Exkanieren Anhang 4

Wenn es ans Sterben geht (Interview mit Rosina Sonnenschmidt)

 

Vergleich: Siehe: Anhang + Anhang 2 (Interview mit Gian Domenico Borasio/Johannes W. Schneider) + Anhang 3 (Interview mit Rosina Sonnenschmidt) + Tod Repertorium: (Mirilli) + Anhang 5 (Birgitt Bahlmann/Anna von Münchhausen) + Anhang 6 ( Floris Reitsma /Boudewijn/Chabo) + Anhang 7

(Christian Schüle - aus "Christ & Welt") + Anhang 8 (Elisabeth Kubler-Ross/Lia Bello/M.Girke) + Anhang 9 Sterbebegleitung (Jakob Simmank) + 

Organspende (Rosina Sonnanschmidt/ Hinrich Baumgart ) + Psychopomp/https://hpathy.com/homeopathy-papers/death-final-frontier/

 

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/bundestag-gesetzentwuerfe-sterbehilfe

Das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital wird in Belgien, den Niederlanden und der Schweiz im Rahmend der dort erlaubten Sterbehilfe eingesetzt

 

Aktive Sterbehilfe: in Deutschland verboten. Wer jemanden auf dessen Wunsch tötet, kann laut Paragraph 216 des Strafgesetzbuchs mit bis zu fünf Jahren Haft

bestraft werden. Wenn der Wille des Verstorbenen nicht nachgewiesen werden kann, droht sogar eine Verurteilung wegen Totschlags.

Passive Sterbehilfe: Unter passiver Sterbehilfe wird oft der Abbruch von lebenserhaltenden medizinischen Maßnahmen verstanden. Ärzte dürfen bei Todkranken

etwa die künstliche Beatmung oder -Ernährung einstellen, wenn das dem ausdrücklichem Willen des Patienten entspricht.

Indirekte Sterbehilfe: ist die Verabreichung starker Schmerzmittel, die durch ihre Wirkung auf geschwächte Organe auch das Leben verkürzen können, etwa

Morphine bei Krebspatienten im Endstadium. Auch das ist in Deutschland erlaubt.

Beihilfe zum Suizid, zur Selbsttötung: grundsätzlich nicht strafbar. Wer einem anderen etwa Gift besorgt, mit dem sich dieser dann umbringt, kann in der Regel

nicht belangt werden - vorausgesetzt der Sterbende hat den Suizid selber ausgeführt. Der Helfer kann aber wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden,

wenn er etwa bei Bewusstlosigkeit nicht eingreift.

 

Suizid Berichterstattung

ZEIT ONLINE geht behutsam mit dem Thema Suizid um, da es Hinweise darauf gibt, dass bestimmte Formen der Berichterstattung zu Nachahmungsreaktionen

führen. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen Werther-Effekt, in Anlehnung an Goethes Roman Die Leiden des jungen Werther, nach dessen Veröffentlichung

sich eine Reihe junger Männer das Leben nahm.

Nachdem der deutsche Nationaltorwart Robert Enke 2009 sein Leben beendete, nahm die Zahl der Suizide auf Bahnstrecken in Deutschland zu. Markus Schäfer

und Oliver Quiring von der Universität Mainz berichten, dass in den ersten vier Wochen nach Enkes Tod in Deutschland 133 Suizide mehr verzeichnet wurden, als laut der amtlichen Todesursachenstatistik für diesen Zeitraum zu erwarten gewesen wäre (Schäfer & Quiring, 2013).

In der Psychologie gibt es verschiedene Erklärungsansätze für den Werther-Effekt. Als anerkannt gilt vor allem die Theorie des Modelllernens des Psychologen Albert Bandura, die besagt, dass sich Menschen Verhaltensweisen aneignen, die sie zuvor bei anderen Menschen beobachtet haben – besonders, wenn sie sich mit der Person identifizieren können.

Berichterstattung

Untersuchungen legen nahe, dass bestimmte Formen der Berichterstattung ein besonders hohes Identifizierungspotenzial bieten und deshalb vermieden werden sollten

(Ziegler & Hegerl, 2002). Eine umfassende Untersuchung von Forschern der New Yorker Columbia University hat herausgefunden, dass häufige, prominente und reißerische Berichterstattung über Suizide Jugendliche zur Nachahmung motiviert (Gould et al., 2014). Es ist wahrscheinlich, dass soziale Medien den Werther-Effekt noch verstärken, untersucht wurde das bislang nicht.

Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention rät dazu, keine Fotos oder Abschiedsbriefe der betreffenden Person zu veröffentlichen und heroisierende oder

romantisierende Beschreibungen des Suizids zu vermeiden. Das Motiv für die Selbsttötung dürfe höchstens allgemein, aber nicht als nachvollziehbar dargestellt werden.

Der Deutsche Presserat empfiehlt ebenfalls Zurückhaltung. Dies gelte insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Umstände wie Ort und

Methode der Selbsttötung.

Völlig ausklammern wird ZEIT ONLINE das Thema Suizid nicht, da es gesellschaftlich relevant ist und viele Menschen betrifft, etwa schwer an Depressionen Erkrankte

oder Angehörige.

Hilfe holen

Suizidgedanken ähneln einem Teufelskreis, der unausweichlich scheint, sich aber durchbrechen lässt. Häufig sind sie eine Folge psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, die mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden können.

Betroffene finden zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter der Telefonnummer 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.

