Christentum
http://www.zeit.de/kultur/2018-03/religion-glaube-feminismus-theologie-kirche-gemeinschaft-10nach8
https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-12/schoepfungsgeschichte-gott-bibel-bibelpodcast
https://www.zeit.de/2022/22/reformen-katholische-kirche-hermann-haering/seite-2
https://www.zeit.de/2022/23/pfingsten-glaube-gott-christlich-fest
https://www.zeit.de/serie/unter-pfarrerstoechtern
https://www.zeit.de/2023/19/erbsuende-kirche-dogma-tiefenpsychologie
https://web.de/magazine/wissen/psychologie/pfingsten-feiern-jesus-hauptrolle-spielt-35835208
Vergleich: Siehe: Religionen
Deadx
Acant. = Dornenkronenseestern
Christ called ichtyos (= fish in Greek) by the first Christians/using a fish as a sign of recognition.
Card-m. = Mariendistel/= Saffron/=
Milkthistle/= Christi Krone,
Euphorbia melii = Christusdorn Malphigiales
Messwein wird "symbolisch" „Blut Christi“
Olib. „Gnadenmittel“ (= Letzte Ölung)
Orni. hat den Erlöser gebettet
Paliurus spina christi (= Rhamnus paliurus) = Judendorn/= Christusdorn/= Crown. of Thorns Rosales/in Islam. werden Toten gewaschen mit Sud aus dessen Blätter
Pot-e = Natter(n)wurz/= Rotwurz/= Ruhrwurz/= Siebenfinger/=
Tormentill/= Bauchwehwurz/= Birkwurz/= Christuskrone/= Dilledapp/= Aufrechtes
Fingerkraut/=
Mooreckel/= Potentilla/= Siebenfinger
Ricin. = Wunderbaumsamen/= Quelle Castoroil/= Pei-ma/= Christpalme/= Hundsbaum/= Läusebaum/= Kreuzbaum
Ziziphus spina christi = Christusdorn/= chinesische Dattel/= Jujube Rosales
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/panorama/diese-bibelgeschichten-verschwanden-auf-mysteri%C3%B6se-weise/ss-AAWcZqu?ocid=winp1taskbar&cvid=e23999202e034edaba6c2030e7711b94
https://epaper.zeit.de/webreader-v3/index.html#/947307/19 (Josef: Henning Sußebach)
Allerlei: Ziege wird mit Sünden beladen in der Wüste
geschickt. Alte Testament
Christ: called ichtyos (= fishx in Greek) by the first Christians/used to draw
a fish in the sand as a sign of recognition.
[T.Online]
Christen haben angesichts des Todes eine Hoffnung, die durch Jesus Christus entstanden ist: Er hat den Tod überwunden und ist auferstanden. Damit hat er auch den Menschen im christlichen Glauben den Weg zur Auferstehung eröffnet.
Allerdings gibt es in der Bibel keinen Hinweis darauf, ob Körper und Seele sich grundsätzlich nach dem Tod trennen. Es bleibt auch unklar, ob es ein Jüngstes Gericht gibt. Die meisten Theologen sind dennoch überzeugt, dass die Seele gläubiger Menschen in den Himmel kommt. Wer hingegen gesündigt hat, dessen Seele droht die Hölle.
Wie genau das jüngste Gericht aussieht, das schließlich Körper und Seele wieder vereint und endgültig darüber entscheidet, wo es für den Menschen nach dem Tod hingeht, darüber sind sich die Konfessionen uneins.
[Antonia Fuchs]
Kein anderes Hochfest der Kirche scheint so wenig greifbar wie Pfingsten.
Die Hauptfigur ist nicht Jesus, sondern der Heilige Geist. Ganz schön kompliziert – oder?
Eine Nonne erklärt: Die Sache mit dem Heiligen Geist ist viel alltäglicher, als wir meinen.
Mehr Themen zu Geschichte und Religion finden Sie hier
Wie war das noch? An Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt, an Ostern feiern Christen die Auferstehung, an Christi Himmelfahrt die Heimkehr zu seinem Vater.
Zehn Tage später: Pfingsten. Neben Weihnachten und Ostern ist es eines der drei wichtigsten Feste der Christen:
Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert. Daher kommt auch der Name, der auf das griechische Wort "Pentekoste" (der Fünfzigste) zurückgeht. Laut Bibel ging
an diesem Tag der Heilige Geist nieder auf die Anhänger und Anhängerinnen von Jesus (die Jünger sind mit Frauen aus seiner Anhängerschaft und Maria versammelt).
Sie konnten plötzlich in verschiedenen Sprachen sprechen und werden von allen Menschen "aus allen Völkern unter dem Himmel" verstanden. Deshalb ist auch vom "Pfingstwunder" die Rede und häufig von Pfingsten als "Geburtstag der Kirche": Es entsteht eine neue Einheit in seinem Geist, die christliche Botschaft wird in die ganze Welt getragen.
Pfingstwunder in der Bibel
In der Bibel finden wir die Beschreibung, auf die das Pfingstfest zurückgeht, im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte:
"Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und
erfüllte das ganze Haus, in dem sie (die Jünger) waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.
Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab."
Nachdem Jesus zehn Tage zuvor die irdische Welt verlassen hatte, spielt also an Pfingsten der Heilige Geist die zentrale Rolle. Und da wird es vielen schon zu abstrakt.
Was hat es mit ihm auf sich? Theologisch gesprochen: Der Heilige Geist ist neben Gott und Jesus Christus die dritte Person der "Trinität", also der Dreifaltigkeit.
Heiliger Geist: "Viel alltäglicher, als viele denken"
Kompliziert sei das mit dem Heiligen Geist aber gar nicht, erklärt die Dominikanerin Schwester Ursula Hertewich OP vom Kloster Arenberg im Gespräch mit unserer Redaktion: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Menschen schon ihre Erfahrungen mit ihm gemacht haben."
