftete, tötet später den großen Helden der Griechen durch den Pfeilschuss in die Ferse (es ist auch eigentümlich, dass Paris von seinen Eltern ausgesetzt wurde, weil über ihn geweissagt worden war, dass er den Untergang Trojas herbeiführen würde).
Alles dieses geschah, obwohl Thetis immer wieder versuchte, das vorbestimmte Los ihres geliebten Sohnes zu verhindern. Am bekanntesten ist die Geschichte, als Thetis den jungen Achill zu Lykomedes auf die Insel Skyros brachte, wo derselbe in Mädchenkleider gesteckt wurde, damit der Heldenklau Odysseus, der mit seinem Freund Diomedes erschienen war, um alle streitbaren Männer für den Zug gegen die Trojaner zu sammeln, ihn nicht erkennen sollte. Aber gegen seine List war der Jüngling nicht gewappnet, und er offenbarte sein Gemüt, als Odysseus ihm Waffen zur Auswahl gegen schöne Kleider vorlegte.
Dieser Achill, der als der stärkste Held der Griechen geschildert wird, spielt bei dem Feldzug eine eigentümliche Rolle. So beginnt die Ilias mit dem Vers: „Göttin, singe mir von des Peleussohnes Achilleus
Unheil bringenden Zorn, der tausend Leid den Achäern...”
Es geht um den Zorn, den Achill nicht beherrschen kann, als ihm Agamemnon ungerechterweise seine wohlverdiente Kriegsbeute, das Mädchen Briseis, wegnimmt. Diese an sich unbedeutende Tatsache verletzt Achill derart, dass er beschließt, die Griechen im Stich zu lassen und auf weiteren Kriegsruhm zu verzichten.
Achill unterliegt vollständig seiner Emotion. Er zeigt dabei eine Seite des Sepiabildes, die im Arzneimittelbild ebenfalls erscheint: Im Synthetischen Repertorium von Barthel findet sich Sepia in
folgenden Rubriken:
Zorn (3),
Zorn, morgens (2),
Beschwerden nach Zorn (2),
Zorn durch Widerspruch (3),
Zorn vor der Menses (2) (einziges Mittel),
Zorn über vergangene Dinge (1),
Zorn, infolge von unterdrücktem Zorn (1),
Zorn mit Zittern (1),
Zorn über Kleinigkeiten (1),
heftiger Zorn (2),
Widerstreit mit sich selbst (2)
Widersprüchlicher Wille (1).
Es ist ein Zorn, der einer Laune entspringt.
Launen sind Zustände, die der Ratio entgegengesetzt sind. So gelingt es nicht, Achill durch Überredung und Vernunftgründe wieder zum Kampf zu bewegen. Erst durch eine erneute Emotion lässt sich sein Wille umstimmen.
Als den Griechen durch das Vordrängen der Trojaner bis zu den Schiffen unmittelbare Gefahr droht und damit auch dem Achill die Heimkehr unter Umständen unmöglich wird, entschließt er sich, seinen Freund Patroklos mitsamt den Myrmidonen in die Schlacht zu schicken. (Symptom: objektiv-vernünftig).
Dabei wird Patroklos durch Hektor getötet, wodurch die Wut des Achill nun von Agamemnon weg auf Hektor gerichtet wird. Dabei geht es Achill nicht um das übergeordnete Ziel des Sieges über die Trojaner, sondern um das persönliche Motiv der Rache an Hektor.
Dieser unbeherrschte Zorn führt dann zu der entsetzlichen Schändung der Leiche des Hektor, die Achill dreimal um die Burg von Troja schleifen lässt.
Obwohl Achill der stärkste Held der Griechen genannt wird, fällt die Entscheidung im trojanischen Krieg nicht durch ihn. Diese Entscheidung ist jenen Kräften vorbehalten, die bereits unter den Göttern die Herrschaft angetreten haben. Es ist die Überlegung, die Vernunft, die Ratio, die in Odysseus in Erscheinung tritt. Eigentümlicherweise fällt Paris erst durch eine Verletzung, die ihm durch einen
Pfeil des Herakles zugefügt wird. Philoktet ist der Träger sowohl des Bogens als auch der Pfeile des Herakles, die durch Eintauchen in das Blut der Hydra vergiftet sind. In der Sage wird nun beschrieben, dass erst durch das Eingreifen des Philoktet mit diesem Heraklespfeil die Schlacht entschieden werden kann. Gegen die Verwundung durch diesen Pfeil sind sämtliche menschlichen Heilmittel machtlos. So rundet sich an dieser Stelle der Kreis, dass Herakles, der bereits den Göttern zum Sieg über die unterweltlichen Giganten verhalf, nun auch entscheidend zum Sieg der Achäer beiträgt.
Bei der Rückkehr der Achäer in die Heimat fällt Agamemnon seiner Frau Klytemnästra beim berüchtigten Agamemnonmahl zum Opfer. Sie rechtfertigt den Gattenmord durch den Hass, den sie nach der Opferung ihres Kindes Iphigenie gegen den Vater empfand.
Aus dieser Tat erwuchs ihr wiederum ein Rachegeist, nämlich ihre Tochter Electra. In dieser zeigt sich ein psychisches Bild, in dem der Hass vorherrscht, der bis zum Plan des Mordes an der Mutter führt. Zu einem solchen Hass ist Sepia nicht fähig, im Gegensatz zu Natrium muriaticum, dem Komplementärmittel zu Sepia.
Jacqueline Barbancey schreibt:
„Das sehr treue Bild vom Vater bleibt ständig bestehen, und Sepia bleibt treu ihrem mythologischen Typ: Sie stellt das Bild der Elektra dar, der schwarze Schleier in der Trauer um ihren Vater.”
Man könnte noch hinzufügen, dass Elektra eine Gerechtigkeitsfanatikerin sei und insofern auch typisch für Sepia anzusehen sei. Liest man sich jedoch das Drama von Sophokles daraufhin nochmals durch,
so spricht alles für Natrium muriaticum und nichts mehr für Sepia. Insbesondere in dem Gespräch, in dem die Mutter ihre Handlungsweise ihr gegenüber rechtfertigt, nämlich den Grund des Gattenmordes in der Opferung der Iphigenie angibt, ist Elektras Gegenargumentation ausgesprochen schwach. Einem wirklich gerecht denkenden Wesen würde es unbedingt einleuchten, dass Klytemnästra von ihrem Standpunkt her ein Recht besaß, sich an Agamemnon zu rächen. Zu einem Hass, der bis zum Mord führt, ist Sepia nicht fähig. Das ist Natrium muriaticum vorbehalten. Aus dem Stück geht jedenfalls eindeutig hervor, dass Elektra ihre Mutter getötet hätte, wenn nicht Orest zurückgekehrt wäre, um dieses Werk auszuführen.
Eine weitere Frauenfigur der Ilias kommt einem in den Sinn, wenn man an Sepia denkt:
Pentesilea, die Fürstin der Amazonen. Aber auch hier passt kämpferisches Wesen nicht zu der mehr rational eingestellten Sepia.
Kleists Verfremdung des Themas weist mehr auf Lilium tigrinum, Platina oder Mercurius hin, als auf Sepia.
Sepia lässt sich niemals derartig von Emotionen überwältigen, wie die Pentesilea bei Kleist.
Als einzige Figur der griechischen Mythologie, die sehr deutliche Sepiazüge trägt, bleibt eigentlich nur Thetis übrig, die sich in königlicher Unberührtheit aus allen Wirrnissen heraushält.
Obwohl sie vom unabänderlichen Schicksal ihres Kindes weiß, glaubt sie nicht daran.
Eine solche Haltung begegnet uns häufig bei Müttern, die behinderte oder schwerkranke Kinder haben. Obwohl alle einsehbaren Gründe gegen eine Besserung oder gar Heilung bei solchen Kindern sprechen, glauben die Mütter fest daran, dass Besserung oder Heilung möglich sei. Ich habe bei solchen Müttern häufig ein Sepiakrankheitsbild behandeln müssen. So unternimmt Thetis alles, um ihr Kind
vor dem vorherbestimmten Schicksal zu bewahren, angefangen mit dem bereits geschilderten Verbergen des Achills vor dem Zugriff der Musterungskomission des Odysseus bis zum späteren Versuch, den
Achill zur Fahnenflucht zu bewegen. Durch den Tod des Patroklos ist dem Achill seine Rüstung abhanden gekommen.
Thetis besorgt ihm durch gute Beziehungen zu Hephaistos binnen einer Nacht eine neuere, noch schönere Rüstung. Thetis wehrt sich gegen die ihr zugedachte Ehe, nachdem sie eigentlich dem vollkommensten, nämlich Zeus, gehören sollte.
Frau Barbancey hat auf die Rolle des Vaters bei Sepia hingewiesen. Zeus ist der Vater, und ihm soll sie eigentlich angehören. Nun soll sie mit etwas Unvollkommenem, nämlich mit Peleus, zufrieden sein:
„Der edle Kentaur Cheiron, der in dem nahen Waldgebirge des Pelion in einer Grotte wohnt, wird Peleus
Er überredet ihn, um Thetis zu werben, die schöne Nereide, die Zeus trotz seiner Liebe nicht zur Gattin zu erheben wagte, weil ein Sohn von ihr mächtiger werden soll als der Vater. Aber wird die herrliche Göttin dem Sterblichen als Gattin folgen? Auf Cheirons Rat verbirgt sich Peleus in einer Höhle am Strande, und als die reizenden Nereiden aus dem Meer auftauchten, um sich am Spiele zu erfreuen,
überrascht er die schöne Thetis und hält sie in seinen Armen fest, obwohl sie sich, um ihn zu schrecken, in Feuer, Wasser, in eine Schlange und einen Löwen verwandelt;
endlich nimmt sie ihre Gestalt wieder an und ergibt sich dem kühnen Helden.”
Peleus muss die sich Wehrende quasi vergewaltigen (Träume von Vergewaltigung: Sepia). Ihre Wandlungen bei dieser Szene erinnern an das Farbenspiel der Sepia in bedrohlichen Situationen, bei denen sie die verschiedensten Färbungen annehmen kann.
Als sie schließlich von Peleus bei ihrem Hexenküchenwerk, nämlich der „Härtung” des Achill durch die göttlichen Flammen, erwischt wird, verschwindet sie wie ein Blitz, wie es Sepia macht, auf Nimmerwiedersehen. Einmal für immer, wie auch die Sepiapatientin ihren Freund und Gemahl verlässt, wenn sie es für richtig hält, weil er ihren hohen Ansprüchen nicht mehr genügt. Der Einzige, der
ihren höchsten Ansprüchen genügt, ist der strahlendste, schönste und stärkste Held der Achäer, ist Achill.
Nur ihm ist sie zugetan, nicht den Griechen schlechthin, dem Volk oder der Idee des Feldzugs. Wie schon geschildert, entspricht auch Achill selber mehr dem Bild der Sepia.
Sepia-Thetis-Achill verkörpert Seelenqualitäten, die in ihrer Einseitigkeit in der nun anbrechenden Zeit krankhaft sein müssen. Durch die Herrschaft des Zeus und die Geburt der Athene hat das Zeitalter des Selbstbewusstseins der Menschen begonnen. Was nützen uns da Menschen, die starrsinnig an einer nur ihrem Sinn verständlichen Gerechtigkeit festhalten und den Sinn für das Recht schlechthin nicht entwickeln können?
Was nützen uns Menschen, die einen fast tierischen Instinkt und eine entsprechend feine Sinnesfähigkeit besitzen und nicht in der Lage sind, „normale” Menschen auszuhalten und mit ihnen soziale Beziehungen aufzunehmen?
Sie werden unter dem überwiegenden Einfluss der Sepia-Komponente, die jeder Mensch potenziell in sich trägt, krank, verschieden krank, wie die Fülle der Symptomatik zeigt. Sie werden jedoch alle ähnlich krank, weil für alle das Heilmittel Sepia indiziert ist.
Kein Sepia-Patient gleicht dem anderen, und trotzdem sind sie sich in bestimmten Zügen ähnlich. Sie fallen in eine Seelen- und Körperverfassung, die unzeitmäßig ist. Jemand, der sein Wasser nicht halten kann, sei es nun in Form von Tränen oder Urin, ist nicht zeitgemäß. Sepia könnte eine Zusammenfassung all jener vielgestaltigen Wesen sein, die als die Töchter des Nereus -fünfzig an der Zahl- alle nicht genau beschrieben sind. Man kann sich diese Vielgestalt vorstellen, wenn man an den Formenreichtum der Meerestiere denkt.