Suizidgefahr erkennen

Wer den Verdacht hegt, dass ein Freund oder Angehöriger an Suizid denkt, sollte ihn zunächst darauf ansprechen und dabei unterstützen, professionelle Hilfe zu suchen. Wichtig sei es, auf Warnsignale zu achten und diese ernst zu nehmen – etwa 80 Prozent aller Selbsttötungen werden zuvor angekündigt.

Besorgniserregend seien nicht nur klare Suiziddrohungen und -ankündigungen, sondern auch indirekte Äußerungen der Hoffnungslosigkeit wie "Es hat alles keinen Sinn mehr" oder "Irgendwann muss auch mal Schluss sein". Zudem könnten bestimmte Verhaltensweisen auf Suizidgedanken hindeuten. So wollen suizidgefährdete Menschen häufig ihre Angelegenheiten ordnen, also zum Beispiel Wertgegenstände verschenken oder ihr Testament aufsetzen. Auch stimmt der Entschluss zur Selbsttötung manche Menschen mit Depressionen ruhiger und weniger verzweifelt, was häufig als Besserung des psychischen Zustands missinterpretiert wird.

Hilfe für Angehörige bietet neben der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention auch der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker unter der Rufnummer

0180 – 59 50 951 und der Festnetznummer 0228 – 71 00 24 24 sowie der E-Mail-Adresse seelefon@psychiatrie.de.

 

[Paolo Bavastro, M.D.]

(Original title: Ist Hirntod gleich Tod? Merkurstab 1994; 47:456-65. English by A.R. Meuss, FIL, MTA.)

Historical evolution

First of all, a definition: "brain death" as total cessation of integrated brain function, followed by necrosis, has to be clearly distinguished from "locked- in syndrome"

(motor paralysis in all parts of the body, with the patient sentient and awake, a condition due to interruption of the corticospinal tracts between midbrain and pons).

Analogous to other organs (renal or liver failure) we should really be speaking of "cerebral failure" rather than "brain death."

Irreversible loss of all brain function causes spontaneous respiration to cease, leading to "cardiovascular death." The syndrome has only been observed with the development of intensive care units. Long-term artificial respiration has made it possible to keep patients alive: the disease as an "artefact of intensive care treatment" usually manifests hours, days or a few weeks after initiating intensive care; and "dying and death have since gained a new dimension."

In ancient Egyptian medicine the rule was that people were alive for as long as they breathed; death was near when the heart no longer "spoke," when the vessels "fell silent." This has continued to be the generally- accepted view up to the present century. It is a reflection of human evolution that the definition of death no longer bases on the heart and respiration but on brain function.

The syndrome was first described in 1959 as coma depasse. Many definitions were suggested, with "brain death", a most inappropriate term, finally winning the day.

In the field of intensive care medicine, it soon became necessary to develop guidelines and recommendations as to how such patients should be considered.

Another new development which affected the issue was transplantation. The first heterologue attempts (animal to human being) were made between 1906 and 1923.

All came to grief on the biologic barrier of immunity. The first homologue attempts (human to human) were made by Varony in Russia in 1936. Rapid development finally came in 1962/63, following immune- suppression with azathioprine and corticoids. The first liver was transplanted in March 1963, the first lungs in June 1963, the first pancreas in 1966, and the first heart on 3 December 1967.

The cyclosporin era began in 1976/78, effectively controlling rejection reactions. As early as 1968, the Pittsburgh technique of perfusion cooling of organs for transplantation had matured to a point where it proved useful." As time went on it became necessary to agree on the possible and legitimate moment when organs could be removed.

Several sets of criteria for "brain death" were developed, including the Harvard criteria in 1968, others in England in 1976 and 1979, the USA in 1981, Switzerland in 1983, and in the Federal German Republic in 1969,1982,1986 and in 1993. The German Medical Association has consistently stated that the guidelines can only "aid physicians

in making their decision" and are not legally binding.

The discussions held over the last two years have shown quite clearly, however, that cerebral failure is not generally accepted as the moment of death (with all the consequences, e.g. removal of organs).

An apt exposition of the problem was made in Denmark in 1989:

I. A person is dead when the following have completely and irreversibly ceased:

1 cardiovascular functions

2 respiratory function

3 cerebral function

II. Cessation of brain function signifies the irreversible beginning of the death process. Unfortunately this is an isolated instance in the literature.

The current criteria of cerebral failure are essentially based on three parameters: (morphology (CT), cerebral circulation (angiography, Doppler ultrasonography, perfusion scintigraphy) and brain function (neurologic examination: EEG, apnea test).

 

Pathophysiology

The central nervous system (not so much the spinal cord), "which has no vitality of its own and needs 'intensive care' to prevent it perishing prematurely, is subject to decomposition and decline, atrophy and degeneration, rigidity and death."

Damage may result from rapid acceleration or deceleration, rotation trauma, gas bubbles rupturing the capillaries, parenchymal necrosis and hemorrhage, tissue contusion, neural tract rupture, ischemic lesions and edema. Intracerebral hematomas may increase in size within hours or days. A vicious circle evolves with edema leading to hypoxia which, in turn, increases the edema. Instability of the brain's autoregulatory functions may result in systemic disorders such as circulatory problems, with poor oxygenation causing additional damage. Cerebral edema myelophthisis, known as "edema necrosis," shows in the CT as internal hydrocephalus.

Other factors indicating a poor prognosis include the absence of periodic sleep patterns in the EEG.