Einerseits sei der Heilige Geist das "ausführende Organ Gottes in dieser Welt". Er bedinge nicht nur die Geburt der Kirche und schaffe ihre Gemeinschaft.
Bereits bei der Schöpfung sei er dem Glauben nach tätig. Er bewirke die Heilungen durch Jesus und mache seine Anwesenheit etwa in den Sakramenten erfahrbar,
er wirke bei jeder Offenbarung und in jedem Glaubenserlebnis.
Doch Begegnungen mit dem Heiligen Geist seien noch viel alltäglicher, sagt Sr. Ursula und nennt ein Beispiel: "Wir grübeln über etwas und wissen nicht weiter – plötzlich
geht uns im wahrsten Sinne ein Licht auf und alles wird klar. Der Ein-Fall ist da, die Antwort, wie es nun weitergeht."
Sie bete im Alltag oft bewusst zum Heiligen Geist anstatt zu Jesus oder Gott: "Um Klarheit zu gewinnen, um Zusammenhänge zu erkennen. Ich erbitte seine Hilfe vor
jedem einzelnen Gespräch – gerade wenn es stressig ist, gerade mitten im Gewühl: Ich bete darum, dass es eine gute Begegnung wird und ich die richtigen Worte finde."
Taube, Wind, Feuer: Für den Heiligen Geist gibt es ganz verschiedene Symbole
Die Sinnbilder für den Heiligen Geist unterscheiden sich im christlichen Glauben stark. Zu ihnen zählen:
Wolke
Feuer
Licht
Wind
Taube
https://www.swr.de/swr1/sonntagmorgen-2023-05-28-pfingsten-tauben-goettliches-symbol-oder-plagegeister-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
Für Schwester Ursula ist das Feuer als Symbol am treffendsten: "Weil es so schön zeigt, wie er uns in Flammen aufgehen lassen kann. Ich kann in einem tollen Konzert sitzen, aber nichts geschieht mit mir. Oder ich kann gepackt werden, ich bin Feuer und Flamme. Eine solche Erfahrung, die mich ganz und gar durchwirkt, kann Leben verändernd sein." Menschen, die für etwas brennen, seien von solch einer Kraft erfüllt: "Ob es nun in der Kirche ist, in der Flüchtlingshilfe oder anderen Lebensbereichen:
Sie agieren kraftvoll und reißen andere mit."
Zur Person: Die Dominikanerin Sr. Ursula M. Hertewich OP, 1975 im Saarland geboren, ist promovierte Pharmazeutin. 2003 war sie zu Besuch im Kloster Arenberg, zu dem auch ein Gästehaus samt Vitalzentrum gehört, und fand dort ihre Berufung. 2006 trat sie ins Kloster ein. Seit ihrer Ewigen Profess 2013 ist Sr. Ursula unter anderem für Seelsorge und die Ausbildung junger Schwestern zuständig. Immer wieder ist sie in Talkshows zu Gast und hält Vorträge etwa zum Thema Heilkräuter, über das sie auch ein Buch mitverfasst hat.
Was hat Jesus eigentlich zwischen Auferstehung und Himmelfahrt gemacht? [Antonia Fuchs]
Gebet als Psychohygiene in der Corona-Pandemie
So wie diese positive Kraft kenne jeder aber auch diese ganz anderen Kräfte in sich: "Die, die uns klein halten, uns runterziehen, unsere Ängste, unsere Gefühle des
Nicht-Genügens." Gerade in schwierigen Zeiten wie der aktuellen Pandemie lauerten diese Gegenkräfte in uns: "Sie sind für mich das Gegenteil vom Heiligen Geist:
Er fordert heraus, er befähigt aber auch. Er macht uns stark, wenn er in uns wirkt, und stellt uns auf die Füße."
Die Verhaltenstherapie kenne viele Methoden, um zu solch einer positiveren Grundeinstellung zu gelangen. Für Sr. Ursula ist aber das Gebet, die Bitte um Erkenntnis die helfende Instanz: "Es überfordert uns schnell, wenn wir meinen, wir müssten uns selber immer aus dem Sumpf ziehen. Auch positive Gedanken helfen nur bedingt, da
kommt man schnell an seine Grenzen." Die Stütze sei für sie der Glaube: "Ich muss mich nicht selber retten. Doch ich muss den Raum dafür geben, für das Wirken des Heiligen Geistes."
Ihre konkrete Empfehlung dafür: Beispielsweise "Momente der Wahrnehmung" im Alltag zu schaffen. "Mir wurde einmal geraten, mich fünfmal am Tag zu fragen:
Wie geht es mir eigentlich gerade? Das dauert ungefähr eine Minute. Welche Gedanken und Gefühle sind in mir, was davon schadet mir? Kann ich vielleicht gerade
einfach dankbar sein, weil ich für etwas brenne und glücklich bin?"
Durch dieses tägliche Training habe sie gelernt, brenzlige Momente früh zu erkennen: "Wenn ich merke: Jetzt ist es wieder so weit, ich rutsche in ein bestimmtes Fahrwasser,
in eine Denkspirale, dann fange ich an zu beten. Genau in den Momenten, in denen ich auf 180 bin: Kurz einmal Stopp sagen, sich dem Himmel öffnen, Weite schaffen und sich fragen, kann ich vielleicht auch mal anders agieren?"
So sei das Gebet für sie auch eine Art der Psychohygiene: "Glaube und Heiliger Geist sind alles andere als eine Parallelwelt, sondern für Gläubige im Alltag extrem wichtig. Sie geben Halt."