Unter ihnen ist die Sepia eines der Höchstentwickelten, was Klugheit und Individualität angeht. Sie steht, wenn man überhaupt davon reden will, dem Menschen am nächsten. Wenn man sieht, mit welcher Geduld und Raffinesse die Jagd nach der Sepia veranstaltet werden muss, und wie sehr man von dem Todeskampf eines durch den Fünfzack auf das Trockene geworfenen Tintenfisches berührt wird, so
versteht man, dass dieses Tier einer ganz besonderen Qualitätsschicht der menschlichen Seele entspricht.
Wir sind gerne geneigt, den Kräften, die uns in der Krankheit übersteigert das Leben schwer machen, im gesunden Zustand bestimmte Qualitäten zuzuordnen, die wir ihnen verdanken. Was könnten diese „gesunden” Qualitäten von Sepia sein? Betrachten wir den Tinten„fisch”, der gar keiner ist, so fällt uns auf, dass er ein Einzelgänger ist. Im Namen Sepia spricht sich die Beziehung zum weiblichen Geschlecht aus, und wir sagen: „die” Sepia. Schwimmt sie ungestört im Wasser, fällt uns ihre waagerechte Haltung, sowohl in der Längsrichtung als auch in der seitlichen Richtung auf. Fast alle Fische haben ein hoch stehendes Profil im Gegensatz zum quer stehenden der Sepia. Durch den seitwärts herabhängenden Mantel und die Ruhe des im Wasser Stehens bekommt sie einen hoheitsvollen
Charakter. An Sepia kann ich mich aus meiner vorhomöopathischen Zeit beim Unterwasserschnorcheln im Urlaub noch gut erinnern:
Sie flößte mir Respekt durch ihre Würde ein.
Kein unruhiges umher Schwimmen wie bei den Fischen, kein Herdentrieb, sondern ein überlegenes Wesen mit Klugheit und Schlagfertigkeit gepaart (antwortet rasch).
Das Geschlechtsleben der Sepia geschieht auf Abstand. Die Spermatozoen werden bei den Männchen in Spermatophoren (Samenpatronen genannt) hineingepackt. Diese Pakete werden dann mit Hilfe eines extra umgebildeten Fangarmes der Dame quasi zur weiteren gefälligen Verwendung überreicht. Zu mehr Kontakt ist die prüde Sepia nicht bereit. Am liebsten wäre ihr gewiss eine extrakorporale
Befruchtung im Labor mit späterer Einpflanzung des Embryos! Vielleicht würde mancher heutigen Dame, die sich auf diese monströse Art zur Schwangerschaft verhelfen lassen muss, eine Gabe von potenzierter Sepia rascher helfen!
Auf der anderen Seite verkörpert sich in der Sepia durchaus ein Zug, den wir an Frauen so schätzen: Der Zug der speziellen weiblichen Würde. Es gibt ein Relief im Museum von Athen, auf dem Triptolemos, Demeter und Persephone dargestellt sind. Die Würde der Frauenfiguren auf dieser Darstellung ist für mich unübertroffen. So stelle ich mir Sepia in menschlicher Metamorphose vor.
Die Würde einer Königin lebt in der Sepia. So wie im Märchen von des Teufels rußigem Bruder dieser noch den Titel „Mein eigener König auch” trägt, vertritt die Sepia den Titel „ich bin meine eigene Königin, ich bin souverän”.
Es ist die zum Bewusstsein ihrer eigenen Persönlichkeit erwachte Frau, die durch die Fülle ihrer seelischen Qualitäten ein wesentlich königlicheres Niveau erreicht, als es Männer in ihrer aggressiven Natur je erreichen.
Thetis zeigt noch viele Züge der kranken Natur von Sepia. Der Verzicht auf das Höchste, nämlich Zeus, wird ihr zugemutet.
Die Verbindung mit dem sterblichen Peleus empfindet sie als Vergewaltigung. Den daraus entstehenden Verwicklungen entspringt der trojanische Krieg, der den Kräften, aus denen die Welt der Thetis gespeist wird, eine Niederlage bereitet. Auch wenn Achill auf der Seite der Griechen kämpft, legt er doch eine Form des Egoismus dar, die der Ordnung der Welt eines Zeus und seiner Tochter Athene nicht entspricht. Die Vernunft, die Ratio soll siegen und nicht der heillose Zorn, die Berserkerwut. Thetis verlässt mit der für Sepia typischen Gleichgültigkeit ihren Gemahl (der ihr nicht adäquat erscheint) und auch ihr Kind, dessen Erziehung von Cheiron übernommen wird.
Sie kümmert sich zwar später wieder um ihn, aber erst, als er nach Erleiden der großen Demütigung durch Agamemnon seine Mutter anrief und sie um Beistand und Fürsprache bei Zeus bat. Da Zeus der Thetis in mancher Hinsicht verpflichtet war - sie hatte ihm einst, als er von den anderen Göttern gefesselt werden sollte, das Ungeheuer Briareus zu seinem Schutz aus dem Meer geholt, vor dem die
Götter sich fürchteten und so von Zeus abließen (Moritz) - , gewährte er Thetis ihre Bitte, die Trojaner zunächst siegen zu lassen. Ohne diese scheinbare Parteinahme für die Trojaner wäre Achill vermutlich nach Hause gefahren und hätte ein langes, wenn auch ruhmloses Leben geführt:
„Meine Mutter, die Göttin Thetis mit silbernem Fuße, Sagt, dass zwiefache Lose mich führen zum Ziele des Todes:
Wenn ich hier bleibe und kämpfe hier um die Feste der Trojer, Wird mir verloren die Heimkehr, doch unvergänglicher Ruhm sein;
Kehre ich aber zurück zum lieben Land der Väter, wird mein Ruhm verloren, Doch lang wird die Dauer des Lebens, und es wird mich schnell Das Ziel des Todes erreichen.” (Ilias)
Thetis bittet Zeus, das Kriegsglück von den Achäern abzuwenden und es den Trojanern zu überlassen. Zeus weiß, dass er ihrer Bitte nachgeben kann, weil nur dadurch Achill wieder auf die Seite der Griechen und für den Kampf gewonnen werden kann. Indem nämlich die Trojaner die Schiffe der Griechen bedrohen, wird die Abfahrt des Achill selber unmöglich gemacht und so sorgt Thetis durch
ihre Bitte bei Zeus selber dafür, dass Achill seinem Heldenschicksal nicht entgeht.
Die mütterliche Rolle von Thetis zeigt sich noch an zwei anderen Beispielen:
1. Als Hephaistos wegen seiner Hässlichkeit von seiner Mutter Hera aus dem Olymp geworfen worden war, fiel er bei der Insel Lemnos ins Meer und wurde dort von Thetis gerettet, die ihn neun Jahre bei sich behielt.
2. Dionysos wird bei seinen Zügen von dem thrakischen König Lykurgos verfolgt und muss sich ins Meer flüchten. Dort rettet ihn Thetis und nimmt ihn zeitweise bei sich auf.
Nach dem Tode des Achill entrückt sie die unsterbliche Seele nach der Insel Leuke an der Mündung der Donau im Schwarzen Meer, wo er später mit der unsterblichen Seele der Helena nach deren Tod vermählt wird. Ein Platz im Olymp ist dem Achill, im Gegensatz zu Herakles, nicht vergönnt.
Die Thetis spielt so vom Altertum bis weit in die Neuzeit der griechischen Mythologie eine bedeutende Rolle. Um so erstaunlicher ist es, dass von ihr, bis auf Homer, kein Dichter angeregt wurde, ihren Charakter durch poetische Überhöhung zu verdeutlichen. So ist es vielleicht der Homöopahtie und ihrem Heilmittel Sepia vorbehalten, Wesenszüge von Thetis-Achill in einer moderneren Form der
Seelenkunde, der Anamnese des homöopathischen Arztes, wieder zu erkennen. Hier spielen bei der Wahl des Heilmittels immer die Geist-Gemütssymptome die Hauptrolle. Diese besser zu verstehen, möge die vorliegende Arbeit dienen.
Ich habe hierzu einen Artikel von
Barbara Schäfgen gefunden:
Ich werde zunächst Sepia als Tier
beschreiben, um dann das Arzneimittelbild mit dem Schwerpunkt der sepischen Psyche darzustellen.
Dazu möchte ich vorher einige
Erläuterungen geben. Wir arbeiten mit feinstofflichen Energien, Hochpotenzen,
und beeinflussen dabei miasmatische Probleme und karmische Verbindungen. Wir sprechen von dem Prinzip von
Tod und Wiedergeburt und der Aufgabe, die das Leben den einzelnen stellt und
bei deren Bewältigung unsere homöopathischen Arzneien Wege zeigen, vor allem
Kraft geben können, diese Wege auch zu beschreiten.
Es liegt nahe, diese Dinge bei der
Betrachtung eines Mittels mit einzubeziehen statt sie nur immer wieder zu
theoretisieren. Was ist mit "miasmatischer Bereich"
gemeint? Wenn wir von miasmatischen Vorbelastungen
sprechen, meinen wir die kollektive Vergangenheit, in der es bestimmte Themen
noch zu bearbeiten gibt. Das miasmatische Problem ist
nicht in diesem Leben entstanden, sondern die auslösende Ursache liegt länger
zurück. Wenn über Miasmen oder kollektive Felder gesprochen wird, kann man
jedoch auch den Ausdruck Karma verwenden. Das kollektive Feld bezieht sich auf
die Vergangenheit der einzelnen Konstitutionstypen, d.h. jede homöopathische
Konstitution hat eine bestimmte Aufgabe, deren Bewältigung in diesem Leben
Thema ist. Die Aufgabe von Lycopodium ist z.B die Übernahme von Verantwortung einerseits und der
konstruktive Umgang mit der eigenen Schwäche andererseits. Einfacher
ausgedrückt liegt jedem Konstitutionsmittel ein kollektives Karma zugrunde.
Dieses kollektive Karma äußert sich beim Menschen individuell. Der nächste
Schritt besteht darin, die heutigen Probleme von Menschen mit früheren
Inkarnationen in Verbindung zu bringen. Anhaltspunkte können die Arzneimittel
sein. Davon ausgehend liegt es nahe, sich die Vergangenheit der Problematik
oder zentralen Idee eines Mittels einmal genauer anzusehen.
Sepia kann in ihren heutigen
Erscheinungsformen nur verstanden werden, wenn die Geschichte der Frau in den
letzen Jahrhunderten bekannt und bewußt ist. Diese
Vergangenheit ist die Vergangenheit von Sepia und die Geschichte von der
Entwürdigung der Frau.
In dieser Arbeit geht es also um
die Würde der Frau, um ihre Sexualität und den Feminismus.
Sepia gilt als
"Frauenmittel". In einer homöopathischen Behandlung, die sich nicht
nur mit dem Wegmachen vordergründiger Symptome begnügt, sondern auch die initiatische Ebene einer Therapie berücksichtigt (Tore
öffnen), kommt fast jede Frau an das Thema der kollektiven Würdeverletzung und
des kollektiven Mißbrauchs von Frauen heran - und
damit auch an die in ihr seit 1000en von Jahren lebenden Wurzeln weiblichen
Wissens und matriarchaler Göttinnähe.
Ich spreche daher im allgemeinen immer von Frauen. Auf Männer und Sepia werde
ich gesondert eingehen.
Sepia, das Tier und seine
Analogien zum Arzneimittelbild
Der Tintenfisch Sepia officinalis gehört zur Familie der Dekapoden
und ist eine zweikiemige Cephalopode,
das heißt ein Kopffüßler. Hier findet sich die erste Analogie zum
Arzneimittelbild. Die Füße, sprich Fangarme, als ausführende Organe, setzen am
Kopf an. Auch bei der Sepiafrau gehen die
ausführenden Organe vom Kopf aus. Kopf und Ratio sind sehr dominant, oft fehlt
ihr der "Bauch", d.h. sie kommt nicht an ihre Gefühle heran und läßt keine Schwäche zu. Sepia geht brutal mit ihrer eigenen
Verletzlichkeit um (worauf ich später noch näher eingehen werde).