Ischemic damage due to circulatory failure or inadequate resuscitation, for instance, is biphasic. Initially, when the oxygen supply is interrupted, serious but not absolutely irreversible damage is caused to the brain. If the first phase has been too long, the second, post-ischemic phase results in serious and often irreversible damage. It is the recirculadon phase. Several factors are involved:

a) Post-ischemic hypotension: acid equivalents are washed out from the brain, resulting in vasodilatation and a drop in blood pressure. The hypotension tends to be of

extended duration if the cause is cardiac, as heart and circulation do not resume function immediately. This is the reason for the much shorter period available for brain revitalization after cardiac arrest.

b) Disseminated intravascular coagulation develops shortly after onset of ischemia and is enhanced in the early recirculation phase. Additional factors are increasing thrombocyte aggregability in the ischemic phase; serotonin release from aggregated platelets leading to vasoconstriction; damage to peripheral organs (heart, kidneys, pulmonary shock) may prevent reoxygenation and increase cerebral edema; changes in blood viscosity with decreased flow rate and impaired microcirculation.

c) Post-ischemic cerebral edema with increased intracellular osmolality and loss of membrane potential results in massive electrolyte shifts. Onset of recirculation causes massive fluid volumes to enter brain tissues, increasing edema and thus causing a rise in intracranial pressure.

d) Multiple metabolic imbalances develop in addition.

This brief outline shows that circulation may start again after ischemia but generally ceases again within a short time (a few minutes) if the cerebral edema has reached

a critical level.

Complete cessation of cerebral circulation causes death of the brain as an organ, with irreversible loss of function. This results in dissociation of the lost brain function from persisting peripheral organ functions if circulation and respiration are supported in intensive care (the latter by use of a respirator). The brain represents only about 3% of the total organism, but loss of cerebral function has serious consequences for the whole. Cerebral failure involves the loss of higher brain functions: consciousness, mentation, perception, and sensory perception. Cranial nerve and brain stem reflexes are absent (dilation of pupils, fixed pupil, comeal reflex, vestibular reflex, cough and retching reflexes, no reaction to aspiration). Extensor spasticity progresses to general loss of muscle tone. The vital functions of the brain stem are lost: diabetes insipidus, absence

of circadian variations in temperature, blood pressure and, pulse, and of their physiological control. Metabolic imbalance results from failure of the hypothalamic-pituitary,

and diuretic system.

Extended periods of artificial respiration and other measures may provoke a wide range of strange, "meaningless" phenomena: profuse sweats alternating with rubor in some parts of the body, phases of hypo- and hyperthermia, inexplicable variations in blood pressure and pulse rate that may come up suddenly and just as suddenly disappear again, extensor spasms or twitching of muscle groups in the extremities. These phenomena have no apparent purpose; they are merely reflex movements not controlled by the ego and lacking in coordination.

 

Anthroposophic aspects

Past, present and future all coexist in the human being. This can be seen in the biology of the newbom. The neurosensory system is fully developed at about two months before birth, the rhythmic system reaches maturity at birth, while the metabolic system and especially the limbs are still in the fetal stage.

No other newborn beings show this triunity to the same degree as humans who are born post term in the head, on term in the heart and respiratory systems, and prematurely in their limbs.

A. Portmann distinguishes three functional regions in the neurosensory system: the elementary apparatus which controls the simple functions and is mainly located in the spinal marrow and parts of the extended marrow. Reflex-type reactions are part of this system.

A second, superior system is the autonomic apparatus. Elementary functions are combined for the higher functions of metabolism, reproduction, alternation of sleeping and waking states, hunger and satiety - all the changes known to us as "moods." This apparatus is located in the my elencephalon, the hypothalamus, the basal ganglia of the forebrain and in me splanchnic nervous system.

The somatic apparatus concerns the sphere of the senses and the higher functions (orientation in space, relationship to the environment). It is the "site of highest integration," located in the metencephalon, mesencephalon, hemispheres of the telencephalon with the cerebral cortex.

The elementary and autonomic apparatuses show a high degree of structural complexity even in the lowest mammals. "This part of the nervous system shows the fewest differences, relatively speaking, and these apparatuses are always fully developed at an early ontogenetic stage."

The neurosensory system mainly serves mental activities that take place in the waking state. "Sensory perception, ideation, memory and thinking are made conscious by

them. Its processes are directed outward and inward, the impulse being to perceive or rather to convey sensory perceptions." "The senses have significance not only for the soul, for the creation of an inner world, not only for maintenance of the body (perceiving ongoing processes, the state of well-being, the condition of the organs, the activity

of the limbs); they are the places where entities from the earthly and cosmic periphery enter into the inner human being (or evoke counter reactions from the inner life)."

The head is an offprint, a kind of elimination of the ego, astral body and ether body. These three higher aspects of the human organization create their organ, forming it out fully, and then eliminate it; they are then free, able to enter and leave again, the organ having become permeable. Here we have the greatest differentiation, form and plastic principle - organization at the level of perfection. Cerebral failure merely means that the brain is no longer open to those three higher aspects. The sense organs are almost physical apparatuses, a gulf "extended into the human being by the outside world."

We deal with the outside world, communicating with it, making our mark on it and being influenced by it in three areas. In the metabolism this happens through nutrition;

we impose our will on the environment and take action in it. The things we attempt, desire and do, the unfulfilled seeds of the will, provide us with the capacities for a future life.

In the rhythmic system we inhale and exhale, and live in the world of feelings; we live life in the present as we practice and learn.