Einfach erklärt: Das Sprachenwunder im Pfingstereignis
Als weiteres Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes nennt sie zwischenmenschliche Beziehungen: "Wir kennen alle auch die Situation von verhärteten Fronten selbst da, wo Menschen eigentlich keinen Streit wollen. Manchmal ist es ein Fünkchen, das dann noch eine Lösung ermöglicht, wo es undenkbar schien. Auch das ist Wirken des Heiligen Geistes, der Himmel und Erde, aber auch Menschen miteinander verbindet: die Liebe Gottes, die in der Welt wirkt."
Dazu passt, dass die Jünger laut Bibel plötzlich in mehreren Sprachen sprechen. Ein geradezu multikulturelles Ereignis wird da geschildert, bei dem urplötzlich eine neue Einheit entsteht: "Erst meinen die Zuhörer, die Apostel seien 'vom süßen Wein betrunken'", gibt Sr. Ursula wieder, "dann wird klar: Wir verstehen einander, egal wo wir herkommen, und zwar auf einer viel tieferen Ebene. Jeder kapiert‘s, so universell ist die Botschaft Gottes."
Wir im Heute: Sprachverwirrung oder Einheit?
Blicke man auf die aktuellen Geschehnisse der Welt, sehe man, wie notwendig eine solche tiefe Einheit unter den Menschen wäre: "Stattdessen sind Mauern da, die jedes Verstehen verhindern." Sie zieht zum Vergleich eine Bibelstelle aus dem Alten Testament heran: die "Sprachverwirrung" beim Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9).
"Die gemeinsame Sprache hatte die Menschen zu Hochmut verführt, sie wollten sich Gott gleichmachen. Gott ruft schließlich die Sprachverwirrung hervor, das heißt,
die Menschen können sich nicht mehr verständigen - und ihr Turmbau scheitert."
Der Gegenpol dazu sei das Pfingstwunder, in dem alles wieder zu einer Einheit verheile: "Nach Tod und Auferstehung sind die Jünger demütig geworden. Sie waren gefallen, dachten, es sei alles verspielt und vorbei, sie wissen um ihre Grenzen. Da setzt Gott einen neuen Anfang. Sie verstehen die Botschaft der Auferstehung und tragen sie in die Welt. Das ist ein extrem starkes Bild. Es entsteht unter den Anhängern ein innerer Zusammenhalt, aber keine Einheit des Hochmuts. Das wird die Stärke der Menschen."
Von beiden – Turmbau und Pfingstwunder – sieht sie Tendenzen in der heutigen Zeit: "Wir sind einerseits extrem hochmütig geworden." Wo Menschen, Länder und Gesellschaften sich wie Gott, wie Alleinherrscher aufspielten, würden sie durch tiefe Barrieren getrennt. Die Einheit aber, das Verbindende sei die widerstreitende, heilende Kraft dagegen: "Es wird immer Menschen geben, die demütig bleiben, die an einem Strang ziehen und sich für Friede und Versöhnung einsetzen und die die Welt mit viel Kreativität zum Guten verändern."
[Zeugen Jehovas]
1. Mose 2:8-15
8. Außerdem legte Jehova Gott einen Garten in Ẹdena an, im Osten. Dorthin setzte er den Menschen, den er gebildet hatte.
9. Jehova Gott ließ aus dem Erdboden alle Arten von Bäumen wachsen, die schön anzusehen waren und gute Früchte trugen. Er ließ auch den Baum des Lebens in der
Mitte des Gartens wachsen sowie den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.
10. Aus Ẹden kam ein Fluss, der den Garten bewässerte und sich dann in vier Flüsse teilte.
11. Der Name des ersten ist Pịschon. Er umfließt das ganze Land Hawịla, wo es Gold gibt.
12. Das Gold in diesem Land ist gut. Dort gibt es auch Bdẹlliumharz [Guggul (ook bedolah, bdellium of Indische mirre genoemd)] is een hars die afkomstig is uit de
schors van de balsemboom Commiphora wightii. Spindales) und Ọnyx.
13. Der Name des zweiten Flusses ist Gịhon. Er umfließt das ganze Land Kusch.
14. Der dritte Fluss heißt Hịddekel und fließt östlich von Assyrien. Und der vierte Fluss ist der Euphrat.
15. Jehova Gott nahm den Menschen und ließ ihn im Garten Ẹden wohnen. Er sollte ihn bebauen und pflegen.
[Etty Hillesum]
Schrieb angesichts des Holocaust in ihr Tagebuch:
"Mit fast jedem Herzschlag wird mir klarer, dass du uns nicht helfen kannst, Gott, sondern dass wir dir helfen müssen und deinen Wohnsitz in unserem Inneren
bis zum Letzten verteidigen müssen."
[Kilian Trotier/ZEIT-ONLINE]
Jezus: Der Herausforderer
Seine Ideen sind radikal, sein Anspruch ist enorm. Aber genau das gilt auch für seine Liebe. Deshalb kann ich ohne Jesus nicht sein.
Zu einem Vorbild schaut man auf. Das mache ich, seit ich ein Kind bin. Ich wuchs in einem kleinen Ort im Sauerland auf. Eine riesige katholische Kirche, hoch
aufragende Neugotik, das ist meine Heimat. Acht Jahre lang war ich Messdiener, trug Kerzen, schwenkte das Weihrauchfass, kniete während der Eucharistiefeier
am Altar, und immer, wenn ich nach oben blickte, sah ich ihn: seinen geschundenen Körper, sein zerfurchtes Gesicht, seinen leeren Blick. Die Rippen sprangen ihm
aus dem abgemagerten Leib: Jesus, der Retter der Welt, gemartert am Kreuz.