Die Heimat von Sepia ist das
Mittelmeer. Auch Sepiafrauen lieben das Meer, ihren
Urlaub verbringen sie gerne in Griechenland, dabei schimpfen sie ständig auf
die katastrophalen patriarchalen Verhältnisse und die
ständige Anmache der Griechen, deren Eroberungsdrang gerade durch ihre
herausfordernd offenen und direkten Augen angestachelt wird. Der griechische
Ausdruck "Kiamaiki" wird wörtlich mit
Harpunieren übersetzt, umgangssprachlich verwenden ihn die griechischen Männer
für "Frauen aufreißen".
Die hauptsächlich im Mittelmeer
vorkommende Sepia ist 20-30 cm lang. Ihre Fangarme sind genauso lang und
umgeben die Mundöffnung. Sie sind besetzt mit jeweils vier Reihen von
Saugnäpfen, mit denen sie ihre Nahrung, kleine Fische, fangen und festhalten
kann. Außerdem hat sie noch zwei längere Fangarme, die nur an den Spitzen
Saugnäpfe tragen. Die Sepia fällt auf durch ihre großen dunklen Augen, die weit
auseinander an den Seiten des Kopfes liegen, sowie durch die Fähigkeit,
willkürlich einen schwarzbraunen, fischartig riechenden Saft auszuspritzen, der
sich in einer bis zu 6 cm langen und 3 cm dicken Blase im Unterleib befindet. Diese
Blase öffnet sich trichterförmig zum Hals hin. Die sog. Tinte wird
ausgespritzt, wenn dem Tintenfisch Gefahr droht und er seine Verfolger
abschütteln will. Genau wie der Tintenfisch hat auch die Sepiapatientin,
die in die Praxis kommt, große dunkle, tiefe Augen, die einen klaren Blick für
die Schwächen anderer haben. Durch diese Augen wirkt sie ehrfurchtgebietend,
königlich und würdevoll. Oft drücken ihre Augen Angst aus; sie können aber auch
Angst auslösen. Wie der Tintenfisch dem möglichen Feind die Sicht raubt und
verschwindet, startet die Sepia-Frau Angriffe in Form
von scharfen verletzenden Vorwürfen, mit denen der andere erst mal klarkommen muß, während sie von ihren eigentlichen Gefühlen und ihrer
Verletztheit ablenkt. Wie der Fisch sucht sie die Einsamkeit, flieht jedoch
auch vor der Zuneigung, die ihr entgegengebracht wird (2).
Die Sepia hat wenig natürliche
Feinde, der gefährlichste Feind ist der Mensch. Auffallend ist die Fangmethode.
Taucher steigen hinab ins Meer, um die Tintenfische einzeln mit einer Harpune
aufzuspießen. Anschließend schlägt man ihnen auf einem Stein die Tinte aus dem
Bauch, damit sie schön sauber in den Verkauf wandern können. Das Arzneimittel
Sepia hat eine starke Affinität zum Unterleib, besonders im Zusammenhang mit Entwürdigung,
die hier durch die Schläge auf den Bauch symbolisiert ist.
Der Schmerz, der dem Tier zugefügt
wird, taucht häufig in den Träumen von Patientinnen auf.
Beispiele:
1.Traum:
Der spirituelle Meister der
Patientin schenkt ihr einen Dreizack (Sepia schließt sich gerne spirituellen
Meistern an).
2.Traum derselben Patientin nach
Sepia:
Sie schwimmt im Meer und sucht den
Dreizack am Grund des Bodens.
3.Traum, einer anderen Patientin:
Sie ist im Netz gefangen, und
Männer stoßen ihr einen Dreizack in den Rücken.
Erlebnis einer weiteren Patientin:
Sie liegt mit ihrem Freund im
Bett, und er liest ihr aus dem Buch:"20000 Meilen unter dem Meer" von
Jules Verne vor. Als eine Riesenkrake mit Beilen und Dreizacken bekämpft wird,
erlebt sie selbst den Schmerz physisch an ihrer Seite.
Die Sepia officinalis
hat ein sehr interessantes Geschlechtsleben, bei dem vor allem auffällt, daß sie sich nicht zugucken läßt.
Nachdem ein Sepiapärchen lange Zeit nebeneinanderhergeschwommen ist, ohne sich ein einziges Mal
berührt zu haben, übergibt der männliche Tintenfisch sein Sperma in einem
abgetrennten Arm incl. eines kleinen Beutels an den weiblichen Tintenfisch.
Auch Sepiamenschen brauchen beim Liebesspiel eine
sehr lange Annäherungsphase, die sehr störempfindlich ist. Wenn während des
Vorspiels das Telefon klingelt, der Partner etwas Unpassendes sagt oder ein
WG-Mitglied ins Zimmer guckt, läuft nichts mehr. Hierzu die Aussage einer
Patientin: "1000 Kerzen müssen brennen". Sepiatypisch
wäre auch die Aufforderung von Carmen:"Tanz für
mich!"
Wenn das Tintenfischweibchen die
befruchteten Eier abgeworfen hat, verläßt es die
Brut. Bei Sepiafrauen verschlimmert sich das
Allgemeinbefinden und die Symptome während und nach der Schwangerschaft (3). So
hilft Sepia oft bei morgendlicher Übelkeit in den ersten 3 Monaten, die nach
dem Frühstück besser werden kann. Sepia ist dann angezeigt, wenn eine Frau
Schwierigkeiten hat, mit der traditionellsten Rolle der Frau als Mutter
umzugehen. Diese innere Ablehnung kann sich in einer körperlichen Abneigung
gegen die Schwangerschaft manifestieren.
Die homöopathische Entdeckung der
Sepia
Die Tinte des Tintenfisches wurde
als die unter dem Namen Sepia bekannte Malerfarbe verwandt. Maler leckten ihre
Pinsel ab, und Hahnemann fiel auf, daß das bei der
Farbe Sepia nachteilige Folgen haben konnte. Darauf prüfte er sie und fand sie
der Aufnahme in die Reihe der homöopathischen Arzneimittel für würdig.
Der Stoff Sepia enthält hauptsächlich
Calcium carbonicum, Magnesium carbonicum,
Natrium sulfuricum, Kochsalz und den Farbstoff
Melanin (4).
Die Sepiapathologie
Für Vithoulkas
entsteht die Sepiakonstitution aus der hormonellen Stase, die sich auf alle Ebenen des Seins ausdehnt, bis das
Bild von der vermännlichten, gefühlskalten und frigiden, harten oder
abgeschlafften Frau erreicht ist, die gegenüber allem und jedem gleichgültig
ist, Abneigung gegen Sex hat und ihre Mitmenschen mit scharfen, treffenden
Bemerkungen verletzt (5). Physiologisch gesehen führt hormonelle Stase zu diesen Symptomen. Es gibt jedoch auch für die
hormonelle Stase eine Ursache in der Störung der
Lebenskraft, die sich zuerst im Wesen des Menschen, in seiner "Moral"
manifestiert hat (6). Für Sepia gibt es eine typische Störung der Lebenskraft,
zu deren Verständnis ich im folgenden einen Weg vermitteln will.
Zentrale Idee
Das erste und wichtigste Thema bei
Sepia ist die Würde. Sie erkrankt infolge verletzter Würde und kann sich gegen
fortgesetzte Würdeverletzung nicht wehren. Würdeverletzung kann für Sepia viele
verschiedene Gesichter haben, da sie sehr sensibel gegen von außen kommende
Einflüsse ist. Der Begriff Würde taucht auffallend häufig in ihrem
Sprachgebrauch auf. Es gibt eine arzneimittelspezifische Erkennungsfrage, die
oft zum Wendepunkt der Anamnese wird: "Wie ist es mit der Würde?" In
diesem Zusammenhang hat das Wort Würde den Charakter eines Losungswortes aus
längst vergangenen Zeiten. Es ist, wie wenn ein Vorhang zurückfällt, der bisher
zwischen Therapeut/in und Patientin gehangen hat. Sepia braucht jemanden,
der/die die Spielregeln kennt, der/die Sepia kennt und mit ihr so umgehen kann,
daß ihre Würde gewahrt bleibt. Nachdem das
Losungswort gefallen ist, beschreibt die Patientin ihre Würde als zertreten,
verloren oder zusammengeschlagen. Diese Reaktion kann auch in bezug auf die kollektiv verletzte Frauenwürde auftreten.
"Würde" ist das Reizwort oder Losungswort für die Sepiaproblematik,
und Sepia hat einen sehr geringen Toleranzbereich, was die Verletzung ihrer
Würde angeht, d.h. es ist sehr einfach, Sepia an diesem Punkt zu treffen. Die
Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Aber daß die Würde der Frau antastbar ist, zeigen die Geschichte
und Sepia.
Sepiakrankheit
entsteht durch Verletzung von Würde, meist im Zusammenhang mit Sexualität.
Sepia ist das meistbenutzte Mittel für sexuellen Mißbrauch
im Kindesalter. Häufig sind Frauen, die Sepia brauchen, als Kind oder als
Erwachsene sexuell mißbraucht worden, häufig durch
Väter, Großväter oder Bekannte. Nach Angaben von 'Wildwasser' wird jedes vierte
Mädchen von Vater, Onkel oder Stiefvater sexuell mißbraucht.
'Wildwasser' definiert sexuellen Mißbrauch so:
"...all das, was Mädchen vermittelt, daß sie
nicht als Mensch interessant und wichtig sind, sondern daß
Männer frei über sie verfügen dürfen; daß sie durch
ihre Reduzierung zum Sexualobjekt Bedeutung erlangen; daß
sie mit körperlicher Attraktivität und Einrichtungen ausgestattet sind, um
Männern Lust zu verschaffen. Hierzu gehört jeder Übergriff auf die Mädchen;
egal ob es heimliche vorsichtige Berührungen sind, die sie über sich ergehen
lassen oder selbst vornehmen müssen, erzwungener Oralverkehr oder eine
regelrechte Vergewaltigung" (7). Jede Handlung oder jeder Gedanke, bei dem
ein Mensch nicht als solcher, sondern aufgrund seines Geschlechtes wahrgenommen
und benutzt wird, ohne daß er die Freiheit hat, sich
dem zu entziehen, ist sexueller Mißbrauch. Sexueller Mißbrauch ist also nicht nur erzwungener
Geschlechtsverkehr, sondern auch Berührungen, Blicke, Worte, anerkennende oder
'fachmännische' Bemerkungen über den Zustand von Po und Busen bei heranwachsenden
Mädchen. Diese Formen von sexuellem Mißbrauch haben
wir fast alle erlebt. Und wir haben geschwiegen und uns geschämt oder verlegen
gelacht. Es war nur selten möglich, sich diesen Situationen dauerhaft zu
entziehen, aggressive Abwehr war sozial nicht erwünscht und aufgrund der
Abhängigkeit von diesen Männern, die oft Väter, Verwandte oder gute Freunde der
Familie waren, nicht möglich. Es gibt Mädchen, denen machen diese subtileren Mißbräuche weniger aus. Bei Sepia graben sie sich tief ins
Gedächtnis und lösen eine konsequent ablehnende Haltung gegen Männer aus
oder/und eine Verachtung für sich selbst und ihren Körper, der so oft Auslöser
für peinliche Situationen und Scham war. Zudem ist Sepia sehr sehr nachtragend, was diese Dinge angeht. Zusammen mit
Natrium muriaticum. ist es das Mittel der Materia Medica, das am schlechtesten verzeihen und am
längsten Rachegedanken hegen kann.
Oft hat die Entwürdigung schon
früher angefangen, nämlich bei der Zeugung. Vergewaltigung in der Ehe ist immer
noch nicht strafbar und daher auch kein Thema. Lange war Geschlechtsverkehr für
Frauen nur eine eheliche Pflichterfüllung, zu der sie sich mißbrauchen
ließen, ohne jemals eigene Lust kennengelernt zu haben. Sie haben hingehalten
und sich gefügt. Zeugungen im Zustand der Würdelosigkeit verursachen Sepiakrankheit bei der Frau und bei dem Ungeborenen.
Ungewollte Kinder wachsen im Zustand der Würdelosigkeit im Bauch der Mutter
heran, ohne sich gegen die Ablehnung der Mutter wehren zu können. Kinder, die
Abtreibungsversuche überlebt haben, können Sepia brauchen; Mädchen, die Jungen
werden sollten und versuchen, ihren Eltern den Sohn zu ersetzen und dabei ihre
eigene Weiblichkeit leugnen, brauchen es. Wenn Frauen nach Abtreibungen unter
Schuldgefühlen leiden, kann ihnen Sepia helfen. (Traum einer Patientin nach
Sepia: Sie ist auf einem fernen Planeten. Sie begegnet dem Kind, das sie
abgetrieben hat. Es sagt zu ihr, daß es ihm gut geht
und daß sie sich auf einer anderen Ebene wiederfinden
werden.)