In the neurosensory system, an imponderable breathing process occurs between us and the environment, skills, talents and capabilities point to an earlier life. This imponderable breathing process occurs mainly through the 12 senses and plays a role in making human evolution possible and maintaining it in time.

Failure in each one of these three areas of communication or relation has its own specific quality and consequences. Paralysis in the sphere of the limbs makes it more difficult to perform an action: the limb itself becomes outside world. Paralysis in the metabolic sphere prevents active involvement with matter so mat the energies normally evolved in the process gradually fade away. Failure of the rhythmic system - even lack of ability to move in rhythm, rigidity - is a serious pathological sign and signifies that the present life will soon be ended.

Lack of external stimuli when organ function is normal clearly indicates absence of the imponderable breathing process. Without those external stimuli proper human development is seriously affected - "wolf children" are a good example. If cerebral function itself ceases, (irreversible failure) the imponderable breathing process cannot

take place consciously. It is then no longer possible to maintain a fully human existence as the necessary external stimuli cannot be taken in and digested.

The body-oriented integrative power of the ego organization gradually weakens. The organization of the human head and the central nervous system can no longer perform their function as offprint and have become impermeable to the ego, astral body and ether body. A dying process ensues. The brain as the "indispensable intermediary" between environment and human being is no longer able to perform its function, which is to maintain the specifically human aspect.(34) Physiologic respiration ceases and is taken over by a respirator in the case of such a patient. We are thus able to ensure only one aspect of respiration, which is to supply air and maintain the gas exchange in the lung.

Form is embodied in the human physical body. It arises from the twelvefold zodiac.

The breathing life in the etheric fulfills another function, for the breathing process yields the images of all our internal organs. Images of our organs, initially immaterial, are created "via the breathing process." Physiologic res- piration enables the human being to have a share in the form which is created out of the starry heavens. Those images are inhaled, as it were. They become reality (including form) as matter is deposited in the images.

 

The image nature of respiration and the creation of form are seriously affected by artificial respiration. With the form-creating life taken away, the individual is no longer able to maintain true humanity by taking hold of it again and again and giving it shape. Thus the process of dying begins.

In sleep, ego and astral body have separated from the ether and physical bodies. The human being does not become a plant, however, because the activities of astral body and ego nature still continue. "Because the ether body remains connected with the physical body during sleep, vital activities continue."

The moment the ether body leaves the physical body, disintegration sets in. Processes of dissolution and autodigestion begin, with the chemical forces acting the way they

do in the outside world. Death ensues, and decom- position starts. The ether body is then connected with the astral body in the absence of the physical body. The latter is

left to the forces of gravity and becomes a decomposing corpse in the physical world.

The spirit takes a different path, one that only becomes possible once ego, astral body and ether body have separated from the physical body. Different laws then apply:

the inner world (thoughts and life of feeling) becomes outer world, pouring out into the realm of the stars; the outer world of our actions becomes inner world.

We work through the incarnation that has just ended and prepare for the next.

After death (separation of ego, astral body and ether body) new qualities emerge that cannot be seen as a linear continuation of life. The characteristics of life (growth, flow, nutrition, warmth) leave the body, which becomes a corpse and is left to physical forces such as the force of gravity. Dissolution, autodigestion, decomposition and decay begin.

Loss of consciousness and self awareness, serious as it may be, does not signify the death of the individual. Loss of a physical function or of an organ (there is, of course,

a hierarchy of the organs and their functions) cannot be equated with death of the individual. In a case of renal failure or another condition resulting in loss of kidney function, we will, of course, initiate dialysis to allow life to go on. Quite rightly, we do not speak of a "kidney dead person."

Someone in cerebral failure receiving artificial respiration cannot, anthroposophically speaking, be called dead. The symptoms described above make this quite clear.

The physical body does not fall into decay. Physio- logical processes arising from the interaction of physical body and ether body stimulated by astral body and ego continue; respiration, circulation and metabolism can also be observed to proceed, with blood pressure, spinal reflexes and elimination, reflecting astral body activity, still present.

The coordinating function of the ego is usually no longer observable, nor are higher nerve functions. Consciousness and self awareness have gone. Hormonal regulation tends to be seriously affected; purposeful processes are no longer possible, and "meaningless" reaction patterns appear.

Part of the gesture and character of death is the irreversible separation of functions into disintegrating individual parts and absence of coordinated activity, with centrifugal forces dominant. The situation is one of multiple organ failure. The life-maintaining centripetal, centered principle is an ego- controlled gesture.

With cerebral failure, centrifugal forces gradually make their appearance. Tendencies of dissolution, of weakening, develop that point to a slow dying process. We do not diagnose cerebral failure and then decide what treatment is necessary. Instead we must undertake the treatment of a seriously ill individual, often unable to prevent cerebral failure in the process.

Intensive care offers the opportunity - and we are obliged to take it - to maintain incarnation. It is not in our power to prevent death. Irreversible cerebral failure thus is a serious condition which rapidly leads to death in the above sense unless help is given from outside. Intensive care allows us to intervene from outside and maintain life

for a time. Cerebral failure (with treatment given) marks the beginning of a dying process. Anthroposophically speaking, this cannot, however, be equated with death nor

with a state of consciousness similar to deep sleep.

The brain and spinal cord are given maximum protection from the outside world by their bony integument. The spinal marrow must be considered to be an organ that has remained at an earlier stage of evolution, a bone marrow of me first order - the brain being bone marrow of the second order - "...a metamorphosed earlier bone marrow...

that has been such in the past but has been metamorphosed into the brain."The brain is the "instrument" for higher soul activities. These are "guided" by the brain.