Was für eine unglaubliche Geschichte! Was für ein Anspruch für jeden, der dem Sohn Gottes nachfolgen will! Und das wollte ich. Ich war doch Christ. Und bin
es noch immer.
Jeden Sonntag gingen wir in die Kirche, meine Eltern, meine Schwester und ich. Als mein Vater zum Ständigen Diakon geweiht wurde, war ich elf.
An Fronleichnam zogen wir hinter der Monstranz durch die Straßen, wir sangen und beteten. Zu Weihnachten spielten wir Kinder im Gottesdienst die Weihnachtsgeschichte nach. Ich hörte die Geschichten aus der Bibel und lernte Jesus kennen. Als Kind verstand ich: Dieser Mann beschützt mich, ihm kann ich mich anvertrauen, bei ihm kann
mir nichts passieren. Ich lernte aber auch: Dieser Mann will etwas von mir, er verlangt, dass ich für andere da bin, meinen Nächsten liebe und sogar meinen Feind.
Als kleiner Junge fand ich das nicht so schwierig. Feinde hatte ich nicht, und meine Nächsten bestanden aus Familie und Freunden. Das war zu schaffen.
Als ich erwachsen wurde, stellte ich fest: Das Leben mit meinem Vorbild wird komplizierter. Warum lässt Gott Menschen elend sterben? Warum tut er nichts gegen all
die Schrecken auf der Welt? Unfassbar! Ich wurde traurig, manchmal wütend – und ich begann zu zweifeln.
Es gab Tage, an denen ich gar nicht mehr glauben wollte. Zu grausam war, was geschah. Aber ich konnte auch nicht aufhören zu hoffen. Kann es nicht sein, dass wir
Menschen den freien Willen missbrauchen, den Gott uns geschenkt hat? Dass wir den Willen nutzen, um anderen zu schaden? Und ist es nicht Jesus, der mir als Einziger allumfassenden Halt schenkt? Nein, Jesus ging nicht fort. Er gehörte weiter zu mir. Mit ihm rang, zu ihm betete ich.
Ich suchte nach Antworten: Wie will ich leben? Wer leitet mich? Ich fand Antworten dort, wo ich im Innersten berührt wurde, bei Jesus. Wenn Gott ihn auf die Erde
geschickt hat, um die Menschheit zu retten, dann auch, um mich zu retten. Das ist, so formulierte es später mein Professor im Theologiestudium, die "positive Hypothese des Lebens". Ich glaube, also sehe ich einen tiefen Sinn in den Dingen. Ohne Jesus gäbe es für mich keine Idee von Gerechtigkeit und keine Zukunft. Ohne ihn erschiene mir alles schal und vordergründig. Ohne ihn, das spürte ich, kann ich nicht sein.
Es gab nicht diesen einen Moment, in dem ich beschloss, Jesus zum Vorbild zu nehmen. Er wurde es, weil ich mich nach ihm ausrichtete. Weil ich leben wollte, was er predigte: Keine Gewalt. Anderen Menschen etwas geben und nichts dafür verlangen. Mich selbst nicht so wichtig nehmen. Auf Gott hören, mit ihm sprechen, ihn bitten.
Ich fand meinen Frieden im stillen Gespräch mit Jesus. Aber ich muss zugeben: Das ist nur die eine Seite. Denn mein Vorbild gibt mir nicht nur viel. Es verlangt auch eine Menge von mir – wesentlich mehr, als ich mir früher vorstellte.
Dieser Jesus ist ein echter Klotz am Bein!
Der Jesus, den ich in der Bibel fand, ist kein entrückter Gottessohn, der über den Dingen schwebt. Dieser Jesus ist ein Mensch, der lebt und liebt, enttäuscht ist und
wütet, einer, der lehrt und belehrt – und manchmal auch einer, der aus Angst zu seinem Gott hinaufschreit. Einer, der mich aufwühlt.
Es gibt Erzählungen über ihn, die mich glücklich machen: wenn Jesus die Ordnung der Welt durcheinanderwirbelt und nicht die Ungerechtigkeit siegt, sondern die Gerechtigkeit. Es gibt auch Erzählungen, die mich stärken: wenn Jesus sanft zu seinen Jüngern ist und freundlich zu den Menschen, die ihn umgeben.
Dann fühle ich mich ihm nahe.
Und gibt es solche Passagen wie im Evangelium nach Lukas: "In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Man wird euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch fest vor, nicht im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen."
Ich lese das, und es schaudert mich. Ich sitze da, starre auf mein iPhone – ja, ich lese das Evangelium meist in einer App –, und ich werde herausgeschleudert aus allen Alltagsgedanken: Was kauf ich zum Essen, Chili kann ich nicht schon wieder machen ... Zuerst die Wäsche aufhängen oder erst staubsaugen? ... Und ich will unbedingt noch Oma anrufen, aber wann?
In diese Gedanken bricht Jesus mit Gewalt ein, seine Forderungen sind brutal: Gehasst werden. Sehen, wie Familienmitglieder ausgeliefert und getötet werden. Selbst verraten werden, von Menschen, denen ich vertraue. Ich weiß: In diese Lage sind andere schon gekommen. Was, wenn es auch mir widerfährt? Kann ich da standhaft bleiben? Würde ich das in einer solchen Drucksituation schaffen? Ich fürchte: nein. Weil es eine verdammte Überforderung ist!
Andererseits denke ich: Wachsen kann ich nur an dem, was unerreichbar erscheint. Am Extremen. Am Existenziellen. Die Überforderung macht mich wach, zeigt mir, was wichtig ist. Sie macht mich lebendig.
So bin ich in meinen Gedanken ständig im Kontakt mit einem Gegenüber. Es ist ein permanentes Nach-außen-Schauen, ein Nicht-Verharren im Eigenen, den Blick stets auf den anderen gerichtet, den Blick auch auf den, der auf andere geblickt hat: Jesus.