Frauen haben zu allen Zeiten über
Geburt und Abtreibung selbst bestimmt. Abtreibung ist nicht grundsätzlich
entwürdigend, aber die Art und Weise, wie sie heute vorgenommen wird, ist es in
hohem Maße: die vielen Fragen, die zu beantworten sind, die zu erbringenden
Nachweise und letztendlich der Vorgang selbst in Kliniken oder Praxen, der oft
Verachtung und Verletzung bedeutet.
Sepia und die Medizin
Die Schulmedizin in ihrem heutigen
Zustand ist extrem würdeverletzend und zerstörerisch,
und das, seitdem dieser Bereich den Frauen entzogen wurde. Es geht nicht mehr
um Menschen, nur noch um Teile und Maschinen. Kinder erleben Ärzte, die mit
kalten unpersönlichen Fingern ankommen und ihnen wehtun oder sie nur anfassen,
ohne sie als Wesen wahrgenommen zu haben. Sie sind ihnen hilflos ausgeliefert.
Krankenhausaufenthalte und medizinische Behandlungen in der Kindheit führen oft
zur Sepiapathologie. Die Verletzung durch die Medizin
geht weiter, wenn Mädchen in die Pubertät kommen und zum Gynäkologen gehen.
Sich ausziehen, auf den Stuhl legen mit nacktem, offenem Unterleib, ohne
den/die, der/die seine/ihre Finger oder Metallteile dort hineinstecken wird,
überhaupt gesehen, geschweige denn mit ihm/ihr gesprochen zu haben, ist in
hohem Maße würdeverletzend. Es gibt die
Allgemeinmedizin und die Gynäkologie. Die Allgemeinmedizin war die Medizin des
Menschen, der Mann ist, während die Gynäkologie die Spezialmedizin für das
Abweichende, oder zumindest das Besondere ist, nämlich für die Frau. In den
letzten Jahrzehnten ist die Andologie entstanden, die
Männerheilkunde, die sich mit Bau und Funktion der männlichen Geschlechtsorgane
befaßt. Die Gynäkologie entstand im 19.Jh. als
unmittelbare Reaktion auf eine erste Welle des Feminismus. Sie war und ist
darauf ausgerichtet, die weibliche Würde zu zerstören, zu beschneiden, indem
sie der Frau die Weiblichkeit nimmt, ihren Zyklus und die Naturverbundenheit,
ihre Lust und Sinnlichkeit und nicht zuletzt ihre Gebärfähigkeit (Pille, Klitoridektomie, Hysterektomie, Mastektomie,
Östrogen usw.).
Hierzu Mary Daly
in ihrem Buch "Gyn/ecology" (S.3):
"So lehrte im Jahre 1848 -
dem Jahr der ersten Frauenrechts-Konvention - Dr. Charles Meigs
seine Studenten, das Studium der weiblichen Organe werde sie in den Stand
setzen, das Innerste, das Bewußtsein und die Seele der
Frauen zu verstehen und zu kontrollieren. Die Klitoridektomie,
zehn Jahre danach von dem englischen Isaac Baker 'erfunden', wurde von einigen
amerikanischen Gynäkologen enthusiastisch begrüßt als eine 'Kur' gegen
weibliche Selbstbefriedigung. 1852 erhob Dr. August Kinsley Gardner
Kriegsgeschrei gegen 'liederliche Frauen' und dazu gehörten für ihn
Frauenrechtlerinnen, Bloomer-Trägerinnen (Bloomers sind weite wallende Pumphosen, B.S.) und Hebammen.
In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verkündeten Dr. Isaac Ray und
seine Zeitgenossen, die Ursache für die Neigung der Frauen zu Hysterie, Irrsinn
und Kriminalität läge in ihren Geschlechtsorganen. Das Jahr 1873 verzeichnet
die Veröffentlichung von Dr. Robert Batteys Erfindung
der "weiblichen" Kastration, nämlich die Entfernung der Eierstöcke
zur Heilung von "Wahnsinn". Die nächsten Jahrzehnte hindurch wurde
die Eierstockentfernung bei den Gynäkologen zur Besessenheit; man behauptete,
sie höbe die Moral der Patientinnen, fördere bei ihnen Umgänglichkeit,
Ordnungsliebe, Fleiß und Sauberkeit." Unter diesen Umständen konnte das
Symptom "gleichgültig gegenüber ihren nächsten Pflichten im Haushalt"
und sepische Aufsässigkeit von vornherein ausgemerzt
werden. Dies sind also die Anfänge der Gynäkologie.
Was hat das mit heute zu tun?
Heute ist das doch alles ganz anders. Wirklich? Der letzte Trend geht zu
Hysterektomien. Um diese Form der Kastration zu legitimieren, wird der Uterus
z.B. als "eine mögliche Brutstätte für Krebs" und als ein potentiell "tödliches
Organ" beschrieben. Frauen werden eingeschüchtert, bis sie jegliches
Vertrauen und jeden Kontakt zum eigenen Körper verloren haben und all die
medizinischen Schritte für nötig halten. Dabei wird ihnen verschwiegen, "daß die Quote von Hysterektomien tatsächlich höher ist als
die Sterblichkeitsquote bei Uterus/Gebärmutterhalskrebs." (8) Doch damit
nicht genug, gleichzeitig hat sich der Brustoperationswahn entwickelt.
"Gegenwärtig scheint die prophylaktische Entfernung von fast dem ganzen
Brustgewebe die einzige Art, bei einer offensichtlich gefährdeten Frau
Brustkrebs zu verhindern", schreiben die Autoren eines Artikels über
Brustkrebs (9). Und weiter heißt es: "Einige befürworten dieses Vorgehen
als die wirkungsvollste prophylaktische Methode bei Patientinnen mit hohem
Risiko, ganz zu schweigen davon, daß die Gefährdung
durch diagnostische Bestrahlung wegfällt". Solange Frauen Angst haben,
sind sie gefügig und manipulierbar. Die Angst vor diesen Krankheiten wird ihnen
eingepflanzt. Verschwiegen wird, das sie zum großen Teil iatrogen sind.
Vergessen haben Frauen, daß ihnen aus
machtpolitischen Gründen von der aufstrebenden Männermedizin und der daran
ebenso beteiligten Kirche ihre uralte (Selbst-) Heilbefugnis und Kraft genommen
wurde.
Sepia ist ein wichtiges Mittel für
Probleme in den Wechseljahren. Frauen werden mit Propaganda überschwemmt, die
sie überzeugen soll, die Wechseljahre seien eine Krankheit, die
"behandelt" werden müsse. Das Absinken des Östrogenspiegels gilt als
krebsauslösend und als Ursache für Hitzewallungen und Schweißausbrüche, sowie
für psychische Beschwerden wie Reizbarkeit, Unlust und u.ä..
Es wird niemals erwähnt, daß es sich beim
Klimakterium um einen natürlichen und allgemeinen Vorgang bei Frauen handelt,
der auch in den Teilen der Erde stattfindet, wo Krebs unbekannt ist. Welche
Bedeutung hat die Menopause für Frauen? Wenn die Möglichkeit, schwanger zu
werden, nicht mehr besteht, entfällt eine der traditionellen Mittel, Frauen
eingesperrt und unbeweglich zu halten - jedoch nicht durch die oben genannten
Möglichkeiten der Kastration, sondern durch natürliche Vorgänge im weiblichen
Körper, die sich in ihrer Konsequenz der Kontrolle durch die Medizin entziehen.
Diese Kontrolle wird durch die Gabe von Östrogen als Standardtherapie erneuert.
Außerdem entspricht die Frau im Klimakterium immer weniger dem Ideal von der
für Männer attraktiven Frau. Sie wird alt. Damit beginnt für sie die Zeit, in
der sie ihren dritten Aspekt leben soll, nämlich den der alten weisen Frau. Es
gibt drei Aspekte der Göttin, die sich in den Jahreszeiten und im Leben jeder
Frau wiederfinden. Der erste Aspekt ist die Jungfrau, die freie ungebundene
Junge Frau, die sich nimmt, was sie braucht und ihr Leben aktiv gestaltet, die
junge verführerische Hexe. Der zweite Aspekt ist die Mutter, das lebenspendende Prinzip, die Frau in der Blüte ihres Lebens.
Der dritte Aspekt ist die weise, Heilung und Tod bringende Alte, Herbst und
Winter. Diese Zeit im Leben einer Frau gehört ihr selbst. Die Frau nach den
Wechseljahren ist eine potentielle Ausbrecherin, Abweichlerin, eine weise alte
Frau. Genau wie die ersten Feministinnen im 19.Jh. muß
sie davon geheilt werden. Frauen, die den gesamten diagnostischen und
therapeutischen Showdown an sich selbst erfahren mußten
und es nie geschafft haben, sich davon und von der psychischen Abhängigkeit zu
befreien, werden niemals zu weisen alten Frauen, sondern zu leergesogenen
Karikaturen ihrer selbst.
Die körperliche Enteignung und
Entwürdigung durch die Gynäkologie findet auf anderer Ebene durch die
Psychiatrie und die Psychologie statt. Vertraut ist das "Die-Mutter-ist-schuld-Syndrom" der Psychoanalyse. Zur
totalen Kastrierung von Frauen ist es notwendig, ihre echten Mütter zu
diskreditieren. Zur Zeit der Hexenverbrennungen haben sich Frauen gegenseitig
denunziert, um es ihren Männern und der Kirche recht zu machen. Töchter mußten zusehen, wie ihre Mütter verbrannten, und kleine
Mädchen mußten, nachdem sie zugesehen hatten, wie
ihre Mutter verbrannte, mehrmals barfuß durch die
glühende Asche laufen.
In den Praxen der Gynäkologen und
in den Krankenhäusern sind Frauen, Arzthelferinnen und Krankenschwestern die
ausführenden Organe. Die Schmerzen, die Frauen in Krankenhäusern und Praxen
zugefügt werden, werden ihnen von Frauen zugefügt. Die Ärzte/Innen bewegen sich
im Hintergrund. Auch auf diese Weise wird alles getan, damit sich Frauen nicht
in Schwesternschaft und Vertrauen zusammenschließen. Märchen zeigen, daß die einzig guten Mütter die toten Mütter sind. Die
lebenden Mütter sind die bösen Stiefmütter (z. B. Aschenputtel,
Schneewittchen).
Für Sepiafrauen,
die ein Gefühl für ihre eigene Würde bekommen haben, ist es das Letzte, in die
Hände von klassischen Medizinern zu fallen und das Allerletzte, in die Hände
von Gynäkologen zu fallen. Unter den Wahnideen steht Sepia mit "denkt,
drei Ärzte kommen". Sie gehen zur Heilpraktikerin und zur Homöopathin, um
all dem zu entgehen. Werden sie aus diagnostischen Gründen oder aufgrund einer
gefährlichen Symptomatik an Schulmediziner überwiesen, weigern sie sich oder
sie verlassen sang- und klanglos den/die BehandlerIn.
Es bedeutet für sie einen Vertrauensbruch oder sie fühlen sich weggestoßen. Es
kann sehr kritisch werden, wenn sich Sepia-Patientinnen
aufgrund einer akuten Unterleibssymptomatik weigern, sich gynäkologisch
untersuchen zu lassen. Auf der anderen Seite weiß Sepia oft selbst, was für sie
gut ist.
Während meiner Behandlung mit
Sepia bekam ich eine schmerzhafte Eierstockentzündung, aufgrund derer mir mein Behandler riet, eine Gynäkologin aufzusuchen (Heilpraktikergesetz).