It is the place were we create our "thought-out ideas." There human beings do not act by means of reflex movements but reflect on things, and in this sense the brain is the instrument of inner activity. Reflex movements are compulsive by nature (a stimulus evokes a movement response without our thinking about it), and there we see the activity of me spinal marrow.

In dream life, with daytime waking consciousness gone, images appear on the horizon that have the same direct necessity. They arise compulsively, without our conscious doing, like reflex reactions in the waking state that result in movements, but retain their image character.

"Occult investigation shows that a mysterious spinal marrow exists in the brain which is the instrument of dream life." This spinal marrow becomes active "when people are asleep and dreaming. Its activity is then of a kind appropriate for a spinal marrow, arising from necessity".

In cerebral failure, "reflex-type" movements occur that are spinal in origin but generally arise without stimulus, and seemingly without reason - a caricature of a dream?

Ego and astral body are archetypal images and as such spiritual. Blood system and nervous system are images of them. The ether body, on the other hand, takes its

orientation more from the physical body.

On the one hand, the blood presents itself to me outside world rather like a writing tablet; on the other, it exists for the inner world. The ego also has two aspects.

It lakes up impressions of the outside world, and it can also be given up to an inner world. Impressions are inscribed in the blood via the nerves.

"In ordinary life, as it generally goes, the process is such that an effect transmitted via the nerve inserts itself in the blood as though on a writing tablet and has, thus,

inscribed itself in the instrument of the ego. Inner feelings and ideas, which should be higher, "moral or intellectual ideas," extreme inner concentration, engage the nerve, which is withdrawn from the blood, as it were.

"Contents of the conscious mind are primarily taken hold of by the nerve, thus separating nerve activity from blood activity." The nerve is released from connection with

the blood; the activities of the nervous system become retrograde, as it were. "The ego is consciously lifted out of the astral body's sphere of action." At the nerve ends,

we rebound and "life goes out in the world beyond the senses."

This is the occult physiological process of conscious spiritual training. Spiritual training involves a temporary, occult physiological separation of nerve and blood which is deliberately induced in inner exercise.

Cerebral failure thus marks the beginning of a dying process, with the individual on the threshold. In spiritual terms, the connection between sense organ and blood is

broken at the distant periphery.

This is the irreversible, physically pathologic caricature of conscious spiritual training.

 

ZEIT ONLINE Jahrgang 2012 › Ausgabe: 33

[Steffen Küssner]

Der selbst gewählte Tod

Warum mein Vater den Weg der Sterbehilfe genommen hat

Die Uhr tickt. Noch 30 Minuten. Dann wird mein Vater ein Getränk zu sich nehmen, dessen Inhalt drei Menschen töten könnte. Etwa drei Minuten später wird er einschlafen, wenig später sterben. Viel zu früh, er ist erst 68 Jahre. Mein Vater hat ALS, Amyotrophe Lateralsklerose, eine schwere Nervenerkrankung, im weit fortgeschrittenen Stadium. Er hat sich entschieden, den Weg der Sterbehilfe zu nehmen, weil er das, was kommt, nicht mehr erleben möchte: künstliche Beatmung und Ernährung, Verlust der letzten noch vorhandenen motorischen Fähigkeiten, einschließlich des Sprechens, mit großer Wahrscheinlichkeit Tod durch Ersticken. Wie frei kann so eine Entscheidung sein?

Es ist 12.05 h. am 24. Januar 2012. Wir sitzen zusammen, mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, meine Schwester mit ihrem drei Monate alten Sohn und ich. In einem dezent gestalteten Zimmer mit hellen Wänden, einer weißen Couch, zwei Sesseln und einem kleinen Tisch, auf dem zusammengeknüllte Papiertaschentücher liegen. Der Blick aus

dem Fenster führt über die Dächer der Nachbarhäuser, hinter denen sich saftig grüne Hügel erstrecken. Es hängen dicke Wolken darüber. Das Zimmer gehört zu einer Wohnung, die in einem kleinen Ort liegt, direkt neben Bahngleisen, rund 20 Kilometer vor den Toren Berns. Mieterin ist die Schweizer Sterbehilfeorganisation Ex International, deren ehrenamtliche Mitarbeiterin in der anliegenden Küche Dokumente vorbereitet, die später benötigt werden, wenn Polizei und Staatsanwalt kommen, um den Tod meines Vaters zu untersuchen. Gerlinde Mosta (Name geändert) ist eine ernsthafte, aber freundliche Frau Mitte 60, die diese Arbeit aus Überzeugung tut, wie sie uns am Abend zuvor erklärt hat. Vorhin hat sie meinem Vater ein Glas Wasser mit Magentropfen gereicht, die das tödliche Getränk verdaulicher machen, das er 30 Minuten später einnehmen muss. Seither tickt die Uhr. 12.06 h.

Hier sitzen wir also. Meine Schwester stillt den Kleinen, damit er nicht gleich nach Nahrung ruft, wenn wir im Zimmer nebenan meinen Vater in den Tod begleiten.