Jetzt könnte man einwenden: Dieser Jesus ist ein echter Klotz am Bein! Aus den Christen kann nichts werden, sie können nie frei leben, sich nie ganz hingeben!
Der Philosoph Friedrich Nietzsche (ein Pfarrerssohn) hat solche Gedanken in furiose Worte verpackt: Kein vollendeter Rausch! Kein Handeln ohne hehre Hintergedanken! Kein dionysischer Moment!
Meine Erfahrung ist eine andere. Ja, ich bin abhängig. Und das auch noch von jemandem, der mich überfordert. Dem ich nicht entkomme, der mich einschränkt und in gewisser Weise kontrolliert. Es ist aber erst diese Abhängigkeit, die mir Freiheit schenkt von vielen Anforderungen der Gesellschaft. Es plagt mich nicht, wie viel Geld ich verdiene, wo ich wohne, wie supertoll erfüllend mein Job ist, ob ich großartig auftrete, ob ich jedem gefalle. Was mich ausmacht, ist allein die Antwort auf die Frage,
wie ich zu meinen Mitmenschen bin. Ob ich ihnen zum Segen werde.
Jesus dreht alle Vorzeichen um. Die Letzten werden die Ersten sein, den Armen und Einfältigen gehört das Himmelreich. Jeder kennt diese Sätze. Das macht sie nicht
weniger verrückt. Sie widersprechen jeder Logik der Macht und Gewalt, sie unterwandern diese Logik und zersetzen sie.
Deshalb glaube ich, dass ich ein wahrhaft menschliches Leben nur leben kann, wenn ich Jesus folge. Er schenkt mir Ruhe, indem er mich niemals in Ruhe lässt.
[Antonia Fuchs]
Pfingsten: Was Christen feiern und warum Jesus dabei nicht die Hauptrolle spielt
Aktualisiert am 28.05.2023, 11:12 Uhr
Pfingsten, Heiliger Geist
Das Mosaik im Portal des Berliner Doms zeigt die Taube als Symbol für den Heiligen Geist, ein weiteres Sinnbild ist Feuer. © imago images / epd/Norbert Neetz via
Kein anderes Hochfest der Kirche scheint so schwer begreifbar wie Pfingsten. Die Hauptfigur ist nicht Jesus, sondern der Heilige Geist. Ganz schön kompliziert – oder?
Eine Ordensschwester erklärt: Die Sache mit dem Heiligen Geist ist viel alltäglicher, als wir meinen. Und vor allem: eine wichtige Kraftquelle.
Wie war das noch? An Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt, an Ostern feiern Christen die Auferstehung, an Christi Himmelfahrt die Heimkehr zu seinem Vater.
10 Tage später: Pfingsten. Neben Weihnachten und Ostern ist es eines der drei wichtigsten Feste der Christen:
Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert. Daher kommt auch der Name, der auf das griechische Wort "Pentekoste" (der Fünfzigste) zurückgeht.
Laut Bibel ging an diesem Tag der Heilige Geist nieder auf die Anhänger und Anhängerinnen von Jesus (die Jünger sind mit Frauen aus seiner Anhängerschaft und Maria versammelt). Sie konnten plötzlich in verschiedenen Sprachen sprechen und werden von allen Menschen "aus allen Völkern unter dem Himmel" verstanden.
Deshalb ist auch vom "Pfingstwunder" die Rede und häufig von Pfingsten als "Geburtstag der Kirche": Es entsteht eine neue Einheit in seinem Geist, die christliche Botschaft wird in die ganze Welt getragen.
In der Bibel finden wir die Beschreibung, auf die das Pfingstfest zurückgeht, im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte:
"Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt und erfüllte das ganze Haus, in dem sie (die Jünger) waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab."
Nachdem Jesus zehn Tage zuvor die irdische Welt verlassen hatte, spielt also an Pfingsten der Heilige Geist die zentrale Rolle. Das klingt ziemlich abstrakt. Was hat es mit ihm auf sich? Theologisch gesprochen: Der Heilige Geist ist neben Gott und Jesus Christus die dritte Person der "Trinität", also der Dreifaltigkeit.
Heiliger Geist: "Viel alltäglicher, als viele denken"
So kompliziert sei das mit dem Heiligen Geist aber gar nicht, erklärt die Dominikanerin Schwester Ursula Hertewich OP vom Kloster Arenberg im Gespräch mit unserer Redaktion: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Menschen schon ihre Erfahrungen mit ihm gemacht haben."
Einerseits sei der Heilige Geist das "ausführende Organ Gottes in dieser Welt". Er bedinge nicht nur die Geburt der Kirche und schaffe ihre Gemeinschaft. Bereits bei der Schöpfung sei er dem Glauben nach tätig. Er bewirke die Heilungen durch Jesus und mache seine Anwesenheit etwa in den Sakramenten erfahrbar, er wirke bei jeder Offenbarung und in jedem Glaubenserlebnis.
Doch Begegnungen mit dem Heiligen Geist seien noch viel alltäglicher, sagt Sr. Ursula und nennt ein Beispiel: "Wir grübeln über etwas und wissen nicht weiter – plötzlich geht uns im wahrsten Sinne ein Licht auf und alles wird klar. Der Ein-Fall ist da, die Antwort, wie es nun weitergeht."
Sie bete im Alltag oft bewusst zum Heiligen Geist anstatt zu Jesus oder Gott: "Um Klarheit zu gewinnen, um Zusammenhänge zu erkennen. Ich erbitte seine Hilfe vor jedem einzelnen Gespräch – gerade wenn es stressig ist, gerade mitten im Gewühl: Ich bete darum, dass es eine gute Begegnung wird und ich die richtigen Worte finde."