Er, dem ich sowieso nicht traute, wollte mich zu einer gynäkologischen
Untersuchung bewegen. "Aha, Du bist auch einer von diesen Frauenschändern
und willst mich ausliefern", dachte ich und behielt meine Enttäuschung
darüber, daß er mir nicht helfen konnte oder wollte
(?), für mich, natürlich, wie auch sonst? (Das Opfer, das seine Betroffenheit
nicht zeigt, wird zum Täter gegen sich selbst!) Ich weigerte mich hartnäckig,
und mein Behandler riet mir zu einigen Mitteln, die
ich der Reihe nach ausprobieren sollte, bis eines half. Sepia war nicht
darunter. Keines der Mittel half. Ich hatte Angst, weigerte mich aber
weiterhin, mir eine/n Gynäkologen/in zu suchen. Ich war natürlich seit Jahren
nicht mehr in gynäkologischer Behandlung. Irgendwann, als ich nicht mehr weiterwußte, habe ich mich hingesetzt und meinen Körper
gefragt, was er will. Das hatte ich noch niemals zuvor getan. Irgendwann kam
eine alte Frau, die sagte: "SEPIA", und es war ganz einfach, wie sie
es sagte. Ich nahm Sepia, und nach ein paar Stunden waren meine Schmerzen
verschwunden. Nach einer Woche bekam ich eine Zwischenblutung und ich ging
wieder nicht zum Arzt, obwohl gerade jetzt im Unterricht auf die Gefahr
hingewiesen wurde, die hinter diesem Symptom lauern können, Myome, Krebs usw..
Ich hatte das Gefühl, daß diese Blutung
gerechtfertigt war, als ob es einen wichtigen Grund dafür gäbe. Mir ging es gut
dabei. Ich empfand es als reinigend. Irgendwann hat sie aufgehört, und seitdem
habe ich nichts mehr davon gespürt. Da ich während meiner Sepiaphase
aufgrund mangelnden Vertrauens nie ganz offen zu meinem Homöopathen war, konnte
er mir gar nicht helfen. Ich ließ es nicht zu. In dieser Situation war es für
mich wichtig, den Kontakt zu meinem Körper und zum sepischen
Archetypus herzustellen und selbst herauszufinden, was mir fehlte. Ich habe in
dieser Situation meine eigene Autonomie und Würde wiedergefunden, d.h. ich mußte die Eierstockentzündung erleben, um der alten Frau
begegnen zu können und damit an meine Selbstheilungskraft zu gelangen.
In der seelischen Behandlung von
Frauen folgt man dem Beispiel Freuds, der schrieb:"Ich
nehme einfach die Rechte des Gynäkologen- oder vielmehr sehr viel bescheidenere
als diese - für mich in Anspruch." (10)
Tatsächlich war er dabei noch maßloser
als die Gynäkologen, er wollte in die Seelen der Frauen eindringen und ihre
tiefsten Geheimnisse freilegen. Freud ist der Vater der Psychologie und seine
Gedanken spuken immer noch in vielen Theorien herum, ganz zu schweigen von den
vielen Freudianern, die es tatsächlich immer noch gibt. Was hat Freud mit Sepia
zu tun? Wie gesagt, entsteht Sepia-Krankheit durch
den würdelosen Umgang mit weiblicher Sexualität und dem weiblichen Unterleib.
Das Problem am sexuellen Mißbrauch ist, daß Mädchen und Frauen nicht genügend geschützt sind und daß die Täter gesellschaftlich geschützt werden. Was bei
Frauen zurückbleibt, sind Scham, Angst und Ekel, Gefühle, die für Papa Freud
Grund zur Therapie gaben, wie der Fall Dora zeigt. Dora litt angeblich an
Hysterie, seit sie mit 14 Jahren einen sexuellen Angriff erlebt hatte. Einem
alten Mann, Freund der Familie, war es gelungen, mit Dora allein zu sein. Er
"preßte plötzlich das Mädchen an sich und
drückte ihm einen Kuß auf die Lippen." Dazu die
Analyse Freuds: "Das war wohl die Situation, um bei einem 14-jährigen
unberührten Mädchen eine deutliche Empfindung sexueller Erregtheit
hervorzurufen. Dora empfand aber in diesem Moment einen heftigen Ekel, riß sich los und eilte an dem Manne vorbei zum
Haustor." (10) Er negiert damit Doras normale Reaktion von Abscheu und
Selbstschutz und behauptet, sexuelle Berührung, das Wort Belästigung kennt er
gar nicht, müsse ein sexuelles Verlangen hervorrufen. Und weiter: "In
...dieser Szene ist das Benehmen des 14-jährigen Kindes bereits ganz und voll
hysterisch. Jede Person, bei welcher ein Anlaß zur
sexuellen Erregung überwiegend oder ausschließlich Unlustgefühle hervorruft,
würde ich unbedenklich für hysterisch halten, ob sie nun somatische Symptome zu
erzeugen fähig seien oder nicht... Anstatt der Genitalsensation, die bei einem
gesunden Mädchen gewiß nicht gefehlt hätte, stellt
sich bei ihr die Unlustempfindung ein, welche dem Schleimhauttrakt des Eingangs
in den Verdauungstrakt zugehört, der Ekel." (10)
Jegliche sexuelle Berührung, also
auch unfreiwillige, ist ein Anlaß zur sexuellen
Erregung, und wer diese nicht spürt, ist krank. Wir können uns vorstellen, was
aus Dora geworden ist, die auf diese Art behandelt wurde. Eine Psychologie, die
auf solchen Annahmen über Frauen beruht, vom Penisneid ganz zu schweigen,
konnte Frauen nichts Gutes bringen, im Gegenteil, sie führte zu noch tieferer
Demütigung und Entfremdung.
Leider zeichnet sich nicht nur
Freud durch Frauenfeindlichkeit aus, sondern auch C.G.Jung.
Bei ihm ist es nicht so bekannt. Er geht offen gegen starke Frauen vor, die vom
Animus geritten werden. Durch seine Begriffe Animus und Anima legt er ganz
deutlich fest, wie Frauen und Männer zu sein haben. Das Abweichende wird
therapiert. Und wie? "In vielen Fällen hat der Mann das Gefühl (und hat
nicht ganz unrecht damit), daß einzig Verführung oder
Verprügelung oder Vergewaltigung noch die nötige Überzeugungskraft
hätten." (11) "Die gehört mal richtig durchgefickt" höre ich
Männer über anscheinend unbefriedigte Feministinnen sagen. "Denen fehlt
doch bloß ein richtiger Mann, der ihnen sagt, wo's langgeht". Die
wenigsten Frauen, die heute mit Jung sympathisieren, kennen diese Empfehlung.
Sie sollten sich überlegen, welche Konsequenzen eine Psychologie für Frauen
hat, der diese Meinung über vom Animus gerittene Frauen zugrunde liegt.
Das Thema aus dem Fall Dora ist
ein großes Sepiathema und besonders die sepischen Feministinnen setzen immer wieder an dem Punkt
an. Es ist wichtig, daß Frauen ein eigenes Lustempfinden
entwickeln, ihre Körperlichkeit und ihre Sinnlichkeit wiederfinden, unabhängig
davon, ob sie dann noch dem männlich geprägten Bild von der Frau entsprechen,
die einen erigierten Penis nur zu spüren braucht, um in äußerste Verzückung zu
geraten.
Die Sepiapatientin
und ihr Homöopath
Oft lassen sich Sepiapatientinnen nur von Frauen behandeln und genießen
einen geschützten Raum, in dem keine Männlichkeit zugelassen ist, genauso wie
sie sich in Frauencafés, Frauenbuchläden oder Frauengesundheitszentren
organisieren und so Räume zurückerobern, in denen sie Frausein neu definieren
können. Für viele Frauen ist gerade dieser Zusammenhalt unter Frauen und die
gegenseitige Hilfe sehr heilsam. Trotzdem gibt es viele, die sich einen
Therapeuten suchen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Wir sind in einer Welt
aufgewachsen, in der alle übergeordneten Autoritäten Männer waren: Kinderarzt,
Gynäkologe, Pfarrer, Schulleiter, immer wieder Lehrer, Politiker, überall immer
nur Väter, die wissen, was für uns gut ist und uns danach formen, wie Gottvater
uns aus der Rippe von Adam nach "seinem" Bild geformt hat. Was liegt
näher, als sich auch einen männlichen Therapeuten zu suchen als einen neuen
Vater, der weiß, was für uns gut ist und uns nach seinem Bild formt? Inwieweit
sich unter diesen Frauen Sepiacharaktere verbergen,
weiß ich nicht.
Ein anderer möglicher Grund liegt
in dem vielleicht unbewußten Wunsch, gerade diese
Problematik zwischen Mann und Frau in der Gesellschaft zu bearbeiten. Dies
geschieht dann zunächst stellvertretend in der therapeutischen Beziehung. Die Sepiapatientin gehört nicht zu denen, die den Therapeuten
nach der Anamnese erstmal umarmen, weil so eine tiefe Verbundenheit entstanden
ist und sie sich so verstanden fühlt (Puls.). Sie signalisiert "Komm mir
nicht zu nahe". Als Therapeut/in spürt man bei sich oft eine
ehrfurchtsvolle Distanz, die sich auch in der Körperhaltung ausdrücken kann.
Man will alles tun, um die Grenzen dieser Frau zu wahren. Mit ihrer Kühle und
Distanziertheit verbirgt sie ihre Verletzlichkeit. Außerdem dauert es lange,
bis sie dem Therapeuten vertraut. Bevor sie sich ihm öffnet, muß er zeigen, daß er desen würdig ist. Von ihrem Therapeuten fordert Sepia das,
was sie eigentlich von allen Männern fordert, nämlich Wahrung ihrer Würde,
Schutz und Förderung ihrer inneren Stärke. Weil jedoch Sepia meistens aufgrund
von Würdeverletzung im sexuellen Bereich und bei Unterleibsbeschwerden
indiziert ist, ist diese therapeutische Beziehung nicht leicht. Die Sepiaprobleme stellen für den Therapeuten häufig sehr
heikle Themen dar, weil er sich mit seinem kollektiven Feld als Vergewaltiger
und Frauenschänder verbindet oder an seine eigene Inzestproblematik rührt.
Gerade im gynäkologischen Bereich versucht er entweder, sich relativ weit herauszuhalten,
weil er der Patientin nicht zu nahe treten will, oder den Kontakt auf eine sehr
formelle Ebene zu reduzieren, als Schutzmechanismus für sich und die Patientin.
Auch mit diesem eher vermeidenden Umgang ist Sepia nicht einverstanden. Sie hat
einen absoluten Anspruch an ihren Therapeuten und wünscht sich eigentlich einen
nahen, wohl ehrfürchtigen, aber nicht verdrängenden Umgang mit ihren seelischen
und gynäkologischen Problemen. Immerhin steht der Therapeut für alle Männer,
und genau das fordert sie auch von allen Männern.
Welchen Umgang wünscht sich Sepia
mit der sepischen Gynäkologie; ist dieser Umgang
heute überhaupt möglich oder bedeutet er eine Überforderung des Therapeuten?
Diese Fragen können hier nicht erschöpfend beantwortet werden, aber ich möchte
alle Frauen, die etwas mit Sepia zu tun haben, auffordern, mir ihre Gedanken
und Lösungsvorschläge zu diesem Thema mitzuteilen!
Die Unterleibssymptome von Sepia
Sepia kann an allen Formen von
Unterleibserkrankungen und -störungen leiden, von Dysmenorrhoe,
Amenorrhoe, Fluor und Vaginalentzündungen über Myome,
Endometriose, Eierstockentzündung bis zu
Gebärmutterkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Typisch ist das Symptom
"Gefühl, als wolle die Gebärmutter unten heraus fallen" (3), welches
durch Beinekreuzen gebessert wird. Die Ätiologie
"weibliche Würdeverletzung" erklärt diese Symptome zum Teil, die
Logik dieser Symptome wird erst deutlich, wenn man den allgemeinen Umgang mit
dem weiblichen Unterleib in Gegenwart und Vergangenheit betrachtet, was ich teilweise
schon dargestellt habe. Ich möchte zunächst näher auf Menstruationsbeschwerden
eingehen.
Wie geht die Gesellschaft heute
mit der Regelblutung um? Nichts sehen, nichts fühlen, nichts riechen. Niemand
darf es merken. Tampons, gebleicht und chemisch behandelt, werden Binden
vorgezogen. Wissenschaftlich liegt der Schwerpunkt der Erforschung beim
Eisprung, da im Kinderkriegen ja auch die hauptsächliche Aufgabe der Frau
liegt. Im Aufklärungsunterricht erfährt man, daß die
Blutung das Zeichen dafür ist, daß kein Kind
entstanden ist. Nirgendwo ist auch nur die leiseste Vermutung zu finden, daß die Menstruation auch noch eine andere Bedeutung,
vielleicht nicht für die Gesellschaft, sondern für die Entwicklung der Frau
haben könnte. Und wie war das früher? Die offizielle Geschichte erinnert sich
nur noch daran, daß Frauen, die ihre Regel haben,
unrein sind und von den anderen ferngehalten werden müssen (vgl. Genesis). Mir
selbst wurde erzählt, daß Frauen nicht einkochen und
bestimmte Nahrungsmittel nicht berühren dürfen, wenn sie ihre Periode haben.