Der berichtet von der abschließenden ärztlichen Untersuchung, die heute Vormittag stattgefunden hat. Er wirkt gelöst. Ich denke, dass es schön wäre, käme die Sonne heraus, damit mein Vater sie ein letztes Mal sähe. Aus Bern sind wir im dichten Schneegestöber aufgebrochen. Nun nieselt es. Meine Mutter fragt, ob mein Vater noch einmal aufs

Klo müsse. Er verneint. Schweigen. Lächeln. Worüber spricht man, wenn der Tod nebenan wartet? Mein Vater erzählt, der Mediziner heute Vormittag sei unendlich langsam zu Werke gegangen, ein typischer Berner eben. Das habe ihn an den Witz vom langsamen Berner erinnert. Mit verschmitzter Miene fragt er in die Runde, ob er uns den erzählen solle. Spontan wird mir unwohl bei dem Gedanken, jetzt über einen Witz zu lachen. Doch mein Vater hat schon begonnen. Die Pointe sitzt, wir lachen herzlich.

Die Krankheit hat ihm fast jede Bewegungsmöglichkeit geraubt, hat seine einst kräftige Stimme brüchig und seine Sportleratmung kurz werden lassen. Doch seinen Humor

hat er sich nicht nehmen lassen.

So ist mein Vater: kein Grübler, sondern ein zupackender Typ. Ein Kind des Ruhrgebiets, glühender Anhänger des BVB. Politisch engagiert, Lehrer für Chemie und Physik, Fußballer, Bergsteiger und Marathonläufer, aber auch begeisterter Chorsänger, ein Vereinsmensch. Die Diagnose ALS erhielt er kurz nach seinem 60. Geburtstag.

Diese heimtückische Krankheit des zentralen und peripheren Nervensystems ist seit 140 Jahren bekannt, aber immer noch nicht heilbar. In Deutschland sind schätzungsweise 6.000 Menschen daran erkrankt. Der deutsche Maler Jörg Immendorff starb 2007 nach zehnjähriger Krankheit. Der britische Astrophysiker Stephen Hawking lebt seit 1963

mit ALS. Verlauf und Lebenserwartung unterscheiden sich von Fall zu Fall erheblich. Sicher ist den Betroffenen nur eins: dass ihr Zustand immer schlechter wird.

Ein Pflegeheim kam nicht in Frage

Meinen Vater zwang die Diagnose, Lauf- und Wanderschuhe an den Nagel zu hängen. Später war es auch mit dem Singen vorbei. Für mich blieb die Krankheit zunächst abstrakt, auch weil ich weit von Köln entfernt in Berlin wohne. Erst als er 2006 einen Stock benötigte, später einen Rollstuhl, sickerte die Erkenntnis durch, dass unser altes Leben nicht mehr wiederkehren würde. Umbauten im Elternhaus wurden nötig, immer leistungsfähigere Rollstühle angeschafft, das Auto wurde mit einer Laderampe versehen, über die man in das Wageninnere hineinfahren konnte. Doch gerade an diesen technischen Hilfsmitteln offenbarte sich die ganze Hilflosigkeit, auf die die Krankheit ALS die an ihr Leidenden immer wieder zurückwirft. Jedes Mal wenn mein Vater gelernt hatte, den Verlust einer motorischen Fähigkeit zu akzeptieren und ein geeignetes Hilfsmittel in seinen Alltag zu integrieren, folgte der nächste Schub, der die neu gewonnene Souveränität wieder zunichtemachte.

Trotzdem gelang es über viele Jahre, ein Umfeld zu schaffen, in dem mein Vater weiterhin am Leben teilhaben konnte, so gut es ging. Doch es ging eben immer schlechter.

Das zeigte sich vor allem im letzten Jahr, als die Kraft endgültig aus seinen Armen und Händen schwand. Den Rollstuhl konnte er trotz aller Technik am Ende nur noch

wenige Minuten selbst steuern. Intensivere Unterhaltungen führten zu Atemnot, in der Nacht raubte ihm ein chronischer Husten den Schlaf.

12.15 h. Der Witz vom langsamen Berner hat die Stimmung gelöst. Meine Schwester hat ihren Sohn zu Ende gestillt. Er schaut nun sehr aufmerksam meinen Vater an, der lächelnd zurückschaut. Die Geburt seines ersten Enkels drei Monate zuvor hat ihm noch einmal neue Kraft gegeben. Wir meinen, der Kleine habe seine Ohren. Meinem Vater rollen ein paar Tränen die Wange hinunter, er muss sich schnäuzen. Bevor jemand anderes reagieren kann, ist meine Mutter aufgesprungen, um ihm die Nase zu putzen.

Jahrelang hat meine Mutter versucht, die verloren gegangene Selbstständigkeit meines Vaters zu kompensieren, mit dem Ergebnis, dass auch sie ihr eigenständiges Leben einbüßte. Zuletzt stand sie selbst kurz vor dem Burn-out. Meine Geschwister und ich bemühten uns, sie regelmäßig zu entlasten, doch das Grundproblem konnten wir nicht lösen. Zwar gab es einen Pflegedienst, der meinen Vater aus dem Bett holte, ihn wusch und in den Rollstuhl setzte. Ehrenamtliche Helfer übernahmen stundenweise die Betreuung. Doch trotz der Hilfe blieben 90% der Tageszeit –von den Nächten ganz zu schweigen–, in denen meine Mutter auf sich gestellt war. Selbst Alltäglichkeiten,

wie eine juckende Nase oder das Umblättern der Zeitung, erforderten ihre Hilfe. Eine Dauerpflegekraft war weder bezahlbar noch räumlich unterzubringen.