Taube, Wind, Feuer: Viele verschiedene Symbole für Heiligen Geist
Die Sinnbilder für den Heiligen Geist unterscheiden sich im christlichen Glauben stark. Zu ihnen zählen:
Wolke
Feuer
Licht
Wind
Taube
Für Schwester Ursula ist das Feuer als Symbol am treffendsten: "Weil es so schön zeigt, wie er uns in Flammen aufgehen lassen kann. Ich kann in einem tollen Konzert sitzen, aber nichts geschieht mit mir. Oder ich kann gepackt werden, ich bin Feuer und Flamme. Eine solche Erfahrung, die mich ganz und gar durchwirkt, kann lebensverändernd sein." Menschen, die für etwas brennen, seien von solch einer Kraft erfüllt: "Ob es nun in der Kirche ist, in der Flüchtlingshilfe oder anderen Lebensbereichen: Sie agieren kraftvoll und reißen andere mit."
Was hat Jesus zwischen Auferstehung und Himmelfahrt gemacht?
Gebet als Psychohygiene in schwierigen Zeiten
So wie diese positive Kraft kenne jeder aber auch diese ganz anderen Kräfte in sich: "Die, die uns klein halten, uns runterziehen, unsere Ängste, unsere Gefühle des Nicht-Genügens." Gerade in schwierigen Zeiten lauerten diese Gegenkräfte in uns: "Sie sind für mich das Gegenteil vom Heiligen Geist: Er fordert heraus, er befähigt aber auch.
Er macht uns stark, wenn er in uns wirkt, und stellt uns auf die Füße."
Die Verhaltenstherapie kenne viele Methoden, um zu solch einer positiveren Grundeinstellung zu gelangen. Für Sr. Ursula ist aber das Gebet, die Bitte um Erkenntnis die helfende Instanz: "Es überfordert uns schnell, wenn wir meinen, wir müssten uns selber immer aus dem Sumpf ziehen. Auch positive Gedanken helfen nur bedingt, da kommt man schnell an seine Grenzen." Die Stütze sei für sie der Glaube: "Ich muss mich nicht selber retten. Doch ich muss den Raum dafür geben, für das Wirken des Heiligen Geistes."
Schwester Ursula Hertewich OP
Sr. Ursula Hertewich OP ist promovierte Pharmazeutin. Vor 15 Jahren trat die 45-Jährige ins Kloster ein. © imago/Horst Galuschka
Ihre konkrete Empfehlung dafür: Beispielsweise "Momente der Wahrnehmung" im Alltag zu schaffen. "Mir wurde einmal geraten, mich fünfmal am Tag zu fragen:
Wie geht es mir eigentlich gerade? Das dauert ungefähr eine Minute. Welche Gedanken und Gefühle sind in mir, was davon schadet mir? Kann ich vielleicht gerade
einfach dankbar sein, weil ich für etwas brenne und glücklich bin?"
Durch dieses tägliche Training habe sie gelernt, brenzlige Momente früh zu erkennen: "Wenn ich merke: Jetzt ist es wieder so weit, ich rutsche in ein bestimmtes Fahrwasser,
in eine Denkspirale, dann fange ich an zu beten. Genau in den Momenten, in denen ich auf 180 bin: Kurz einmal Stopp sagen, sich dem Himmel öffnen, Weite schaffen und sich fragen, kann ich vielleicht auch mal anders agieren?"
So sei das Gebet für sie auch eine Art der Psychohygiene: "Glaube und Heiliger Geist sind alles andere als eine Parallelwelt, sondern für Gläubige im Alltag extrem wichtig. Sie geben Halt."
Einfach erklärt: Das Sprachenwunder im Pfingstereignis
Als weiteres Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes nennt sie zwischenmenschliche Beziehungen: "Wir kennen alle auch die Situation von verhärteten Fronten selbst
da, wo Menschen eigentlich keinen Streit wollen. Manchmal ist es ein Fünkchen, das dann noch eine Lösung ermöglicht, wo es undenkbar schien. Auch das ist Wirken des Heiligen Geistes, der Himmel und Erde, aber auch Menschen miteinander verbindet: die Liebe Gottes, die in der Welt wirkt."
Dazu passt, dass die Jünger laut Bibel plötzlich in mehreren Sprachen sprechen. Ein geradezu multikulturelles Ereignis wird da geschildert, bei dem urplötzlich eine neue Einheit entsteht: "Erst meinen die Zuhörer, die Apostel seien 'vom süßen Wein betrunken'", gibt Sr. Ursula wieder, "dann wird klar: Wir verstehen einander, egal wo wir herkommen, und zwar auf einer viel tieferen Ebene. Jeder kapiert‘s, so universell ist die Botschaft Gottes."
Wir im Heute: Sprachverwirrung oder Einheit?
Blicke man auf die Geschehnisse der Welt, sehe man, wie notwendig eine solche tiefe Einheit unter den Menschen wäre: "Stattdessen sind Mauern da, die jedes Verstehen verhindern." Sie zieht zum Vergleich eine Bibelstelle aus dem Alten Testament heran: die "Sprachverwirrung" beim Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9). "Die gemeinsame Sprache hatte die Menschen zu Hochmut verführt, sie wollten sich Gott gleichmachen. Gott ruft schließlich die Sprachverwirrung hervor, das heißt, die Menschen können sich nicht mehr verständigen - und ihr Turmbau scheitert."