Das war nicht immer so. Als das
Jahr noch 13 Monate hatte und ein Monat genau 28 Tage nach dem Monatszyklus der
Frau zählte, war die Zeit der Menstruation ein heiliger Zustand, in dem Frauen
besondere Fähigkeiten hatten und besonders empfänglich für Visionen und
Prophezeiungen waren. Die Zeit der Menstruation entspricht genau wie die
Menopause dem oben erwähnten dritten Aspekt. Das Blut wurde aufgefangen und für
rituelle Handlungen oder zur Herstellung heilender Substanzen verwendet. Aber
das ist alles lange her. Wir wissen heute nur noch wenig über diese Dinge. Es
ist jedoch an der Zeit, sie uns wieder zugänglich zu machen. Dabei kann Sepia
helfen. Der weibliche Zyklus verläuft parallel dem Mond- und dem Jahreszeitenzyklus.
Die Menstruation entspricht dem Neumond, dem Winter und in der matriarchalen Mythologie dem Abstieg der Göttin - und somit
jeder Frau - in die Unterwelt, aus der sie im Frühling, bzw. bei zunehmendem
Mond, reich an Wissen und gereinigt wieder zur Erde und zum Leben emporsteigt
(13). Diesen Abstieg in die Unterwelt können wir heute als Kontakt zum Unbewußten deuten. Er bedeutet Auseinandersetzung mit dem
Schatten.
Akzeptieren dieser magischen
Schattenseite bedeutet Akzeptieren der Menstruation. Das Problem von Sepia ist,
daß sie die Menstruation und Frausein im allgemeinen
nicht akzeptieren kann aufgrund individueller und kollektiver Würdeverletzung
im Sexualbereich.
Männer bluten nicht. Dafür kennen
ihre Religionen Opferblut von Tieren und das Blut Christi in Form von Wein. Im
Blutvergießen der Frau liegt etwas Unkontrollierbares, Archaisches,
Geheimnisvolles. Der männliche Umgang damit zeigt die Angst vor diesem
Unkontrollierbaren, wie sich am Beispiel der 9 Millionen aufgrund von Hexerei
ermordeten Frauen verdeutlichen läßt. Im Malleus Maleficarum, dem Hexenhammer heißt es: "Du sollst
nicht das Blut einer Hexe vergießen!" Hexen wurden ertränkt oder
verbrannt, nie jedoch enthauptet oder zerstückelt, obwohl auch das gängige
Hinrichtungsmethoden waren. Warum? Diesem Tabu liegt der Glaube zugrunde, daß die Macht einer Frau in ihrem Blut liegt. Es geschieht
"alle Hexerei aus fleischlicher Begierde, die bei Frauen unersättlich
ist.... Drei Dinge sind nicht zu sättigen, und das vierte spricht nicht: Es ist
genug, das ist der Mund der Gebärmutter." Dazu Shuttle/Redgrove
in ihrem Buch "Weise Wunde Menstruation" :"Wenn nun der
Muttermund das Satanische der Hexe ist, dann ist es klar, daß
die den Hexen zugeschriebenen Kräfte jene sind, die seit ewigen Zeiten auf die
natürlichen monatlichen Funktionen dieses Teufels, auf die menstruierende
Vagina, zurückgeführt werden." Ich möchte dieses Buch jeder und jedem
empfehlen, der mehr über diese Zusammenhänge wissen will, die ich hier nicht
weiter ausführen kann.
Was zeigt uns die Vergangenheit?
Das Angstmachende muß so zurechtgestutzt werden, daß es nicht mehr wiederzuerkennen ist. Dies ist so gut
gelungen, daß nicht nur Männer es nicht mehr
wiedererkennen, sondern auch wir selbst haben den Zugang zu dem verloren, was der
Kirche und den Männern solche Angst gemacht hat, nämlich dem magischen Teil
unserer Weiblichkeit. Wir haben in Jahrhunderten gelernt, daß
es nur Nachteile hat, eine Frau zu sein. Unsere Erfahrungen reichen vom Sati in Indien, den Hexenverbrennungen, über das Füßeeinbinden in China bis zur heute noch unter
katastrophalen Bedingungen in Afrika und verschiedenen islamischen Staaten
praktizierten Klitoridektomie zum Zwecke der
"Reinigung", der "kosmetischen Verschönerung" der
weiblichen Geschlechtsteile und der Vorbereitung auf die Ehe. (Anmerkung: Klitoridektomie bezeichnet die Entfernung der Klitoris. In
nicht zivilisierten Ländern geschieht sie als Initiationsritus bei
geschlechtsreifen Mädchen ohne Narkose unter katastrophalen hygienischen
Bedingungen. Teilweise wird auch die Vagina zugenäht und nur zum Zwecke des
Geschlechtsverkehrs und beim Kinderkriegen aufgetrennt. Heute wird sie
teilweise auch schon in Krankenhäusern durchgeführt. Wenn irgendwo auf der Welt
gefoltert wird, schaltet sich Amnesty International ein. Die Verstümmelung von
Frauen hat religiöse Gründe und gehört zu den Traditionen, die mann nicht zerstören darf. Aus diesem Grund halten sich die
Männer dort heraus.)
Was liegt näher, als so sein zu
wollen, wie die, denen wir diese Nachteile zu verdanken haben. Was liegt näher,
als unsere Weiblichkeit zu verleugnen oder so zu leben, wie es gesellschaftlich
erwünscht ist, d.h. die dunkle archaische Seite zu negieren. Sepia verleugnet
ihren Unterleib und bleibt nur im Kopf (vgl. Tintenfisch). Sie wollen keine
Gefühle mehr zulassen, weil sie so oft mit Füßen getreten wurden. Unser Körper
erinnert sich besser als wir selbst und rebelliert. Er läßt
sich nicht verleugnen, sondern schlägt um sich. Für die Sepiapatientin
mit Menstruationsbeschwerden und allen anderen Unterleibsbeschwerden ist es
notwendig, wieder ein Gefühl zu ihrem Unterleib und zu ihrer Blutung zu
bekommen, dem nicht mehr nur ablehnend gegenüberzustehen. Wenn die Periode nur
als lästiges Übel betrachtet wird, das dafür sorgt, daß
frau in dieser Zeit nicht so funktioniert, wie die
Gesellschaft es fordert, verschwinden die Beschwerden nie. Wir können ihnen
empfehlen, in dieser Zeit besonders sensibel für sich selbst zu sein und bewußt die Dinge wahrzunehmen, die in ihnen passieren. Was
ich für ganz wichtig halte, ist das tatsächliche Fließen des Blutes. Tampons
können befreiend sein, vor allem, wenn man im täglichen Leben präsent sein muß. Aber das Blut sollte auch die Möglichkeit haben, frei
zu fließen, allerdings nur in einem geschützten Rahmen, da es eine besondere
Empfindlichkeit mit sich bringt. Energie muß fließen
und dieses Blut hat auch eine bestimmte Energie. Sie werden merken, daß es nicht ständig fließt, sondern daß
es in regelmäßigen Abständen durch rhythmische Kontraktionen des Uterus herausgepreßt wird. Wenn diese unwillkürlichen
Gebärmutterkontraktionen durch aktive Muskelkontraktionen unterstützt werden,
kann allein das schon sehr erleichternd sein.
Sepiabeschwerden
werden durch heftige Bewegung gebessert, vor allem durch Tanzen. Sepiafrauen tanzen gerne. Sie mögen Discos, in denen es
nicht zu eng ist, z.B. das FAR OUT in Berlin. Gegen 23 Uhr sieht man sie am
Eingang. Kurz wird gepeilt, ob der Weg frei ist, dann schreitet sie
schnurstracks zur Tanzfläche. Anmacher werden mit sezierenden
Blicken in die Flucht gejagt oder abgetanzt. Nach zwei Stunden
selbstvergessenen Tanzens verlassen sie die Disco unauffällig, nachdem sie sich
vergewissert haben, daß der Fluchtweg frei ist. Oft
sind sie unter Flamencotänzerinnen zu finden, verständlich, da Flamenco ein
unheimlich stolzer und machtvoller Tanz ist, der einen tänzerisch ausgedrückten
Kampf darstellt. Auch orientalischer Tanz kann sehr hoheitsvoll getanzt werden
und für Sepia ist er empfehlenswert, weil besonders durch diesen Tanz ein
Gefühl für den eigenen Unterleib wieder hergestellt werden kann. Beides sind
Tänze, bei denen Frauen lernen können, sich wieder schön zu finden. Sepia
findet sich nicht mehr schön, sie lehnt ihren Körper aus den bekannten Gründen
ab. Diese Ablehnung geht bis zum absichtlichen Häßlichmachen,
in Säcken herumlaufen. Bei Sepia hängt alles, auch die Kleidung.
Die Haut
Sepia ist ein wichtiges Mittel bei
vielen Hauterkrankungen. Sepiamenschen scheiden über
die Haut Dinge aus, die sie besser anders ausscheiden sollten, nämlich Wut und
Verletztheit. Außerdem sorgen die Hautsymptome dafür, daß
sie noch unattraktiver werden, worin für sie ein Schutz besteht. Durch
auffällige Hautkrankheiten läßt sich leicht Distanz
zu anderen schaffen. Dies ist vor allem bei Pubertätsakne von Bedeutung. Sepia
hilft oft bei Neurodermitis und Dyshydrosis. Vor
allem letztere tritt häufig bei Hausfrauen auf, die ihre tiefe Abneigung gegen
die Hausarbeit verleugnen, dabei aber immer tiefer in die Sepiapathologie
rutschen. Ebenso häufig ist Sepia bei Herpes labialis
angezeigt. Es ist ein Distanzherpes, der anzeigen kann, daß
spätestens jetzt wieder Distanz angesagt ist. Wie bei Natrium muriaticum drückt der Herpes Ekel und Ablehnung gegen
bestimmte Eindringlinge aus. Häufg tritt auch Herpes genitalis auf. Hier ist der Bezug zur Sexualität deutlich.
Traum: Der Mann der Patientin will
Geschlechtsverkehr und bedrängt sie abends vor dem Einschlafen. Er versucht es
mehrmals und jedesmal lehnt sie ab. Um endlich Ruhe
zu haben, läßt sie es über sich ergehen. Am nächsten
Morgen hat sie einen manifesten Herpes genitalis.
Die Sepia-Patientin
Ausgehend von der psychischen
Problematik lassen sich zwei Sepia-Typen
unterscheiden, davon jeweils eine extremere und eine abgeschwächte Form.
Da ist einmal die Frau, deren
Würde am Boden zerstört ist, häufig durch erniedrigende Beziehungen zu Männern,
die in ihnen nur Objekte sehen und kein Interesse an ihrer Persönlichkeit
haben. Ihre Individualität wird nicht gewürdigt, genausowenig
wie die Arbeit, die sie oft als Hausfrau leistet. Sie hat keinen Beruf, nur den
Haushalt und die Kinder. Eigene Interessen konnte sie nicht entwickeln. Ihr
Mann ist der Herr im Haus, für den sie immer zur Verfügung stehen muß. In der Sexualität geht es ihm nur um seine Lust, er
geht nicht auf sie ein. Aufgrund ihrer Sozialisation hat sie gar nicht erst
gelernt, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und kann sie deshalb auch nicht äußern
oder ihr Recht auf eigene Sexualität einforden. Sie
hat keine Sexualität und ist nur Werkzeug. So entsteht irgendwann Abneigung
gegen den Mann und gegen die Sexualität. Sepia hat Schmerzen beim
Geschlechtsverkehr, was nicht verwundert: der Körper reagiert auf würdelosen
Umgang. Außerdem hat sie Verschlimmerung aller Symptome nach Koitus. Sexualität
ist für sie schmutzig und unangenehm, eben eine lästige Pflichterfüllung. Sie
hat nicht gelernt, mit dem eigenen Körper umzugehen und Forderungen zu stellen.
Patientinnen mit dieser Problematik sind meist um die 40 Jahre alt. Wenn sie
ins Klimakterium kommen, beginnt das, was Vithoulkas Stase nennt, nämlich die Gleichgültigkeit und das
Schlaffwerden der Organe, besonders der Gebärmutter, die herauszufallen
scheint. Früher wurden gerade diese Patientinnen als frigide abgestempelt. Coulter nennt diese Patientinnen
"Waschfrauentyp". Sie haben ein trauriges, aufopferungsvolles Leben
hinter sich, in dem sie die Funktion eines Schuhabtreters hatten.