Ein Pflegeheim kam für meinen Vater niemals infrage. Es grauste ihm bei dem Gedanken, zwischen 80- und 90-jährigen Demenzkranken zu leben und für jede Kleinigkeit eine fremde Pflegerin rufen zu müssen, die sich parallel um viele andere Menschen kümmern muss. Mein Vater fühlte sich nicht alt. Sein Geist war von der Krankheit kaum beeinträchtigt, höchstens in dem Sinne, dass ihm das Lebenselixier fehlte, die Aktivität. Wir suchten nach Alternativen, etwa einer Wohngemeinschaft mit privatem Pflegedienst, wie es sie für Demenzkranke zunehmend gibt. Doch Fälle wie die meines Vaters scheinen zu selten zu sein, um passende Angebote am Markt entstehen

zu lassen. Geistig fit, aber körperlich auf permanente Rundumbetreuung angewiesen, mit dieser Kombination fällt man aus dem Raster.

Je mehr sich der Zustand meines Vaters verschlechterte, desto häufiger sprachen wir über das Thema Sterbehilfe. Eine Patientenverfügung hatte er schon lange vor seiner Erkrankung unterzeichnet. Dass die Beihilfe zum Suizid in Deutschland de facto verboten ist, hielt mein Vater für inhuman. Ich war lange Zeit anderer Ansicht. Liegt das Inhumane nicht vielmehr in einer Gesellschaft, die trotz materiellen Reichtums unfähig ist, pflegebedürftigen Menschen individuell gerecht zu werden? Ist es in einer Gesellschaft, die ihre Mitglieder wesentlich nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sortiert, nicht naheliegend, einen Suizidwunsch zu entwickeln, wenn man ganz und

gar abhängig und unproduktiv ist? Öffnet die Sterbehilfe nicht eine Tür, die besser verschlossen bleiben sollte?

Spätestens nachdem im Herbst 2010 ein Mitarbeiter von Ex International im Wohnzimmer meiner Eltern gesessen und sich über fünf Stunden lang ein Bild von meinem

Vater, seiner Erkrankung und seinen Beweggründen gemacht hatte, waren solche Fragen allgegenwärtig. Wir versprachen meinem Vater, ihn auf diesem Weg zu begleiten, wenn das sein freier Wille sei. Doch was ist ein freier Wille? Sind es am Ende nicht doch die Umstände, die den Tod als das kleinere Übel erscheinen lassen?

Und sollte man in diesem Fall nicht versuchen, die Umstände zu ändern, statt jemandem zu helfen, sein Leben zu beenden?

Ich musste lernen, dass es auf diese Fragen keine einfachen Antworten gibt, vor allem keine allgemeingültigen. Für meinen Vater war die Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können, ein emotionaler Anker.

Zu wissen, dass er diese letzte Entscheidung selbst treffen konnte, stärkte seinen Lebensmut. Er wäre andernfalls viel früher innerlich zusammengefallen. Diese Möglichkeit war allerdings von der Fähigkeit abhängig, die Reise in die Schweiz antreten zu können, was ein Minimum an körperlicher Selbstständigkeit voraussetzte.

Der nächste Schub der Krankheit würde ihm diese vermutlich nehmen. Wollte er die Gelegenheit ergreifen, musste er bald handeln. Das aber heißt: Wäre Sterbehilfe in Deutschland möglich gewesen, hätte mein Vater den Sommer 2012 vermutlich noch erlebt.

Ein mutiger Schritt, der ihm viel Leid ersparte Wahr ist auch, dass die vorhandenen Pflegeangebote für ihn keine Perspektive boten. Doch seine grundsätzliche Entscheidung war von diesen Umständen unberührt. Er wusste: Die Krankheit würde ihm den letzten Funken physischer Selbstständigkeit und schließlich seinen Lebensmut rauben, egal, wie gut die Pflege organisiert wäre. Er war über den Punkt hinaus, an dem dies noch einen Unterschied gemacht hätte. Ich konnte lange Zeit nicht akzeptieren, dass jemand sterben will, weil sein Körper nicht mehr mitspielt. Inzwischen habe ich erkannt, dass der Lebenswille davon abhängt, was einen im Leben antreibt. Mein Vater wollte nie das Universum ergründen wie Stephen Hawking, den Assistenten, Pfleger und viele technische Hilfsmittel unterstützen, sondern mit seinem Enkel im Park Fußball spielen, auf Berge klettern, den Rhein entlang joggen oder einen kaputten Stuhl kleben.

Mein Vater fühlte sich eingesperrt im eigenen Körper. Und in Gefangenschaft konnte er auf Dauer nicht leben. Als meine Mutter mich am 6. Januar 2012 anrief und fragte, ob ich um den 24. Januar ein paar Tage Urlaub nehmen könne, wusste ich, dass mein Vater sich entschieden hatte, das Gefängnis zu verlassen.

Es folgten zweieinhalb unwirkliche Wochen, in denen alles wie immer war und doch alles anders. Wir wollten die Zeit bestmöglich nutzen – und sprachen doch über Alltägliches wie die Causa Wulff, den Rückrundenauftakt der Bundesliga, den Ausfall von Mario Götze und das unvermeidliche Wetter. Nicht nur, aber eben auch.

Es war gesellig wie immer, sogar lustig, manchmal melancholisch. Hin und wieder spürte ich einen Stich in der Magengrube, wenn das Gespräch auf ein Datum jenseits des

24. Januar fiel.

Ein paar Tage vor dem Termin brachen wir aus Köln in Richtung Schweiz auf. Als wir mit dem Auto über die Zoobrücke fuhren, warf mein Vater einen letzten Blick auf den Dom. Zwei Tage später näherten wir uns Bern.