Der Gegenpol dazu sei das Pfingstwunder, in dem alles wieder zu einer Einheit verheile: "Nach Tod und Auferstehung sind die Jünger demütig geworden. Sie waren gefallen, dachten, es sei alles verspielt und vorbei, sie wissen um ihre Grenzen. Da setzt Gott einen neuen Anfang. Sie verstehen die Botschaft der Auferstehung und tragen sie in die Welt. Das ist ein extrem starkes Bild. Es entsteht unter den Anhängern ein innerer Zusammenhalt, aber keine Einheit des Hochmuts. Das wird die Stärke der Menschen."
Von beiden – Turmbau und Pfingstwunder – sieht sie Tendenzen in der heutigen Zeit: "Wir sind einerseits extrem hochmütig geworden." Wo Menschen, Länder und Gesellschaften sich wie Gott, wie Alleinherrscher aufspielten, würden sie durch tiefe Barrieren getrennt. Die Einheit aber, das Verbindende sei die widerstreitende, heilende Kraft dagegen: "Es wird immer Menschen geben, die demütig bleiben, die an einem Strang ziehen und sich für Friede und Versöhnung einsetzen und die die Welt mit viel Kreativität zum Guten verändern."
Zur Person: Die Dominikanerin Sr. Ursula M. Hertewich OP, 1975 im Saarland geboren, ist promovierte Pharmazeutin. 2003 war sie zu Besuch im Kloster Arenberg, zu dem auch ein Gästehaus samt Vitalzentrum gehört, und fand dort ihre Berufung. 2006 trat sie ins Kloster ein. Seit ihrer Ewigen Profess 2013 ist Sr. Ursula unter anderem für Seelsorge und die Ausbildung junger Schwestern zuständig. Immer wieder ist sie in Talkshows zu Gast und hält Vorträge etwa zum Thema Heilkräuter, über das sie auch ein Buch mitverfasst hat.
[Interview: Tobias Eßer]
Maria Kubin, die erste
alt-katholische Bischöfin der Welt
Der Gesprächspartner muss auf jede
unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und
kann sie autorisieren.
Die alt-katholische Bischöfin
Maria Kubin: Die 58-Jährige will, dass die Kirche zentrale Fragen des Glaubens
neu stellt.
Die alt-katholische Kirche macht
so einiges anders. 1870 spaltete sie sich von der römisch-katholischen Kirche
ab, nachdem beim Ersten Vatikanischen Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes in
Glaubens- und Moralfragen beschlossen worden war. Diejenigen Christen, die das
neue Dogma ablehnten, wurden aus der Kirche ausgeschlossen – und nannten sich
fortan in Anlehnung an die Alte Kirche, also die ersten christlichen
Kirchengemeinden, alt-katholisch. Damit wollten sie ihre Abgrenzung zur
"neuen" römisch-katholischen Kirche zeigen.
Mittlerweile hat die Kirche etwa
70.000 Mitglieder in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Tschechien, Polen
und den Niederlanden. Die Alt-Katholiken brechen mit vielen Traditionen der
römisch-katholischen Kirchen. So gibt es in der alt-katholischen Kirche etwa
kein Zölibat – und seit rund 20 Jahren können sich auch Frauen zu Priesterinnen
weihen lassen.
Im Juni folgte die nächste
Revolution: Österreich bekam die erste alt-katholische Bischöfin. Maria Kubin
steht künftig etwa 8.000 Alt-Katholiken in Österreich vor. Wie die Reaktionen
auf ihre Wahl zur Bischöfin ausfielen und was Kubin in ihrer Amtszeit erreichen
will, hat sie im Interview mit t-online erzählt.
T-online: Frau Bischöfin Kubin,
für viele Menschen mag eine Frau in einem Weihberuf untypisch sein. Wie
reagieren Menschen, wenn Sie ihnen von Ihrer Arbeit erzählen?
Maria Kubin: Die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, sind sehr positiv von meinem Beruf angetan. Sie empfinden es als Signal, dass sich in der Kirche
endlich mal was tut.
T-online: Welches Signal hat Ihre
Wahl gesendet?
Ich glaube, es geht da viel um das Gefühl, dass Frauen innerhalb der alt-katholischen Kirche nach vorne kommen können. Es wäre gut, wenn das nicht nur bei uns, sondern auch in der römisch-katholischen Kirche passieren könnte. Frauen wollen in der Kirche nicht nur in der Bank sitzen oder die Blumen gießen. Sie wollen gestalten.
Aus diesem Grund habe ich viel
positive Rückmeldungen auf meine Wahl bekommen.
T-online: Maria Kubin wurde 1966 in Wien geboren. In ihrer Gemeinde bekleidete sie nahezu jedes Amt, das es dort gibt: Sie wirkte als Lektorin, Kommunionspenderin, Kantorin, in der Sakramentenvorbereitung, hielt Meditationskurse und Exerzitien. 2008 konvertierte sie zur alt-katholischen Kirche. In Graz studierte sie Theologie und
schloss das Studium als Magister ab. Anschließend studierte sie alt-katholische und ökumenische Theologie an der Universität Bonn. 2017 wurde sie zur Diakonin,
2019 zur Priesterin geweiht. Am 23. Juni 2023 erfolgte schließlich die Weihe zur Bischöfin von Österreich in Wien. In ihrem neuen Amt steht sie den etwa 8.600
Alt-Katholiken in Österreich vor.
T-online: Gab es auch negative
Reaktionen?
Persönlich nicht. Allerdings gab es natürlich Kommentare auf Facebook, aber das wundert mich nicht. Da fühlen sich insbesondere Konservative angegriffen, weil sie das Gefühl haben, dass durch die Wahl einer Frau zur Bischöfin etwas Heiliges ins Wanken gerät. Diese Abwehrhaltung finde ich nachvollziehbar. Ich hoffe aber, dass auch
diese Menschen im Laufe der Zeit
begreifen können, dass durch diese Wahl nichts Heiliges beschädigt wird.