Für diese Frauen ist es wichtig,
ihre eigenen Bedürfnisse kennenzulernen, d.h. wenn sie Abneigung gegen ihren
Mann und den Verkehr mit ihm haben, diese Abneigung auch zu leben und sich
abzugrenzen. Dies hilft ihnen, sich selbst langsam wieder spüren zu lernen. Sie
können eine ungeheure Kraft und Konsequenz entwickeln, für die in ihrer Ehe
natürlich kein Platz ist. Manchmal werden sie von ihren feministischen Töchtern
aktiviert. Oft beginnen sie selbst noch, sich mit Emanzipation zu beschäftigen
und wollen sich selbst verwirklichen. Es kommt zur Trennung und der Mann
schimpft auf die Frauenbewegung.
Bei jüngeren Frauen sieht das Bild
noch nicht ganz so drastisch aus. Oft sind es die Töchter der alten Sepiafrauen. Sie wollen anders leben als ihre Mütter. Aber
auch sie stecken in Lebenssituationen, die sie krank machen, ohne daß sie es merken. Sie sind nach außen hin recht
selbständig und emanzipationsbewußt, tun jedoch
ständig Dinge, die ihren tatsächlichen Bedürfnissen widersprechen oder sie
zumindest mißachten. Auch hier geht es oft um
Partnerprobleme und um Sexualität. Die Rollenverteilung ist nicht mehr so
extrem wie früher, aber auch diese Frau hat Probleme mit ihrem Freund. Sie
fühlt sich nicht genügend ernstgenommen. Oft hat sie
Abgrenzungsprobleme, die sich besonders wieder im Bereich der gemeinsamen
Sexualität zeigen. Sie schläft mit ihm, obwohl sie eigentlich keine Lust hat.
Sie schläft mit ihm, um Zärtlichkeit und Nähe zu bekommen. Wenn jemand aus
diesen Motivationen heraus mit PartnerInnen schläft,
entsteht Sepiapathologie. Der Eros verschwindet.
Sepia entwickelt Abneigung gegen Sex und Beschwerden dadurch. Nach dem Koitus
wird sie depressiv. Sie ist tief verletzt, aber zeigt ihre Verletztheit und
ihre Bedürfnisse nicht. Ihr Freund ist nicht mehr der Pascha von einst, sondern
eher der jungsche Diplomsofti, bei dem der Chauvinismus nicht mehr offen
rüberkommt. Aber auch sein Interesse gilt hauptsächlich sich selbst. Für die Sepiafrau gilt wieder das eben Gesagte. Sie muß lernen, sich zu spüren und überall dort abzugrenzen, wo
sie sich Verletzung aussetzen könnte.
Der dritte Sepiatyp
läßt sich folgendermaßen beschreiben. Im Leben dieser
Frau spielen Gleichberechtigung und Emanzipation eine große Rolle. Da ist
einmal die radikale Feministin, für die alle Männer Schwanzträger sind und die
nur noch mit Frauen zusammen ist. Sie trägt herbe, fast schon männliche
Gesichtszüge und sehr kurze Haare. Auf ihre Kleidung legt sie oft nur sehr
geringen Wert, vor allem, um sich vom Bild des hübschen, adretten und
anschmiegsamen, auf Stöckelschuhen dahertrippelnden Weibchens zu unterscheiden.
Sie hat gelernt, daß es eigentlich nur Nachteile mit
sich bringt, eine Frau zu sein und lehnt demzufolge ihre Weiblichkeit ab. Sie
ist hart und kämpft an allen Ecken und Enden für die Rechte der Frauen, für
eine Entpatriarchalisierung auf allen Ebenen; von der
Sprache bis zur Gesellschaftsordnung, gegen die Kirche, für die Göttin und für
die Rehabilitierung der Hexen. Ihre Forderungen sind hart und radikal:
"Feuer und Flamme fürs Patriarchat!", "Frauen, bildet
Banden!", "Frauenpower". Sie kennt die Geschichte der Frau und
leidet, manchmal stellvertretend für ihre eigenen Wunden, unter der
Vergangenheit des Kollektivs. Vielleicht hatte sie früher mit Männern ähnliche
Probleme wie die beiden anderen Frauen, aber sie hat bewußte
Konsequenzen gezogen und eine andere Lebensform gewählt. Sie ist ungeheuer
dominant, hart und klar. Auch sie hat Abneigung gegen Männer und gegen den Sex
mit ihnen, allerdings steht sie dazu, mehr noch, sie hält ein Leben nur mit
Frauen für das einzig Wahre. Besonders an diesem Punkt ist sie oft sehr
intolerant, auch gegenüber anderen Frauen. Sie hat oft kein Verständnis für die
Frauen, die gerne mit Männern zusammenleben, eine erfüllte Sexualität mit ihnen
haben und sogar Kinder von und mit ihnen haben wollen. Pulsatilla
ist ihr ein Greuel. Wenn sie Kinder haben will, lehnt
sie den Mann dazu ab. Sie ist aus Prinzip alleinerziehend. Ihr Bauch gehört
ihr, und natürlich kämpft sie für das Recht, ungefragt abtreiben zu können.
Was unsere Gesellschaft und das
Verhältnis der Frau zum Mann in Vergangenheit und Gegenwart angeht, haben diese
Frauen viel durchschaut. Wir haben ihnen viel zu verdanken. Sie leiden
darunter, und gleichzeitig entfesselt es in ihnen eine ungeheure Wut darüber, daß sie, die sie die patriarchalen
Spielregeln durchbrochen haben und keine feminisierten Püppchen dem Manne zu
Gefallen mehr sind, eine Minderheit darstellen und Frauen ständig überall
weiter entwürdigt, vergewaltigt und auf alle erdenklichen Arten gedemütigt
werden. Ihre Intention ist der immerwährende Kampf und der immerwährende
Vorwurf. Was die Vergangenheit angeht, sehen sie sich nur als Opfer. Ihnen
fehlt der Blick für den Gesamtzusammenhang. So haben sie sich zurückgezogen in
Frauengruppen, Frauenbuchhandlungen, Frauenprojekte, Frauenpower. Aktive
Auseinandersetzung mit Männern lehnen sie ab. Doch um Männer und die
gesellschaftlichen Rollenvorgaben zu ändern, müßten
sie einige Männer an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. In ihrer
Abgeschlossenheit erscheinen sie oft sehr starr und verbissen. Um sich selbst
als Frauen in einer Bewegung erstmal zu definieren, war es absolut notwendig,
sich zunächst abzukapseln und ohne Männer neue Wege zu suchen und Dinge
aufzuarbeiten. Diese Zeit geht ihrem Ende zu. Genau wie Sepia lernt, mit ihrer
Betroffenheit umzugehen und sich auseinanderzusetzen, wird die Frauenbewegung
sich auch öffnen müssen.
Wenn eine Sepiafrau
von diesem Kaliber in die Praxis kommt und mann ein
falsches Wort sagt, geht sie. Ohne ein Wort. Sie diskutiert nicht mehr und gibt
keine Chance. Es ist ziemlich leicht, ein falsches Wort zu sagen. Beim
geringsten Anschein für eine nach sepischen
Gesichtspunkten unlautere Haltung gegenüber der Frau im allgemeinen und der
Frauenbewegung und der damit verbundenen Sepia-Thematik
im besonderen macht sie nur noch dicht, vielleicht verspritzt sie ein wenig
Tinte, indem sie einige vernichtende Bemerkungen macht. Jedenfalls ist sie weg
und war damit eine Patientin. Wenn sie bleibt, ist es wieder häufig der
Unterleib, der ihr zu schaffen macht. Im Laufe der Behandlung tauchen oft
frühkindliche Erlebnisse von sexuellem Mißbrauch,
meist durch leibliche oder Stiefväter, auf. Auf dem Weg zur eigenen Würde liegt
ein wichtiger Bewußtseinsschritt im Erkennen des
eigenen würdelosen Umgangs mit sich selbst, im Erkennen von entwürdigenden
Situationen, denen sie sich selbst aussetzt. Das Leugnen von Gefühlen und
Verletzlichkeit hatte eine Verhärtung zur Folge, die sich erst löst, wenn sie
der eigenen Trauer und Verletztheit den gebührenden Raum einräumt. Wichtig ist,
mit der eigenen Betroffenheit umzugehen und andere daran teilhaben zu lassen.
Es gibt eine Variante dieser Sepiaerscheinung, die in allem nicht so radikal ist. Ihre
Problematik ist dieselbe, aber sie ist kommunikationsbereiter und vor allem kompromißbereiter. Dabei kann sie große Ähnlichkeit mit dem
ersten Sepiatyp haben.
Es gibt ein letztes
Erscheinungsbild, das bisher kaum beschrieben wurde. Sein Name könnte
"Jenseits des Zorns " sein. Diese Frauen befinden sich im sog. besten
Alter, also zwischen 30 und 45. Sie gehören nicht zur feministischen Szene und
sind sehr erfolgreich im Beruf. Oft finden sich Managerinnen und andere
Führungskräfte darunter. Meistens sind sie alleinstehend und ohne Kinder. Ihr
Problem ist die Einsamkeit. Sie finden keinen Partner. Dies sei an einem
Beispiel aus der Praxis verdeutlicht. Eine Frau, wie oben beschrieben, lernt
immer wieder Männer kennen, die von ihr fasziniert sind und eine sexuelle
Beziehung mit ihr anfangen. Wenn sie sich etwas besser kennenlernen, wird sie
nach ihrem Beruf gefragt und nachdem sie erzählt hat, daß
sie Generaldirektorin bei einer sehr bekannten und großen Firma ist, werden
ihre Liebhaber über Nacht impotent. Dieser Frau kann der Kontakt mit Sepiaenergie helfen, sich ihrer eigenen Stärke und Größe bewußt zu werden und einfach andere Männer anzuziehen, die
genug eigene Souveränität besitzen, so daß ihre
Potenz unabhängig von der beruflichen Position ihrer Partnerin ist. Erlöste Aurummänner erfüllen diese Ansprüche.
Das Sepia-Kind
Auch das Sepia-Kind
zeichnet sich durch eine auffallend würdevolle Erscheinung aus. Es ist
ernsthaft, klar und sehr bestimmt in seinen Äußerungen und Ansprüchen. Die
Augen sind auffallend ernst und groß, oft ist die Stirn in Falten gezogen. Es
weiß früh, was es will und fordert das auch. Sepiakinder
sind absolut unbestechlich. Auf Versprechungen von Belohnungen reagieren sie
mit Verachtung. Sie versuchen grundsätzlich, ihren Willen durchzusetzen und
meistens gelingt ihnen das auch. Hier wird schon früh die auch bei der
erwachsenen Frau vorhandene Dominanz deutlich. Sepia-Mädchen
haben einen starken Bezug zum Vater. Wenn er schwach ist, hat er ihnen
gegenüber keine Chance, soweit es um Autorität geht. Sie bestimmen, ohne dabei
jedoch zerstörerisch zu sein wie das Tuberculinum-Kind
oder schelmisch wie das Phosphor-Kind. Andererseits beschützen sie ihn, d.h.
sie bringen viel Verständnis für ihn auf und verteidigen ihn gegenüber der
Mutter, wenn es zu Streitereien kommt. Wenn die Beziehung der Eltern
konfliktreich ist, sind sie sehr parteiisch und ergreifen meistens die Partei
des Vaters. Wenn sie älter werden, fangen sie fast immer an, ihren Vater
aufgrund seiner Schwäche zu verachten. Besonders wenn er auf lycopodische Art mit seinen Schwächen umgeht, kommt es zu
ernsthaften Konflikten. Sepia durchschaut Lycopodium
schon als Kind und zerpflückt es mit schneidender Klarheit. Spätestens jetzt
ergreift das Sepiamädchen eindeutig Partei für die
Mutter, die oft auch sehr viel mit dieser Problematik zu tun hat. Sepia hat
Verlangen nach einem starken Vater, der sie sich entwickeln läßt
und sie liebt. Er muß jedoch stark genug sein, seine
inzestuösen Gedanken zu sublimieren.
Sepiamädchen
lieben große Pferde, und oft träumen sie davon zu reiten. Zu ihren
Lieblingsfiguren gehört Pippi Langstrumpf. Oft zeigen sie schon sehr früh
Interesse an Selbstverteidigung. Sie ziehen sich gerne bunt an und tanzen
gerne.