Auf der linken Fensterseite rissen die Wolken auf und gaben den Blick auf die Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau frei. Ob wir noch einmal näher heranfahren sollten, fragte meine Mutter. Mein Vater schüttelte schweigend den Kopf. Vor langer Zeit schon hatte er gesagt, dass seine Asche am Fuße der Eigernordwand verstreut werden solle.

12.30 Uhr. Der Witz vom langsamen Berner ist verhallt. Mein Vater weint. Meine Schwester auch. Ich reiche Taschentücher und kämpfe selbst mit den Tränen.

Draußen hat es aufgehört zu nieseln. Die Sonne scheint jetzt durch das Fenster, meinem Vater direkt ins Gesicht. Dann geht die Tür auf, und Frau Mosta bittet uns in das Nebenzimmer.

Ich helfe meinem Vater aus seinem Rollstuhl auf die bereitstehende Liege, so wie ich es immer getan habe, wenn ich ihn ins Bett brachte. Zum letzten Mal, schießt es mir durch den Kopf. Ich halte ihn lange fest, bevor ich ihn behutsam hinlege, flüstere ihm ein paar Worte ins Ohr und küsse ihn auf die Stirn. Meine Geschwister und meine Mutter folgen. Wir weinen. Mein Vater bittet, dass jemand seine Hand hält. Frau Mosta reicht ihm das tödliche Getränk. Er holt tief Luft, sagt mit fester Stimme: »Okay, let’s go«, und leert das Glas. Ich stehe regungslos da und sehe die Flüssigkeit weniger werden. Bis zuletzt war ich mir nicht ganz sicher, ob er diesen Schritt wirklich

gehen würde.

Mein Kopf schwirrt, ich höre mich etwas sagen. Als mein Vater die Augen schließt, brechen bei mir alle Dämme. Ich weine hemmungslos. Seine Atmung wird flacher, immer flacher. Schließlich sehe ich, wie das Leben aus ihm entweicht. Frau Mosta prüft seine Halsschlagader und bestätigt den Tod. Ich verlasse den Raum.

Ich trauere um meinen Vater. Ich hadere mit dem Schicksal. Ich wünschte, er hätte mehr Zeit gehabt, gesund durch das Leben zu gehen. Doch ich habe keinen Zweifel daran, dass er sich mit seinem mutigen Schritt sehr viel Leid erspart hat.

Die Tage in der Schweiz waren die härtesten meines Lebens, aber ich bin dankbar, dass ich meinen Vater auf diesem letzten Weg begleiten durfte. Ich kann einige Argumente gegen die Sterbehilfe nachvollziehen, schließlich waren sie einmal meine eigenen. Doch heute denke ich, dass sie der Wirklichkeit nicht gerecht werden.

Sie zeigen keinen Ausweg in Situationen, in denen Menschen wohlüberlegt den Tod dem Leben vorziehen. Mein Vater war in seinem Körper gefangen. Gestorben ist er als freier Mann.

 

Aktive Sterbehilfe

Das Wort Sterbehilfe ist ungenau und führt bei Laien und Ärzten regelmäßig zu Missverständnissen. Sie assoziieren damit schnell die Euthanasie. Der Begriff stand im Nationalsozialismus für den systematischen Mord an psychisch kranken und behinderten Menschen, in Deutschland ist er entsprechend konnotiert. Übersetzt bedeutet das griechische "euthanasia" "schöner Tod".

Niederländische Ärzte benutzen auch heute dieses Wort, wenn ein sterbenskranker Mensch bewusst um Hilfe zum Sterben bittet und der Arzt sie gewährt. Etwa indem er ein muskelentspannendes Medikament und ein Schlafmittel verabreicht. In Deutschland ist solche aktive Sterbehilfe als "Tötung auf Verlangen" nach Paragraf 216 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich verboten.

Ärztlich assistierter Suizid

Indirekter ist der ärztlich assistierte Suizid. In diesem Fall stellt der Arzt dem Patienten lediglich die Medikamente bereit, einnehmen muss dieser sie selbst. In den Niederlanden zum Beispiel wählt nur ein Zehntel der Sterbewilligen ärztlich assistierten Suizid, die anderen ziehen direkte Sterbehilfe vor. Das deutsche Strafgesetzbuch verbietet Beihilfe zur Selbsttötung nicht, allerdings tut dies die dahingehend 2011 geänderte

Berufsordnung der Ärzte.

Dort heißt es unter Paragraf 16: "Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, PatientInnen auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Allerdings streiten Mediziner und Experten bis heute über dieses Verbot, dass rechtlich nicht bindend ist. Zuletzt hatte etwa das Verwaltungsgericht Berlin im April 2012 die Formulierung für verfassungswidrig erklärt.

Passive Sterbehilfe

Etwas ganz anderes versteht man unter passiver Sterbehilfe: lebensverlängernde Maßnahmen (zum Beispiel künstliche Beatmung) zu unterlassen. Dies ist nach dem Urteil des BGH vom Juni 2010 unter bestimmten

Umständen erlaubt – ja sogar geboten. Ein umstrittener Punkt ist in diesem Zusammenhang, ob ein Arzt generell eingreifen muss, wenn er einen Patienten sterben sieht. Schließlich gelobt jeder Arzt: "Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein."

Patienten, die sichergehen wollen, dass der behandelnde Arzt nicht im letzten Augenblick den Suizid noch vereitelt, entbinden ihn schriftlich in einer Patientenverfügung von dieser Garantenpflicht.

 

 

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