Sie sind in der römisch-katholischen Kirche aufgewachsen und dann später zu den Alt-Katholiken gewechselt. Hatten Sie dort das Gefühl, es als Frau schwerer zu haben
als Ihre männlichen Kollegen?
Das kann ich nicht genau sagen, ich weiß ja nicht, wie es den Männern geht. Ich habe meinen Weg in der Kirche nie als besonders schwer empfunden. Allerdings hatte
ich in manchen Situationen das Gefühl, nicht zu den anderen Priestern dazuzugehören. Das liegt auch an meiner Biografie. Ich bin ja erst seit vier Jahren Priesterin.
Viele alt-katholische Priester
sind auch aus der römisch-katholischen Kirche konvertiert und waren dort schon
Priester oder zumindest Priesteramtsanwärter oder in einem Kloster. Diese
Erfahrungen fehlen mir.
T-online: Was hat Sie denn 2008
dazu bewogen, in die alt-katholische Kirche einzutreten?
Ich war auf der Suche, weil ich
mich innerlich von der römisch-katholischen Kirche distanziert hatte – und auch
von deren Kirchenverfassung und Hierarchie.
Im Vergleich dazu hat mir die
alt-katholische Kirche einfach besser gefallen. Das Gemeinsame, das
Auf-Augenhöhe-Sein ist etwas, was mich angesprochen hat und bis heute
anspricht. Dazu kommen die alt-katholischen Werte: Offenheit, die
Gleichberechtigung auf allen Ebenen.
T-online: Innerhalb der Utrechter
Union, also der Gemeinschaft aller alt-katholischen Kirchen in Europa, sind Sie
die erste Bischöfin. Deshalb gab es einen gewissen Medienrummel um Sie. Wie
finden Sie das?
Zum Glück habe ich kein Problem
damit, auch mal im Rampenlicht zu stehen. Aber das Interesse der Medien zeigt,
dass eine Frau auf meiner Position einfach mal notwendig war und wie dringend
man darauf gewartet hat, dass das endlich mal passiert. Ich persönlich finde es
schön, dass es so viel positive Rückmeldung auf und viel Aufmerksamkeit für
meine Wahl gibt. Und auch für unsere Kirche ist es gut, weil sie dadurch etwas
bekannter wird.
T-online: Empfinden Sie Ihre Rolle
als Bischöfin als Chance, sowohl für die Kirche als auch für alt-katholische
Frauen?
Meine Rolle sehe ich natürlich als
Vorbild für Frauen, ihrer Berufung zum Weiheamt zu trauen. Ich habe mich schon
lange berufen gefühlt, und in der römisch-katholischen Kirche gab es einfach
keine Möglichkeit, mich dahingehend weiterzuentwickeln. Ich habe dort eh alle
Ämter ausgeübt, die man als Frau in der römisch-katholischen Kirche ausüben
kann. Aber das war noch nicht das Richtige, noch nicht meine Berufung.
T-online: Frauen im Priesteramt
sind in der alt-katholischen Kirche keine Seltenheit. Trotzdem gelten
Priesterinnen immer noch als etwas Besonderes. Warum ist das so?
Die Frauenordination gibt es in
der Utrechter Union erst seit etwas mehr als 20 Jahren. Und sicherlich fühlen
sich auch viele Theologinnen berufen, ein Weiheamt auszuüben – denen es bis
jetzt aber noch an den Chancen oder am Mut gefehlt hat. Und dann ist es halt
so, dass man sich als Frau trauen muss, bei den "großen Buben"
mitzuspielen, also sich in der männlich dominierten Welt einen Platz zu
erobern. Das gilt allerdings nicht nur für die Kirche, sondern für alle
Lebenslagen. Ich möchte mit meinem Beispiel weitere Frauen dazu ermutigen,
ihren Weg in der Kirche zu gehen, sodass meine Nachfolgerin auch wieder eine
Frau wird – oder zumindest eine Frau bei der nächsten Wahl als Kandidatin
antritt.
T-online: Übernimmt die
alt-katholische Kirche mit ihrem Frauenbild eine Vorbildrolle für andere
Konfessionen?
Natürlich haben wir es als kleine
Kirche viel einfacher damit, einfach mal Dinge auszuprobieren. In diesem Sinne
kann man die römisch-katholische Kirche mit einem großen Kreuzfahrtschiff
vergleichen, wo man jede Bewegung genau planen muss und das teilweise sehr
schwerfällig ist. Die alt-katholische Kirche ist dagegen eher ein kleines
Motorboot, das sich schnell nach links und rechts bewegen kann und eventuelle
Fehler schnell ausgleicht.
Um die Frauenordination oder um
Sachen wie die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gab es ja auch hitzige
Diskussionen in unserer anglikanischen Partnerkirche, die ähnlich wie die
römisch-katholische Kirche weltumspannend ist. Die römisch-katholische Kirche
neigt eher dazu, Neues zu verbieten. Die Anglikaner probieren neue Dinge eher
aus. Und wir als Alt-Katholiken können eben schneller zurückrudern als die
großen Kirchen. Also haben wir schon eine Vorbildfunktion.
T-online: Glauben Sie, dass sich
die Kirche ständig neu erfinden muss, um in einer zunehmend säkularen
Gesellschaft relevant zu bleiben?
Gott sei Dank muss sich die Kirche
nicht neu erfinden. Aber sie muss lernen, Fragen neu zu stellen und auf alte
Fragen neue Antworten zu finden. Die Kirchen sind ja Institutionen, die
letztendlich versuchen, ihre Interpretation von Gottes Auftrag zu leben.
Deshalb müssen wir die Kirche an sich nicht neu erfinden – aber sicherlich die
Art und Weise, wie wir auf aktuelle Situationen reagieren.
T-online: Danke für das Gespräch!