Der Sepiamann
Männer werden selten
konstitutionell mit Sepia behandelt. Das liegt sicher nicht daran, daß Männer keine Probleme mit der eigenen Würde haben,
sondern hat wohl eher damit zu tun, daß es nicht zum
klassischen Männerbild gehört, Probleme mit der eigenen Würde zu haben. So sind
es auch eher Männer, die nicht diesem klassischen Männerbild entsprechen, denen
Sepia helfen kann; z. B. Hausmänner, die darunter leiden, daß
ihre Arbeit nicht gewürdigt wird. Oft sind es eher weiche, sensible Männer, die
sich nicht richtig abgrenzen können. Auch hier kann das Thema sexueller Mißbrauch eine große Rolle spielen. Bei Männern, die
Vergewaltigungen erlebt haben, was entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht
nur im Gefängnis vorkommt oder bei Männern, die als kleine Jungen von ihren
Müttern sexuell mißbraucht wurden, ist mit großer
Wahrscheinlichkeit Sepia angesagt, ebenso bei verletzenden sexuellen
Erfahrungen mit Frauen. Es sind Männer, die aus diesen Gründen im Extremfall
keine sexuellen Beziehungen mehr eingehen und körperliche Nähe zu Frauen nicht
zulassen. Sie wollen nicht angefaßt werden, auch
freundschaftliche Umarmungen sind ihnen zuviel.
Oft sind sie sehr gepflegt und
auch eitel. Dabei sind sie sensibel und verständnisvoll und haben viele gute
Freundinnen, zu denen sie rein platonische Beziehungen unterhalten. Vor allem
im Äußeren widersprechen sie dem weiblichen Sepiabild
völlig. Männer, denen Sepia helfen kann, betrachten sich häufig als Opfer
weiblicher Heimtücke und lehnen jede Eigenverantwortung ab. Wenn Frauen Männern
ähnlich werden, sich ihnen jedoch sexuell entziehen, ist es bei Männern
genauso. Sie nehmen einige weibliche Eigenschaften an und suchen Kontakt zu
Frauen, klammern aber jegliche Sexualität aus. Keine kriegt Erotik von ihnen.
Der Grund ist Angst vor weiterer Verletzung. Jeglicher Art von Körperlichkeit
gehen sie aus dem Weg, weil die Grenze zwischen Erotik und Freundschaftlichkeit
so schwer zu ziehen ist.
Sepia und die klassische
Homöopathie
Frauen und Homöopathie ist ein
großes Sepiathema. Genauso wie alles andere war und
ist auch vieles in der Homöopathie frauenfeindlich. Außerdem gibt es nur Väter
und Söhne der Homöopathie. Töchter waren nicht zugelassen. Selbst Melany D`Herveilly, die 2. Frau
Hahnemanns, von der er selbst gesagt hat, daß sie seine
beste Schülerin sei, wurde von seinen direkten männlichen Nachfolgern geächtet
und bekämpft. Sie starb in Armut und Einsamkeit. Auf Melanies Würde wurde nach
dem Tode Hahnemanns heftigst herumgetrampelt, kein
Wunder, sie war ja nur seine Frau und maßte sich auch noch an, Homöopathie zu
betreiben. Wenn man die traditionelle Frauenverachtung weiterverfolgt, wundert
es nicht, wenn Dorcsi Melanie in einem Buch von 1986
als "hübsch, oberflächlich (und) exzentrisch" beschreibt (14). Auch
wenn er sie zwei Sätze später als Hahnemanns gelehrige Schülerin bezeichnet, muß man sich fragen, wie eine Frau, die sich durch die von Dorcsi genannten Eigenschaften auszeichnet, einem Mann wie
Hahnemann, den ja sicher auch Dorcsi verehrt, soviel
bedeuten konnte.
Patriarchales
Denken schlägt sich natürlich nicht nur in der Geschichte der Homöopathie
nieder, sondern auch im Repertorium und in den
Arzneimittellehren. Ich werde deshalb ein sepisches
Beispiel bringen. Das Symptom "hat kein Interesse mehr an ihren nächsten
Pflichten im Haushalt" (Mezger) ist sicher
jeder/m bekannt. Auffällig ist der Ausdruck "Pflichten". Wer hat
festgelegt, welches die Pflichten der Frau sind? Es ist der blanke Hohn, wenn
erwartet wird, daß frau
auch noch Freude daran hat; fehlt ihr die Freude an der ihr auferlegten
Pflichterfüllung, dann ist das pathologisch und frau muß behandelt werden. Auch hier ist wieder das alte
Verhaltensmuster zu erkennen: Frauen, die nicht normal sind, d.h. die nicht in
die Norm passen, sind krank, besonders da, wo es um das gesellschaftlich
geprägte Bild von Mann und Frau geht.
Der Archetyp von Sepia
Der Archetyp von Sepia ist die
Königin. Sepiafrauen machen Angst und strahlen Stolz
und Würde aus. Man nimmt ihnen gegenüber von selbst eine ergebene, manchmal
schon unterwürfige Haltung ein. Sie strahlen Distanz aus, die man zu wahren
hat. Bei der kleinsten Distanzüberschreitung stehen sie auf und gehen oder
verspritzen Tinte, oft ohne, daß der andere weiß,
warum.
Die Farbe von Sepia ist das lila
der Frauenbewegung. Lila setzt sich aus rot und blau zusammen. Rot steht für
Eros und blau für Weisheit.
Ein Buch, das einer/m bei der
Beschäftigung mit Sepia begegnet, ist "Die Nebel von Avalon"
von Marion Zimmer Bradley. Das Buch behandelt die Artussage und die
historischen Zusammenhänge aus feministischer Sicht. Es geht um den Umschwung
vom Matriarchat zum Patriarchat, um Hohepriesterinnen
der Göttin und um den neuen Vatergott und seine männlichen Stellvertreter. Bei
der Beschäftigung mit der kollektiven Sepiaproblematik
stößt man unweigerlich auf diese Themen. Und wer nach den großen Sepiafrauen in der Geschichte der Frau forscht, stößt mit
erschütternder Sicherheit auf die Geschichte der Entwürdigung der Frau.
Die kretische Doppelaxt ist das
Symbol des radikalen Feminismus. Sie symbolisiert den Mond in seinen drei
Stadien und damit die drei Aspekte der Göttin. Die Doppelaxt ist das Zeichen
der höchsten Würdenträgerin im minoischen Kreta. Heute steht sie für
kraftvolles und radikales Aufbrechen alter Strukturen, aber auch für Zorn und
Rache (15).
Mit Lachesis
gehört Sepia zu den Mitteln, die bei unbewältigten Erinnerungen aus früheren
Leben angesagt sind, meistens geht es dabei um Hexenverbrennung.
Differentialdiagnostisch geht es bei Lachesis um
Unterdrückung, während Sepia heute noch unter der Entwürdigung leidet, die
vorher stattgefunden hat.
Sepiafrauen
haben in diesem Zeitalter die Aufgabe, den Kontakt "hinter den
Nebeln" wieder herzustellen, d. h. die Macht der Göttin wieder
aufzurichten und die untergehende Männerwelt zu retten, d. h. aber auch, den
Kontakt zur alten Welt in uns zu suchen und in die Unterwelt hinabzusteigen.
Das kann nur geschehen, wenn Eros und Religion wieder vereint werden, im
bedingungslosen JA zum Leben und zur Weiblichkeit! Frauen, die diese Aufgabe
angehen können, sind die, die nicht mehr einseitig hassen können und die
destruktive Rivalität zum Mann überwunden und begriffen haben, wie Männer zu
Opfern ihrer selbst geworden sind, indem sie sich in den letzten 6000 Jahren
der Führung der Frau entzogen und die Dinge verdreht haben.
Ein Mann für Sepia oder die Suche
nach dem König
Oft haben Sepia-Frauen
Beziehungen mit Frauen. Falls sie Beziehungen zu Männern haben, ist es für sie
nicht ganz einfach, den "richtigen Mann" zu finden. Wenn der Mann zu
schwach ist, macht sie ihn alle. Ist er ein lycopodischer
Diplomsofti, der auf der Emanzipationswelle mit reitet und lila Latzhosen
trägt, um sich so ihre Gunst zu erwerben, läßt sie
ihn links liegen. Ist sie noch unerlöst, hat sie oft Lycopodiummänner,
die nicht würdevoll mit ihr umgehen, sondern sie in allen Bereichen kleinzuhalten versuchen, in Partnerschaft und
Rollenverteilung und vor allem in der Sexualität. Dem Lycopodiummann
ist die Sepiafrau am liebsten, die noch nie Sepia
genommen hat. In dieser Beziehung zwischen krankem Sepia und krankem Lycopodium kommt der uralte Konflikt zwischen Mann und Frau
zum Ausdruck, der die Unterdrückung der Frau und den heutigen Zustand der Erde
zur Folge hatte.
Der Mann, mit dem eine erlöste Sepiafrau eine erfüllte Beziehung haben kann, muß anders beschaffen sein. Kommentar einer Patientin:
"Männer müssen nach Eseln riechen!" Eine andere Patientin, die lange
mit Frauen zusammen war, lernte nach längerer Sepiatherapie
einen Tangotänzer kennen und lieben. Auf die Frage, wie ausgerechnet sie denn
zu einem derart "männlichen" Mann käme, antwortete sie: "Der ist
einfach klar!"
Er muß
fast schon ein Held sein, ein Mann, der soviel eigene Würde und Stärke besitzt,
daß er es gar nicht nötig hat, eine Frau kleinzuhalten, ihre Spiritualität, Sexualität und Freiheit
zu beschneiden. Er tut es deshalb nicht, weil er ihre Kraft schätzt und sie
nicht fürchtet. Ein Mann für Sepia muß eben ein König
sein, ein König für die Königin.
Die Erlösung von Sepia
Die Sepiafrau
muß ihre Würde wiederfinden. Dazu muß
sie erstmal erkennen, daß sie ein Recht auf Würde hat
und daß ihre eigene Würde am Boden zerstört ist. Oft
fehlt das Bewußsein für die eigene Würde, es ist
zerstört und muß erst wieder aufgebaut werden. Dann
ist es wichtig zu erkennen, daß der würdevolle Umgang
mit sich selbst die Bedingung dafür ist, daß andere
mit der eigenen Person würdevoll umgehen. Der nächste Schritt besteht im
Erkennen, daß der andere die eigene Würde nur
verletzen kann, wenn man es zuläßt. Nur wenn man
selbst seine Würde bewahrt und sich nicht selbst entwürdigt, ist man auch vor
der Entwürdigung durch andere geschützt. Dann kann sie auch verstehen, daß sie für ihre Würde nicht mehr kämpfen muß. Sie hat sie einfach.
Für die Sepiafeministin
ist es wichtig, keinen Stellvertreterkrieg mehr zu führen, sondern ihre eigene
Problematik aufzuarbeiten, stellvertretend für die des Kollektivs. Außerdem
liegt für sie ein wichtiger Schritt im Erkennen, daß
weibliche Befreiung mehr ist als Gleichberechtigung, und daß
es nicht damit getan ist, so zu werden wie "die" Männer.
Ein Opfer wird zum Täter gegen
sich selbst, wenn es seine Betroffenheit nicht zeigt. In diesem Satz liegt der
erste Heilungsschritt für die Sepiapatientin. Sie muß lernen, ihre Verletzung zuzugeben, ohne zu versuchen,
auf derselben Ebene zurückzukontern und sich dann mit der eigenen Verletztheit
zurückzuziehen, was nur zu neuer Verletzung führt. Auf dieser Ebene
stehenzubleiben heißt, sich als ewiges Opfer zu deklarieren und die Schuld bei
den körperlichen und seelischen Vergewaltigern zu suchen.
Auf der zwischenmenschlichen Ebene
besteht die Aufgabe darin, die Nähe und Distanz zu finden, in der man sich
wohlfühlt, die man selbst bestimmt. Bei Sepia ist dieses Verhältnis sehr
sensibel. Die kleinste Distanzüberschreitung kann böse Folgen haben.
Voraussetzung dazu ist jedoch die eigene Wahrnehmung: erkennen, daß man im Begriff ist, etwas zu tun, das man eigentlich
nicht tun will. Tut man es trotzdem, entsteht durch die Mißachtung
der eigenen Gefühle neue Würdeverletzung.
WilliF22 · vor 9 Jahren
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